Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 92/99
(BPatG: Beschluss v. 18.05.2000, Az.: 25 W (pat) 92/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts vom 1. Dezember 1998 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 402 182 zurückgewiesen worden ist.
Die Löschung der angegriffenen Marke 397 08 986 im Markenregister wird angeordnet.
Gründe
I.
Die Bezeichnung BALNEOTOP ist am 28. April 1997 für
"Medizinische Badezusätze"
in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung der Marke erfolgte am 10. Juni 1997.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 30. April 1929 ua für
"Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, ätherische Öle, Seifen, Wasch- und Bleichmittel, (soweit in Klasse 3 enthalten)"
eingetragenen Marke 402 182 Balneodor.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat bereits im Verfahren vor der Markenstelle des Patentamts die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 1. Dezember 1998 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Waren könnten sich auf identischen Waren begegnen und richteten sich an breite Verbraucherkreise. Bei zugrundezulegender normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern, den die angegriffene Marke jedoch einhalte. Die Marken hätten die gleiche Silbenzahl und einen ähnlichen Sprech- und Betonungsrhythmus. Der Verkehr werde aber die unterschiedlichen zweiten Wortteile stärker beachten als den identischen ersten Wortteil "Balneo-" als häufige Bezeichnung und beschreibenden Hinweis auf "Bad". Zudem dienten auch die überwiegend erkannten Bedeutungsanklänge von "-TOP" für "Spitze, hervorragend" und "-(o)dor" für "Duft" zur besseren Unterscheidung der Marken. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei ebenfalls zu verneinen. Auf die Frage der bestrittenen Benutzung komme es bei dieser Sachlage nicht an.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 1. Dezember 1998 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Ansicht der Markenstelle, der Verkehr beachte die Wortendung mehr als den Wortanfang, weil der übereinstimmende Bestandteil "Balneo-" auf "Bad" hindeute, überzeuge nicht, da sich dessen Sinngehalt einem relevanten Teil des Verkehrs nicht erschließe. Die in ihrer Gesamtheit zu vergleichenden Zeichen wiesen den gleichen Wortanfang "Balneo-", die gleiche Silbenzahl, Vokalfolge, den gleichen Sprech- und Betonungsrhythmus sowie die gleiche Buchstabenzahl auf. Demgegenüber seien die Unterschiede der Marken vernachlässigbar gering. Auch in schriftbildlicher Hinsicht, insbesondere bei einer Schreibweise in Versalien, bestehe Verwechslungsgefahr. Die Widersprechende hat im Beschwerdeverfahren Unterlagen, ua eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Widersprechenden sowie Preislisten und Kopien von Faltschachteln, zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke für "Badezusätze" eingereicht, wonach mit den entsprechend gekennzeichneten Produkten in den Jahren 1992 bis 1997 Umsätze zwischen ... DM (1992) und ... DM (1997) er- zielt worden sind.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, daß die Benutzung in geringem Umfang zugestanden, die Nichtbenutzungseinrede aber aufrecht erhalten werde. Jedenfalls bewege sich der Schutzumfang der Widerspruchsmarke aufgrund der angegebenen Umsätze und des stark beschreibenden Charakters von "Balneodor" aber an der untersten Grenze. Der Begriff "Balneo" sei rein beschreibend. Die Hauptgruppe 26 der Roten Liste heiße "Balneotherapeutika". Ferner gebe es allein in der Klasse 5 elf Marken mit diesem Anfangsbestandteil. Die daher ausschließlich beachteten Endungen der Wörter würden aber völlig unterschiedlich gesprochen, nämlich "top" markant kurz und "-dor" sehr weich und fließend. Die von der Markenstelle genannten Begriffsinhalte würden ebenfalls erheblich dazu beitragen, Hör- und Merkfehler zu vermeiden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht wegen der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und der Ähnlichkeit der jeweiligen Waren die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß auf den nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen war.
