Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 242/02
(BPatG: Beschluss v. 05.04.2004, Az.: 30 W (pat) 242/02)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Oktober 2002 insoweit aufgehoben, als er die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat.
Der Widerspruch wird auch insoweit zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen und am 24. August 2000 veröffentlicht worden ist STUDIO 52 ua für die Waren und Dienstleistungen:
"Ton-, Bildton- und Datenträger aller Art, insbesondere CDs, CDis, Disketten, DVDs, Kassetten und Videokassetten; Computersoft- und -hardware und deren Teile; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, Telekommunikationsgeräte und deren Teile; Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren, Bücher, Postkarten, Plakate, Poster, Kalender und anderes gedrucktes Material; Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Spielkarten; Fotografien; Telekommunikationsdienstleistungen; Nachrichten-, Bild- und Datenübermittlung, insbesondere elektronisch und mittels Computer; Betrieb und zur Verfügungstellung von Kabel-, Funk- und sonstigen elektronischen Netzen zur Übertragung und Durchleitung von Daten, Tönen, Sprache und Bildern; Dienstleistungen eines Internet-Providers insbesondere Betrieb eines Web- und eines Mail-Servers sowie Registrierung, Konnektierung und Verwaltung von Internet-Domains und E-Mail-Adressen; Betrieb einer Internet-Suchmaschine; Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehsendungen; Satelliten- und Kabelfunkübertragung; Film-, Rundfunk-, Fernseh- und Videoproduktion sowie Produktion multimedialer Werke; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und anderem gedrucktem Material; Bereithaltung und zur Verfügungsstellung von Daten und Informationen für andere auf einer Internet-Homepage, auch zum virtuellen Schreiben und Versenden von Postkarten und Multi-Media-Werken im Internet; zur Verfügungstellung von Software über das Internet und andere Kommunikationsnetze; Erstellung, Entwicklung, Weiterentwicklung, Pflege und Installation von Software".
Ua Widerspruch erhoben hat am 23. November 2000 die Inhaberin der älteren, am 2. September 1998 eingetragenen Marke 398 31 295 STUDIO 54 mit folgendem Waren-/Dienstleistungsverzeichnis:
"Träger mit Ton- und/oder Bildaufzeichnungen aller Art, soweit in Klasse 9 enthalten; belichtete Filme; Druckereierzeugnisse, insbesondere Kalender, Plakate, Poster, Broschüren und Bücher; Zeitungen und Zeitschriften; Fotografien; Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie ähnliche technische Einrichtungen; Ton- und Bildübertragung durch Satelliten."
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen dieses Widerspruchs die Eintragung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr teilweise gelöscht, nämlich hinsichtlich der oben genannten Waren, und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Er meint insbesondere, dass wegen Schwäche des Bestandteils "STUDIO" das Gewicht auf den Zahlen 52 bzw 54 liege und der Abstand insoweit ausreiche, um der Verwechslungsgefahr zu begegnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben soweit darin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist und den Widerspruch insgesamt zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechende hält mit näheren Ausführungen die Entscheidung des Patentamts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG insgesamt zurückzuweisen.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnunskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND jew mwN). Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat zu Gunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit aus.
Im Umfang der hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen können die Marken zur Kennzeichnung identischer bzw ähnlicher Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Auch bei Anlegung somit gebotener strenger Maßstäbe ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand indessen eingehalten.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken zwar bei gleicher Silbenzahl sowie gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in dem Wort "STUDIO" sowie dem Bestandteil "fünfzig" überein. Von Bedeutung ist jedoch zunächst, daß die Übereinstimmung in dem Wort "STUDIO" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit weniger ins Gewicht fällt, als dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Denn bei diesem Wort handelt es sich - bezogen auf den hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich - allgemein um einen beschreibenden und damit kaum individualisierend und kennzeichnend wirkenden Hinweis auf eine Produktionsstätte für Rundfunk-, Fernsehsendungen, Filme oder Schallplatten (vgl Duden, Das große Fremdwörterbuch 3. Aufl 2003 S 1290), der auch Firmenbestandteil zahlreicher entsprechender Produktionsstätten ist (zB Studio Hamburg; Studio 449 betreffend die Produktionsstätte der Harald-Schmidt-Show; Pixar Studio betreffend Firma und Produktionsstätte des Films "Findet Nemo"). Es ist darüber hinaus ein gebräuchlicher Bestandteil im Bereich entsprechender Kennzeichnungen und daher in beachtlicher Anzahl in Marken bzw Markenanmeldungen der entsprechenden Waren-/Dienstleistungsklassen enthalten. Wenngleich derartige beschreibende Zeichenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mitzuberücksichtigen sind, so bewirken sie doch eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die weiteren Markenteile, hier also auf die Zahlen "52" (zweiundfünfzig) und "54" (vierundfünfzig).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände wird der Unterschied zwischen den Vokalen in den Anfangsbestandteilen "zwei-" bzw "vier-" aufgrund der deutlich verschiedenen Klangeigenschaft der Laute "-ei-" einerseits und der Laute "-ie-" andererseits, wie auch der deutlich unterschiedliche Klang der Konsonanten "zw" gegenüber "v" auch unter noch zu berücksichtigenden ungünstigen Übermittlungsbedingungen hinreichend sicher wahrgenommen und führt zu einem nicht verwechselbaren akustischen Gesamteindruck der Marken.
Im schriftbildlichen Markenvergleich halten die Vergleichswörter in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht. Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe die figürlichen Abweichungen zwischen den Zahlen "2" und "4" aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.
Andere Arten der Verwechslungsgefahr sind weder dargelegt noch ersichtlich.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.
Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu
BPatG:
Beschluss v. 05.04.2004
Az: 30 W (pat) 242/02
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