Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 36/05
(BPatG: Beschluss v. 03.12.2007, Az.: 30 W (pat) 36/05)
Tenor
I. Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
II. Kosten werden nicht auferlegt.
Gründe
I Gegen die am 14. Dezember 1998 für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 44
"Organisations- und betriebswirtschaftliche Beratung im Bereich der ambulanten, stationären und teilstationären Pflege sowie im Bereich der Rehabilitation und Prophylaxe; Betrieb ambulanter, stationärer und teilstationärer Einrichtungen der Pflege, Rehabilitation und Prophylaxe"
eingetragene Wortmarkemevantaist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke 1 177 878 MEDATA, die am 17. Juni 1991 eingetragen wurde und jetzt noch für die Dienstleistungen
"Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung und Marktforschung im Gesundheits- und Arzneimittelwesen, Durchführen von Markt- und Angebotsforschungen, insbesondere statistischen, einschließlich Diagnose- und Therapieforschung auf dem pharmazeutischen und medizinischen Markt; Verteilung von Waren zu Werbezwecken"
geschützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss einer Prüferin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich zwar von der Registerlage her nahe stehende Dienstleistungen gegenüberstehen könnten, weshalb bei Anerkennung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft grundsätzlich ein weiter Markenabstand erforderlich sei. Diesen halte die angegriffene Marke sowohl in klanglicher wie schriftbildlicher Hinsicht ein, wobei das Wortende "DATA" in der Widerspruchsmarke, das für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar auf "Daten" hinweise, eine zusätzliche Merk- und Abgrenzungshilfe biete. Unter diesen Umständen könne die Benutzungslage der Widerspruchsmarke dahingestellt bleiben.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die zunächst weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung für die Jahre 1997 bis 2004 einreicht und den Markenabstand angesichts der von der Markenstelle festgestellten Dienstleistungsnähe in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht keineswegs für ausreichend hält.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle vom 29. November 2004 die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten aufzuerlegen.
Nach seiner Auffassung hat die Markenstelle zu Recht die Verwechslungsgefahr verneint, zumal die Widerspruchsmarke aus den beschreibenden Bestandteilen "med" und "data" gebildet sei, so dass sie nur über geringe Kennzeichnungskraft verfüge. Mit Rücksicht darauf und die allenfalls geringe Dienstleistungsnähe träten die Zeichenunterschiede sowohl im Klang- als auch im Schriftbild hinreichend zutage. Zudem trage der Sinngehalt der Endung "data" zum erforderlichen Abstand gegenüber der Widerspruchsmarke bei, die sich ohnehin am Rande der Schutzfähigkeit bewege.
Die Widersprechende hat den Termin zur mündlichen Verhandlung wie angekündigt nicht wahrgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
I. Der nach § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Indessen scheitert der Widerspruch nicht bereits aufgrund der vom Markeninhaber zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke. Vielmehr hat die Widersprechende spätestens mit der Einreichung der eidesstattlichen Versicherung vom 24. Juni 2003 und weiteren Unterlagen die Benutzung ihrer Marke hinreichend nach Art, Form und Umfang glaubhaft gemacht, allerdings entsprechend der Formulierung in der eidesstattlichen Versicherung nur für die "Dienstleistungen in Bezug auf das Sammeln, Verarbeiten, Speichern und Liefern von Daten auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (unter Einschluss der Pharmazie und Medizin) sowie Datenbankdienstleistungen und Dienstleistungen beim Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung und entsprechende Beratungen" sowie für die Lieferung und Installation von Datenträgern auf dem Gebiet der Gesundheitspflege. Damit sind die unter der Marke eingetragenen Dienstleistungen lediglich teilweise abgedeckt: sie lassen sich am ehesten als EDV-technische Dienstleistungen zusammenfassen, die allenfalls unter "Meinungsforschung und Marktforschung im Gesundheitswesen, Durchführen von Markt- und Angebotsforschungen, insbesondere statistischen, einschließlich Diagnose- und Therapieforschung" subsumiert werden können, obwohl sie auch insoweit eher begleitende Dienstleistungen darstellen. Hingegen ist nicht zu erkennen, inwiefern die "Verteilung von Waren zu Werbezwecken" unter die glaubhaft gemachten Dienstleistungen fallen soll. Auch wird "Marktanalyse" nicht annähernd durch das "Sammeln, Verarbeiten, Speichern und Liefern von Daten auf dem Gebiet des Gesundheitswesens" erfüllt, da dies allenfalls eine Vorstufe zur Marktanalyse darstellt. Auch können die glaubhaft gemachten Dienstleistungen, die vom Wortlaut her im Wesentlichen EDV-typische Tätigkeiten umfassen, nicht ohne Weiteres als Benutzung der für die Marke eingetragenen Marktforschungsdienstleistungen anerkannt werden, sondern nach der insoweit für die Integrationsfrage maßgeblichen erweiterten Minimallösung (vgl. BGH GRUR 2006, 937 - Ichthyol II; Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006. § 26 Rdn. 139 m. w. N.) allenfalls auf die Zusammenstellung entsprechender Daten, wie sich die Tätigkeit der Widersprechenden auch aus ihrem Internet-Auftritt ergibt.
