Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 12. Mai 2000
Aktenzeichen: 6 U 60/99

(OLG Köln: Urteil v. 12.05.2000, Az.: 6 U 60/99)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 04.03.1999 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 557/98 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst: Unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerinnen wird die Beklagte verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Duftwässer, die mit der Marke C. D. gekennzeichnet sind, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, bei denen die betriebsinternen Kontrollnummern durch Schnitte auf den Außen- und/oder Innenseiten der Kartonumverpackung, die als längliche Streifen von mindestens 5 mm Breite und mindestens 5 cm Länge ausgebildet sind, und/oder durch unregelmäßig eingestanzte Löcher entfernt worden sind, wenn dies in der Form gemäß Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift geschehen ist. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs 500.000,00 DM und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs weitere 45.000,00 DM. Die Klägerinnen dürfen die gegen sie wegen des Kostenerstattungsanspruchs der Beklagten gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin zu 2), die Firma Parfums C.D. S.A., ist Inhaberin der aus Blatt 31 d.A. ersichtlichen IR-Marke "C.D.". Sie stellt Duftwasser und andere kosmetische Produkte her, die sie unter der international registrierten Marke "C.D." in den Verkehr bringt. Die Klägerin zu 1), die Parfums C.D. GmbH mit Sitz in D., ist die deutsche Vertriebsgesellschaft der Klägerin zu 2). Sie ist Inhaberin der aus Blatt 30 d.A. ersichtlichen gleichlautenden deutschen Marke "C.D.". Die Klägerin zu 1) vertreibt die Produkte der Beklagten zu 2), zu denen u.a. das Eau de Toilette "F." und das Eau de Toilette "D." zählen, nach Maßgabe des als Anlage K 3 vorgelegten - auch in den anderen Ländern der europäischen Union verwendeten - einheitlichen Depotvertrags an vertraglich gebundene Einzelhändler. In § 1 dieses Vertrages wird der Depositär zum Verkauf der von Parfums C.D. vertriebenen Parfums und Kosmetikartikel autorisiert. In § 3 Ziffer 1 heißt es, der Depositär verpflichte sich, die C.D.-Produkte nur in der hiermit autorisierten Verkaufsstelle in handelsüblichen Mengen ausschließlich an Endverbraucher zu verkaufen. In § 3 Ziffer 2 des Vertrages verpflichtet sich der Depositär, die C.D.-Produkte nur von Parfums C.D. oder von anderen für den Vertrieb der C.D.-Produkte autorisierten Einzelhändlern (Depositäre), die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder des europäischen Wirtschaftsraums haben, zu beziehen. Für den Fall des Verstoßes des Depositärs gegen die Pflichten aus § 3 Ziffer 1. und 2. des Vertrages sieht der Vertrag zugunsten der Klägerin zu 1) ein fristloses Kündigungsrecht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Depot-Vertrages, der im Januar 1993 zur Freistellung bei der Europäischen Kommission angemeldet wurde, ohne dass bislang eine Entscheidung ergangen wäre, wird auf den mit der Klageschrift als Anlage K 3 zu den Akten gereichten Muster-Depot-Vertrag (Blatt 26 bis 28 GA) verwiesen.

Die Beklagte, die D. Markt GmbH & Co. KG mit Sitz in K., betreibt eine bekannte Drogeriemarktkette mit annähernd 1000 Filialen im Bundesgebiet. Depositär der Klägerin zu 1) ist die Beklagte nicht. Sie führt in ihrem Sortiment aber gleichwohl auch C.D.-Artikel, die sie auf dem deutschen und europäischen Graumarkt erwirbt und dann zu relativ niedrigen Preisen in ihren Filialen anbietet. Das wollen die Klägerinnen nicht hinnehmen, weil ihr selektiver Vertrieb darauf ausgerichtet ist, dass die mit der Marke C.D. versehenen Kosmetikprodukte ausschließlich in Verkaufsstellen angeboten werden, die bestimmten Voraussetzungen genügen und die entsprechend von den Klägerinnen zum Verkauf von D. - Kosmetika autorisiert sind. Die Klägerinnen nehmen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG wegen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs im Zusammenhang mit ihrem Vertriebsbindungssystem sowie aus Markenrecht in Anspruch. Zur Wahrnehmung der Rechte aus den Marken haben sie sich wechselseitig ermächtigt, Ansprüche aus den Marken geltend zu machen.

