Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 22. Mai 1992
Aktenzeichen: 6 U 118/91
(OLG Köln: Urteil v. 22.05.1992, Az.: 6 U 118/91)
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. Mai 1991 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 2/91 - wird zurückgewiesen. II. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: 1. Die Beklagten wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, für das Produkt "P. " anzukündigen: a) "Eine Revolution, die unter die Haut geht" und/oder b) "Jetzt gibt es eine Creme gegen Falten, die 3O mal mehr Vitamine in die Haut bringt" und/oder c) "Mit P. ist es nun gelungen, diese Wirkstoffmenge um das 3Ofache zu erhöhen": 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 171,-- DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 15.01.1991 zu zahlen. II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Beklagten wird auf 5O.171,OO DM festgesetzt.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung der Beklagten und die
unselbständige Anschlußberufung des Klägers sind zulässig. In der
Sache hat nur die Anschlußberufung Erfolg; die Berufung ist
hingegen unbegründet.
I.
Das Landgericht hat die Beklagte zu
Recht zur Unterlassung der im Urteilstenor zu lit. a) und b)
angeführten Werbeankündigungen verurteilt.
Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG befugt, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus § 3
UWG geltend zu machen.
Solche Unterlassungsansprüche stehen
dem Kläger gemäß § 3 UWG, § 27 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 LMBG auch im
Umfang des erstinstanzlichen Urteilstenors zu Ziff. 1 zu.
Da die Aussagen "eine Revolution, die
unter die Haut geht" und "jetzt gibt es eine Creme gegen Falten,
die 3O mal mehr Vitamine in die Haut bringt" im Rahmen von
Werbeanzeigen für die von der Beklagten angebotene Hautcreme "P. "
erfolgt sind, handelt es sich um Aussagen, die im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gemacht worden sind. Die
Aussagen enthalten auch Angaben über geschäftliche Verhältnisse im
Sinne von § 3 UWG; es werden mit diesen - vom Verkehr ernstgenommen
- Aussagen Angaben darüber gemacht, was mit der beworbenen
Hautcreme erreicht und bewirkt werden soll. Beide Werbeaussagen
sind auch irreführend im Sinne von § 3 UWG, § 27 Abs. 1 Ziff. 1 und
2 LMGB.
1.
Ob bei der Werbeaussage "Eine
Revolution die unter die Haut geht" allein die Verwendung des
Begriffes "Revolution" für ein neuartiges Produkt angesichts der
Abnutzung dieses Begriffes in Umgangssprache und Publikationen
irreführend ist, kann dahinstehen, da jedenfalls die Gesamtaussage
in Verbindung mit der Werbung für eine Hautcreme die irrige
Vorstellung hervorzurufen geeignet ist, diese Creme ginge - im
Gegensatz zu anderen Hautcremes - tatsächlich unter die Haut bis
dort hin, wo die Faltenbildung stattfindet. Diese Wirkung sei das
Revolutionäre an diesem neuen Produkt. Von einem nicht
unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird die
Werbeaussage dahin verstanden, daß erstmals ein revolutionärer
Fortschritt im Kampf gegen die Falten getan sei und das so
beworbene Präparat nicht nur an der Oberfläche der Haut wirke,
sondern die Haut von ihren unteren Schichten her regenieriere und
völlig neu faltenfrei aufbaue. Die Gesamtgestaltung der
angegriffenen Anzeige, die zu einem Großteil von einer Abbildung
eines faltenfreien Gesichts einer jungen Frau beherrscht wird und
blinkfangmäßig hervorgehoben für eine "Creme gegen Falten" wirbt,
ruft bei den flüchtigen Betrachtern (innen) die Erwartung hervor,
daß die besondere Tiefenwirkung dieser Creme eine völlige
Zurückbildung dieser Falten und Fältchen bewirke. Insofern wird auf
die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils
verwiesen.
Bei dieser Beurteilung war zu
berücksichtigen, daß sich Werbung für jugendliches Aussehen und
gegen Alterserscheinungen der Haut in einem für den Verbraucher
besonders sensiblen Bereich bewegt mit der Folge, daß Aussagen auf
diesem Gebiet - geprägt von eigenen Wunschvorstellungen der
Betrachter (innen) - besonders ernst genommen werden.
Der Beklagten kann insoweit nicht
gefolgt werden, als sie die Auffassung vertritt, die Aussage sei
lediglich sprichwörtlich gemeint und werde von den Lesern (innen)
als Wortspiel verstanden. Zwar wird die Aussage "die unter die Haut
geht" in vielen Fällen im übertragenen Sinne aufgefaßt, nicht aber
bei einer Hautcreme, die speziell gegen Falten wirken soll.