Inwieweit die eingetragenen Dienstleistungen durch die glaubhaft gemachten als benutzt anerkannt werden können, ist letztendlich nicht entscheidend. Denn sie können insgesamt nicht als ähnlich mit den angegriffenen Dienstleistungen "Betrieb ambulanter, stationärer und teilstationärer Einrichtungen der Pflege, Rehabilitation und Prophylaxe" angesehen werden. Hierbei spielen "Marktanalyse, Marktforschung, Meinungsforschung, Durchführen von Markt- und Angebotsforschungen" allenfalls eine untergeordnete Rolle, zudem werden sie in der Regel extern beschafft, also üblicherweise nicht von denselben Dienstleistern erbracht. Wie der 33. Senat des Bundespatentgerichts in einer neueren Entscheidung festgestellt hat, ist unter Marktforschung eine umsatzsteigernde Maßnahme zugunsten Dritter zu verstehen, die die Förderung und Optimierung der Inanspruchnahme von Dienstleistungen dient; dieser Umstand trifft jedoch auf alle Waren und Dienstleistungen zu, so dass er kein Kriterium für die Begründung einer Ähnlichkeit sein kann (vgl. Entsch. vom 13.02.2007 Az.: 33 W (pat) 05 - CRI/GRI). Damit liegt jedenfalls hinsichtlich der angegriffenen Dienstleistungen "Betrieb ambulanter, stationärer und teilstationärer Einrichtungen der Pflege, Rehabilitation und Prophylaxe" Unähnlichkeit vor, so dass insoweit der Widerspruch schon aus diesem Grund erfolglos bleiben muss. Die benutzten Dienstleistungen "Meinungsforschung und Marktforschung im Gesundheits- und Arzneimittelwesen, Durchführen von Markt- und Angebotsforschungen, insbesondere statistischen, einschließlich Diagnose- und Therapieforschung auf dem pharmazeutischen und medizinischen Markt" der Widerspruchsmarke können jedoch ähnlich mit den Beratungsdienstleistungen der angegriffenen Marke sein, ohne allerdings eine besondere Nähe aufzuweisen, sondern eher eine gewisse Ferne (vgl. die Nachweise bei Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit, 13. Aufl. 2005, S. 368 unter "Sammeln und Liefern").
Verwechslungsmindernd kommt hinzu, dass es sich auch um solche Dienstleistungen handelt, die nicht von den allgemeinen Verkehrskreisen in Anspruch genommen werden, sondern von gewerblichen Fachkreisen, deren Aufmerksamkeit grundsätzlich höher anzusetzen ist, wobei zusätzlich der Verkehr erfahrungsgemäß im Gesundheitssektor eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal), was der Verwechslungsgefahr weiter entgegenwirkt.
Entgegen der Auffassung des Markeninhabers ist der Widerspruchsmarke noch eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit ein normaler Schutzumfang zuzubilligen. Zwar wird der Bestandteil "data" insbesondere mit den zu berücksichtigenden Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ohne Weiteres im Sinne von "Daten" verstanden werden, er ist aber mit dem weiteren Bestandteil zusammengefügt und dadurch hinreichend phantasievoll verfremdet, so dass jedenfalls keine gravierende Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann. Selbst wenn "me" auf "medizinisch" hindeuten sollte, was sich dem Senat nicht ohne Weiteres aufdrängt, so führt das Fehlen des "d" allenfalls zu einer sprechenden Andeutung, die im Verbund mit "data" eine Kennzeichnungskraft nicht nur "am Rande der Schutzunfähigkeit" erzeugt. Andererseits fehlt es auch an substantiierten Nachweisen für die Anerkennung einer von der Widersprechenden beanspruchten gesteigerten Kennzeichnungskraft.