Auslöser für den vorliegenden Rechtsstreit waren zwei von den Klägerinnen veranlasste Testkäufe, die am 12.11.1997 und am 29.04.1998 stattgefunden haben. Am 12.11.1997 kaufte eine Testkäuferin in der D.-Filiale in K.-P. u.a. das als Anlage K 1 zu den Akten gereichte Eau de Toilette "D.", EdT 50 ml. Bei diesem Produkt waren die auf dem Außenkarton angebrachten betriebsinternen, nur unter UV-Licht sichtbaren Kontrollnummern, mit deren Hilfe die Klägerinnen den Vertriebsweg ihrer Waren nachvollziehen können, herausgeschnitten. Die farbige Deckschicht auf der Kartoninnenseite war an diesen Stellen entfernt worden, auf diese Weise waren drei waagerechte und ein senkrechter Streifen von etwa 5 mm Breite entstanden, an denen die weiße Kartoninnenschicht zutage trat. Erkennbar wird diese Veränderung erst nach dem Entfernen des Innenkartons. Bei dem am 29.04.1998 erworbenen Eau de Toilette "F. EdT 50 ml", das die Klägerinnen als Anlage K 2 zu den Akten gereicht haben, sind die Kontrollnummern durch sog. "Ausnadeln" unkenntlich gemacht worden. Eine Beschädigung der Marke "C.D." ist dadurch nicht entstanden. Die äußere Celophan-Hülle, die den Umkarton umgibt, wirkt trotz des Ausnadelns unversehrt. Wegen des genauen Aussehens beider Erzeugnisse wird auf die als Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift vorgelegten Originalprodukte verwiesen, die sich der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.11.1999 im einzelnen angeschaut hat.

Mit der vorliegenden Stufenklage haben sich die Klägerinnen gegen den Vertrieb ihrer solchermaßen veränderten Produkte gewandt. Sie haben in dem Vertrieb der bei den beiden Testkäufen erworbenen und mit der Klage beanstandeten Produkte eine wettbewerbswidrige Behinderung gesehen, weil durch das systematische Entfernen der Kontrollnummern, das nach dem Vortrag der Klägerinnen möglicherweise, aber nicht sicher durch die Beklagte erfolgt ist, und das Angebot dieser Waren durch die Beklagte ihr Vertriebssystem planmäßig unterlaufen und gefährdet werde. Durch konsequentes Vorgehen gegen alle ihnen bekannt gewordenen Vertragsbrüche sei es ihnen inzwischen gelungen, den Graumarktanteil auf 8% zu verringern. Ihr Vertriebsbindungssystem sei nicht nur als gedanklich, sondern auch als praktisch lückenlos einzustufen. Im übrigen sei nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die praktische Lückenlosigkeit des Systems im Sinne von weitesgehender Geschlossenheit nicht Voraussetzung für den Schutz solcher Vertriebssysteme. Darüber hinaus haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, die Beklagte greife mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Eau de Toilette in ihre - der Klägerinnen - Markenrechte ein. Bei den von ihnen in den Verkehr gebrachten Luxuskosmetika gehöre die tadellose Verpackung zu den verkehrswesentlichen Eigenschaften der Ware. Durch den Vertrieb der Ware in den veränderten Produktumhüllungen werde der Ruf und das Ansehen der Marke C.D. empfindlich geschädigt, die Verpackungen der umgepackten Produkte seien schwer beschädigt und unansehnlich. Deshalb ergebe sich ein entsprechender Unterlassungsanspruch trotz der grundsätzlich eingetretenen Erschöpfung auch aus § 24 Abs. 2 Markengesetz. Im übrigen haben die Klägerinnen die Auffassung vertreten, der Vertrieb dieser Waren sei schon deshalb unzulässig, weil sie - die Klägerinnen - nicht über die Decodierungsmaßnahmen unterrichtet worden seien.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1.

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Duftwässer, die mit der Marke C.D. gekennzeichnet sind,

a)

anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, bei denen auf den Außen- und/oder Innenseiten der Kartonumverpackung Schnitte vorgenommen sind, die als längliche Streifen von mindestens 5 mm Breite und mindestens 5 cm Länge ausgebildet sind, insbesondere wenn dies in der Form gemäß Anlage K 1 zur Klageschrift geschieht,

b)

bei denen die Kartonumverpackung durch unregelmäßig eingestanzte Löcher beschädigt ist, insbesondere wenn dies durch zahlreiche Löcher auf mehr als einem Drittel der Außenfläche wie Anlage K 2 zur Klageschrift geschieht;

die Beklagte ferner zu verurteilen,

2.

ihnen - den Klägerinnen - als Gesamtgläubigerinnen Auskunft über sämtliche Lieferanten und Lieferungen von Produkten gemäß vorstehender Ziffer 1. zu erteilen, welche von der Beklagten seit dem 12.11.1997 zum Verkauf angeboten und/oder in den Verkauf gebracht worden sind, und zwar unter Angabe von Namen und Adressen der Lieferanten und Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen, wobei es der Beklagten vorbehalten bleiben mag, Angaben zu anderen als mit der Marke C.D. gekennzeichneten Produkten zu schwärzen,

3.

