Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. November 2010
Aktenzeichen: 17 W (pat) 321/05

(BPatG: Beschluss v. 18.11.2010, Az.: 17 W (pat) 321/05)

Tenor

Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Auf die am 25. April 2002 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangene Patentanmeldung 102 18 537.9 wurde ein Patent erteilt mit der Bezeichnung

"Fingerabdruck-Adressiersystem und -verfahren"

Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 7. April 2005.

Gegen das Patent ist mit Schriftsatz vom 30. Juni 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einsprechende macht den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend, weil der Gegenstand des Patents weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Der Einsprechende stellt im Einspruchsschriftsatz sinngemäß den Antrag, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Der Patentanspruch 1 des Patents lautet ohne Bezugszeichen:

"Vorrichtung, die folgende Merkmale aufweist: eine Verbindung mit einem Netz; und eine Netzadresse, die von einem Fingerabdruck abgeleitet ist."

Der nebengeordnete Patentanspruch 6 lautet ohne Bezugszeichen:

"System, das folgende Merkmale aufweist: eine Verbindung mit einem Netz; und eine Netzadresse, die von einem Fingerabdruck eines abhängigen Benutzers abgeleitet ist."

Der weiter nebengeordnete Patentanspruch 14 lautet ohne Bezugszeichen:

"Verfahren, das folgende Schritte aufweist: Erzeugen einer von einem Fingerabdruck abgeleiteten Netzadresse; und Zugreifen auf ein System über ein Netz unter Verwendung der abgeleiteten Netzadresse."

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.

Sie ist der Ansicht, dass der Einspruch nicht zulässig sei. § 59 PatG verlange, dass die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigten, im Einzelnen anzugeben seien. Der geltend gemachte Einspruchsgrund der mangelnden Patentfähigkeit verlange es, darzulegen, welcher Stand der Technik den patentgemäßen Gegenstand nahe lege oder vorwegnehme. Das vorgelegte Material befasse sich aber nur mit der Authentifizierung einer Person per Fingerabdruck. Diese sei jedoch nicht Gegenstand des Patents, denn das Patent schlage neben der Verbindung mit einem Netz die Ableitung der im Netz verwendeten Adresse aus dem Fingerabdruck vor.

II.

Der Einspruch ist unzulässig, da er § 59 Abs 1 PatG nicht genügt.

1. In Abs. [0001] des Streitpatent wird erläutert, dass sich die Erfindung auf Netze im Allgemeinen und insbesondere auf ein fingerabdruckbasiertes Adressiersystem und -verfahren beziehe. Entsprechend wird als dem Patent zugrunde liegende Aufgabe angegeben, "ein Konzept zum zweckmäßigen und gleichzeitig sicheren Adressieren zu schaffen" (vgl. Abs. [0003]).

Der Patentanspruch 1 schlägt hierzu eine Vorrichtung vor, die eine Verbindung mit einem Netz aufweist und bei der die Netzadresse von einem Fingerabdruck abgeleitet ist. Wie in Abs. [0005] ausgeführt, hat dieses Konzept des fingerabdruckbasierten Adressierens den Vorteil, dass ein Benutzer seinen Fingerabdruck verwenden kann, um einen bestimmten Netzknoten zu spezifizieren, ohne (explizit) eine Adresse eingeben zu müssen. Wie zu dem in Figur 1 i. V. m. Abs. [0016] dargestellten Ausführungsbeispiel erläutert, kann beispielsweise im Internet durch die Eingabe eines (bestimmten) Fingerabdrucks an einer mobilen Steuerung 24 (genau) ein Server 16 adressiert werden, sofern diesem die aus dem Fingerabdruck abgeleitete Adresse zugewiesen ist.

Das System gemäß Patentanspruch 6 geht nicht von einer einzelnen Vorrichtung aus, sondern von einem System, in dem (zumindest) eine Netzadresse von einem Fingerabdruck abgeleitet ist. Mit Patentanspruch 14 wird für die verfahrensmäßigen Schritte des Ableitens einer Netzadresse aus einem Fingerabdruck und des Zugreifens auf ein System in einem Netz unter Verwendung der abgeleiteten Adresse Schutz beansprucht.