Vielmehr gibt die angegriffene Anzeige durch ihren Gesamteindruck
der häufig nur bildlich verstandenen Aussage "geht unter die Haut"
gerade einen ganz konkreten wörtlichen Sinn, da sie die jugendliche
Gesichtshaut in den Vordergrund stellt und für faltenfreie Haut
wirbt. Dies führt bei einem nicht unerheblichen Teil der
angesprochenen Verkehrskreise gerade zu der Vorstellung, dieses
beworbene Produkt entfalte seine Wirkung dort unter der Haut, wo
die Bildung von Falten stattfindet.
Die Feststellung, daß ein nicht
unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums mit der
beanstandeten Werbeaussage die Vorstellung verbindet, die
Anwendung des beworbenen Produktes werde ein so weitreichende
Wirkung erzielen können, konnte der Senat in Óbereinstimmung mit
dem Landgericht aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkunde
treffen. Mit ihrer Werbung richtet sich die Beklagte an das
allgemeine Publikum, das als Erwerber von Kosmetika in Betracht
kommt. Auch die Mitglieder des Senats sind deshalb in der Lage,
nach ihrer Lebenserfahrung und Sachkunde zu befinden, wie ein nicht
unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises die Angaben
der Beklagten über die von ihr beworbene Hautcreme versteht (vgl.
BGH GRUR 1983, 779 - Schuhmarkt; BGH GRUR 1985, 14O, 141 - Größtes
Teppichhaus der Welt).
Die Werbeaussage ist unzutreffend und
damit irreführend, da das Produkt die Wirkung, von der ein nicht
unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise ausgeht, schon
nach dem Vortrag der Beklagten nicht hat. Nach ihren Behauptungen
transportieren die in "P. " enthaltenen Nanoparts Vitamine
lediglich in die Oberhaut, nicht jedoch unter die Haut in die
Schichten, in denen die Faltenbildung entsteht. In dieser
Irreführung liegt zugleich ein Verstoß gegen das Verbot des § 27
Abs. 1 Ziff. 1 LMBG.
2.
Auch die Ankündung "Jetzt gibt es eine
Creme gegen Falten, die 3O mal mehr Vitamine in die Haut bringt"
ist ebenso irreführend und damit gemäß § 3 UWG, § 27 Abs. 1 Ziff. 1
und 2 LMBG zu unterlassen.
Darüber ob schon die Aussage "Creme
gegen Falten" geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der
angesprochenen Verkehrskreise die irreführende Vorstellung
hervorzurufen, durch die Anwendung des beworbenen Produktes würden
Falten gänzlich beseitigt (vgl. OLG Hamburg WRP 1989, 411, 412
"Antifaltencreme"), braucht der Senat nicht zu befinden, denn die
Ankündigung "Jetzt gibt es eine Creme gegen Falten, die 3O mal mehr
Vitamine in die Haut bringt" ist in ihrer Gesamtheit in der Form
der beanstandeten Anzeige irreführend. Für die flüchtigen
Betrachter (innen) stellt sich diese Aussage nicht nur als Werbung
für eine "Creme gegen Falten" dar; durch den Zusatz "die 3O mal
mehr Vitamine in die Haut bringt" wird suggeriert, daß es sich um
ein Produkt handele, das eine dreißigfach stärkere Wirkung hat als
herkömmliche Faltencremes. Gerade die Ankündigung "Jetzt gibt es"
verstärkt diesen Eindruck, daß es erstmalig gelungen sei, ein
Mittel - mit 3O mal größerer Wirkung - zu entwickeln, das
tatsächlich geeignet ist, Falten nicht nur zu glätten sondern von
Grund auf zu beseitigen.
Der Verkehr geht ohnehin bei
kosmetischen Produkten - meist den eigenen Wunschvorstellungen
entsprechend - davon aus, daß er durch die Anwendung dieser
Präparate eine Verbesserung des Aussehens und des eigenen
Erscheinungsbildes erreiche. Dies gilt um so mehr, wenn diese
Produkte so beworben werden, daß sie augenscheinliche Mängel wie
Falten lindern oder beseitigen sollen. Der Käufer und Benutzer
dieser Mittel will bezüglich seines äußeren Erscheinungsbildes
einen Erfolg erzielen und erwartet dementsprechend einen
signifikanten Rückgang seiner Gesichtsfalten, zumal er dafür Geld
und Mühe aufwendet.
Aus diesem Grund geht ein zumindest
nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise davon
aus, daß eine "Creme gegen Falten", die darüber hinaus erstmals "3O
mal mehr Vitamine in die Haut bringt" die vorhandenen Falten
deutlich sichtbar zurückbildet, wenn nicht gänzlich beseitigt. Dies
gilt selbst dann, wenn die Benutzer bisher mit Faltencremes nicht
die erhoffte Wirkung erzielt haben, da ja das nunmehr beworbene
Produkt eine dreißigfach höhere Wirkung hat. Daß diese Wirkung
tatsächlich von dem beworbenen Produkt "P. " erzielt wird, wird
auch - wie bereits dargelegt - von der Beklagten nicht
behauptet.
