Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juli 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 212/01
(BPatG: Beschluss v. 30.07.2003, Az.: 29 W (pat) 212/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I Die Wortfolge Control + Rework Serviceist als Wortmarke für die Dienstleistung
"Nacharbeit in der Form von Materialbearbeitung, Reparaturwesen und Montage in der Automobilindustrie"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 6. September 2001 nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Wie von der Anmelderin selbst erläutert, bedeute der Begriff "Control + Rework Service", dass Materialteile auf Fehler geprüft und die fehlerhaften im Sinne einer Fehlerbehebung nachgearbeitet werden. Derartige beschreibende Begriffe müssten auch in einer fremden Sprache, insbesondere dem Englischen, frei verfügbar bleiben. Zudem seien die Begriffe "Control" und "Service" bereits in den deutschen Sprachschatz übergegangen und auch das Wort "Rework" werde in seiner beschreibenden Bedeutung vom inländischen Publikum ohne weiteres erfasst. Unerheblich sei, ob eine Wortkombination mehrdeutig sei oder nicht, da der beschreibende Gehalt derart im Vordergrund stehe, dass die übrigen Bedeutungen der Begriffe keine Rolle spielten. Die angemeldete Marke beschreibe in ihrer Gesamtheit lediglich den Inhalt der angebotenen Dienstleistungen. Von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION" unterscheide sie sich, weil dort ein beschreibender Inhalt nur für die Einzelwörter, nicht aber für das Gesamtzeichen festgestellt werden konnte.
Die Anmelderin hat gegen den Beschluss vom 6. September 2001 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis zu überwinden. Außerdem bezieht sie sich erneut auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Wortfolgen und insbesondere auf die Entscheidung zu "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION". Danach sei die Wortfolge in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zu Grunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen. Die angemeldete Marke sei ein Phantasiebegriff, der aus mehrdeutigen englisch anmutenden Wörtern zusammengesetzt sei und durch die Verwendung des mathematischen Verbindungszeichens die notwendige Originalität und Prägnanz aufweise. Der Begriff "Rework" existiere weder im englischen noch im deutschen Sprachgebrauch und werde daher von den maßgeblichen Verkehrskreisen in seiner Bedeutung nicht automatisch und eindeutig verstanden. Das Zeichen beschreibe nicht die Tätigkeit der Anmelderin, weshalb für die ungebräuchliche Bezeichnung auch kein Freihaltungsbedürfnis bestehe. Mitbewerber, insbesondere große Unternehmen, verwendeten für die beanspruchten Dienstleistungen andere Begriffe, wie z.B. "European Service Provider" oder "Manufacturing Support Service".
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. September 2001 aufzuheben und regt für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde an die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten Marke steht das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.
1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können, ohne dass es darauf ankommt, ob andere gleichwertige Angaben oder Zeichen zur Verfügung stehen. Den Mitbewerbern muss die Wahl zwischen allen Angaben und Zeichen erhalten bleiben, die zur unmittelbaren Beschreibung ihrer Waren oder Dienstleistungen erforderlich sind (EuGH GRUR 2002, 804, 809 - Philips/Remington; EuG GRUR Int 2002, 751 - CARCARD). Das gilt auch für weniger geläufige beschreibende Bezeichnungen. Bei fremdsprachigen Bezeichnungen ist entscheidungserheblich, ob die beschreibende Bedeutung des fremdsprachigen Ausdrucks entweder von den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres erkannt wird oder die Mitbewerber die Wortfolge für das Anbieten und die Erbringung der Dienstleistung im In- und Ausland benötigen. Bei englischen Wortfolgen, die den Sprachregeln entsprechen, sind in der Regel die eine oder die andere Alternative oder auch beide gegeben.
Allerdings unterliegen nur deutlich und unmissverständlich beschreibende Angaben einem Freihaltungsbedürfnis; nicht dagegen, wenn eine beschreibende Aussage nur angedeutet und erst aufgrund gedanklicher Schlussfolgerungen erkennbar wird. Denn es ist - wie auch die Anmelderin hervorhebt - zu berücksichtigen, dass der Verkehr Kennzeichen von Waren oder Dienstleistungen regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten, und erfahrungsgemäß ist er wenig geneigt, sie begrifflich zu analysieren, um beschreibende Bedeutungen heauslesen zu können (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Anders als in der Entscheidung "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION", bei der sich dem inländischen Verkehr aus der Aneinanderreihung der Einzelbegriffe unmittelbar keine sinnvoll beschreibende Gesamtaussage erschloss, bedeutet die angemeldete Wortfolge in ihrer Gesamtheit nichts anderes als "Kontroll- und Nachbesserungs-Service". Das Wort "Rework" ist als Fachwort im Sinne von Nachbehandlung von Fehlchargen lexikalisch belegt (vgl Ernst, Wörterbuch der Industriellen Technik, 5. Aufl, 1989 S 1034). Das Ergebnis der Internetrecherche, die mit der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, zeigt eine vielfältige Verwendung des Begriffs "Rework" als Substantiv wie als Verb für Tests, Inspektion und Nachbearbeitungslösungen von technischen Reparaturarbeiten, insbesondere bei elektronischen Schaltungen, Komponenten und Steuerungssystemen, die im Automobilbau eine wachsende Bedeutung haben. Auf dem Gebiet der exportintensiven Automobilindustrie besteht ein zu beachtendes Bedürfnis, beschreibende englische Fachbegriffe freizuhalten.
