Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 51/01
(BPatG: Beschluss v. 12.07.2002, Az.: 14 W (pat) 51/01)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den Ansprüchen 1 bis 6 und der Beschreibung Seiten 2 bis 6, beides überreicht gemäß Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluß vom 16. März 2001 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 196 17 626 mit der Bezeichnung
"Mittel zur Färbung und Tönung von menschlichen Haaren"
gemäß Hauptantrag beschränkt aufrechterhalten.
Dem Beschluß liegen die mit Schriftsatz vom 14. April 1999 eingereichten Ansprüche 1 bis 8 nach Hauptantrag zugrunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Mittel zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren, enthaltend mindestens einen direktziehenden Haarfarbstoff und/oder ein Oxidationsfarbstoff-Vorprodukt und eine Kombination ausa) 0,005 bis 2,5 Gew-% mindestens eines Pflanzenextrakts, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung des Mittels und bezogen auf den Feststoffgehalt des Extrakts;
b) mindestens einem natürlichen pflanzlichen Öl; undc) mindestens einem Proteinhydrolysat."
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 8 nach Hauptantrag wird auf die Akten verwiesen.
Die beschränkte Aufrechterhaltung gemäß Hauptantrag ist im wesentlichen damit begründet, daß sowohl Neuheit als auch erfinderische Tätigkeit gegeben seien. Keine der Entgegenhaltungen
(1) DE 33 20 539 A1
(2) JP 05-221838 A2 in Form des Referates Chemical Abstracts 119:256 286
(3) W. Umbach, Kosmetik, Georg Thieme verlag Stuttgart, New York, 1995, Seiten 297 bis 305 gäbe nämlich natürliche, pflanzliche Öle als Bestandteil von Haarfärbemitteln an, weshalb auch keines dieser Dokumente dem Fachmann eine Anregung dahingehend vermitteln könne, diese anstelle der dort genannten Paraffinöle oder Parfümöle einzusetzen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie vertritt sinngemäß die Auffassung, daß das beanspruchte Mittel zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren zwar formal neu sei, nicht aber auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Aus der Entgegenhaltung (1) seien nämlich Haarfärbemittel bekannt, die Proteinhydrolysate, Pflanzenextrakte und flüssiges Paraffin enthielten. Die gemäß dem Streitpatent nunmehr mit den von der Patentinhaberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung neu vorgelegten Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag vorgeschlagene Verwendung von pflanzlichen Ölen und Silikonderivaten in den beanspruchten Mitteln stelle daher lediglich einen bloßen Austausch der Ölkomponente dar. Dieser Schritt sei für den Fachmann ebenso naheliegend wie die nun gleichfalls angegebene Verwendung von Pflanzenproteinhydrolysaten statt der nach (1) bevorzugt eingesetzten tierischen Proteinhydrolysate, nachdem - wie zB
(6) Cosmetic & Toiletries, 1991, 106, Seiten 41 bis 46 lehre - ein Bestreben des Verbrauchers bestehe, Eiweißhydrolysate tierischer Herkunft durch solche pflanzlicher Herkunft zu ersetzen. Darüber hinaus werde die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, ein Färbemittel bereitzustellen, das ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Produkt darstellt, nicht gelöst. Wie die von der Einsprechenden mit den Schriftsätzen vom 4. Februar 2002 (bei der Datumsangabe 4. Februar 2001 handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler) und 8. Juli 2002 eingereichten Vergleichsversuchen zeigten, werde mit einer Kombination von Proteinhydrolysaten, pflanzlichen Extrakten und pflanzlichen Ölen nicht der behauptete Synergismus erzeugt. Mit dem Austausch des in (1) genannten Paraffins gegen ein pflanzliches Öl sei nämlich lediglich ein dem Stand der Technik adäquater Effekt, nicht aber eine Verbesserung der Eigenschaften wie Waschechtheit oder Intensität verbunden. Hinsichtlich des nun im geltenden Anspruch 1 als Komponente d) genannten Silikonderivats, führt sie im weiteren aus, daß es sich hierbei lediglich um eine weitere Ölkomponente handle, bezüglich deren Wirkung im Zusammenhang mit den drei weiteren im beanspruchten Mittel zwingend enthaltenen Komponenten a) bis c) den vorliegenden Unterlagen nichts zu entnehmen sei. Vielmehr handle es sich bei diesem Bestandteil um ein übliches Konditioniermittel, dessen Verwendung nicht nur in Shampoos, sondern auch im Zusammenhang mit Färbemitteln bekannt sei. Im übrigen betrachte sie die Vorlage des neuen Haupt- und des neuen Hilfsantrages als überraschend, weshalb sie es als erforderlich erachte neue Vergleichsversuche vorzulegen, die belegten, daß auch die in Rede stehenden Silikonderivate keinen Einfluß auf die behauptete Intensität der Farbe und Waschechtheit ausübten.
Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Hilfsweise Gelegenheit einzuräumen zum druckschriftlichen Nachweis des Einsatzes eines Silikonderivates in Mitteln zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren, nach weiterem Antrag gemäß Hilfsantrag 2 in der mündlichen Verhandlung überreicht mit folgendem Wortlaut:
"Der Einsprechenden wird unter Fristsetzung die Gelegenheit gegeben, Vergleichsversuche einzureichen, in denen überprüft wird, ob die Anwesenheit der Komponente "Dimethicon Copolyol" einen Effekt auf die von der Patentinhaberin geltend gemachten Eigenschaften "ausdrucksvoll", "dauerhaft" und "glänzend" in Zusammensetzungen gemäß Beispiel 2 der DE 196 17 626 C2 - Schrift hat."
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hauptantrag, gemäß Hilfsantrag mit den Ansprüchen 1 bis 3, jeweils mit den Beschreibungsseiten 2 bis 6, alles überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Die nunmehr geltenden Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Mittel zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren, enthaltend mindestens einen direktziehenden Haarfarbstoff und/oder ein Oxidationsfarbstoff-Vorprodukt und eine Kombination ausa) 0,005 - 2,5 Gew-% mindestens eines Pflanzenextrakts, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung des Mittels und bezogen auf den Feststoffgehalt des Extrakts;
b) mindestens einem natürlichen pflanzlichen Öl;
c) mindestens einem Pflanzenproteinhydrolysat; undd) mindestens einem Silikonderivat.
2. Mittel nach Anspruch 1, enthaltend 0,01 - 1 Gew-% mindestens eines Pflanzenextrakts, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung des Mittels und bezogen auf den Feststoffgehalt des Extrakts.
3. Mittel nach Anspruch 1 oder 2, enthaltend 0,01 - 5 Gew-%, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, mindestens eines natürlichen pflanzlichen Öls.
4. Mittel nach einem der Ansprüche 1 bis 3, worin das pflanzliche Öl Avocadoöl ist.
5. Mittel nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Menge des Pflanzenproteinhydrolysates 0,05 - 5 Gew-%, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, ist.
6. Mittel nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, wobei die Menge des Silikonderivates mindestens 0,1 bis 2,5 Gew-%, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, ist."
Bezüglich der Ansprüche gemäß Hilfsantrag wird auf die Akten verwiesen.
Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden und vertritt die Auffassung, daß die Bereitstellung des mit dem Anspruch 1 angegebenen Mittels die erforderliche erfinderische Tätigkeit aufweise, denn es sei aus dem genannten Stand der Technik nicht in naheliegender Weise herleitbar. So gäbe (1) nur Haarfärbemittel an, die neben den Pflanzenextrakten tierische Proteinhydrolysate enthielten. Deren Austausch gegen Pflanzenproteinhydrolysate werde aber auch in Kenntnis von (6) nicht nahegelegt, nachdem diese Entgegenhaltung nicht Färbemittel, sondern ausschließlich Shampoos betreffe. Ferner sei flüssiges Paraffin lediglich als einer unter vielen weiteren möglichen Zusatzstoffen genannt. Da (1) darüber hinaus nichts über die Verwendung von Silikonderivaten in Färbemitteln aussage, erhalte der Kosmetikfachmann weder mit diesem Dokument noch in einer Zusammenschau mit den weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen eine Anregung, die Mittel gemäß (1) durch die gleichzeitige Zugabe von Pflanzenproteinhydrolysaten, natürlichen pflanzlichen Ölen und Silikonderivaten zu modifizieren. Hinsichtlich der von der Einsprechenden vorgelegten Vergleichsversuche vertritt sie ferner die Auffassung, daß eine weitere Lösung nicht besser als der Stand der Technik sein müsse. Bei dem beanspruchten Mittel gehe es daher nur darum, eine weitere Zusammensetzung bereitzustellen, mit der vergleichbare Wirkungen, wie sie bereits aus dem Stand der Technik bekannt seien, erlangt werden können. Dies träfe im vorliegenden Fall zu, nachdem die mit den Vergleichsversuchen der Einsprechenden erhaltenen Ergebnisse für Zusammensetzungen mit und ohne Ölkomponente bzw unterschiedlichen Ölkomponenten für den Fachmann im gleichen Rahmen lägen. Bezugnehmend auf die im Anspruch 1 nach Hauptantrag angegebene weitere Komponente d), das Silikonderivat, führte sie aus, daß es zwar als Konditioniermittel bekannt sein mag, keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen aber eine Anregung dahingehend vermittle, sie in Färbemitteln einzusetzen, um zusammen mit den weiteren Komponenten a) bis c) zu einem Mittel zu kommen, das den Haaren ausdrucksvolle, lebendige und brillante Farben verleihe. Die Aufnahme der Silikonderivate in den Anspruch 1 stelle auch keinen Überraschungsmoment dar. Nicht nur sei diese Komponente bereits in den ursprünglichen Unterlagen als bevorzugt genannt, sie sei auch im erteilten Anspruch 9 als eine Ausführungsart beansprucht und in den Zusammensetzungen zweier bereits mit den Erstunterlagen vorgelegter Beispiele enthalten.
In einer Zwischenverfügung waren die Beteiligten von Seiten des Senates noch auf die Druckschrift (6) sowie die Druckschriften
(4) FEY. OTTE "Wörterbuch der Kosmetik", Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 1991, Seiten 90, 103, 105/106, 229 und
(5) Janistyn, H. "Handbuch der Kosmetika und Riechstoffe", Band I, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, 1978, Seiten 354/355 und 360 hingewiesen worden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (§ 73 PatG); sie konnte jedoch nur zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis führen, weil das beanspruchte Mittel gemäß den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ansprüchen 1 bis 6 gemäß Hauptantrag nach Auffassung des Senates patentfähig ist.
1. Gegen die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche 1 bis 6 nach Hauptantrag bestehen keine Bedenken.
Der Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2, 5, 9 und 10 iVm der ursprünglich eingereichten Beschreibung Seite 3, Abs 2, S 4 Abs 3, S 5 Abs 2 und S 13 Abs 3 sowie die veröffentlichten Ansprüche 1, 4, 8 und 9 iVm S 2 Z 35 bis 37, Z 51 bis 56 und Z 61 bis 65 sowie S 4, Z 58 bis 61 der Streitpatentschrift zurück.
Die Ansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3, 4, 6 und 7 iVm der ursprünglich eingereichten Beschreibung S 13 Abs 3 und den veröffentlichten Ansprüchen 2, 3, 5 und 6 in Verbindung mit S 4 Z 58 bis 61 der Streitpatentschrift.
2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist unbestritten neu, weil keine der Entgegenhaltungen (1) bis (6) Mittel zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren nennt, die neben Pflanzenextrakten natürliche pflanzliche Öle, Pflanzenproteinhydrolysate und Silikonderivate enthalten.
3. Die Bereitstellung des beanspruchten Mittels beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn durch keine der im Verfahren genannten Druckschriften wird ein Stand der Technik vermittelt, der die Bereitstellung des beanspruchten Mittels nahelegt.
Die Aufgabe des Streitpatentes liegt darin, dem ständig bestehenden Bedürfnis nach verbesserten Produkten abzuhelfen, die zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren verwendet werden und dem Haar eine glänzende, ausgeprägte und dauerhafte Färbung verleihen, sowie das Haar nach Möglichkeit auch noch konditionieren (vgl geltende Beschreibung S 2 Z 21 bis 23).
