Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 28. Februar 2007
Aktenzeichen: 1 K 1493/05 B

(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 28.02.2007, Az.: 1 K 1493/05 B)

Tatbestand

Nach den Feststellungen des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg trat der Kläger vom November 2002 bis Februar 2003 unter dem Namen "r..." in fünf Fällen als Käufer von insgesamt ... kg unversteuertem Röstkaffee bei dem Internet-Auktionshaus "ebay" in Erscheinung. Der Kaffee sollte per Kurierdienst an den jeweiligen Käufer angeliefert werden. Die in Italien ansässige Verkäuferin, die bei "ebay" unter dem Namen "m..." auftrat, erteilte dem Kläger fünf positive "ebay"-Bewertungen. Der Kläger gab für die Verkäuferin eine Bewertung mit nachfolgenden Inhalt ab: "super ware - Lieferung wie versprochen - guter Kontakt - gerne wieder". Auf dem Konto der Verkäuferin war am ... .2002 ein Betrag von ... Euro vom Kläger eingegangen, wobei als Verwendungszweck "r..." und eine der fraglichen "ebay"-Auktionsnummern angegeben war.

Innerhalb des in diesem Zusammenhang eingeleiteten Strafverfahrens, das später nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung wieder eingestellt wurde, erklärte der Kläger, dass es bei diesen Auktionen nie zu einem Kauf seinerseits gekommen sei und er auch keine Kaffeelieferung erhalten habe.

Am ... .2005 erteilte der Beklagte dem Kläger einen Steuerbescheid über ... Euro Kaffeesteuer, da der Kläger ... kg Röstkaffee im Wege des Versandhandels aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bezogen habe. Gemäß § 12 Abs. 2 Kaffeesteuergesetz sei die Steuer mit der Auslieferung des Kaffees an den Empfänger im Steuergebiet entstanden. Am ... .2005 mahnte der Beklagte die Zahlung der Kaffeesteuer an und erließ zugleich ein Leistungsgebot über ... Euro Säumniszuschläge.

Gegen den Steuerbescheid richtete sich der fristgerecht am ... .2005 eingelegte Einspruch, mit dem der Kläger wiederholte, dass er von der fraglichen Anbieterin weder Kaffee gekauft noch erhalten habe. Mit Schreiben vom ... .2005 erhob der Kläger ferner Einspruch gegen das Leistungsgebot auf Grund der Mahnung zum Steuerbescheid.

In der Einspruchserörterung vom ... .2005 setzte der Beklagte dem Kläger gemäß § 364 b Abgabenordnung -AO- eine Frist bis zum ... .2005, um Erklärungen und Beweismittel vorzulegen und wies darauf hin, dass nach Fristende eingehende Erklärungen und Beweismittel im Einspruchsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen seien. Nunmehr räumte der Kläger mit Schreiben vom ... .2005 ein, dass die Auktionen wie dargestellt stattgefunden hätten, mehr aber nicht. Es habe zu diesen Auktionen weder einen Zahlungs- noch einen Warenverkehr gegeben. Die "ebay"-Bewertungen würden keiner Wahrheits- oder Rechtspflicht unterliegen. Daraus sei also nichts herzuleiten.

Mit Einspruchsentscheidung vom ... .2005 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Steuerbescheid als unbegründet zurück. Da mit dem Zuschlag einer "ebay"-Auktion ein Kaufvertrag rechtsverbindlich zustande komme und ferner die Beteiligten positive Bewertungen über den jeweils anderen Vertragspartner abgegeben hätten, sei davon auszugehen, dass es sich bei der Aussage des Klägers, wonach weder ein Zahlungs- noch ein Warenverkehr stattgefunden habe, um eine unzutreffende Schutzbehauptung handele.

Bereits am ... .2005 hatte der Beklagte den Einspruch des Klägers hinsichtlich der Mahnung als unzulässig und bezüglich der Säumniszuschläge als unbegründet zurückgewiesen.