Bei dieser Ausgangslage der noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweise durchschnittlicher Dienstleistungsähnlichkeit ist nach Auffassung des Senats die Ähnlichkeit der Vergleichsmarken in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu bejahen wäre. Nachdem keine zu strengen Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden dürfen, wird die jüngere Marke diesen Anforderungen gegenüber der Widerspruchsmarke gerade wegen des allgemein sorgfältigen Umgangs des Fachverkehrs im geschäftlichen Umgang und erst recht im Gesundheitsbereich (vgl. BGH GRUR 1995, 50 (53) - Indorektal) ohne Weiteres gerecht.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Markenwörter in ihrer Gesamtheit zwar in Silbenzahl, ähnlichem Sprech- und Betonungsrhythmus und Vokalfolge überein. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks der Marken und der Verwechslungsgefahr ist allerdings zu beachten, dass die Ähnlichkeit der Marken in den Endsilben nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Diese Endung der Widerspruchsmarke stellt ein gebräuchliches und häufig verwendetes Wortelement im Bereich betriebswirtschaftlicher Dienstleistungen dar, insbesondere wenn sie sehr auf Datenverarbeitung ausgerichtet ist. Zwar muss sie bei der Beurteilung des jeweiligen klanglichen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr angemessen berücksichtigt werden, jedoch käme ihr bei isolierter Betrachtungsweise praktisch kaum kennzeichnende Bedeutung zu.
Dementsprechend wird dem Verkehr die Abweichung zu der Mittelsilbe der angegriffenen Marke eher auffallen, zumal diese in beiden Marken nach normalem Sprachverständnis die einzig betonte ist, was sich entsprechend auf den maßgeblichen klanglichen Gesamteindruck auswirkt. Die Vergleichsworte beginnen zwar übereinstimmend mit der Silbe "me". Gleichwohl entsteht nach Auffassung des Senats daraus kein verwechselbar ähnlicher Gesamteindruck der Markenwörter. Denn die Konsonanten der zweiten Silbe kommen zwischen den jeweiligen Vokalen markant in ihrem abweichenden Klangbild zur Geltung. Gerade der weiche Labiallaut "v" genauso wie der insgesamt kürzere Ausklang der Mittelsilbe durch die Konsonanten "nt" verändert den Gesamteindruck gegenüber der Widerspruchsmarke deutlich; denn deren klangstarker Dentallaut "d" am Anfang der Mittelsilbe bleibt unüberhörbar in Erinnerung. Verstärkt wird dies durch den in der Endung liegenden Begriffsgehalt "DATA", dessen sofortige Erfassbarkeit selbst bei flüchtiger Wahrnehmung (vgl. EuG GRUR Int. 2003, 1017 (1019) - BASS/PASH) im vorliegenden Fall ohne Weiteres anzunehmen ist.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht heben sich die Vergleichsmarken in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen durch die Abweichungen in Wortlänge und Wortmitte noch ausreichend voneinander ab, wobei hier ebenfalls die erhöhte Aufmerksamkeit des Fachverkehrs und der Sinngehalt in der Widerspruchsmarke verwechslungsmindernd zu berücksichtigen sind.
Nach alledem konnte mangels anderer verwechslungsbegründender Gesichtspunkte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
II. Der Antrag des Inhabers der angegriffenen Marke, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, ist zurückzuweisen. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 63 Abs. 1 Satz 1, § 71 Abs. 1 MarkenG. Das Gesetz geht, was auch durch MarkenG § 71 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 63 Abs. 1 Satz 3 deutlich wird, im Grundsatz davon aus, dass im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren, einschließlich des Beschwerdeverfahrens, jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt und dass es für eine Abweichung hiervon stets besonderer Umstände bedarf (vgl. zum - inhaltlich übereinstimmenden - früheren Recht BGH BlPMZ 1973, 23 "Lewapur"; Althammer/ Ströbele, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11). Derartige besondere Umstände, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise der Widersprechenden die Verfah- renskosten aufzuerlegen, sind für den Senat nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Gesichtspunkt, dass der angegriffene Beschluss der Markenstelle besonders ausführlich und gut begründet gewesen sei, reicht jedenfalls dafür nicht aus.
Dr. Vogel von Falckenstein Winter Paetzold Ko
BPatG:
Beschluss v. 03.12.2007
Az: 30 W (pat) 36/05
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