Gelöst wird diese Aufgabe durch das im Anspruch 1 angegebene Mittel, das neben einem Pflanzenextrakt natürliche pflanzliche Öle, Pflanzenproteinhydrolysate sowie Silikonderivate enthält.
Anregungen dahingehend, ein Mittel mit der in Rede stehenden Zusammensetzung bereitzustellen, werden dem Fachmann, hier ein mit der Entwicklung von Haarbehandlungsmitteln befaßter Chemiker, mit keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen gegeben. Die Druckschrift (1), die als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, beschreibt Haarfärbemittel, die ua Pflanzenextrakte und Eiweißhydrolysate tierischen Ursprungs enthalten. Von den vier im geltenden Anspruch 1 genannten Komponenten a) bis d) weisen sie damit aber lediglich die Komponente a), den Pflanzenextrakt, als gemeinsamen, expressis verbis genannten Bestandteil auf (vgl (1) Ansprüche 4 und 7 iVm Beschreibung S 6 Abs 1 und 2, S 7 Abs 3, S 10 Abs 2 und 4, S 24 Abs 1 bis 3 sowie den Beispielen 8 und 9). Als gegebenenfalls weiterer Zusatzstoff wird in (1) im Zusammenhang mit einer Aufzählung von herkömmlicherweise in Haarfärbemitteln verwendeten Bestandteilen ua flüssiges Paraffin, dh eine reine Kohlenwasserstoffzubereitung, genannt (vgl (1) Beschreibung S 27 Abs 1). Hinweise jedoch, natürliche pflanzliche Öle, dh Zusammensetzungen auf Basis von Glycerolfettsäureestern, neben Silikonderivaten und Pflanzenproteinhydrolysaten in Haarfärbemitteln zu verwenden, werden mit (1) nicht gegeben.
In (3) wird ein Haarfärbemittel angegeben, das nur Pflanzenextrakte ohne weitere Zusätze enthält. Angaben inwiefern weitere Komponenten dazu geeignet sein könnten, mit Pflanzenextrakten zu einem Haarfärbemittel verarbeitet zu werden, sind diesem Dokument nicht zu entnehmen (vgl (3) S 300 Abs 7 und S 301 Abs 3 und 5 sowie S 303 "Rezepturbeispiel: pulverförmiges natürliches Färbemittel"). Die von der Einsprechenden hinsichtlich der im geltenden Anspruch 1 genannten Komponenten b), c) und d) zitierten Beispiele der Entgegenhaltung (3) stellen Färbemittel dar, die keine Pflanzenextrakte aufweisen und entweder nur Paraffinöl oder ein Eiweißhydrolysat, das aber nicht weiter differenziert wird, enthalten (vgl S 303 "Rezepturbeispiel: pflegende Tönungslotion.." und S 305 "Rezepturbeispiel: Färbecreme.." sowie "Rezepturbeispiel: Haarfärbegel"). Sie sind daher nicht dazu geeignet, dem Fachmann Anregungen dahingehend zu geben, Mittel mit der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Zusammensetzung bereitzustellen.
Damit wird dem Fachmann weder mit (1) noch mit (3) die Lehre vermittelt, bei der Bereitstellung von Mitteln zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren die Pflanzenextrakte enthalten, nicht nur eine Auswahl bezüglich der Pflanzenproteinhydrolysate zu treffen, sondern darüber hinaus auch natürliche pflanzliche Öle und Silikonderivate als Bestandteile in Erwägung zu ziehen.
Nachdem die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen keine Färbemittel betreffen und auch keine Angaben zu Haarbehandlungsmittel beinhalten, die mehr als eine der in Rede stehenden Komponenten aufweisen, kann die Bereitstellung der mit dem geltenden Anspruch 1 beanspruchten Mittel nicht als Folge eines durch den Stand der Technik nahegelegten Handelns angesehen werden.