ihnen - den Klägerinnen - Schadensersatz wegen sämtlicher Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1. seit dem 12.11.1997 in einer nach der Auskunftserteilung zu bestimmenden Höhe zu leisten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe die streitgegenständlichen Produkte nicht umgepackt und auch nicht decodiert, habe sie vielmehr in dem gegebenen Zustand von freien Händlern erworben. Sie beziehe ständig von zahlreichen freien Händlern im Inland und europäischen Ausland sowohl codierte als auch decodierte C.D.-Artikel, die sie in dem angebotenen Zustand weitervertreibe. Soweit es sich um umgepackte Ware handele, weise sie bei der Präsentation der Ware unstreitig auf das Vorhandensein möglicher Beschädigungen hin. Im übrigen könne von einer praktischen Lückenlosigkeit des Vertriebssystems der Klägerinnen angesichts des umfangreichen Parallelhandels keine Rede sein. Eine Markenverletzung liege nicht vor, weil die Beschädigungen an der Außenverpackung geringfügig und nicht geeignet seien, die Garantiefunktion und den Ruf der Marke zu beeinträchtigen oder in irgendeiner Weise zu gefährden. Im übrigen seien die von der Klägerinnen gerügten Beschädigungen Folge der Anbringung von Kontrollnummern zur Sicherung ihres nicht lückenlosen und damit schutzunwürdigen Vertriebskonzeptes.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 164 ff. d.A.), hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Vertrieb der konkret beanstandeten Eau de Toilette verstoße weder gegen § 1 UWG, noch stehe den Klägerinnen ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 Markengesetz zu. Im Rahmen des § 1 UWG entspreche es der ständigen Rechtsprechung, dass die Beseitigung kundenspezifischer Kontrollnummern, die der Steuerung und Überwachung des Vertriebsweges, nicht aber vorrangigen allgemeinen Interessen dienten, keine wettbewerbswidrige Behinderung darstellten, wenn das Vertriebssystem nicht schutzwürdig sei. Um in solchen Fällen mit Erfolg gegen das Decodieren und den Vertrieb decodierter Ware durch Außenseiter vorgehen zu können, müsse ein wirksames vertragliches Vertriebsbindungssystem bestehen. Voraussetzung dafür wiederum sei die theoretische und praktische Lückenlosigkeit des Systems. Von einer solchen praktischen Lückenlosigkeit des Systems der Klägerinnen könne aber auch bei Zugrundelegung eines nicht allzu strengen Maßstabes keine Rede sein, weil der Anteil von D.-Produkten auf dem Graumarkt in Deutschland im ersten Tertial 1998 unstreitig 10% betragen habe, was unstreitig einem Umsatz von fast 30 Millionen DM entspreche. Dass die Klägerinnen diesen Anteil von 13% im Jahre 1997 auf 8% Ende Juni 1998 kontinuierlich hätten senken können, spreche zwar für ein gewisses Bemühen, die Verhältnisse in den Griff zu bekommen, von einer Unterbindung des Parallelhandels bis auf unvermeidbare Einzelfälle seien die Klägerinnen indes weit entfernt. Insoweit sei im übrigen nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen mit Nachdruck und konsequent gegen den Vertrieb gebundener Ware außerhalb des Systems vorgingen. Ihr Vortrag, im Rahmen der verbleibenden Möglichkeiten alle ihnen bekannt gewordenen Fälle des Vertragsbruchs zu verfolgen, sei zu vage und gebe darüber keinen Aufschluß. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 14 Abs. 5 Markengesetz. Die Markenrechte der Klägerinnen seien gemäß § 24 Abs. 1 Markengesetz erschöpft, berechtigte Gründe im Sinne von § 24 Abs. 2 Markengesetz, sich einer Benutzung der Marke im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb von C.D. Produkten zu widersetzen, hätte die Klägerin im Ergebnis nicht angeführt. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass nicht jede Veränderung an der äußeren Verpackung eine Markenverletzung darstelle, die den Markeninhaber berechtige, gegen den weiteren Vertrieb der mit seiner Marke versehenen Ware vorzugehen. Die innere Verpackung, der Flakon, sei noch im Originalzustand. Verändert worden sei lediglich die äußere Verpackung, die relativ unauffällige Beschädigungen aufweise, ohne dass dabei der Markenschriftzug in irgendeiner Weise beeinträchtigt werde. Das gelte für beide Produkte. Bei dem Erzeugnis "D." würden die Manipulationen an den Kontrollnummern überdies erst nach vollständigem Auseinandernehmen der Verpackung sichtbar. Bei dieser Sachlage sei die erforderliche konkrete Beeinträchtigung des Markenwerts nicht erkennbar. Im übrigen stehe dem auf Markenrecht gestützten Anspruch der Klägerinnen entgegen, dass seine Geltendmachung nicht in erster Linie den Schutz der Marke und seiner legitimen Funktionen, sondern der Durchsetzung eines wettbewerbsrechtlich nicht schutzwürdigen Kontrollnummernsystems diene. Insoweit sei nicht einzusehen, warum die Klägerin zu 1) auf dem Außenkarton umlaufend und an mehreren Stellen die kundenspezifischen Kontrollnummern anbringe und diese dabei offenbar ständig wiederhole, was beim Decodieren zwangsläufig zu den gerügten Beschädigungen führen müsse. Unter diesen Umständen sei auch der weitere Einwand der Klägerinnen, die Beklagte bzw. ihr Lieferant habe versäumt, sie vor dem (Weiter-) Vertrieb der Produkte von der Decodierung zu unterrichten, nicht entscheidungserheblich.