Das Streitpatent schlägt somit abweichend von der gebräuchlichen Adressvergabe durch organisatorische Zuweisung vor, die Netzadresse (mindestens) einer Vorrichtung in einem Netz aus dem Fingerabdruck eines Netzteilnehmers abzuleiten.

2.

Der Einsprechende führt in seiner Einspruchsschrift aus, dass das grundlegende Prinzip der Identifikation von Personen über Fingerabdrücke schon von dem 1911 verstorbenen Naturforscher Sir Francis Galton erkannt worden sei. Weiterhin nennt er den Aufsatz "A Single-Chip Fingerprint Sensor and Identifier", veröffentlicht in IEEE JOURNAL OF SOLID-STATE CIRCUITS, Vol. 34, No. 12 vom Dezember 1999 als Stand der Technik und zitiert daraus die Passage "For consumer products, the authentication process should be simple and reliable. Methods of user authentication include the use of passwords, personal identification numbers (PIN's), and verification using the iris in the human eye. One of the simplest and most reliable authentication methods is the fingerprint" (vgl. S. 1852, li. Sp.). Er zieht daraus den Schluss, dass es spätestens seit 1999 bekannt sei, Fingerabdrücke zur Authentifizierung zu verwenden und der Gegenstand des Streitpatents deshalb gegenüber dieser Druckschrift weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Andere Einspruchsgründe macht er nicht geltend.

3.

§ 59 Abs. 1 PatG verlangt, dass der Einspruch zu begründen ist und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben sind. Der Bundesgerichtshof hat hierzu präzisiert, dass eine Einspruchsbegründung, die sich nur mit einem Teilaspekt der unter Schutz gestellten Erfindung, nicht aber mit der gesamten patentierten Lehre befasst, formal unvollständig und der so begründete Einspruch unzulässig ist (vgl. Beschluss X ZB 28/86 vom 10. 12. 1987 "Epoxidations-Verfahren", Leitsatz 2, abgedruckt in GRUR 1988, 364).

Im Einspruchsschriftsatz vom 30. Juni 2005 führt der Einsprechende unter Nennung einer Druckschrift zutreffend aus, dass es vorbekannt sei, Fingerabdrücke zur Authentifizierung zu verwenden. Wie dem Fachmann geläufig und auch dem vom Einsprechenden genannten Aufsatz "A Single-Chip Fingerprint Sensor and Identifier" entnehmbar, ist unter "Authentifizierung" die Überprüfung der Identität einer Person zu verstehen, bspw. durch Abfrage eines geheimen Passwortes oder durch Identifikation eines Fingerabdrucks der Person (vgl. "I. Introduction", Abs. 1). Mit der erfolgreichen Authentifizierung erhält eine Person bspw. die Berechtigung, auf ein Netz oder eine Netzkomponente zuzugreifen.

Gegenstand des Streitpatents ist aber nicht die Authentifizierung einer Person, sondern die Ableitung einer Netzadresse, mit der eine bestimmte Vorrichtung unter einer Vielzahl von im Netz vorhandenen Netzkomponenten zum Austausch von Daten ausgewählt, d. h. adressiert werden kann. Das Streitpatent schlägt ausweislich seiner Hauptund Nebenansprüche hierzu vor, die Netzadresse einer Vorrichtung aus dem individuellen Fingerabdruck einer Person abzuleiten. Dies eröffnet die Möglichkeit, von einer entfernten Vorrichtung aus allein durch Eingabe des Fingerabdrucks bspw. den Betriebsstatus eines Bratens zu kontrollieren, der sich zu Hause im Backrohr befindet, ohne dass hierfür die (explizite) Eingabe einer Netzadresse erforderlich wäre, wie in Abs. [0020] des Streitpatents erläutert. Mit diesem tragenden Aspekt des Streitpatents setzt sich die Einspruchsschrift nicht auseinander.

Der Einspruch war daher entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin als unzulässig zu verwerfen; in eine sachliche Überprüfung des Patents war folglich nicht einzutreten (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 59 Rn. 145ff.).

Dr. Fritsch Prasch Eder Dr. Thum-Rung Fa






BPatG:
Beschluss v. 18.11.2010
Az: 17 W (pat) 321/05


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