Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. November 2001
Aktenzeichen: 19 W (pat) 24/00
(BPatG: Beschluss v. 21.11.2001, Az.: 19 W (pat) 24/00)
Tenor
Auf die Beschwerden der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. Februar 2000 aufgehoben. Das Patent 44 32 745 wird widerrufen.
Gründe
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 34 - hat das auf die am 14. September 1994 eingegangene Anmeldung erteilte Patent 44 32 745 mit der Bezeichnung "Verfahren für den Betrieb einer Speicherheizgerätesteuerung" im Einspruchsverfahren durch Beschluß vom 17. Februar 2000 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluß richten sich die Beschwerden der Einsprechenden I und II.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung die Teilung des Patents erklärt derart, daß die Patentansprüche 2 bis 8 abgetrennt werden, während der Patentanspruch 1 im Stammpatent verbleibt. Sie hat gleichzeitig den Rückfallverzicht erklärt.
Der einzig geltende Patentanspruch 1 erteilter Fassung lautet:
"Verfahren zum Betrieb einer Speicherheizgerätesteuerung mit einem Zentralsteuergerät (ZSG) und wenigstens einem Speicherheizgerät (SHG), das mit dem Zentralsteuergerät (ZSG) zur Übermittlung einer Führungsgröße (SLG) gekoppelt ist, dadurch gekennzeichnet,
- die jedem Speicherheizgerät (SHG) von dem Zentralsteuergerät (ZSG) für eine Zeitspanne (Tn) übermittelte Führungsgröße (SLG) mit einer Regelgröße zu einer modifizierten Führungsgröße (SLG«) für das jeweilige Speicherheizgerät (SHG) abgeändert wird, und - für jedes Speicherheizgerät (SHG) am Ende dieser Zeitspanne (Tn) der Wert der noch in dem Speicherheizgerät (SHG) gespeicherten Restwärmemenge (Qrestn) ermittelt wird, und in Abhängigkeit von dieser die Regelgröße für eine spätere Zeitspanne (Tn+x) ermittelt wird".
Mit den in diesem Patentanspruch angegebenen Merkmalen soll das Problem gelöst werden, daß die Speisung der einzelnen Speicherheizgeräte nur unzureichend auf den tatsächlichen Wärmebedarf abgestimmt ist (S 2 Z 50 bis 55 der PS).
Die Einsprechende I führt an, daß der sehr allgemein abgefaßte Patentanspruch 1 nicht klar erkennen lasse, was mit dem Streitpatent eigentlich geschützt werden solle. Aus der DE-AS 1 765 984 sei ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff und dem ersten kennzeichnenden Merkmal des erteilten Patentanspruchs 1 bekannt, bei dem darüberhinaus ständig - d.h. auch am Ende einer den Lade- und Entladezeitraum umfassenden Zeitspanne - die Restwärmemenge gemäß dem zweiten kennzeichnenden Merkmal gemessen werde, wobei die Basisspannung des Transistors der anspruchsgemäßen "Regelgröße" entspreche. Für die in dieser Druckschrift darüberhinaus offenbarte Verschiebung der Aufladung ans Ende der Niedertarifzeit, die nicht von zentraler Stelle sondern im einzelnen Gerät vorgenommen werde, sei die Restwärmemenge am Ende der ersten Zeitspanne maßgeblich; demnach werde auch gemäß dem letzten kennzeichnenden Merkmal die Regelgröße für eine spätere Zeitspanne in Abhängigkeit von dieser ermittelt.
Das anspruchsgemäße Verfahren sei demnach nicht mehr neu, zumindest nicht erfinderisch.
Die zur mündlichen Verhandlung ankündigungsgemäß nicht erschienene Einsprechende II begründet ihre Beschwerde mit der gleichen Druckschrift und einer vergleichbaren Argumentation (S 2 Z 2 bis S 3 Abs 1 Schriftsatz vom 13. November 2001).
Die Beschwerdeführerin I stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdeführerin II hat schriftsätzlich (6. April 2000) einen gleichlautenden Antrag gestellt.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie führt dazu aus, daß in der DE-AS 1 765 984 nicht die Restwärmemenge zu einer bestimmten Zeit gemessen werde, sondern der Ladezustand kontinuierlich in Echtzeit. In der DE 34 10 025 A1 werde zwar die Restwärme am Ende einer Zeitspanne ermittelt und bei der folgenden Zeitspanne berücksichtigt; jedoch handle es sich dort nicht um eine zentral gesteuerte Anlage sondern lediglich um Regler für lokale Speicherheizgeräte. Deshalb sei das erste kennzeichnende Anspruchsmerkmal dort nicht verwirklicht; auch führe diese Druckschrift den Fachmann weg von der patentgemäßen Lehre, nach der die Führungsgröße in einem Zentralsteuergerät modifiziert werde und nicht im einzelnen Speicherheizgerät.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässigen Beschwerden haben Erfolg, weil das Verfahren des erteilten Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
1. Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 Der erteilte Patentanspruch 1 ist hinsichtlich mehrerer Merkmale sehr allgemein abgefaßt. So ist offengelassen, wie lang die "Zeitspanne" bzw die "spätere Zeitspanne" sind und ob die beiden Zeitspannen aneinander anschließen oder zeitlich beabstandet sind; auch ist nicht festgelegt, wie die "übermittelte Führungsgröße" mit der "Regelgröße" zur "modifizierten Führungsgröße" abgeändert wird.