Am ... .2005 hat der Kläger fristgerecht Klage gegen beide Einspruchsentscheidungen erhoben und diese wie folgt begründet. Er kenne die Verkäuferin des Kaffees privat und habe bei ihren Auktionen mitgeboten, um den Preis zu ihren Gunsten in die Höhe zu treiben. Allerdings sei er in den fraglichen fünf Fällen der Höchstbietende geblieben und habe daher den Zuschlag erhalten. Eine Vertragsabwicklung sei für diese Auktionen nie vorgesehen gewesen und auch nicht durchgeführt worden. Lediglich beim ersten der Scheinkäufe sei eine Überweisung vorgenommen worden sei, da man nicht gewusst habe, inwieweit die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte über "ebay" nachprüfbar sei. Die zustande gekommenen Kaufverträge bestreite er nicht; die Verträge seien allerdings anschließend auf mündlichem Wege einvernehmlich wieder aufgehoben worden. Bei dem hier vorliegenden Fall eines "Scheinkaufs" handele es sich im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten nicht um einen atypischen Geschehensablauf, sondern um gängige Praxis bei dem Auktionshaus "ebay". Da diese Praxis rechtlich nicht ganz einwandfrei sei, habe er die zutreffende Schilderung des Sachverhalts zunächst zurückgehalten.

Außerdem hat der Kläger auf Anfrage des Gerichts eine Bestätigung der Verkäuferin des Kaffees eingereicht, wonach sämtliche "ebay"-Auktionen zwischen "r..." und "m..." mündlich aufgehoben worden seien. Es sei kein Geld überwiesen worden und somit auch kein Versand von Kaffee erfolgt.

Die Klage ist bezüglich der Mahnung und der Säumniszuschläge nicht weiter begründet worden.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt, den Kaffeesteuerbescheid vom ... .2005 und die Einspruchsentscheidung vom ... .2005 aufzuheben, sowie die Mahnung und die Anforderung von Säumniszuschlägen aufzuheben.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint zunächst, dass der Kläger den von ihm vorgetragenen atypischen Handlungsablauf nicht nachgewiesen habe. Da der Kläger dies bereits im Einspruchsverfahren trotz Fristsetzung gemäß § 364 b AO unterlassen habe, beantrage er - der Beklagte - weiter, die erst im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Erklärungen gemäß § 76 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- zurückzuweisen und nach Aktenlage zu entscheiden. Unabhängig davon habe der Kläger die ihm gemäß § 90 AO obliegenden Mitwirkungspflichten verletzt. Denn ein Beteiligter, der einen außergewöhnlichen Sachverhalt und daraus folgende steuerliche Folgerungen geltend mache, müsse diesen atypischen Sachverhalt möglichst erschöpfend aufklären und seine Angaben durch die Beschaffung geeigneter Beweismittel nachweisen. Gelinge ihm dies nicht, sei die Besteuerung unter Zugrundelegung des typischen Geschehensablaufs durchzuführen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei er - der Beklagte - zu Recht von der Realisierung der Kaufverträge einschließlich der Lieferung des Kaffees an den Kläger ausgegangen, da der Kläger seine außergewöhnliche Version des Sachverhalts nur unzureichend und zögerlich aufgeklärt sowie dafür keinen Beweis erbracht habe.

Gründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten darauf verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die zulässige Klage ist größtenteils begründet. Der angefochtene Steuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat den Kläger zu Unrecht für fünf Kaffeelieferungen aus Italien in das Steuergebiet in Anspruch genommen. Gemäß § 12 Abs. 2 Kaffeesteuergesetz entsteht die Kaffeesteuer beim Versandhandel aus einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union in das Steuergebiet mit der Auslieferung an den Empfänger. Im Streitfall lässt sich eine Auslieferung des Kaffees an den Kläger nicht mit der hinreichenden Sicherheit nachweisen. Zwar sind auch nach Angaben des Klägers Kaufverträge über die fraglichen fünf Sendungen zustande gekommen. Es handelt sich hierbei allerdings um Scheingeschäfte im Sinne des § 41 Abs. 2 AO, da die Beteiligten sich darin einig waren, dass sie das Erklärte nicht wollten und der Wille nur zum Schein erklärt wurde (Klein/Brockmeyer, Kommentar zur AO, 9. Aufl. 2006, § 41 Rz. 23). Dem Beklagten ist es auch dementsprechend nicht gelungen, eine Lieferung des Kaffees an den Kläger nachzuweisen. Der Versuch, über Nachforschungen bei einem Kurierdienst weitere Erkenntnisse zu erlangen, schlug fehl. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Kläger jedenfalls nach Einstellung des gegen ihn geführten Strafverfahrens an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken hatte. Insoweit mutet es etwas zweifelhaft an, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens immer gerade so viel an Tatsachen zugestanden hat, wie ihm in genau dem betreffenden Zeitpunkt nachgewiesen werden konnte. Auch sind seine Angaben teilweise widersprüchlich. Allerdings ist nach Überzeugung des Gerichts kein Erfahrungssatz des Inhalts festzustellen, dass bei "ebay"-Auktionen ein ordnungsgemäßer Handelsverkehr stattfindet und die Angaben zu den einzelnen Auktionen jeweils den Tatsachen entsprechen. Denn es ist dem erkennenden Senat bekannt, dass im Bereich der "ebay"-Auktionen durchgängig Unregelmäßigkeiten wie Scheingebote, sog. "Spaßbieter", Verletzungen von Verbraucher- und Markenschutzrechten oder UWG-Verstöße an der Tagesordnung sind. Ein prima-facie-Beweis mit der Folge, dass zu seiner Erschütterung ein substantiiertes Vorbringen, aus dem sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt, erforderlich ist (s. dazu Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.10.2006 VII B 248/05 juris), kann demnach nicht als geführt angesehen werden. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass darüber hinaus nach seiner Auffassung die Darlegungen des Klägers auf eine nicht nur entfernt liegende Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs schließen lassen. Es verbleibt demnach bei der üblichen Feststellungslast, wonach die Finanzbehörde das Bestehen der steuerschuldbegründenden Tatbestände nachzuweisen hat.

Die vom Beklagten angeführte Präklusionswirkung seiner Fristsetzung nach § 364 b AO kann im gerichtlichen Verfahren nicht zum Zuge kommen. Zum einen ist die Frist nicht fruchtlos verstrichen, denn der Kläger hat sich innerhalb der Frist dahingehend geäußert, dass zu den fraglichen Auktionen weder ein Zahlungs- noch ein Warenverkehr stattgefunden habe. Zum anderen kommt eine Präklusionswirkung nach § 76 FGO nur dann in Betracht, wenn die Zulassung der nach § 364 b AO ausgeschlossenen Erklärungen die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Dies ist im Streitfall nicht gegeben. Selbst wenn man eine Verspätung der letzten, vom Kläger im Gerichtsverfahren abgegebenen Erklärungen annehmen wollte, würde ihre Berücksichtigung keine Verzögerung des Rechtsstreits im Sinne des § 79 Abs. 3 FGO nach sich ziehen

Bezüglich der angefallenen Säumniszuschläge ist die Klage unbegründet. Denn gemäß § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn eine Steuerfestsetzung aufgehoben wird. Auch handelt es sich bei der Mahnung - wie vom Beklagten zutreffend dargestellt - nicht um einen Verwaltungsakt (s. dazu Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 118 Rz. 7); auch insoweit ist die erhobene Anfechtungsklage unbegründet (s. dazu: Gräber/von Groll, Kommentar zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 40 Rz. 68).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 3 Satz 3 FGO.






FG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 28.02.2007
Az: 1 K 1493/05 B


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