Auch die von der Einsprechenden eingereichten Vergleichsversuche können zu keiner anderen Beurteilung führen. Sie wurden mit Zusammensetzungen durchgeführt, die nicht mehr Gegenstand des geltenden Anspruches 1 sind. Im Ergebnis zeigen sie, daß sich Zusammensetzungen, die neben einem Pflanzenextrakt nur Pflanzenproteinhydrolysate und natürliche pflanzliche Öle enthalten nicht bzw nur geringfügig bezüglich der Kriterien Glanz, Waschechtheit und Intensität von Zusammensetzungen, die flüssiges Paraffinöl aufweisen, unterscheiden. Dagegen enthält das Mittel gemäß dem geltenden Anspruch 1 nunmehr aber als weitere Komponente d) mindestens ein Silikonderivat. Die Ausführungen der Einsprechenden, daß dessen Verwendung im Zusammenhang mit Haarfärbemitteln bekannt sei, unterstellt der Senat als richtig. Dieses Vorbringen und selbst die Annahme, daß mit den in Rede stehenden Silikonderivaten - wie von der Einsprechenden dargelegt - in einer vergleichbaren Versuchsreihe keine weitere Verbesserung der Eigenschaften erreicht bzw - wie von der Patentinhaberin vorgetragen - eine weitere Verbesserung der Ausdrucksfähigkeit der Färbung erzielt werden würde, kann bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aber dahingestellt bleiben. Es ist nämlich - wie vorstehend dargelegt - nicht naheliegend, ein Mittel mit der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Zusammensetzung auf vorwiegend pflanzlicher Basis bereitzustellen, das darüber hinaus auch - was von der Einsprechenden niemals bestritten worden ist - technisch nicht unsinnig, brauchbar und im Vergleich zum Stand der Technik zumindest gleichwirkend ist.
Ein Mittel ist nämlich auch dann patentfähig, wenn es zwar nicht besser ist, mit seiner neuen Lehre aber - hier ist es die Bereitstellung eines neuen Mittels zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren, das vorwiegend auf Komponenten pflanzlichen Ursprungs basiert - ein weiteres Mittel an die Hand gegeben wird, für das trotz des Bekanntseins bereits mehrerer einschlägiger Zusammensetzungen noch ein Bedürfnis besteht. Auf diese Weise wird nämlich ein weiterer Weg eröffnet, im Einzelfall je nach Zweckmäßigkeitsgründen unter mehreren Mitteln eine Auswahl zu treffen. Dieses Erfordernis ist auf dem Gebiet der Haarfärbemittel gegeben, da gerade im Zusammenhang mit deren Anwendung Erscheinungen, wie zB spezielle Überempfindlichkeiten oder individuelle Unverträglichkeiten, eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen (vgl BGH GRUR 1970, 408, 412 re Sp, 413 li Sp - Anthradipyrazol).
4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 weist somit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Der geltende Anspruch 1 ist daher rechtsbeständig. Die Patentansprüche 2 bis 6 betreffen besondere Ausgestaltungen des Mittels nach Anspruch 1 und haben daher ebenfalls Bestand.
5. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf den Hilfsantrag. Vielmehr war der angefochtene Beschluß, dessen Gründe gegenüber dem neu formulierten eingeschränkten Patentbegehren nicht mehr zum Tragen kommen, aufzuheben und das Patent mit den im Tenor angegebenen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.
6. Dem hilfsweisen Antrag der Einsprechenden, ihr Gelegenheit zum druckschriftlichen Nachweis bezüglich des Einsatzes von Silikonderivaten in Mitteln zum permanenten oder semipermanenten Färben von menschlichen Haaren zu geben, hat der Senat nicht statt gegeben, weil er diese Tatsache - wie oben ausgeführt - schon zu Gunsten der Einsprechenden als richtig unterstellt hat. Auch dem Hilfsantrag 2 brauchte nicht stattgegeben zu werden, nachdem es nicht entscheidungswesentlich ist, in welchem Maße das Silikonderivat an der Wirkungsweise der gesamten Zusammensetzung beteiligt ist, sondern alleine, daß eine neue, nicht nahegelegte weitere Zusammensetzung mit vergleichbarer Wirkung bereitgestellt worden ist.
Moser Richter Hotz istwegen Krankheitan der Leistungder Unterschriftgehindert.
Moser Proksch-Ledig Gerster Pü
BPatG:
Beschluss v. 12.07.2002
Az: 14 W (pat) 51/01
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