Damit ist dem von der Beklagten
angebotenen Produkt "P. " eine Wirkung beigelegt, die ihm nicht
zukommt; gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, daß ein Erfolg mit
Sicherheit erwartet werden kann, der tatsächlich in dieser Form
nicht eintritt (Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 LMBG).
Darin ist die Irreführung gemäß § 3 UWG zu sehen, die - wie oben
dargestellt - auch wettbewerblich relevant ist.
3.
Schon aufgrund dieser Feststellungen
war der von dem Kläger geltend gemachte Aufwendungsersatz gemäß §§
677, 683, 67O BGB gerechtfertigt. Dem berechtigten Abmahnenden
steht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zu (BGH GRUR 1984, 129 -
Shop in the Shop -). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem
Abmahnenden um einen Verband im Sinne von § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG
handelt. Die Höhe des Aufwendungsersatzes ist von der Beklagten
nicht bestritten.
II.
Dem Kläger steht darüber hinaus auch
ein Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG bezüglich der in der
angegriffenen Werbung getroffenen Aussage "Mit P. ist es nun
gelungen, diese Wirkstoffmenge um das 3O-fache zu erhöhen" zu.
Das Landgericht geht zu Recht davon
aus, daß eine Irreführung dieser Ankündungen nicht darin zu sehen
ist, daß die Beklagte die Bezugsgröße ihrer Aussage nicht sichtbar
gemacht habe. In dem der angegriffenen Ankündigung vorausgehenden
Satz ist darauf hingewiesen, daß die Wirkstoffmenge bisher durch
Liposome nur zu einem geringen Teil zu den Zellen transportiert
werde. Damit ist klargestellt, daß die "Bezugsgröße", auf die sich
die angegriffene Aussage bezieht, die herkömmlichen Cremes, die
Liposome als Wirkstoffträger beinhalten, sein sollen.
Unabhängig davon, ob Vitamine überhaupt
eine Rückbildung oder Verhinderung von Falten bewirken können,
suggeriert die Ankündigung "Mit P. ist es gelungen, diese
Wirkstoffmenge um das 3O-fache zu erhöhen" jedoch, daß die
drastische Erhöhung der Wirkstoffmenge auch eine nachhaltige
Verbesserung des gewünschten Erfolges bewirke. Wenn schon die
Aufwendung von kosmetischen Produkten - wie oben dargelegt - bei
den Verbrauchern grundsätzlich die Erwartungshaltung weckt, ihr
Aussehen zu verbessern, so geht zumindest ein nicht unerheblicher
Teil der angesprochenen Verkehrskreise davon aus, daß ein
durchschlagender Erfolg spätestens dann eintritt, wenn die
Wirkstoffe, von denen eine Verbesserung erwartet wird, gleich um
das Dreißigfache erhöht wird. Der Senat braucht in diesem
Zusammenhang nicht auf die Frage einzugehen, ob die Zufuhr der von
der Beklagten benannten Vitamine in die Haut überhaupt eine
faltenglättende oder faltenrückbildende Wirkung hat, denn es
genügt allein, daß die Vorstellung von nicht unerheblichen Teilen
des angesprochenen Publikums nicht der tatsächlichen Wirkung des
angebotenen Produktes entspricht. Insofern ist auch nicht auf die
von dem Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz vom 9.4.1992
vorgelegten Gutachten einzugehen.
Unabhängig davon, welche Wirkung die
Vitamine A und E in der Haut entfalten, stellt die Ankündung der
Beklagten "Mit P. ist es nun gelungen, diese Wirkstoffmenge um das
3O-fache zu erhöhen" eine Irreführung im Sinne des § 3 UWG dar, da
eine solche Aussage in Verbindung mit der Werbung für eine "Creme
gegen Falten" den Eindruck erweckt, daß bei einer derart
gesteigerten Wirkstoffmenge der Erfolg mit Sicherheit erwartet
werden kann.
Daß die Anwendung des Produktes P. aber
zu einer deutlichen Rückbildung bereits vorhandener Falten, wenn
nicht zu einer gänzlichen Beseitigung der Falten führt, wird von
der Beklagten selbst nicht behauptet.
Da die durch die beanstandete
Werbeaussage erweckte Vorstellung eines nicht unerheblichen Teils
der angesprochenen Verkehrskreise mit den von der Beklagten
behaupteten tatsächlichen Wirkungen des Produkts nicht im Einklang
stehen (Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Ziff. 2 LMBG), ist die
Ankündigung der Beklagten gemäß § 3 UWG irreführend. Insoweit war
die Beklagte auf die Anschlußberufung des Klägers auch zur
Unterlassung dieser Werbeaussage zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Die übrigen Nebenkostenentscheidungen
folgen aus den §§ 7O8 Nr. 1O, 713; 546 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 22.05.1992
Az: 6 U 118/91
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f7beada9a695/OLG-Koeln_Urteil_vom_22-Mai-1992_Az_6-U-118-91