Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 18. Juli 2012
Aktenzeichen: 2 W 14/12

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 18.07.2012, Az.: 2 W 14/12)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ellwangen vom 29. Februar 2012

geändert:

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Wert des Beschwerdeverfahrens: bis 2.500 EUR

Gründe

I.

Der Kläger hatte mit seiner Klage von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, für von dieser vertriebene Systeme zur drahtlosen elektrophysikalischen Bauwerktrockenlegung mit einer mauerentfeuchtenden Wirkung zu werben. Eine solche Wirkungsweise des Gerätes sei physikalisch nicht begründbar und das beworbene Verfahren zur Trockenlegung von Mauern gänzlich ungeeignet. Es liege daher eine Irreführung der Verbraucher vor, die geeignet sei, den Wettbewerb auf dem Markt wesentlich zu beeinflussen. Der Kläger sei als eingetragener Verein entsprechend seinen satzungsmäßigen Aufgaben auch klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten und insbesondere gerügt, dass es an Angaben für eine ausreichende Finanzausstattung fehle. Es sei auch zu bestreiten, dass dem Kläger eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern angehörten, die auf demselben Markt wie die Beklagte tätig seien. Auch in der Sache könne die Klage keinen Erfolg haben, da durchaus wissenschaftliches Material vorhanden sei, das grundsätzlich eine Wirkungsweise der verwendeten Methode bestätige.

Nachdem das Verfahren im Hinblick auf einen beim Landgericht Leipzig gegen den Hersteller des auch vorliegend streitgegenständlichen Geräts geführten Rechtsstreit ca. 1 1/2 Jahre geruht hatte, war es vom Kläger durch Schriftsatz vom 01.02.2012 mit der Begründung wieder angerufen worden, dass das Parallelverfahren bewusst verschleppt werde, um das dort zu erwartende negative Ergebnis einer Beweisaufnahme so lange wie möglich zu verhindern.

Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.02.2012 die vom Kläger verlangte Unterlassungserklärung abgegeben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie zwar immer noch von der Richtigkeit der streitgegenständlichen Werbeaussage ausgehe. Nachdem sie die vom Hersteller erworbenen Geräte mittlerweile abverkauft habe und ein solches System auch nicht mehr vertreiben wolle, sei es für sie aber nicht mehr sinnvoll, das vorliegende Verfahren fortzuführen. Anschließend haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt mit dem jeweiligen Antrag, der Gegenpartei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 29.02.2012 hat das Landgericht die Kosten gegeneinander aufgehoben und dies damit begründet, dass zwar mehr gegen die Richtigkeit der beworbenen Wirkungsweise spreche, das Ergebnis eines notwendigen Sachverständigengutachtens aber doch als offen angesehen werden müsse. Offen müsse auch die Frage der Prozessführungsbefugnis bleiben.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Begehren, die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen. Er ist der Auffassung, dass die für die Richtigkeit ihrer Werbeaussage beweisbelastete Beklagte schon allein deshalb billigerweise alle Kosten zu tragen habe, weil sie diesen Beweis aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hätte führen können. Die Vertriebsaufgabe und die Unterlassungserklärung seien höchstwahrscheinlich der Einsicht entsprungen, dass ein weiterer Verkauf solcher Systeme Schadensersatzansprüche und auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.

Die Antragsgegnerin ist dem Rechtsmittel unter Wiederholung ihrer bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente entgegengetreten.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 05.04.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist sie innerhalb der 2-wöchigen Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden und hat der Streitwert des Verfahrens mit 25.000 EUR den in § 511 Abs. 2 S. 1 ZPO genannten Betrag überstiegen.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg, da es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands billigem Ermessen im Sinne des § 91a ZPO entspricht, die Kosten des Verfahrens allein der Beklagten aufzuerlegen.

1.

Der Senat geht von der Klagebefugnis des Klägers gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aus. Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zählt. Der Kläger hat auch substantiierten Vortrag gehalten und sich auf Unterlagen berufen zum Nachweis sowohl der ausreichenden finanziellen Ausstattung als auch der Behauptung, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen mit gleichen Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt wie die Beklagte angehören. Mit diesen von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen hat sich der Senat auch schon in mehreren früheren Verfahren beschäftigt, und dabei jeweils mit positivem Ergebnis für den Kläger; er befindet sich zudem im Einklang mit den Ergebnissen, die auch eine Vielzahl anderer Gerichte bis in die jüngste Vergangenheit bzgl. der Klagebefugnis des Klägers gewonnen haben. Unter diesen Umständen muss jedenfalls für die Fragestellung des § 91 a ZPO davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit diesem Aspekt ihrer Rechtsverteidigung aller Voraussicht nach keinen Erfolg hätte haben können.