Es mag sein, dass das Wort "Rework" dem Durchschnittsverbraucher nicht geläufig ist. Die Dienstleistung der Anmelderin richtet sich aber in erster Linie an die Automobilindustrie und damit an Fachabnehmer. Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind die Fachkenntnisse der Mitbewerber und der Fachkreise mit einzubeziehen und auch weniger bekannte Fachangaben von der Eintragung als Marke auszuschließen, wenn sie wie hier zur sachgerechten Beschreibung für den Im- und Export, Joint Ventures oder das Angebot von speziellen Kontroll und Nachbesserungsdiensten in der englischsprachigen Version dienen können und bereits dienen. Die Markenstelle hat zutreffend dargelegt, dass die Begriffe "Control" und "Service" ohne weiteres verständlich sind, was keiner weiteren Erörterung bedarf. Die angemeldete Wortfolge ist auch in sprachgemäßer Form aus den englischen Wörtern "Control", "Rework" und "Service" zusammengefügt. Bei einer aus mehreren Wörtern und Zeichen bestehenden Bezeichnung ist es unumgänglich, zunächst den Bedeutungsgehalt der einzelnen Wörter zu ermitteln, bevor in einem zweiten Schritt geprüft wird, ob die angemeldete Bezeichnung auch insgesamt eine unmittelbar beschreibende Gesamtaussage macht. Eine unzulässig zergliedernde Betrachtungsweise liegt darin nicht. Auch die Gesamtbetrachtung ergibt, dass die angemeldete Bezeichnung insgesamt die Art und Beschaffenheit der beanspruchten Dienstleistung einer näher spezifizierten Nacharbeit dahingehend beschreibt, dass eine Überprüfung (z.B. Material- oder Qualitätskontrolle) und dazu die entsprechende Nachbesserungsarbeit angeboten werden.
Die Verwendung des + Zeichens ist nicht geeignet, der angemeldeten Wortfolge den Charakter einer beschreibenden Gesamtaussage zu nehmen und das Eintragungshindernis zu überwinden. Es wird ohne weiteres erkennbar als "and/und" gelesen und verstanden und in der beschreibenden Fachterminologie nicht als ungewöhnlich angesehen.
2. Dass die angemeldete Marke nach dem Vortrag der Anmelderin seit 1982 als Firmenkennzeichen und als Marke eingesetzt wird, kann die Eintragung als Marke nicht begründen. Die Überwindung des Eintragungshindernisses des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG setzt nach § 8 Abs 3 MarkenG eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke voraus. Die Voraussetzungen dafür sind weder vom Gericht von Amts wegen zu ermitteln, noch hat die Anmelderin hierzu ausreichende Angaben gemacht, und zwar nicht einmal zur Glaubhaftmachung, die Anlaß zu einer Zurückverweisung an das DPMA gegeben hätte. Die behauptete langjährige Benutzung reicht hierzu allein nicht aus.
3. Bei dieser Sachlage kam es nicht mehr darauf an, ob der angemeldeten Marke über das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG hinaus nach dem heute maßgeblichen Verkehrsverständnis auch jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
4. Für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen die Voraussetzungen des § 83 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht vor. Die Entscheidung des Senats beruht auf der Anwendung anerkannter Beurteilungsgrundsätze. Sie weicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschluss eindeutig und unmittelbar beschreibender Angaben nicht ab. Wie bereits erläutert, ist die Wortfolge "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION" in der angegebenen Entscheidung vom Bundesgerichtshof dahingehend gewürdigt worden, dass ihr eine sinnvolle beschreibende Gesamtaussage nicht unmittelbar zu entnehmen war oder festgestellt werden konnte. Die vorliegende Anmeldung unterscheidet sich damit schon in den tatsächlichen Voraussetzungen, die die Grundlage der tatrichterlichen Würdigung bilden. Sie wirft auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderten.
Grabrucker Pagenberg Richterin Fink ist im Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben.
Grabrucker Hu
BPatG:
Beschluss v. 30.07.2003
Az: 29 W (pat) 212/01
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