Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. Juni 2012
Aktenzeichen: 6 U 238/11

(OLG Köln: Urteil v. 22.06.2012, Az.: 6 U 238/11)

Tenor

I.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 30.11.2011 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 198/11 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.) Die einstweilige Verfügung der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 198/11 - vom 13.9.2011 wird zu Ziffer 1) aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird insoweit zurückgewiesen.

2.) Im übrigen wird die einstweilige Verfügung bestätigt.

II.) Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.) Die Kosten des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erster Instanz haben zu 60 % die Antragstellerin und zu 40 % die Antragsgegnerin zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen. Die Antragsgegnerin stellt im Berufungsverfahren mit Blick auf die von der Kammer angeführten früheren Verfahren zu von ihr geschalteter Werbung mit “Gratis-Monaten” die Zulässigkeit des Antrags in Abrede und wiederholt mit vertiefter Begründung ihre Auffassung, wonach die Werbung unter keinem der angeführten Ge­sichts­punkte wettbewerbswidrig ist. Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache auch teilweise Erfolg. Hinsichtlich des Antrags zu 1) ist die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen und daher aufzuheben.

I.

Zur Zulässigkeit:

1.) Dass die Kammer in der Vergangenheit bereits über Werbungen der Antrags­geg­nerin zu befinden hatte, die Gratis-Monate bei dem Bezug ihrer Produkte zum Gegenstand hatte, stünde der Zulässigkeit des Antrags im vorliegenden Verfahren nur entgegen, wenn die nunmehr angegriffene Werbung in den Kernbereich eines der schon erlassenen Verbote fiele. Das ist indes nicht der Fall. Die von dem Landgericht angeführten Verfahren betrafen jeweils andere - wenn auch teilweise ähnliche - konkrete Verletzungsformen, bei denen nicht nur marginale Einzelheiten, sondern - teilweise in Reaktion auf vorangegangene Entscheidungen - auch gerade diejenigen Elemente abweichend gestaltet waren, auf denen der Vorwurf der Wettbewerbswi­drig­keit im vorliegenden Verfahren beruht.

2.) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Der am 9.9.2011 eingegangene Antrag hat eine Werbung zum Gegenstand, die am 23.8.2011, und damit erst ca. 2 ½ Wochen vorher, in der FAZ erschienen war. Dass die Werbung vorher in dringlichkeitsschädlicher Zeit schon anderswo veröffentlicht worden sei und die Antragstellerin hiervon Kenntnis gehabt habe, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht.

II.

Der Antrag zu 1) ist aber nicht begründet. Die von der Antragstellerin geteilte Auffassung der Kammer über die Anforderungen der Preisangabenverordnung an die Trans­pa­renz der Preisangaben interpretiert die höchstrichterliche Rechtsprechung zu streng und findet auch in der Senatsrechtsprechung keine Stütze.

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, in dem Werbeflyer den Endpreis für ihr angebotenes Produkt anzugeben. Es gilt hierzu dasjenige, was der BGH in der Entscheidung “Sondernewsletter” (GRUR 2010, 744) unter Rz 28 - bezogen auf den dort streitgegenständlichen “Sondernewsletter” - wie folgt formuliert hat: “Wer als Anbieter von Leistungen gegenüber Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat nach § 1 Abs. I 1 PAngV die Preise anzugeben, die einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen sind (Endpreise). Da die Beklagte mit ih­rem ‘Sondernewsletter’ als Anbieter von Telekommunikations­dienstleistungen gegen­über Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen für einen Telefonanschluss und eine Internet-Flatrate wirbt, ist sie verpflichtet,deren Endpreise anzugeben. Zum End­­preis des Telefonanschlusses und der Internet-Flatrate gehören auch die Kosten des Kabelanschlusses. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte in ihrem „Sondernewsletter” unmittelbar nur für den Telefonanschluss und die Internet Flatrate wirbt, und dass nicht von vornherein feststeht, ob und inwieweit derjenige, der sich für einen Telefon­anschluss oder eine Internet-Flatrate der Beklagten entscheidet, die Kosten eines Kabel­anschlusses zu tragen hat”.