Gegen das ihnen am 17.03.1999 zugestellte Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 04.03.1999 haben die Klägerinnen am Montag, dem 19.04.1999, Berufung eingelegt und diese nach zweifacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zuletzt am 30.06.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht eingegangen Schriftsatz begründet.

Die Klägerinnen wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertreten namentlich unter Hinweis auf die am 15.07.1999 verkündeten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in den Rechtsstreiten I ZR 14/97 und I ZR 130/96 (veröffentlicht u.a. in: MD 1999, 1083 ff. "Entfernung der Herstellungsnummer" und 1076 ff. "Außenseiteranspruch") die Auffassung, ein Vertriebsbindungssystem sei nicht erst dann schützenswert, wenn seine praktische Lückenlosigkeit gesichert sei. Ausdrücklich habe der Bundesgerichtshof, und zwar in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, ausgeführt, auch ein praktisch nicht lückenloses Vertriebsbindungssystem könne rechtlich schützenswert sein. An dem Erfordernis der praktischen Lückenlosigkeit eines Vertriebsbindungssystems könne im Rahmen eines Anspruchs aus § 1 UWG nicht festgehalten werden. Dieser geänderten Auffassung habe sich zwischenzeitlich auch der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs angeschlossen. Die geänderte Rechtsprechung zwinge dazu, das Verhalten des Außenseiters, der lediglich den Vertragsbruch eines Dritten ausnutze, also ihn nicht dazu verleite oder einen Schleichbezug vornehme, anders zu bewerten, als das bislang geschehen sei. Das Verhalten des Außenseiters, der lediglich den Vertragsbruch eines Dritten ausnutze, könne zwar nicht mehr ohne weiteres als wettbewerbswidrig nach § 1 UWG eingestuft werden. Auf der anderen Seite habe der Bundesgerichtshof in seinem Vorlagebeschluß an den Kartellsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 15.07.1999, MD 1999, 1076, 1082 "Außenseiteranspruch") ausdrücklich festgehalten, dass dem Hersteller dann, wenn ihm die Kontrolle eines nicht zu beanstandenden Vertriebsbindungssystems durch die Entfernung oder durch das Unkenntlichmachen der Kontrollnummern erschwert werde, gegenüber dem eine solche veränderte Ware vertreibenden Außenseiter wegen wettbewerbswidriger Behinderung ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG zur Seite stehe, und zwar auch dann, wenn nicht der Außenseiter, sondern ein Dritter die Kontrollnummer entfernt oder unkenntlich gemacht habe. Schon aus diesem Grunde, also wegen des Entfernens bzw. der Unkenntlichmachung der Kontrollnummern, sei die Beklagte daran gehindert, Ware der bei den Testkäufen erworbenen Art zu vertreiben.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 04.03.1999 - 31 0 557/98 - zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,

1.

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Duftwässer, die mit der Marke C.D. gekennzeichnet sind, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, bei denen die betriebsinternen Kontrollnummern durch Schnitte auf den Außen- und/oder Innenseiten der Kartonumverpackung, die als längliche Streifen von mindestens 5 mm Breite und mindestens 5 cm Länge ausgebildet sind, und/oder durch unregelmäßig eingestanzte Löcher entfernt worden sind, wenn dies in der Form gemäß Anlagen K 1 und K 2 zur Klageschrift geschehen ist.

2.

ihnen als Gesamtgläubigerinnen Auskunft über sämtliche Lieferanten und Lieferungen von Produkten gemäß vorstehender Ziffer 1. zu erteilen, welche von der Beklagten seit dem 12.11.1997 zum Verkauf angeboten und/oder in den Verkauf gebracht worden sind, und zwar unter Angabe von Namen und Adressen der Lieferanten und Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen, wobei es der Beklagten vorbehalten bleiben mag, Angaben zu anderen als mit der Marke C.D. gekennzeichneten Produkten zu schwärzen,

3.

