Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 24. August 2012
Aktenzeichen: 6 Sa 568/12
(LAG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 24.08.2012, Az.: 6 Sa 568/12)
1. Die Anpassung eines Antrags an die Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO bei unverändertem Prozessziel stellt keine Klagänderung dar.
2. Ein Arbeitnehmer, der gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L verpflichtet ist, seine Leistungsfähigkeit durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, ist zur Verweigerung einer zu diesem Zweck angeordneten amtsärztlichen Untersuchung berechtigt, wenn der Arbeitgeber in seinem Schreiben an den amtsärztlichen Dienst überschießende Angaben zu Problemen des Arbeitnehmers bei der Arbeit gemacht und Fragen gestellt hat, die über eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit hinausgehen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 28.02.2012 € 3 Ca 2539/11 € teilweise geändert.
2. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, sich aufgrund der Anordnung des Beklagten vom 28.10.2011 einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
3. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 2.113,33 € die Klägerin zu 5,36 % und der Beklagte zu 94,64 % zu tragen, während die Kosten der Berufungsinstanz bei einem Streitwert von 2.127,78 € der Klägerin zu 6,01 % und dem Beklagten zu 93,99 % auferlegt werden.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am €1970 geborene Klägerin steht seit dem 06.12.1996 als Lehrerin in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten, auf das der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 (TV-L) kraft Bezugnahme Anwendung findet.
Seit ihrer Umsetzung von der Grundschule B. an eine Oberschule in J. mit Wirkung vom 14.02.2011 fiel die Klägerin bis Ende des Schulhalbjahres krankheitsbedingt an 66 Arbeitstagen aus. Auf ein Angebot des Beklagten vom 24.03.2011 zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ging die Klägerin nicht ein. Vielmehr wies sie mit Schreiben vom 20.04.2011 darauf hin, dass ein Einsatz in der Sekundarstufe ihrer Genesung abträglich sei und sie von einem Grundschuleinsatz an einem nahen Ort Genesungsfortschritte erwarte. Daraufhin wurde die Klägerin ab Beginn des folgenden Schuljahrs an eine Grundschule in J. umgesetzt. Bereits mit Schreiben vom 12.09.2011 (Abl. Bl. 63 GA) beantragte die Klägerin, ab dem zweiten Halbjahr an die Grundschule in B. €rückumgesetzt€ zu werden, weil ihr jetziger Einsatz weitere Beschwerden erzeugt habe. Mit E-Mail vom 13.09.2011 (Abl. Bl. 64 u. 65 GA) brachte sie vor, dass sie bislang unter starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Arbeit erschienen sei und dass krankheitsbedingte Ausfälle nicht zu vermeiden seien, wenn sie aufgrund unverständlicher Zeitkonten nicht genügend Möglichkeiten zur Genesung und Regenerierung nutzen könne.
Mit Schreiben vom 26.10.2011 (Abl. Bl. 67-69 GA) erbat der Beklagte beim amtsärztlichen Dienst des Landkreises W. ein Gutachten zu Folgenden Fragen:
€1. Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen immer wieder zur Arbeitsunfähigkeit€2. Besteht ein einheitliches Grundleiden€3. Bestehen Funktionseinschränkungen und wenn ja, welche€4. Welche Auswirkungen haben die gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Allgemeinen und bezogen auf die dienstliche Tätigkeit€5. Besteht Aussicht auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit€ Wenn ja, wann€6. Besteht infolge der Erkrankung aus ärztlicher Sicht eine dauernde Unfähigkeit zur Erfüllung der Pflichten gemäß der beschriebenen Tätigkeit€€Zur Begründung dafür führte der Beklagte unter anderem aus:
€In der zurückliegenden Zeit gab es zwischen Frau W., den Schulleitern, den Lehrkräften und den Eltern innerdienstliche Spannungen und erhebliche Störungen des Vertrauensverhältnisses.Es liegen massive Beschwerden von Eltern vor, die die Klassenleitertätigkeit von Frau W. ablehnten. Es gab sogar Abmeldungen von Schülern, die nicht von Frau W. unterrichtet werden wollten.€Von der Beauftragung des amtärztlichen Dienstes gab der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 28.10.2011 (Abl. Bl. 7 GA) Kenntnis.