Derartiger Festlegungen bedurfte es aber hier nicht, denn der Fachmann - hier ein Fachhochschulingenieur mit dem Schwerpunkt Heizungstechnik und Erfahrungen in der Steuerung von Speicherheizgeräten - weiß, daß man eine Speicherheizgerätesteuerung nach sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten betreiben kann.
Insoweit ist deshalb hinsichtlich der Modifizierung der Führungsgröße in der Streitpatentschrift auch zutreffend angegeben, daß es für das patentgemäße Verfahren gleichgültig ist, wo die notwendigen Berechnungen durchgeführt werden (S 6 Z 9 bis 10).
Da die im Patentanspruch 1 verwendeten Bezeichnungen jeweils aus sich heraus für den Fachmann verständlich sind, ist für die Beurteilung der Patentfähigkeit von dem beanspruchten Verfahren in seiner Allgemeinheit auszugehen, selbst wenn es in dieser Allgemeinheit nicht patentfähig ist (BPatG PMZ 2000, 222 "Veränderbare Daten").
2. Patentfähigkeit Aus der DE-AS 1 765 984 ist im Zusammenhang mit einem Elektronischen Regelgerät für Speicherheizöfen auch ein Verfahren zum Betrieb einer Speicherheizgerätesteuerung mit einem Zentralsteuergerät S und wenigstens einem Speicherheizgerät SP1,.., SPX bekannt, das mit dem Zentralsteuergerät zur Übermittlung einer Führungsgröße SL gekoppelt ist über die Ringleitung RL (Fig 1 iVm Sp 3 Z 56 bis Sp 4 Z 8).
Somit ist aus dieser Druckschrift ein Verfahren mit den im Oberbegriff des erteilten Patentanspruchs 1 angegebenen Merkmalen bekannt.
In weiterer Übereinstimmung mit dem ersten kennzeichnenden Merkmal wird die jedem Speicherheizgerät SP1,..,SPX für eine Zeitspanne übermittelte Führungsgröße SL mit einer Regelgröße zu einer modifizierten Führungsgröße für das jeweilige Speicherheizgerät abgeändert.
Dem in Figur 5 als Stromlaufplan dargestellten Regelgerät wird vom zentralen Steuergerät S eine Steuerspannung an den Klemmen 33, 34 zugeführt, die nach Verstärkung im Transistor 22 als Führungsgröße am Emitter des Transistors 20 anliegt (Sp 6 Z 48 bis 53).
Zwar weist diese Führungsgröße für die Niedertarifzeit und die Hochtarifzeit einen unterschiedlichen Signalpegel auf; sie muß aber für eine kontinuierliche Regelung für eine Zeitspanne übermittelt werden, die sich im einfachsten Fall aus einer Aufladezeit und einer daran anschließenden Entladezeit zusammensetzt.
Die Basisspannung des Transistors 20 ist als "Regelgröße" von dem veränderlichen Spannungsabfall eines als Temperaturfühler für die Restwärme des Speicherheizgerätes dienenden temperaturabhängigen Widerstandes ST abgeleitet (Sp 5 Z 67 bis SP 6 Z 19).
Da für das Durchschalten des Transistors 20 die Spannungsdifferenz zwischen Basis und Emitter maßgebend ist, nicht aber die als Führungsgröße zugeführte Emitterspannung allein, wird demnach die Führungsgröße mit der Regelgröße zu einer "modifizierten Führungsgröße" in Gestalt der Kollektorspannung des Transistors 20 abgeändert (Sp 6 Z 48 bis 59). Diese ist für das Ein- und Ausschalten des Relais 32 im Heizstromkreis verantwortlich (Sp 6 Z 33 bis 48).
Daß diese Modifizierung - wie beim patentgemäßen Ausführungsbeispiel (vgl S 6 Z 12 bis 14) - im jeweiligen Speicherheizgerät erfolgt, widerspricht dem erteilten Patentanspruch schon deshalb nicht, weil dieser - wie dargelegt - nicht auf eine in der Zentralsteuerung vorgenomme Modifizierung der übermittelten Führungsgröße beschränkt ist.
Schließlich wird auch dort in weiterer Übereinstimmung mit dem zweiten kennzeichnenden Merkmal des Patentanspruchs 1 für jedes Speicherheizgerät SP1,..,SPX am Ende dieser Zeitspanne der Wert der noch in dem Speicherheizgerät gespeicherten Restwärmemenge ermittelt (Sp 6 Z 16 bis 19).