Einen Endpreis, der alle Elemente des von ihr beworbenen Gesamtangebotes erfasst, hat die Antragsgegnerin nicht angegeben. Das war indes in der gegebenen Konstellation auch nicht erforderlich. Der BGH hat zu dieser Problematik a.a.O. Rz 33 formuliert: “Mit dem Abschluss eines Vertrags verbundene Kosten, die nicht bezifferbar oder laufzeitabhängig sind, können und müssen zwar nicht in einen einheitlichen Endpreis einbezogen werden (“…”). Derartige Kosten müssen jedoch, wenn sie - wie hier - Bestandteil des Endpreises sind, auf andere Weise hinreichend deutlich kenntlich gemacht werden.” Ausgehend hiervon vermag der Senat die in dem nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 23.5.2012 näher begründete Auffassung der Antragstellerin nicht zu teilen, wonach die Antrags­gegnerin verpflichtet gewesen sein soll, die sich aus den monatlichen Anschlusskosten von 17,90 € und den 25,00 € ergebende Summe als Endpreis anzugeben. Denn der Betrag von 17,90 € gehört zu den “nicht bezifferbaren Kosten” im vorstehenden Sinne. Das folgt daraus, dass nicht jeder Interessent tatsächlich auch diesen Betrag (in voller Höhe) für den erforderlichen Kabelanschluss zahlen muss. Der Anschluss kann nämlich mit den von ihm aufzubringenden Mietnebenkosten des angesprochenen Verbrauchers bereits abgegolten sein, weswegen die Antragsgegnerin unter Hinweis auf diesen Umstand den Betrag von 17,90 € in der Fußnote auf der ersten Seite der Werbung auch zutreffend mit dem Zusatz “z.B.” versehen hat. Dementsprechend hat auch der BGH (a.a.O. Rz. 32 f) die Kabelanschluss­kosten ausdrücklich als nicht feststehend und daher nicht in den bezifferten Endpreis einzubeziehen angesehen.

Die in dieser Situation bestehenden preisangabenrechtlichen Verpflichtungen hat der BGH a.a.O Rz 33 wie folgt umschrieben: “Derartige Kosten müssen jedoch, wenn sie - wie hier - Bestandteil des Endpreises sind, auf andere Weise hinreichend deutlich kenntlich gemacht werden. Erforderlich ist danach im Streitfall zumindest ein - hinreichend deutlicher - Hinweis darauf, dass die Inanspruchnahme des Telefonanschlusses und der Internet-Flatrate einen Kabelanschluss im Gebiet der Beklagten voraussetzt, und dass für diesen Kabelanschluss monatliche Gebühren und eine einmalige Installationspauschale von … Euro anfallen.” Zutreffend hat das Landgericht die Beurteilung der Frage, ob die Werbung einen hinreichend deutlichen Hinweis dieses Inhalts enthält, als davon beeinflusst angesehen, dass die in Rede stehende Preisangabe “25 € mtl.” im Blickfang der ersten Seite der Werbung steht. Für eine solche Fallgestaltung hat der BGH a.a.O. Rz 35 ergänzend formuliert: “Nach diesen Maßstäben ist eine blickfangmäßig herausgestellte Preisangabe unvollständig, wenn in der Werbung nicht gleichzeitig die weiteren Preisbestandteile so dargestellt werden, dass sie dem blickfangmäßig herausgestellten Preisbestandteil eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar und deutlich lesbar sind (…). Die genannten Vorschriften der Preis­angabenverordnung sollen verhindern, dass ein Wettbewerber mit der besonderen Preisgünstigkeit eines Preisbestandteils blickfangmäßig wirbt, weitere Preisbestand­teile dagegen verschweigt oder in der Darstellung untergehen lässt (…). Eine eindeutige Zuordnung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben kann auf unterschiedliche Weise gewährleistet werden. Sie kann insbesondere durch einen Sternchenhinweis erfolgen. Voraussetzung ist aber, dass der Sternchen­hinweis am Blickfang teilhat und dadurch eine klare und unmiss­verständliche Zuord­nung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben gewahrt bleibt”. Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Werbung.

