Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 4. Mai 2006
Aktenzeichen: 1 K 9190/04

(VG Köln: Urteil v. 04.05.2006, Az.: 1 K 9190/04)

Tenor

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) wird insoweit aufgehoben, als der Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu anderen Óbertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Geneh-migungspflicht unterlegen haben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der Deutschen Bundespost bzw. der Deutschen Bundespost Telekom und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen. Mit Bescheid vom 22.04.2003 (BK 2b 03/004) genehmigte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (heute: Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen) - Regulierungsbehörde - die Entgelte der Klägerin für digitale Standardfestverbindungen (SFV) und Carrierfestverbindungen (CFV), den Comfort-Service (dSFV) und die Expressentstörung (CFV) in im Einzelnen bezeichneter Höhe befristet bis zum 30.11.2004. Am 21.09.2004 beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbehörde

1. festzustellen, dass eine Genehmigungspflicht für die Entgelte für SFV und CFV sowie Comfort-Service und Expressentstörung zumindest bis zum Erlass einer Regulierungsverfügung nicht bestehe,

2. hilfsweise zu 1. eine Verlängerung der derzeit genehmigten Entgelte für SFV und CFV sowie Comfort-Service und Expressentstörung über den 30.11.2004 hinaus bis zum 31.03.2005 zu genehmigen.

3.

Zur Begründung des Antrages machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, seit Inkrafttreten des neuen TKG bestehe für die Entgelte für SFV und CFV keine ex- ante-Genehmigungspflicht mehr. Die Entgelte unterlägen vielmehr der expost- Regulierung nach §§ 39 Abs. 3 S. 1, 38 Abs. 1 S. 1 TKG, solange nicht die exante- Genehmigungspflicht von der Regulierungsbehörde in einer Regulierungsverfügung nach § 13 TKG angeordnet worden sei. Im Hinblick auf den Hilfsantrag machte die Klägerin geltend, es solle für SFV und CFV zum 31.03.2005 ein neues Preissystem eingeführt werden. Aus diesem Grunde sei zumindest eine Verlängerung der Entgeltgenehmigung bis zu diesem Zeitpunkt erforderlich.

Mit Bescheid vom 30.11.2004 gab die Regulierungsbehörde der Klägerin auf, anderen Unternehmen bis zum Erlass einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu denjenigen Übertragungswegen zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen haben. Die Entgelte für die o.g. Übertragungswege unterlägen daher auch weiterhin der Genehmigungspflicht (Ziffer 1). Darüber hinaus verlängerte die Regulierungsbehörde die mit Bescheid vom 22.04.2003 genehmigten Entgelte für digitale SFV/ CFV, für den Comfort-Service und die Express-Entstörung befristet bis zum 31.03.2005 (Ziffer 2). Zur Begründung führte die Regulierungsbehörde im Wesentlichen aus: Die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung für Mietleitungen finde ihre Rechtsgrundlage in §§ 12 Abs. 2 Nr. 4, 21 Abs. 1, 150 Abs. 1 TKG. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die die getroffene Maßnahme ohne Durchführung eines Konsolidierungs- und Konsultationsverfahrens geboten erscheinen ließen, um den Wettbewerb und Nutzerinteressen zu schützen. Da die Genehmigungspflicht der Entgelte für Übertragungswege nach § 25 Abs. 1 TKG a.F. nach der Rechtsprechung des VG Köln nicht fortgelte, sei es sachlich gerechtfertigt, der Klägerin insoweit eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG aufzuerlegen, um auch nach neuem Recht eine exante-Genehmigungspflicht der Entgelte für Mietleitungen zu begründen. Die Klägerin sei wegen der im Bescheid vom 22.04.2003 getroffenen, über § 150 TKG fortgeltenden Feststellungen zur Marktbeherrschung für das Angebot von Übertragungswegen als Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht anzusehen. Die Auferlegung der Zugangsverpflichtung bereits vor Erlass einer Regulierungsverfügung sei erforderlich, weil die Überlassung von Mietleitungen eine Vorleistung für den Netzauf- und -ausbau von Wettbewerbern der Klägerin sei. Die Zugangsverpflichtung diene daher der Sicherung des Wettbewerbs. Der Klägerin entstünden durch die Zugangsverpflichtung keine unzumutbaren Nachteile, da sie auch bislang in der Lage gewesen sei, ausreichende Mietleitungskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Eine Beeinträchtigung gewerblicher Schutzrechte oder von Rechten an geistigem Eigentum sei nicht ersichtlich. Die Nachteile für die Wettbewerber im Falle des Unterbleibens der Maßnahme wögen deshalb schwerer als die der Klägerin durch die Auferlegung der Zugangsverpflichtung entstehenden Nachteile. Auf den Hilfsantrag der Klägerin sei die bis zum 30.11.2004 befristete Entgeltgenehmigung gemäß §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 TKG um vier Monate verlängert worden, da sich die zugrunde liegende Sachlage nicht wesentlich verändert habe.

