Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 54/99

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2000, Az.: 32 W (pat) 54/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt ist die Marke

"Cineart"

für

"Unterhaltung; Betrieb von Kinos"

unter der Nummer 396 36 863 als Wortmarke eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke 2 077 092

"CineCharts"

die Schutz genießt ua für

"Filmproduktion".

Mit Beschluß vom 7. September 1998 hat die Markenstelle für Klasse 41 - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angegriffene Kennzeichnung "Cineart" sei mit der prioritätsälteren Marke "CineCharts" nicht verwechselbar im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Es sei bereits fraglich, ob die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen zumindest teilweise in einem markenrechtlich relevanten Ähnlichkeitsbereich lägen mit der Folge, daß hohe Anforderungen an den Abstand zwischen den Vergleichsmarken zu stellen seien. Dies könne jedoch dahinstehen, da beide Marken selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe ausreichend unterschiedlich seien. "Cineart" bilde einen einheitlichen Begriff, dessen Sinngehalt "Filmkunst" sich dem inländischen Publikum ohne weiteres erschließe, da es sich bei den beiden englischen Wörtern "cine" und "art" um Begriffe des englischen Grundwortschatzes handle. Bei "CineCharts" handle es sich um eine prägnante, einheitliche Bezeichnung, deren einzelne Wortbestandteile nicht beziehungslos nebeneinander stünden, sondern für die beteiligten Verkehrskreise ohne weitere Gedankenarbeit den Gesamtbegriff "Filmcharts" bildeten. Die bestehenden Unterschiede in klanglicher sowie in optischer Hinsicht seien so prägnant, daß die Gefahr von Verwechslungen ausgeschlossen werden könnte. Zudem wiesen beide Zeichen einen griffigen Sinngehalt auf, den der angesprochene Verkehr ohne weiteres erkennen und erinnern werde.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. September 1998 aufzuheben und die angegeriffene Marke zu löschen.

Die Widersprechende trägt zur Begründung vor, die sich gegenüberstehenden Marken "CineCharts" und "Cineart" erfaßten im engsten Ähnlichkeitsbereich befindliche Dienstleistungen. "Cineart" erfasse die Dienstleistungen "Unterhaltung; Betrieb von Kinos", die Widerspruchsmarke "CineCharts" genieße Schutz unter anderem für "Filmproduktion". Zudem wiesen die sich gegenüberstehenden Zeichen eine erhebliche klangliche Ähnlichkeit auf. In Silbenzahl, Vokalfolge und Betonung seien sie identisch. Die Widerspruchsmarke zeichne sich nur dadurch aus, daß zwischen das "e" von "Cine" und das "a" von "art" noch die Buchstaben "Ch" geschoben seien. Das End "s" verliere an Bedeutung, zumal die Widersprechende die Bezeichnung "CineCharts" im Verkehr in erheblichem Umfang in der Form von "CineChart" benutze (als Anlage wird ein Internetauszug vorgelegt). Auch eine inhaltliche Verwechslungsgefahr sei gegeben. Daß dem Großteil der Bevölkerung die Bezeichnung "art" für "Kunst" und "Charts" für "Hitliste" bekannt sei, könne nicht angenommen werden, da es sich nicht um solch allgemeine Begriffe der englischen Sprache handle, die der Großteil der deutschen Bevölkerung sofort erkenne (vgl BPatG GRUR 1996, 414, 416 "Dragon/Raccon").

Die Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt, sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert und ist auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der Amtsakte der Marke 396 36 863.8 Bezug genommen.

II Die form- und fristgerecht eingelegte statthafte Beschwerde (§ 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG) ist auch im übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die sich gegenüberstehenden Marken einander nicht verwechselbar ähnlich im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG sind.

Nach der Auslegung des Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe B Markenrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR Int 1998, 56, 57 "Sabel/Puma"), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Absatz 1 Nr 3 Markengesetz von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hier kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (BGH GRUR 1996, 198 "Springende Raubkatze", BGHZ 1931, 122, 124 f "Innovadiclophlont"). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und der Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 "Canon"; BGH Mitt 1999, 274 f "MONOFLAM/POLYFLAM"). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr gegeben.

Der Begriff der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, aaO "Canon") und des Bundesgerichtshofs (BGH WRP 1998, 747, 749 "Garibaldi") im Hinblick auf den Zweck des Markenschutzes, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten, auszulegen.

Nach diesen Grundsätzen liegen die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen im engsten Ähnlichkeitsbereich oder sind zum Teil identisch, was wegen der Eindeutigkeit vertiefter Darlegung nicht bedarf. Um eine Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden, ist deshalb ein erheblicher Abstand der Marken erforderlich (BGH GRUR 1995, 216, 219 Oxygenol II). Diesen Anforderungen wird die angegriffene Marke gerecht.

Eine klangliche Verwechslungsgefahr scheidet aus. Zwar sind die Bestandteile "Cine" jeweils identisch, ebenfalls sind die Ausführungen der Widersprechenden, daß Vokal-, Silben- und Tonfolge der Marken identisch sind, zutreffend. Gleichwohl liegt eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht vor, weil "Cineart" erkennbar anders gesprochen wird als "CineCharts". Letztere endet mit einem stimmhaften Zahnlaut, dem "s", das wegen der Maßgeblichkeit der Registereintragung nicht zu vernachlässigen ist, und enthält in der Wortmitte den deutlich vernehmbaren Gaumenlaut "ch", der wie die klangstarken Konsonanten "tsch" gesprochen wird.

Dieser deutlich wahrnehmbare klangliche Unterschied wird durch die unterschiedlichen Begriffsgehalte beider Marken, die von der Markenstelle zutreffend wiedergegeben sind, verstärkt. "Cineart" ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres als "Filmkunst" zu verstehen, während "Cinecharts" den Begriffsgehalt "FilmCharts" bilden.

Auch schriftbildlich besteht keine Gefahr, "Cineart" und "Cinecharts" zu verwechseln. "Cinecharts" vermittelt durch das "ch" in der Mitte des Wortes und den Buchstaben "s" am Wortende optisch einen umfangreicheren und andersartigen Eindruck als "Cineart". Diese optische Verschiedenartigkeit wird durch die oben genannten unterschiedlichen Begriffsinhalte verstärkt.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Kosten wird auf § 71 Abs 1 MarkenG verwiesen.

Dr. Fuchs-Wissemann Sekretaruk Klante Hu






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2000
Az: 32 W (pat) 54/99


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