ihnen Schadensersatz wegen sämtlicher Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1. seit dem 12.11.1997 in einer nach der Auskunftserteilung zu bestimmenden Höhe zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil. Namentlich ist sie der Auffassung, in seinem Urteil vom 15.07.1999 "Entfernung der Herstellungsnummer" (MD 1999, 1083 ff.) sei der Bundesgerichtshof nicht von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung abgerückt, wonach die Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen gegenüber Außenseitern auch die praktische Lückenlosigkeit eines Vertriebssystems voraussetze. Im übrigen habe der Bundesgerichtshof in seinem Divergenzvorlagebeschluß "Außen- seiteranspruch" (MD 1999, 1076 ff.) ausdrücklich festgestellt, dass sich der Außenseiter, der lediglich den Vertragsbruch eines gebundenen Händlers für sich ausnutze, ohne besondere, die Unlauterkeit nach § 1 UWG begründende Umstände nicht dem Vorwurf aussetze, im Sinne des § 1 UWG wettbewerbswidrigen Behinderungswettbewerb zu betreiben. Das Decodieren, also das Entfernen oder Unkenntlichmachen der Kontrollnummern, stelle ebenfalls keinen unlauteren Behinderungswettbewerb dar. Etwaige markenrechtliche Ansprüche der Klägerinnen aus §§ 14 Abs. 5 Markengesetz seien nach § 24 Abs. 1 Markengesetz erschöpft, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Markengesetz lägen nicht vor. Es handele sich um geringfügige Beschädigungen der äußeren Verpackung, die die Klägerinnen hinzunehmen hätten. Der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe den Klägerinnen jedenfalls deshalb nicht zu, weil es gegebenenfalls an dem erforderlichen Verschulden fehle. Denn sie habe, so meint die Beklagte, auf der Basis der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon ausgehen dürfen, dass der bloße Vertrieb decodierter Produkte dann nicht wettbewerbswidrig sei, wenn das Vertriebssystem nicht praktisch lückenlos sei und der wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsvorwurf allenfalls in dem Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs liegen könne. Auf keinen Fall erstrecke sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch der Klägerinnen aber auf die Nennung von Namen und Adressen der Lieferanten der Beklagten. Auf derartige Auskünfte sei die Klägerin zur Berechnung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs nicht angewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerinnen hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg. Sie führt insoweit zur Änderung des angefochtenen Urteils, als die Beklagte auf den in der Berufungsinstanz gestellten, wenn nicht schon nach §§ 523, 264 Nr. 2 ZPO, dann aber jedenfalls nach §§ 523, 263, 267 ZPO zulässigerweise geänderten Unterlassungsantrag der Klägerinnen antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen ist. Denn der Vertrieb von Markenkosmetika der vorliegenden Art durch einen nicht gebundenen Außenseiter verstößt wegen des Entfernens der betriebsinternen Kontrollnummern der Klägerinnen auch dann gegen § 1 UWG, wenn das Vertriebsbindungssystem der Klägerinnen zwar gedanklich, nicht aber praktisch lückenlos ist, und die Veränderung der Ware nicht durch den vertreibenden Außenseiter, hier also die Beklagte, sondern durch einen Dritten vorgenommen worden ist. Dagegen bleibt der Klage und der Berufung aufgrund einer bestimmten Besonderheit des Streitfalles der Erfolg versagt, soweit die Klägerinnen von der Beklagten Auskunftserteilung und (im Wege der Stufenklage) Zahlung von Schadenersatz verlangen.