Am 29.12.2004 hat die Klägerin gegen die Regelung in Ziffer 1 des Bescheides die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss vom 02.02.2005 hat die Kammer auf Antrag der Klägerin im Verfahren 1 L 3522/04 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Die Klägerin trägt vor:

Die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung für SFV und CFV sei rechtswidrig. § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG gestatte lediglich, bei Vorliegen der hierin näher genannten Voraussetzungen von der vorherigen Durchführung des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens abzusehen. Eine Befugnis zum Erlass vorläufiger Maßnahmen vor Abschluss des Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens nach §§ 10,11 TKG sei damit nicht begründet.

Im Übrigen hätten auch keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen, die die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung dringend hätten geboten erscheinen lassen. Dass die Wettbewerber auf die Mietleitungen der Klägerin angewiesen seien, mache die Begründung der Zugangsverpflichtung keineswegs dringend bzw. eilbedürftig. Hiervon hätte nur dann ausgegangen werden können, wenn zu befürchten gewesen sei, dass die Klägerin in naher Zukunft ihren Wettbewerbern keine SFV oder CFV mehr zur Verfügung stelle. Dies sei indes nicht der Fall. Auch die Befürchtung, dass die Klägerin im Falle einer expost-Regulierung die Preise für SFV und CFV erhöhen könnte, begründeten keine Dringlichkeit der Zugangsverpflichtung, da angesichts der von der Klägerin hilfsweise beantragten Verlängerung der bisher genehmigten Entgelte keine Anhaltspunkte für einen Versuch der Klägerin gesprochen hätten, kurzfristig höhere Preise durchzusetzen. Im Übrigen sei der Erhöhungsspielraum der Klägerin auch im Falle der expost-Regulierung nicht unbegrenzt.

Ferner habe die Regulierungsbehörde das Übermaßverbot verletzt, indem sie eine Zugangsverpflichtung mit dem alleinigen Ziel begründet habe, eine Genehmigungspflicht der Entgelte für Leistungen zu begründen, deren Erbringung nie in Zweifel gestanden habe. Zur Erreichung des Regulierungszieles hätte sich die Regulierungsbehörde auf die Anordnung der Genehmigungspflicht beschränken können. Zudem habe die Regulierungsbehörde SFV in ihre Maßnahme einbezogen, obwohl diese Endkundenprodukte der Klägerin seien. Einer Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG dürften jedoch nur Vorleistungsprodukte unterworfen werden. Schließlich habe die Kammer in ihrem Beschluss vom 02.02.2005 im Verfahren 1 L 3522/04 zutreffend ausgeführt, dass die Regulierungsbehörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe, weil sie die in § 21 TKG geregelten Entscheidungsvoraussetzungen nicht beachtet habe.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) insoweit aufzuheben, als der Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu denjenigen Übertragungswegen zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen haben.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2005 hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen, als ihr durch die getroffene Regelung eine Zugangsverpflichtung für CFV von 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s auferlegt worden ist.

Sie beantragt nunmehr,

den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) insoweit aufzuheben, als der Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu anderen Übertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen haben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihr Vorbringen im Eilverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

Ziffer 1 des Bescheides der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 ist im noch angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die Regulierungsbehörde hat die Klägerin auf der Grundlage der §§ 12 Abs. 2 Nr. 4 und 21 TKG zu Unrecht verpflichtet, anderen Unternehmen Zugang zu anderen Übertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen haben.