Die daraufhin erhobene Klage auf Feststellung, dass diese Anordnung unwirksam sei, hat das Arbeitsgericht Potsdam abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin im ersten Halbjahr 2011 und ihrer Erklärungen hierzu habe für den Beklagten begründete Veranlassung bestanden, von der durch § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen. Dass sich der Beklagte nicht mit dem Personalrat gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 TV-L auf einen anderen Arzt verständigt habe, sei unschädlich, weil eine Einigung auf einen Arzt gerade nicht Voraussetzung für die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers sei. Eine Unwirksamkeit der Anordnung ergebe sich auch nicht aus den Mitteilungen und dem Fragenkatalog im Schreiben an den amtärztlichen Dienst. Während die Mitteilungen im Zusammenhang mit den Zweifeln an der Leistungsfähigkeit der Klägerin stünden, dürften Antworten auf €überschießend€ gestellte Fragen vom Beklagten nicht verwertet werden. Zudem habe der Beklagte von diesen Fragen ausdrücklich Abstand genommen.
Ein im Wege der Klagerweiterung geltend gemachter Anspruch auf Zahlung von 113,33 € netto aus Anlass der Freistellung der Klägerin wegen Anordnung ihres persönlichen Erscheinens zum Gütetermin stehe der Klägerin aufgrund der § 616 BGB ausschließenden Regelung in § 29 TV-L nicht zu.
Gegen dieses ihr am 13.03.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.03.2012 eingelegte und am 13.06.2012 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Sie meint, die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung komme erst nach einer langdauernden Erkrankung in Betracht und diene in der Regel der Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit des Angestellten, während das Arbeitsgericht lediglich auf ihre subjektive Befindlichkeit abgestellt habe. Die Unwirksamkeit der Anordnung des Beklagten ergebe sich auch aus dessen Schreiben an den amtsärztliche Dienst, aufgrund dessen die dortige Amtsärztin befangen sei. Dieses Schreiben enthalte massive Beschuldigungen aufgrund kaum objektivierbarer Sachverhalte. Eine Rücknahme des Fragenkatalogs sei rechtlich nicht möglich und werde zudem bestritten. Ein weiterer Verfahrenfehler bestehe darin, dass sie vom Inhalt des Schreibens an den amtsärztlichen Dienst erst während des Rechtsstreits in Kenntnis gesetzt worden sei.
Die Anordnung ihres persönlichen Erscheinens zum Gütetermin sei wie eine staatsbürgerliche Pflicht zu werten. Zudem erschließe sich nicht, woraus das Arbeitsgericht geschlossen habe, dass sie ihren Antrag nicht als solchen von Dringlichkeit und Eile verstanden haben wolle.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils
1. festzustellen, dass die Anordnung der amtärztlichen Untersuchung vom 28.10.2011 unwirksam sei und dass sie nicht aufgrund dieser Anordnung verpflichtet sei, sich einer amtärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
2. das beklagte Land zu verurteilen, an sie 127,78 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht in der Neufassung des Antrags zu 1 die Einführung eines neuen Streitgegenstands im Berufungsverfahren. Auch habe sich die Klägerin mit den erstinstanzlichen Urteilsgründen nicht hinreichend auseinandergesetzt. Jedenfalls seien ihre Ausführungen nicht geeignet, eine Änderung der angefochtenen Entscheidung herbeizuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
1. Die fristgemäß und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist auch den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechend begründet worden. Indem die Klägerin beanstandet hat, dass das Arbeitsgericht lediglich auf ihre subjektive Befindlichkeit abgestellt habe, obwohl keine lang dauernde Arbeitsunfähigkeit vorangegangen sei, hat sie sich ausreichend mit dessen Begründung für die Wirksamkeit der getroffenen Anordnung auseinandergesetzt. Dies gilt bei großzügiger Betrachtung auch hinsichtlich der Abweisung des Zahlungsantrags, für die sie eine hinreichende Begründung zur Frage der Dringlichkeit vermisst hat.
2. Gegenstand der Entscheidung sind die Anträge der Klägerin in ihrer zuletzt gestellten Fassung.
2.1 Die Neufassung des Feststellungsantrags stellte schon keine Klagänderung i. S. d. § 263 ZPO dar, sondern brachte das bereits aus der erstinstanzlichen Klagebegründung ersichtliche Begehrung der Klägerin lediglich in die § 256 Abs. 1 ZPO entsprechende Form. Nicht die Anordnung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sondern eine sich daraus ergebende Verpflichtung ist Teil des Arbeitsverhältnisses.