Trotz der Tatsache, dass durch Vertriebsbindungen die Zahl der Anbieter verringert wird und dadurch der Wettbewerb in den Handelsstufen zum Nachteil der Verbraucher beeinträchtigt werden kann, war in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Kartellsenat, BGHZ 40, 135 ff. "Trockenrasierer II" oder Wettbewerbssenat, GRUR 1992, 627 ff. "Pajero") und dem juristischen Schrifttum (vgl. z.B. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl. 1999, § 1 UWG Rdn. 796 ff. und Köhler/Piper, UWG, § 1 UWG Rdn. 391 ff.) stets anerkannt, dass Vertriebsbindungssysteme unter bestimmten Voraussetzungen schutzwürdig sind. Danach hat der Hersteller gegen seinen Abnehmer, mit dem er schriftlich und auch sonst rechtswirksam einen Vertriebsbindungsvertrag geschlossen hat, einen vertraglichen Unterlassungsanspruch, wenn dieser die Vertriebsbindung nicht einhält. Da aber auch ein vertraglich gesichertes, theoretisch und praktisch lückenloses Vertriebsbindungssystem nicht absolut im Sinne eines dinglichen Rechts geschützt ist (statt aller: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 799), kommt ein Unterlassungsanspruch gegen einen nicht vertraglich gebundenen Händler, den Außenseiter, nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht, wenn sich dieser vertraglich nicht gebundene Außenseiter zu Wettbewerbszwecken vertriebsgebundene Waren von einem Händler beschafft, der durch den Verkauf dieser Ware gegen eine mit ihm - wie hier - wirksam vereinbarte vertragliche Vertriebsbindung verstößt. Allgemein anerkannt war und ist, dass in dem Ankauf allein grundsätzlich kein wettbewerbswidriges Verhalten liegt. Wettbewerbswidrig ist das Verhalten nur, wenn der Außenseiter entweder einen gebundenen Händler zum Vertragsbruch verleitet oder die vertriebsgebundene Ware durch Schleichbezug erlangt oder sich durch Ausnutzung fremden Vertragsbruchs einen ungehörigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern verschafft (statt aller: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 799). Im Gegensatz zur Verleitung zum Vertragsbruch und zum sog. Schleichbezug ist das Beschaffen einer Ware durch Ausnutzung fremden Vertragsbruchs - und nur dieser kommt hier in Ermangelung eines entsprechenden abweichenden schlüssigen und unter Beweis gestellten Sachvortrags der Klägerinnen in Betracht - grundsätzlich nicht unlauter. Daher müssen bei der Vertriebsbindung stets besondere Umstände hinzutreten, die die Ausnutzung des Vertragsbruchs durch einen Außenseiter als wettbewerbswidrig erscheinen lassen (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdn. 802). Solche besonderen Umstände hat die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt BGH, Beschluß vom 15.07.1999, MD 1999, 1076, 1079 "Außenseiteranspruch" mit zahlreichen weiteren Nachweisen) für den Fall angenommen, dass es dem Vertriebsbinder gelungen war, ein gedanklich und auch tatsächlich, das heißt praktisch lückenlos durchgesetztes Vertriebsbindungssystem einzurichten, und der Außenseiter durch den Verkauf der unter Ausnutzung fremden Vertragsbruchs verschafften Ware einen ungerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitbewerbern zu erzielen suchte, die die Vertriebsbindung befolgten und respektierten. Anders als in den eher seltenen oder doch selten nachzuweisenden Fällen, in denen der Außenseiter sich die Ware auf Schleichwegen verschafft, beispielsweise durch einen vorgeschobenen Mittelsmann unter Verheimlichung des Warenabnehmers, durch Zusammenwirken mit einem ungetreuen Angestellten des gebundenen Händlers oder unter arglistigem Verschweigen einer gegen ihn verhängten Liefersperre, bedurfte es im Falle des bloßen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs stets der Feststellung der praktisch lückenlosen Einhaltung des Vertriebsbindungssystems. Die Rechtsprechung hat also in den Fällen des bloßen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs oder auch des Ausnutzens eines Schleichbezugs stets die lückenlose Einhaltung des Bindungssystems als Voraussetzung dafür angesehen, dass der Hersteller, ein Händler oder ein deren Interessen wahrnehmender Wettbewerbsverband einen systemfremden Außenseiter unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch nehmen konnte (BGH, a.a.O., "Außenseiteranspruch"). Zwar entsprach und entspricht es allgemeiner Meinung, dass die Lückenlosigkeit eines Vertriebsbindungssystems der in Rede stehenden Art weder nach europäischem noch nach deutschem Kartellrecht eine Voraussetzung für seine Wirksamkeit darstellt (BGH, MD 1999, 1077, 1078 "Außenseiteranspruch" und BGH MD 1999, 1083, 1087/1088 "Entfernung der Herstellungsnummer"), so dass eine wirksame Vertriebsbindung auch dann besteht, wenn namentlich die praktische Lückenlosigkeit des Systems (noch) nicht gesichert ist. Davon losgelöst ist allerdings die Frage zu beurteilen, ob ein Außenseiter gegen § 1 UWG und damit gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs verstößt, wenn er den Vertragsbruch eines gebundenen Händlers für sich ausnutzt. In diesem Falle mußte - wie ausgeführt - das Bindungssystem nicht nur gedanklich, sondern auch praktisch lückenlos sein.

Gedanklich lückenlos ist ein System, wenn der Hersteller mit allen Abnehmern eine entsprechende Bindung vereinbart hat. Ist - wie im Streitfall - die Lückenlosigkeit in diesem Sinne im Prozeß gegen den Außenseiter dargetan, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dieser Außenseiter und damit hier die Beklagte die Waren nur durch einen fremden Vertragsbruch oder auf Schleichwegen erlangt haben kann. Hierin liegt die beweisrechtliche Bedeutung der Lückenlosigkeit (so ausdrücklich BGH, MD 1999, 1076, 1078/1079 "Außenseiteranspruch" mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Soweit die Rechtsprechung bis zum 15.07.1999 angenommen hat, als weitere sachlichrechtliche Voraussetzung für einen gegen den Außenseiter gerichteten Anspruch aus § 1 UWG müsse die praktische Lückenlosigkeit des Bindungssystems hinzukommen, stand dahinter die Erwägung, dass dem gebundenen Händler die Einhaltung der ihm obliegenden Verpflichtung dann nicht mehr zugemutet werden kann, wenn seine Mitbewerber ohne eine entsprechende rechtliche oder tatsächliche Bindung Wettbewerb treiben können. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn nicht alle Mitbewerber in derselben Weise gebunden werden, das System also schon gedanklich lückenhaft ist. Eine solche Situation kann zum anderen aber auch dann eintreten, wenn gegen gebundene Mitbewerber, die vertragsbrüchig werden, von seiten des Herstellers nicht vorgegangen wird, wenn das System also in seiner praktischen Handhabung Lücken aufweist. Dahinter verbirgt sich die Erwägung, dass in den Fällen, in denen schon dem gebundenen Händler die Einhaltung der sich aus der Bindung ergebenden Verpflichtungen nicht mehr zugemutet werden kann, die Mißachtung des Bindungssystems schon gar nicht dem nicht gebundenen Außenseiter als eine sittenwidrige Handlungsweise zur Last zu legen ist (BGH, a.a.O., "Außenseiteranspruch" und BGH GRUR 1968, 272, 275 "Trockenrasierer III"). Hinzu tritt die Überlegung, dass in einem auf diese Weise praktisch lückenhaften System auch der Bezug der Ware vom an sich gebundenen Händler nicht mehr notwendig einen Vertragsbruch oder einen Schleichbezug voraussetzt, weil die Ware im Markt erhältlich ist (BGH GRUR 1991, 614, 616 "Eigenvertriebssystem"). Letztlich bedeutet das nichts anderes, als dass einem Unterlassungsbegehren des Herstellers der Einwand unzulässiger Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB entgegensteht, wenn die Mitbewerber des gebundenen Händlers und damit die Außenseiter die gleiche Ware (zu einem niedrigeren Preis) veräußern können, sei es, dass sie keiner Bindung unterliegen, sei es, dass gegen sie nicht erfolgreich vorgegangen wird.