Es liegen bereits die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG nicht vor, weil nicht ersichtlich ist, dass die hier allein noch umstrittene Verpflichtung der Klägerin, anderen Unternehmen Zugang zu digitalen SFV und zu CFV über 622 Mbit/s zu gewähren, dringend erforderlich war, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen. Für den Netzauf- und -ausbau sowie die Aufrechterhaltung ihres Netzbetriebes werden von den Wettbewerbern der Klägerin im Wesentlichen CFV in den Varianten 64 kBit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s benötigt, zu deren Bereitstellung sich die Klägerin im Übrigen zwischenzeitlich auch bereiterklärt hat. Es ist von der Beklagten weder im angefochtenen Bescheid noch in der mündlichen Verhandlung dargelegt worden und auch sonst nicht erkennbar, dass darüber hinaus gerade auch SFV mit technisch identischen bzw. vergleichbaren Leistungsmerkmalen und höherbitratige CFV (2,5 Gbit/s und mehr) dringend bereitgestellt werden mussten, um eine Aufrechterhaltung des Wettbewerbs sicherzustellen oder Nutzerinteressen zu schützen.

Darüber hinaus ist die angefochtene Entscheidung auch wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig. Die Kammer hat hierzu in ihrem Beschluss vom 02.02.2005 im Verfahren 1 L 3522/04 das Folgende ausgeführt:

"Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von der RegTP auf der Grundlage der §§ 12 Abs. 2 Nr.4 und 21 TKG ausgesprochene Verpflichtung der Antragstellerin, bis zum Erlass einer Regulierungsverfügung Zugang zu Übertragungswegen zu gewähren, deren Entgelte nach § 25 TKG (1996) genehmigungspflichtig waren, ermessensfehlerhaft ist. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG kann die Regulierungsbehörde, wenn sie bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände der Ansicht ist, dass dringend - ohne das Verfahren nach Absatz 1 und den Nummern 1 bis 3 einzuhalten - gehandelt werden muss, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die Nutzerinteressen zu schützen, umgehend angemessene vorläufige Maßnahmen erlassen. Die Vorschrift ermächtigt zum Erlass vorläufiger Maßnahmen, ohne das Verfahren nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 3 TKG durchzuführen. Sie dispensiert nach Auffassung der Kammer allerdings nicht von anderen gesetzlichen Vorgaben. Dies ergibt sich zunächst aus Wortlaut und Gesetzessystematik.

Die Vorschrift ist Teil des in Abschnitt 1, Teil 2 TKG geregelten Verfahrens der Marktregulierung, welches zunächst eine Marktdefinition und -analyse der Regulierungsbehörde nach §§ 10 und 11 TKG vorsieht und gegebenenfalls mit einer sog. Regulierungsverfügung endet, deren Inhalt Entscheidungen nach den §§ 18, 19, 20, 21, 30, 39, 40 oder 41 Abs. 1 TKG sein können (§ 13 Abs. 1 und 3 TKG). Dabei hat die Regulierungsbehörde den interessierten Parteien nach § 12 Abs. 1 TKG grundsätzlich Gelegenheit zu geben, zu dem Entwurf der Ergebnisse der Marktdefinition und -analyse nach §§ 10 und 11 TKG Stellung zu nehmen. Darüber hinaus ist unter den in §§ 10 Abs. 3 und 11 Abs. 3 TKG genannten Voraussetzungen das in § 12 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 TKG vorgesehene Konsultations- und Konsolidierungsverfahren mit der EU-Kommission und den anderen nationalen Regulierungsbehörden durchzuführen. Schließlich ist das Verfahren nach § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 TKG nach § 13 Abs. 1 S. 1 TKG entsprechend anwendbar, wenn die Regulierungsbehörde aufgrund einer Marktanalyse nach § 11 TKG eine Regulierungsverfügung (nach §§ 19, 20, 21 etc. TKG) erlässt, sofern die Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren nach § 12 TKG stets an eine vorausgegangene Marktdefinition und -analyse anknüpft. Wenn § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG gleichwohl nur von der Durchführung des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens befreit, kann dies allein dahingehend interpretiert werden, dass die Vorschrift nur von diesem Verfahren und nicht auch von sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen dispensiert. Dass diese aufgrund des Wortlauts und der Gesetzessystematik gewonnene Auslegung der Vorschrift auch mit der Gesetzesbegründung und Art. 7 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie in Einklang steht und Sinn und Zweck der dortigen Regelung entspricht, ist in der Antragsbegründung der Antragstellerin bereits zutreffend ausgeführt worden. Auf die entsprechenden Ausführungen kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

