Wird eine Berufung nicht begründet, sind die für den Verwerfungsantrag angefallenen Anwaltsgebühren nach Nr. 3200 VV RVG auch dann notwendige Kosten der Rechtsverteidigung, wenn der Antrag sogleich nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung gestellt wird.
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Beschluss des Kammergerichts vom 3. Februar 2006 von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus in Höhe weiterer 238,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2006 festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat nach einem Wert von 238,73 Euro der Beklagte zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel ist insbesondere fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO) erreicht.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte hat der Klägerin die zur Kostenfestsetzung angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG mit einem Gebührensatz von 1,6 gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO voll zu erstatten. Die Klägerin rügt zu Recht, dass das Landgericht im angefochtenen Beschluss diese Gebühr zum Teil abgesetzt und die ihr im Berufungsverfahren entstandenen Anwaltskosten nur nach Maßgabe der Gebührenbeschränkung Nr. 3201 VV RVG in Höhe eines Satzes von 1,1 als notwendigen und damit erstattungsfähigen Prozessaufwand angesehen hat.
Soweit die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG durch den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Berufung vom 10. Oktober 2006 ausgelöst worden ist, hat das Landgericht die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO allerdings zu Recht verneint. Den Antrag auf Zurückweisung der Berufung hat die Klägerin gestellt, bevor der Beklagte einen Berufungsantrag gestellt und die Berufung begründet hatte. Es entspricht der inzwischen allgemeinen Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur, dass die Stellung eines Sachantrages in diesem Stadium des Verfahrens verfrüht und zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich ist (BGH NJW 2003, 2992; NJW 2004, 73; Senat, Rpfleger 2005, 632 ; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn. 13, Stichwort: Berufung; Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 3200 Rn. 61 m. w. N.). Erst wenn die Berufung begründet worden ist, kann sich der Berufungsbeklagte inhaltlich mit dem Berufungsantrag und der Begründung auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag das Verfahren aus objektiver Sicht fördern (BGH, NJW 2003, 2992, 2993; NJW 2004, 73). Mit der €voreiligen€ Stellung des Zurückweisungsantrages verstößt der Berufungsbeklagte gegen die ihm auf Grund des Prozessrechtsverhältnisses obliegenden Verpflichtung, die Kosten eines Rechtsstreits möglichst niedrig zu halten (BGH, NJW 2003, 2992, 2993).
Zu Recht vertritt jedoch die Klägerin die Auffassung, ihr Antrag auf Verwerfung der Berufung vom 9. Januar 2006 sei nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist angezeigt gewesen und die hierdurch entstandenen Anwaltsgebühren habe ihr der Beklagte als notwendigen Prozessaufwand gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstatten.
Allerdings ist die Frage umstritten, ob die volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 in jedem Fall zu erstatten ist, wenn der Berufungsbeklagte nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung die Verwerfung des Rechtsmittels beantragt. Zum Teil wird die Frage verneint (OLG München, FamRZ 2006, 1695; OLG Karlsruhe, OLGR 2001, 76; Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl., § 91, Rn 13 Stichwort: Berufung). Die sofortige Stellung eines Verwerfungsantrags nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei überflüssig, da gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen habe, ob die Frist zur Begründung der Berufung eingehalten sei (OLG München, FamRZ 2006, 1695). Anderes könne nur gelten, wenn besondere Gründe (z. B. ergebnisloser Zeitablauf oder Streit um die Zulässigkeit des Rechtsmittels) die Stellung des Antrags notwendig erscheinen ließen (Zöller, a. a. O.). Nach der Gegenauffassung muss der Berufungsbeklagte mit der Stellung des Verwerfungsantrags nicht abwarten (OLG Stuttgart, JurBüro 2005, 366; OLG Nürnberg, JurBüro 1995, 473 mit zust. Anm. von Hansens; Schneider, BRAGO Report 2001, 65; zum Streitstand Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a. a. O., VV 3200 Rn. 64). Nach dem ungenutzten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist könne der Berufungsbeklagte durch seinen Antrag und dessen Begründung die Verwerfung der Berufung und damit das Berufungsverfahren fördern (OLG Stuttgart, JurBüro 2005, 366).
6Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Die Notwendigkeit zur Rechtsverteidigung ist bereits durch die Einlegung des gegnerischen Rechtsmittels begründet (Senat, Rpfleger 2005, 632). Nach dem ungenutzten Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung ist der Antrag auf Verwerfung der Berufung auch der rechtlich gebotene Antrag und damit objektiv geeignet, das Verfahren zu fördern. Dass das Berufungsgericht gehalten ist, die Zulässigkeit der Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen, lässt die Sachdienlichkeit des Verwerfungsantrages nicht entfallen. Der Berufungsbeklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass das von der Gegenseite angefochtene, erstinstanzliche Urteil so schnell als möglich rechtskräftig wird € z. B. im Hinblick auf eine angestrebte Zwangsvollstreckung. Mithin besteht auf seiner Seite ein erhebliches Interesse an einer Entscheidung durch Verwerfungsbeschluss schon wegen der damit verbundenen Beschleunigung des Ver-fahrens (vgl. auch BGH, NJW 2004, 73 zum Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO). Er braucht daher nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht untätig zu bleiben, sondern darf ohne weiteres Zuwarten in seinem Sinne auf die Entscheidung des Gerichts nach § 522 Abs. 1 ZPO einwirken.
Die aus dem Prozessrechtsverhältnis folgende und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verpflichtung einer jeden Prozesspartei, die Prozesskosten niedrig zu halten, steht dem nicht entgegen. Denn sie besteht nur, soweit sich dies mit der Wahrung der berechtigten Belange der Partei vereinbaren lässt (BGH, NJW 2007, 2257). Auch eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei darf aber von sich aus auf eine Verwerfung der gegnerischen Berufung hinwirken und muss sich nicht darauf verlassen, dass sich das Gericht von Amts wegen zeitnah mit der Zulässigkeit der Berufung befasst. Ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn das Gericht bereits eine Verwerfung des Rechtsmittels angekündigt hat (so BGH, NJW 2006, 2260, 2262 zur Bestellung eines Rechtsanwalts bei einem unzulässigen Einspruch) kann hier dahin stehen. Eine solche Ankündigung des Gerichts lag zum Zeitpunkt des am 9. Januar 2006 bei Gericht eingegangenen Verwerfungsantrages der Berufungsbeklagten noch nicht vor.
Dass vorliegend der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Antrag auf Verwerfung der Berufung nur anhand seiner Akte gestellt hat, ist kostenrechtlich ohne Belang. Die Ausgestaltung der anwaltlichen Gebühren als im wesentlichen streitwertabhängige Pauschalen verbietet eine Prüfung, welcher Aufwand mit der Stellung des Verwerfungsantrages und der Begründung für den Anwalt verbunden war (BGH, NJW 2004, 73). Insofern spielt es keine Rolle, dass an sich eine Überprüfung der Fristversäumnis ohne Kenntnis der Gerichtsakte nicht möglich ist.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Gerichtsgebühr fällt nicht an.
Die Rechtsbeschwerde wird nach § 574 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist . Die im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob die Kosten eines Verwerfungsantrages nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstattungsfähig sind, wenn der Antrag sogleich nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung gestellt wird, ist für eine unbestimmte Vielzahl von Verfahren von Bedeutung. Sie ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.