Auf der Basis dieser ständigen Rechtsprechung namentlich des Bundesgerichtshofs, die bis zum 15.07.1999 uneingeschränkt für sich Fortgeltung beanspruchen konnte, ist die Entscheidung des Landgerichts in der Sache und auch der Begründung nach richtig. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass der Anteil von D.-Produkten auf dem Graumarkt in Deutschland in den ersten vier Monaten des Jahres 1998 noch 10 % betrug, was einem Umsatz von fast 30 Millionen DM entspricht, kann von einer praktischen Lückenlosigkeit des Bindungssystems der Klägerinnen keine Rede sein, auch wenn es ihnen gelungen ist, den Graumarktanteil bis Ende Juni 1998 auf 8 % zu senken. Dies gilt um so mehr, als nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - das hat dieser in seiner Entscheidung "Außenseiteranspruch" noch einmal ausdrücklich betont - an die praktische Lückenlosigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind. Da mangels praktischer Lückenlosigkeit das Bindungssystem nicht schutzwürdig war, erweist sich auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung auch die Überlegung des Landgerichts als richtig, dass die Entfernung betriebsinterner Herstellungsnummern wie auch der Vertrieb solchermaßen decodierter Ware nicht gegen § 1 UWG verstößt.

Gleichwohl kann die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis keinen Bestand haben. Denn mit seiner Entscheidung "Außenseiteranspruch" vom 15.07.1999 (MD 1999, 1076 ff.) hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seine jahrzehntelange Rechtsprechung zum Schutz selektiver Vertriebssysteme vor Außenseiterhandel insoweit maßgeblich geändert, als er für die Frage der Schutzfähigkeit eines selektiven Vertriebssystems nach § 1 UWG nicht mehr an dem Erfordernis der praktischen Lückenlosigkeit des Bindungssystems festhalten will. Auf Anfrage des Senats hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Schreiben vom 14.03.2000 (Blatt 365 d.A.) mitgeteilt, der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs habe auf seine Vorlagefrage des 1. Zivilsenats vom 15.07.1999 geantwortet, dass auch er an seiner bisherigen Rechtsauffassung zu den dort aufgeworfenen Fragen nicht mehr festhalte. Für den Streitfall hat das zur Konsequenz, dass dem Hersteller, dem die Kontrolle eines nicht zu beanstandenden Vertriebssystems durch die Entfernung oder durch das Unkenntlichmachen der Kontrollnummern erschwert wird, gegenüber dem Außenseiter, der eine solche veränderte Ware vertreibt, unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG auch dann zur Seite steht, wenn das Vertriebsbindungssystem nur gedanklich, nicht aber praktisch lückenlos ist. Ein Hersteller, der seine Abnehmer in ein Vertriebssystem eingebunden hat, kann fortan also entgegen der früheren ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Entscheidungen "Entfernung von Kontrollnummern I - IV", GRUR 1988, 823 ff., GRUR 1988, 826 ff., WRP 1989, 369 ff. und WRP 1989, 366 ff.) gegen Außenseiter, die mit decodierter Ware handeln, grundsätzlich nach § 1 UWG vorgehen, vorausgesetzt, das System ist theoretisch lückenlos aufgebaut. Das entspricht - soweit sich das den nach dem 15.07.1999 ergangenen Gerichtsentscheidungen und Äußerungen im juristischen Schrifttum entnehmen läßt - jetzt allgemeiner Meinung (vgl. das von den Klägerinnen vorgelegte Urteil des Landgerichts Berlin vom 14.12.1999 in dem Rechtsstreit 103.0.203/99 (Blatt 334 ff. d.A.; Kotthoff in: Heidelberger Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rdn. 677; Bayreuther, WRP 2000, 349, 359 und Lubberger, WRP 2000, 139, 144). Dass nunmehr dem Hersteller, dem die Kontrolle eines nicht zu beanstandenden Vertriebsbindungssystems durch die Entfernung oder durch das Unkenntlichmachen der Kontrollnummern erschwert wird, auch gegenüber dem Außenseiter, der eine solche veränderte Ware lediglich vertreibt, unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbswidrigen Behinderung ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG zur Seite steht, hat der Bundesgerichtshof in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung "Außenseiteranspruch" (MD 1999, 1076, 1082 a.E.) ausdrücklich festgehalten.