Die Widersprechende hat auf die nach § 43 Abs 1 MarkenG mögliche und bereits im Verfahren vor der Markenstelle erhobene Nichtbenutzungseinrede durch die im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für "Badezusätze", die jedenfalls unter den im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff "chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke" fallen können, nach Zeit, Art und Umfang hinreichend glaubhaft gemacht (§ 26 Abs 1 MarkenG). Da die Widerspruchsmarke bei der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 10. Juni 1997 länger als fünf Jahre eingetragen war, hatte die Glaubhaftmachung der Benutzung sowohl für den Zeitraum des § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der jüngeren Marke, als auch für den Zeitraum nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG von fünf Jahren vor der hier maßgeblichen Beschwerdeentscheidung (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 97, 98 reSp - Contura) zu erfolgen (vgl zur kumulativen Anwendbarkeit von § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG: BGH GRUR 1998, 938 ff "DRAGON"; MarkenR 1999, 297, 298 "HONKA" mwN). Die von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen, insbesondere die in der eidesstattlichen Versicherung vom 16. März 2000 für die Jahre 1992 bis 1997 angegebenen Umsätze, berühren beide maßgeblichen Zeiträume in ausreichender Weise, da eine für die Rechtserhaltung erforderliche Benutzung nicht den gesamten Fünfjahreszeitraum ausfüllen muß (vgl zB BGH MarkenR 1999, 297, 298 reSp - HON-KA mwN).
Die Widersprechende hat eine Benutzung ihrer Marke für "Badezusätze" auch dem Umfang nach hinreichend glaubhaft gemacht. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke insoweit im Hinblick auf die Rückläufigkeit der erzielten Umsätze geltend gemachten Bedenken rechtfertigen jedenfalls noch nicht die Annahme der fehlenden Ernstlichkeit der dargelegten Benutzungsmaßnahmen. Zwar sind die in der eidesstattlichen Versicherung vom 16. März 2000 genannten abnehmenden Umsatzzahlen von ... DM im Jahr 1992 auf ... DM im Jahr 1997 gemessen an der Art der Waren als für weite Abnehmerkreise bestimmte Erzeugnisse des täglichen Gebrauchs und den in den vorgelegten Listen aufgeführten entsprechenden Stückpreisen (zB 13, ... DM im Jahr 1997) als eher relativ gering anzusehen. Jedoch erscheinen die damit verbundenen Vertriebshandlungen und die aus den eingereichten Unterlagen ersichtliche Geschäftstätigkeit auch nicht so unbedeutend, daß insoweit eine bloße Scheinbenutzung zur Aufrechterhaltung einer formalen Rechtsposition angenommen werden könnte.
Danach stehen den Waren "Medizinische Badezusätze" der angegriffenen Marke auf seiten der Widerspruchsmarke "Badezusätze" gegenüber. Diese sind zumindest hochgradig warenähnlich. Soweit die "Badezusätze" der Widerspruchsmarke auch "medizinische Badezusätze" umfassen, könnten sich die Marken sogar auf identischen Produkten begegnen, worauf es hier jedoch nicht entscheidungserheblich ankommt. Verwechslungsfördernd wirkt sich weiterhin aus, daß es sich bei den jeweiligen Waren in großem Umfang auch um einfache, im typischen Selbstmedikationsbereich liegende Erzeugnisse handeln kann, die rezeptfrei in der Apotheke oder auch in Drogerien und sogar in Supermärkten usw erworben werden können, so daß Endverbraucher als Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat trotz des in dem Wortteil "Balneo-" (lat. balneum = Bad bzw Balneotherapeutika) enthaltenen Hinweises auf den Verwendungszweck und -bereich sowie des in dem weiteren Bestandteil "-dor" anklingenden beschreibenden Begriffs "odor" (lat. = Geruch, Duft) von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, wofür erzielte Umsätze nicht erforderlich sind. Im Hinblick auf die im Bereich medizinischer Erzeugnisse im weiteren Sinne bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Verwendungszweck, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute und interessierte Laien eindeutig erkennen lassen, erscheinen die in der Widerspruchsmarke enthaltenen Wortelemente mit ihren Bedeutungsanklängen noch hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so daß hier keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände sind strenge Anforderungen an den zur Vermeidung der Kollisionsgefahr erforderlichen Markenabstand zu stellen, den die angegriffene Marke nicht einhält. Die sich gegenüberstehenden Marken sind nach Auffassung des Senats jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht bei einer Schreibweise in Versalien so stark angenähert, daß eine hinreichend sichere Unterscheidung nicht gewährleistet und die Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 somit MarkenG zu bejahen ist.