Zudem hat sich der Beklagte durch die Bezugnahme auf seinen schriftsätzlich angekündigten Zurückweisungsantrag auf den geänderten Antrag der Klägerin zunächst eingelassen und erst im Anschluss daran seine Ansicht geäußert, in dieser Änderung die Einführung eines neuen Streitgegenstands zu sehen (§ 267 ZPO).
Im Übrigen wäre eine Klagänderung auch sachdienlich gewesen, weil sie einen weiteren Rechtsstreit vermieden hätte (§ 533 Nr. 1 ZPO). Auch wäre sie auf Tatsachen gestützt gewesen, die nach § 529 ZPO der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zu Grunde zu legen waren.
2.2 Die Umstellung des Zahlungsantrags von netto auf brutto und seine entsprechende betragsmäßige Anpassung war gemäß §§ 264 Nr. 2, 525 Satz 1 ZPO nicht als Klagänderung anzusehen.
3. Die Berufung ist teilweise begründet.
3.1 Die Klage ist zulässig.
Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an alsbaldiger richterlicher Feststellung, nicht verpflichtet zu sein, sich aufgrund der Anordnung vom 28.10.2011 einer amtsärztlichen Untersuchung unterziehen zu müssen (§ 256 Abs. 1 ZPO). Dass das Schreiben des Beklagten bei normativer Auslegung entsprechend § 133 BGB eine bloße Mitteilung darstellte, stand nicht entgegen. Entscheidend war vielmehr, dass beide Parteien übereinstimmend darin eine entsprechende Anordnung gesehen haben. Der übereinstimmende Wille der Parteien genießt auch bei einseitigen Rechtsgeschäften Vorrang (BAG, Urteil vom 28.08.2003 € 2 AZR 377/02 € BAGE 107, 221 = AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 134 zu B I 4 b bb der Gründe).
3.2 Die Klage ist weitgehend begründet.
3.2.1 Die Klägerin ist nicht verpflichtet, sich aufgrund der Anordnung des Beklagten vom 28.10.2011 vom amtärztlichen Dienst des Landkreises W. auf ihre Dienstfähigkeit untersuchen zu lassen.
3.2.1.1 Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L für eine solche Anordnung waren aufgrund der krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin und ihrer Angaben zu ihrem Gesundheitszustand an sich erfüllt, wie das Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung im Einzelnen dargelegt hat (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Soweit die Klägerin gemeint hat, die amtsärztliche Untersuchung diene in der Regel der Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit, schlösse eine solche Regel Ausnahmen davon schon nicht aus. Wie die Fassung des § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L zeigt, ist die bei begründeter Veranlassung bestehende Verpflichtung des Beschäftigten ohnehin gerade auf den Nachweis gerichtet, zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage zu sein. Eine vorangegangene längere Arbeitsunfähigkeit ist dafür nicht Voraussetzung. Vielmehr genügt auch die Besorgnis des Eintritts einer solchen Arbeitsunfähigkeit aufgrund entsprechender Anzeichen.
3.2.1.2 Die Klägerin ist jedoch gemäß § 275 Abs. 3 BGB berechtigt, die Leistung eines Nachweises aufgrund einer Untersuchung des amtsärztlichen Dienstes des Landkreises W. zu verweigern.
3.2.1.2.1 Die Klägerin hat die gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L geschuldete Leistung persönlich zu erbringen.
3.2.1.2.2 Das Leistungshindernis ergab sich für die Klägerin aus dem Schreiben des Beklagten vom 26.10.2011 mit dem dieser die Amtärztin des Landkreises W. mit der Erstellung eines Gutachtens über die Arbeitsfähigkeit betraute.