Ist demgemäß davon auszugehen, dass im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine rechtlich wirksame Vertriebsbindung bei der Prüfung des § 1 UWG nunmehr nicht mehr die praktische Lückenlosigkeit des Systems voraussetzt, und dass bereits der Vertrieb decodierter Markenware gegen § 1 UWG verstößt, sobald eine rechtlich wirksame Vertriebsbindung vorliegt, die es dem Hersteller ermöglicht, den Vertrieb seiner Ware auf bestimmte Abnehmer zu beschränken, erweist sich der in der Berufungsinstanz geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin demgemäß schon deshalb als begründet, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die betriebsinternen Herstellungsnummern der Klägerinnen bei den als Anlage K 1 und K 2 zur Klageschrift zu den Akten gereichten, von der Beklagten vertriebenen Parfum-Produkten "D." und "F." entfernt worden sind. Da die gedankliche Lückenlosigkeit des Bindungssystems der Klägerinnen nicht in Zweifel gezogen werden kann, steht es dem Hersteller frei, die Einhaltung seines somit schutzwürdigen Bindungssystems durch ein Nummernsystem zu kontrollieren, und er kann jetzt auch gegen denjenigen erfolgreich vorgehen, der decodierte Ware lediglich vertreibt.

Erweist sich die Klage demgemäß auf der Basis der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs als begründet, gilt dies allerdings nicht für den geltend gemachten Auskunftsanspruch und den noch unbezifferten Zahlungsantrag. Denn vorgetragen sind nur zwei Verletzungshandlungen, nämlich der Verkauf des Eau de Toilette "D." im November 1997 und der Verkauf des Eau de Toilette "F." im April 1998. Zum damaligen Zeitpunkt konnte die Beklagte aufgrund der ständigen, über Jahrzehnte gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, und zwar sowohl des Wettbewerbs- als auch des Kartellsenats, darauf vertrauen, dass im Falle der praktischen Lückenhaftigkeit des Vertriebssystems der Klägerinnen ein gegen sie gerichteter Unterlassungsanspruch bei bloßem Ausnutzen fremden Vertragsbruchs auch dann nicht in Betracht kam, wenn die Codenummern auf der von ihr erworbenen Ware entfernt bzw. unkenntlich gemacht worden waren. Dann aber scheitert der geltend gemachte Auskunftsanspruch wie auch der unbezifferte Zahlungsantrag an dem notwendigen Verschulden der Beklagten. Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs ist die Klage ungeachtet der Frage des Umfangs des Auskunftsanspruchs damit abweisungsreif, weil ein Schadenersatzanspruch nach dem Vorgesagten nicht besteht und folglich auch keine Auskunft verlangt werden kann, mit der die Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs der Höhe nach vorbereitet werden könnte. Eine andere Beurteilung - eine von der Beklagten begangene Verletzungshandlung nach dem 15.07.1999 ist nicht vorgetragen - könnte allenfalls dann angebracht sein, wenn markenrechtliche Unterlassungsansprüche der Klägerinnen aus § 14 Abs. 5 Markengesetz nicht gemäß § 24 Abs. 1 Markengesetz erschöpft wären, weil dem berechtigte Gründe im Sinne des § 24 Abs. 2 Markengesetz entgegenstünden. Ungeachtet der Tatsache, dass der in der zweiten Instanz gestellte Unterlassungsantrag, auf den sich sowohl der Auskunftsantrag als auch der Schadenersatzantrag bezieht, nur noch auf das Entfernen der Kontrollnummern und nicht mehr - wie in erster Instanz - auf die sonstigen Veränderungen der Warenverpackung bezieht, folgt der Senat dem Landgericht, dass die gerügten Veränderungen an der Verpackung der streitgegenständlichen Produkte letztlich als geringfügig anzusehen sind und deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, der Zustand der Waren sei im Sinne des § 24 Abs. 2 Markengesetz nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert worden oder die Marke sei in einer Weise oder Erscheinungsform benutzt worden, die geeignet ist, die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise zu beeinträchtigen. Der Senat hat die streitgegenständlichen Produkte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.11.1999 in Augenschein genommen und ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass die Veränderungen an den Verpackungen nicht oder kaum wahrnehmbar und jedenfalls nicht so gravierend sind, dass es den Klägerinnen nicht zugemutet werden könnte, diese hinzunehmen. Der Senat schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts an und nimmt sie gemäß § 543 Abs. 1 ZPO in Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerinnen nur mit dem im Berufungsverfahren geänderten Unterlassungsantrag obsiegen und die weitergehende (Stufen-) Klage abzuweisen war. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Parteien übersteigt jeweils 60.000,00 DM.






OLG Köln:
Urteil v. 12.05.2000
Az: 6 U 60/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f78ea5eb9344/OLG-Koeln_Urteil_vom_12-Mai-2000_Az_6-U-60-99




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