2.

Dieses Ergebnis gilt auch für die Rechtsverteidigung der Beklagten in der Sache.

a)

Der Senat teilt die bereits in den Parallelverfahren vom OLG Dresden (14 U 94/11, Urteil vom 10.05.2011, Anlage K 21) und dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (6 U 32/10, Beweisbeschluss vom 06.12.2011, Anlage K 24) bei entsprechender Fragestellung vertretene Auffassung, dass die Beweislast für die Frage, ob das von der Beklagten beworbene Gerät die behauptete mauerentfeuchtende Wirkung hat, bei der Beklagten liegt. Dies ergibt sich daraus - wovon im Grunde die Beklagte selbst ausgeht, auch wenn sie von der Richtigkeit der eigenen Auffassung überzeugt ist -, dass es sich hierbei um eine fachlich umstrittene Werbeaussage handelt. Stützt sich der Werbende auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angaben übernommen und muss sie dann im Streitfall beweisen (BGH NJW-RR 1991, 1391; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 5 Rdn. 3.26). Auch das Landgericht Ellwangen wäre dieser Ansicht, wie sich dem Beschluss vom 29.02.2012 entnehmen lässt, voraussichtlich gefolgt.

b)

Wenn sich die beweisbelastete Partei im Rechtsstreit dem Unterlassungsantrag zu einem Zeitpunkt vollständig unterwirft, zu dem der nächste Schritt des Gerichts die Beschlussfassung über die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens mit Anforderung des erforderlichen Kostenvorschusses gewesen wäre, besteht zumindest eine starke Vermutung dafür, dass dies der Einsicht geschuldet ist, diesen Beweis voraussichtlich nicht führen zu können und deshalb auch das Kostenrisiko nicht eingehen zu wollen. Weil dadurch zugleich dem Kläger die Chance genommen wird, den von ihm begonnenen Rechtsstreit ohne eigene Kostenbelastung zum Erfolg zu führen, spricht bereits dies dafür, es als billig und angemessen im Sinne des § 91 a ZPO zu bewerten, dem beweisbelasteten Prozessgegner alle Kosten aufzuerlegen.

Dies könnte unter solchen Umständen nur dann anders beurteilt werden, wenn für die Entscheidung, sich lieber vollständig zu unterwerfen als den Beweis für die Richtigkeit der bisher vehement vertretenen eigenen Auffassung in Angriff zu nehmen, eine überzeugende oder zumindest leicht nachvollziehbare Argumentation vorgetragen werden könnte. Die Erklärung, solche Geräte nicht mehr verkaufen zu wollen und deshalb keinen wirtschaftlichen Sinn in der Fortsetzung des Rechtsstreits zu sehen, ist hierfür aber nicht geeignet; sinnhaft müsste doch schon allein die Aussicht auf das Obsiegen im Rechtsstreit ohne jegliche Kostenbelastung sein.

c)

Zudem neigt auch der Senat - wie bereits das Landgericht - in Ansehung der vorgelegten Unterlagen und den Ergebnissen in Parallelverfahren (auch wenn es sich dort nicht um baugleiche Geräte gehandelt haben sollte, gleichwohl aber um dasselbe physikalische System) zu der Annahme, dass mehr für das vom Kläger behauptete Fehlen der in der Werbung dargestellten Wirkungsweise spricht als für die Richtigkeit dieser Werbeaussage. Entspricht es aber schon kaum dem Grundgedanken des § 91 a ZPO, bei offenem Beweisergebnis der beweisbelasteten Partei die gleiche Kostenlast aufzuerlegen wie dem Prozessgegner, so liegt nicht einmal dieser Ansatz vor, wenn nach dem Umständen sogar eher davon auszugehen ist, dass die Beweisführung misslingen wird.

3.

Unter Berücksichtigung und jedenfalls in der Gesamtbewertung dieser Umstände entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 91 a ZPO, mit den Kosten des Rechtstreits allein die Beklagte zu belasten.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen - ungeachtet ihrer eingeschränkten Statthaftigkeit im Rahmen des § 91 a ZPO (BGH NJW-RR 2009, 425 [Tz. 9] - nicht vor.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 18.07.2012
Az: 2 W 14/12


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