Soweit hieraus folgt, dass § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG das Vorliegen eines Entwurfs der Ergebnisse einer Marktdefinition bzw. Marktanalyse voraussetzt, spricht allerdings vieles dafür, dass dieser - vorliegend fehlende - Entwurf durch die inzidente Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin auf dem hier in Rede stehenden Mietleitungsmarkt im Bescheid der RegTP vom 22.04.2003 (BK 2b-03/004) substituiert wird, da diese gemäß § 150 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 TKG bis zu einer neuen Entscheidung nach Teil 2 des TKG wirksam bleibt, die vorliegend ersichtlich noch nicht ergangen ist. Soweit die Kammer in ihrem Beschluss vom 06.09.2004 im Verfahren 1 L 1832/04 das Wirksambleiben einer Entscheidung der RegTP gemäß § 150 Abs. 1 TKG verneint hat, betraf dies den Sonderfall einer deklaratorisch ergangenen Feststellung einer Genehmigungspflicht von Endnutzerentgelten nach § 25 Abs. 1 TKG (1996), welche nach neuem Recht nicht hätte "ersetzt" werden können. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

Dies alles bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, da die in Rede stehende Entscheidung jedenfalls an einem Ermessensfehler leidet. Wie bereits ausgeführt, befreit § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG lediglich von der Durchführung des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens, nicht dagegen von sonstigen gesetzlichen Vorgaben. Abgesehen vom Erfordernis eines Entwurfs der Ergebnisse einer Marktdefinition und - analyse ergeben sich weitere Entscheidungsvoraussetzungen aus den Vorschriften über die jeweilige Maßnahme, deren vorläufige Installierung die Regulierungsbehörde über § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG beabsichtigt. Da die RegTP vorliegend eine vorläufige Zugangsverpflichtung ausgesprochen hat, waren die in § 21 TKG geregelten Entscheidungsvoraussetzungen zu beachten. Hierzu gehört nach Abs. 1 der Vorschrift abgesehen vom Erfordernis einer beträchtlichen Marktmacht des Zugangsverpflichteten - die vorliegend durch die nach § 150 Abs. 1 S. 2 und S. 1 TKG wirksam gebliebene Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin im Bescheid der RegTP vom 22.04.2003 ersetzt werden könnte - insbesondere eine Abwägungsentscheidung, ob die Zugangsverpflichtung gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 TKG steht, wobei insbesondere weitere in § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 TKG aufgeführte Gesichtspunkte zwingend zu berücksichtigen sind.

Der angegriffene Bescheid enthält keine vollständige Prüfung der letztgenannten Gesichtspunkte. Zwar hat die RegTP im angefochtenen Bescheid zutreffend die Vorschrift des § 21 TKG herangezogen und auch Ausführungen zur sachlichen Rechtfertigung bzw. Angemessenheit der Auferlegung der Zugangsverpflichtung gemacht. Diese verhalten sich jedoch nur zu einem Teil der durch § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 TKG vorgegebenen Prüfungspunkte, nämlich zur Notwendigkeit der langfristigen Sicherung des Wettbewerbs, zur verfügbaren Mietleitungskapazität der Antragstellerin, zu fehlenden Investitionsrisiken sowie fehlender Beeinträchtigung gewerblicher Schutzrechte und Rechte an geistigem Eigentum (also zu den in Ziffer 2, 3, 4 und 5 aufgeführten Gesichtspunkten oder Teilen derselben). Ausführungen zu weiteren zwingend bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Anforderungen, insbesondere zu der in Nr. 7 geforderten Prüfung, ob bereits freiwillige Angebote am Markt, die von einem großen Teil des Marktes angenommen werden, zur Sicherstellung der in § 2 Abs. 2 TKG genannten Regulierungsziele ausreichen oder zu der in Ziffer 3 vorgesehenen Prüfung der Anfangsinvestitionen der Antragstellerin sind im Bescheid nicht enthalten.

Die geforderte vollständige Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 2 TKG war auch nicht entbehrlich, weil es sich vorliegend um eine vorläufige Maßnahme nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG handelt, da diese Vorschrift - wie ausgeführt - lediglich vom Konsultations- und Konsolidierungsverfahren befreit und nicht von der Einhaltung der sonstigen gesetzlichen Vorgaben dispensiert.

Hat die RegTP in der angefochtenen Entscheidung mithin nicht alle im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 21 Abs. 1 S. 2 TKG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte geprüft, ist die Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen."

An dieser Auffassung hält die Kammer weiter fest. Nach allem war der Klage - soweit sie von der Klägerin aufrechterhalten worden ist - stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht , §§ 135 S. 2 iVm 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 04.05.2006
Az: 1 K 9190/04


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