3.2.1.2.2.1 Soweit der Beklagte in seinem Schreiben danach fragte, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen immer wieder zur Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führten, ob ein einheitliches Grundleiden bestehe und ob und ggf. welche Funktionseinschränkungen bestünden, war dies von der Nachweispflicht der Klägerin nach § 3 Abs. 5 TV-L nicht gedeckt, wie schon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Rechtsfolge davon war jedoch kein bloßes Verwertungsverbot entsprechender Antworten. Vielmehr stellte der mit einer Beantwortung verbundene Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin (dazu BGH, Urteil vom 15.11.1994 € VI ZR 56/94 € BGHZ 128, 1 zu III der Gründe; BAG, Urteil vom 23.04.2009 € 6 AZR 189/08 € BAGE 130, 347 = AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 40 R 21) ein Hindernis dar, sich überhaupt erst einer darauf gerichteten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
3.2.1.2.2.2 Dieses Hindernis ist durch die bloße schriftsätzliche Zusicherung, an dem Fragenkatalog nicht festzuhalten und den amtärztlichen Dienst um eine dem Maßstab des § 3 Abs. 5 TV-L entsprechende Bescheinigung zu bitten, nicht ausgeräumt worden. Dass dies inzwischen tatsächlich geschehen ist, hat der Beklagte trotz Bestreitens der Klägerin weder dargelegt noch unter Beweis gestellt.
3.2.1.2.2.3. Ein weiteres, nicht wieder ausräumbares Hindernis wurde dadurch geschaffen, dass der Beklagte in seinem Schreiben vom 26.10.2011 ausführte, es habe innerdienstliche Spannungen zwischen der Klägerin, Schulleitern, Lehrkräften und Eltern und erhebliche Störungen des Vertrauensverhältnisses gegeben, es lägen massive Beschwerden von Eltern vor, welche die Klassenleitertätigkeit der Klägerin abgelehnt hätten, und es habe Abmeldungen von Schülern gegeben, die nicht von der Klägerin hätten unterrichtet werden wollen. Dies ging über eine Schilderung konkreter Umstände hinaus, die Anlass für Zweifel an der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin geben konnten (vgl. LAG Hamburg, Urteil vom 13.09.2007 € 8 Sa 35/07 € zu 3 b der Gründe), und war geeignet, die Amtsärztin als Adressatin gegenüber der Klägerin voreingenommen zu machen, indem es deren Fantasie überlassen blieb, welche Verhaltensweisen die Klägerin an den Tag gelegt haben mag. Zugleich lag darin eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch Übermittlung i. S. v. § 3 Abs. 1 und 4 Satz 1 BDSG, die nach § 32 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BDSG nur erlaubt ist, soweit dies für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
3.2.1.2.3 Da sich einerseits die Klägerin einer Untersuchung durch eine nicht selbst gewählte, nun aber möglicherweise gerade durch das Vorgehen des Beklagten voreingenommene Ärztin unterziehen soll, andererseits für den Beklagten die Möglichkeit besteht, sein Leistungsinteresse nach Absprache mit dem Personalrat durch Beauftragung eines anderen Arztes zu befriedigen, musste die gemäß § 275 Abs. 3 BGB gebotene Abwägung zu Gunsten der Klägerin ausfallen.
3.2.2 Ein Anspruch auf Zahlung restlichen Gehalts für Dezember 2011 in Höhe von 127,78 Euro brutto steht der Klägerin nicht zu.
3.2.2.1 Die Befolgung einer gerichtlichen Anordnung des persönlichen Erscheinens stellt keine Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht i. S. d. § 29 Abs. 2 Satz 1 TV-L dar. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Beachtung prozessualer Vorgaben bei der Verfolgung eigener Interessen.
3.2.2.2 Es lag auch kein dringender Fall vor, in dem gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 TV-L Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts bis zu drei Arbeitstagen gewährt werden kann. An einer Dringlichkeit fehlte es deshalb, weil die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten in einem für die Güteverhandlung ausreichenden Umfang in tatsächlicher Hinsicht hätte unterrichten und diesen insbesondere zum Vergleichsabschluss hätte ermächtigen können, was ihr Erscheinen gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO entbehrlich gemacht hätte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dafür, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, waren nicht erfüllt. Durch die Zuvielforderung der Klägerin in beiden Instanzen sind bei einem gemäß § 3 Ts. 1 ZPO, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG auf 2.000,00 € geschätzten Streitwert ihres Feststellungsantrag nicht nur geringfügig höhere Kosten verursacht worden, sondern ist es durch ihren abgewiesenen Zahlungsantrag zu einem Gebührensprung gekommen.
5. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.
LAG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 24.08.2012
Az: 6 Sa 568/12
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