Daß die Ermittlung der Speichertemperatur mit dem Temperaturfühler ST kontinuierlich erfolgt, unterscheidet den Anspruchsgegenstand nicht vom Stand der Technik, und ist auch für das anspruchsgemäße Verfahren durch den Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 nicht ausgeschlossen.
Da sich beim Stand der Technik sowohl im Aufladezeitraum als auch im Entladezeitraum die als Speichertemperatur gemessene Regelgröße kontinuierlich ändert, wird diese auch in Echtzeit mit sich ändernder Größe bei der Modifizierung der Führungsgröße wirksam, nicht aber mit dem "am Ende der Zeitspanne" vorliegenden - d.h. unveränderlichen - Wert.
Mithin unterscheidet sich das Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 von dem aus der DE-AS 1 795 984 bekannten dadurch, daß die Regelgröße für eine spätere Zeitspanne in Abhängigkeit von dem am Ende der einen Zeitspanne ermittelten Wert der Restwärmemenge ermittelt wird.
Dieser Unterschied kann jedoch die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach dem erteilten Patentanspruch 1 nicht begründen.
Denn zur Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems, daß die Speisung der einzelnen Speicherheizgeräte nur unzureichend auf den tatsächlichen Wärmebedarf abgestimmt ist, wird der Fachmann ohne weiteres daran denken, auch Restwärmewerte am Ende zurückliegender Zeitspannen zu berücksichtigen.
Daß er aus diesen gespeicherten Werten eine "Vorhersage" über den tatsächlichen Wärmebedarf erwarten kann, ist dem Fachmann schon aus dem alltäglichen Leben vertraut. Denn der Heizungsbedarf ist an Arbeitstagen und Wochenenden in vielen Räumen unterschiedlich, so daß für die Ermittlung des Wärmebedarfs-Sollwerts an einem Montag nicht die Wärmewerte vom vorangehenden Sonntag sondern vom letzten Freitag herangezogen werden sollten.
Anregungen zu einer Weiterbildung des bekannten Verfahrens derart, daß die Regelgröße für eine spätere Zeitspanne in Abhängigkeit von dem am Ende der einen Zeitspanne ermittelten Wert der Restwärmemenge ermittelt wird, liefert dem Fachmann die DE 34 10 025 A1.
Aus dieser Druckschrift ist ihm im Zusammenhang mit einem rechnergesteuerten Heizungsregler für Elektrospeicherheizgeräte (Titel) bekannt, am Ende mehrerer jeweils einen Tag umfassenden Zeitspannen ("mehrere Vortage") die noch im Speicherheizgerät gespeicherte Restwärmemenge zu ermitteln und in Abhängigkeit von dieser den Wärmebedarfs-Sollwert des jeweils nächsten Tages festzulegen (PA 1 und S 3/handschr. Abs 1).
Die Verwendung der gespeicherten Werte der Restwärmemengen anstelle der in Echtzeit ermittelten und sich kontinuierlich ändernden Werte ermöglicht eine Berücksichtigung zurückliegender Meßwerte (z. B. vor einem Wochenende) für eine spätere Zeitspanne (z.B. nach einem Wochenende).
Von einem derartigen Vorgehen ist der Fachmann - entgegen der Auffassung der Patentinhaberin - auch nicht dadurch abgehalten, daß der Gegenstand der DE 34 10 025 A1 als "Heizungsregler für Elektrospeicherheizgeräte" bezeichnet ist.
Denn zum einen ist dort eine Speicherheizgerätesteuerung mit einer zentralen Steuerungseinrichtung als zum Stand der Technik gehörend beschrieben (S 2/handschr Z 24), die als Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen anzusehen ist. Zum anderen ist auch nicht angegeben, daß auf eine zentrale Steuerung gänzlich verzichtet werden soll, was auch unüblich wäre, da Versorgungsunternehmen ihre Netzauslastung hinsichtlich günstiger Tarife selbst steuern müssen.
Der Fachmann liest deshalb nach Auffassung des Senats in der DE 34 10 025 A1 ohne weiteres mit, daß der beschriebene Heizungsregler trotz der vorhandenen "technischen Intelligenz" (S 9 Abs 3 des Beschl. v. 17. Februar 2000) zusammen mit einem Zentralsteuergerät verwendet wird.
Somit bedarf es keiner erfinderischen Überlegungen, sondern lediglich einer üblichen fachmännischen Vorgehensweise, um zum Verfahren des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Da die Patentinhaberin den Rückfallverzicht der abgeteilten Patentansprüche erklärt hat, konnte über das Restpatent schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist entschieden werden (vgl BPatGE 34, 31, 250).
Dr. Kellerer Schmöger Schmidt Dr. Kaminski Ja
BPatG:
Beschluss v. 21.11.2001
Az: 19 W (pat) 24/00
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