Bei dem gemeinsamen Markenbestandteil "Balneo-" (lat. balneum = Bad) handelt es sich objektiv um ein Wortbildungselement, das in für den vorliegenden Warenbereich einschlägigen Fachbegriffen (vgl zB "Balneotherapeutika", "Balneologie", "Balneologe") enthalten ist. Es besteht daher ein berechtigtes Interesse des Fachverkehrs, diesen Hinweis auch in beschreibender Weise zu verwenden. Da diese Verkehrskreise die Bedeutung von "Balneo-" kennen, was wohl auch für einen Teil der Verbraucher zutrifft, werden sie hierin keinen kennzeichnenden Teil der vorliegenden Marken sehen, so daß insoweit aus der Übereinstimmung in diesem Wortbestandteil Rechte wegen des Bestehens einer markenrechtlichen Kollisionsgefahr nicht hergeleitet werden können. Andererseits wird "Balneo-" aber anders als etwa die für Marken in der Klasse 5 kennzeichnungsschwachen Wortelemente "Gastr-" (Bauch, Magen), "Derm-" (Haut), "Dent-" (Zahn) oder "Cor-" (Herz) nicht in einer großen Anzahl von Drittzeichen verwendet, so daß einem beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere Endverbrauchern, dieser Wortbestandteil nicht geläufig und dessen beschreibende Bedeutung nicht bekannt ist.
Unter diesen Umständen reichen die Abweichungen in den Wortendungen "-TOP" bzw "-DOR" nicht aus, um bei der gebotenen angemessenen Mitberücksichtigung des gemeinsamen beschreibenden Bestandteils "BALNEO-" bei der Beurteilung des Gesamteindrucks (vgl BGH GRUR 1996, 200 "Innovadiclophlont") eine Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen, zumal sich der identische Markenteil am ohnehin im allgemeinen stärker als die übrigen Markenbestandteile beachteten Wortanfang (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 "Indorektal/Indohexal") befindet und hier auch quantitativ deutlich überwiegt. Dabei kann dahinstehen, ob die Gefahr von Verwechslungen bei einem klanglichen Markenvergleich besteht, wenngleich insoweit die Abweichungen zwischen den Endsilben eher deutlicher als in schriftbildlicher Hinsicht hervortreten.
Nach Auffassung des Senats sind die Marken jedenfalls bei einer Schreibweise in Versalien ("BALNEOTOP" / "BALNEODOR") angesichts des identischen und überwiegenden Anfangsbestandteils "BALNEO-" bei gleicher Wortlänge hinsichtlich der Buchstabenfiguren und der Gesamtumrißcharakteristik so hochgradig angenähert, daß eine hinreichende Unterscheidbarkeit nicht mehr gewährleistet ist. Es handelt sich jedoch um eine insgesamt nur knapp zu Gunsten der Widersprechenden ausgegangene Entscheidung. Eine andere Beurteilung der Verwechslungsgefahr wäre insbesondere dann in Betracht zu ziehen gewesen, wenn etwa der übereinstimmende Bestandteil (hier "Balneo-") wegen einer stärker ausgebildeten beschreibenden Bedeutung oder häufigeren Verwendung in Drittzeichen in seinem Gewicht für die Beurteilung der markenrechtlichen Übereinstimmung der Gesamtbezeichnungen noch mehr in den Hintergrund treten würde oder die Endbestandteile markanter von einander abwichen, als dies hier der Fall ist.
Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle, soweit der Widerspruch aus der Marke 402 182 zurückgewiesen worden ist, auf die Beschwerde der Widersprechenden aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Richter Engelshat Urlaub undkann daher nichtunterschreiben.
Kliems Brandt Pü
BPatG:
Beschluss v. 18.05.2000
Az: 25 W (pat) 92/99
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