Die Antragsgegnerin hat in einer Fußnote angegeben: “Voraussetzung ist ein Analoger Kabelanschluss von Unitymedia (erhältlich z.B. für 17,90 mtl. …) …”. Dieser Text erfüllt inhaltlich die zu stellenden Anforderungen. Er ist wegen seiner Anordnung auf derselben ersten Seite und seiner relativen Kürze auch leicht erkennbar und trotz der geringen Schriftgröße vor dem hellen Hintergrund deutlich lesbar. Entgegen der Auffassung der Kammer ist auch seine Publizierung durch einen Sternchenhinweis nicht zu beanstanden. Dass die zusätzlichen Preisangaben durch einen Sternchenhinweis erfolgen dürfen, entspricht der zitierten Auffassung des BGH. Dieser verlangt - wie vorstehend wiedergegeben - weiter, dass “der Sternchen­hinweis am Blick­fang teilhat”. Voraussetzung ist danach, dass das Sternchen selbst, also das Zeichen *, Bestandteil des Blickfanges, also insbesondere nicht unauffälliger als der übrige blick­fangmäßig hervorgehobene Text ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt: das Sternchen befindet sich in einer dem Währungszeichen € entsprechenden Größe neben der Angabe “25 € mtl.” Soweit die Entscheidung der Kammer dahin zu verstehen ist, auch der Text, auf den mit dem Sternchen verwiesen werde, müsse am Blickfang teilhaben, vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Sternchenhinweise, die nach der vom Senat geteilten Auffassung des BGH für die erforderlichen Preisangaben verwendet werden dürfen, erfüllen die Funktion, einen Teil der Werbeaussagen in einen anderen Bereich der Werbung, in aller Regel in Fußnoten, zu verlagern. Diese Funktion könnten sie allenfalls in Ausnahmefällen erfüllen, wenn die Sternchenhinweise selbst am Blickfang teilnehmen, also ebenso prominent heraus­gestellt sein müssten wie die Werbeaussage selbst. Es macht nämlich - zumindest in aller Regel und auch im vorliegenden Fall - keinen Sinn, Bestandteile von Werbeaussagen in Fußnoten zu verlagern, wenn diese ebenso groß und auffällig dargestellt werden müssen, wie die übrige Werbeaussage, zu der sie gehören, selbst. Eine abweichende, nach Meinung des Senats zu strenge Auffassung würde das den Werbenden eingeräumte Recht, für die not­wendigen ergänzenden Preisangaben Sternchenhinweise zu verwenden, weitgehend unterlaufen. Der Senat sieht sich in dieser Auffassung im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Dieser hat an der vorstehend zuletzt zitierten Stelle nicht formuliert, der Hinweis selber, sondern nur “der Sternchenhinweis” müsse am Blick­fang teilhaben. Wenn damit über das Sternchen selbst hinaus auch der Text gemeint wäre, auf den das Sternchen hinweist, wäre die anschließende Formulierung des BGH: “…, dass der Sternchen­hinweis am Blickfang teilhat und dadurch eine klare und unmissverständliche Zuord­nung der weiteren Preisangaben zu den herausgestellten Preisangaben gewahrt bleibt” nicht erforderlich, weil Preisangaben, deren Text - sei es auch durch Sternchenhinweis - am Blickfang einer Werbeaussage teilhat, dieser immer klar und unmissverständlich zugeordnet sind. Zudem wären in diesem Fall die “weiteren Preisangaben” den herausgestellten Preisangaben nicht (nur) - wie die Anforderungen des BGH formuliert sind - “zugeordnet”, sondern wären sie selbst ebenso wie diese herausgestellt. Die von der Kammer und der Antragstellerin angeführten Senatsentscheidungen betrafen andere Sachverhalte und stehen daher mit der vorliegenden Entscheidung nicht im Widerspruch.

III.

Soweit die Berufung den Verfügungsantrag zu 2) betrifft, ist sie unbegründet.

Der Senat sieht mit der Kammer den Irreführungsvorwurf aus den Gründen der beiden letzten Absätze der Entscheidungsgründe auf den Seiten 21 f des angefochtenen Urteils, auf die zustimmend Bezug genommen wird, als begründet an. Der - im Tatbestand jener Entscheidung inhaltlich wiedergegebene - kleingedruckte Fußnotentext lässt sich wegen der kleinen Schriftgröße und dem in Blautönen changierenden Hintergrund schon kaum entziffern. Inhaltlich ist er so komplex und lang, dass mit einer Kenntnisnahme durch die angesprochenen Verbraucher nicht ernsthaft gerechnet werden kann. Die Auffassung der Berufung, bei einer Werbung mit „Bis zu"-Preisen, seien umfangreiche Informationen notwendig und das gehe nicht anders als so wie geschehen, verfängt nicht. Ein Hinweis, wonach das beworbene Gratisangebot sich nicht auf die Kabelanschlusskosten beziehe, lässt sich in einem kurzen Satz verständlich und eindeutig formulieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt, dass über den Verfügungsantrag zu 3) nicht vor dem Landgericht mündlich verhandelt worden ist.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 €.






OLG Köln:
Urteil v. 22.06.2012
Az: 6 U 238/11


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