Landgericht Köln:
Urteil vom 30. September 2005
Aktenzeichen: 81 O (Kart) 48/05
(LG Köln: Urteil v. 30.09.2005, Az.: 81 O (Kart) 48/05)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
an die Klägerin € 3.114.594,86 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von € 1.299.470,38 seit Rechtshängigkeit der ursprünglichen Klage (das ist der 17. Januar 2005) und aus einem weiteren Teilbetrag von € 1.815.124,48 seit Zustellung der Klageerweiterung (das ist der 25. Mai 2005) zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.
Tatbestand
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Monopolunternehmens F und verfügt auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Bereitstellung von Teilnehmernetzanschlüssen über einen Marktanteil von rund 98%; sie betreibt auch einen Auskunftsdienst.
Die Klägerin bietet ebenfalls einen Auskunftsdienst an und bezieht die dafür erforderlichen Daten von der Beklagten. Gegenstand des Verfahrens ist der Streit zwischen den Parteien über die Höhe des Entgeltes, welches die Beklagte hierfür zu verlangen berechtigt ist.
Im Zusammenhang mit den Teilnehmerdaten, die für den Betrieb eines Auskunftsdienstes erforderlich sind, betreibt die Beklagte verschiedene Datenbanken.
Zunächst einmal gibt es die Anmeldedatenbank (Kundendatenbank) B, in die sie die ihr als Teilnehmernetzbetreiberin bekannt werdenden Daten der Telefonanschlussinhaber einfügt. Diese Daten sind - so macht die Beklagte geltend - zur Pflege, Durchführung und Abwicklung des Kundenverhältnisses bestimmt und in der dort vorhandenen Form schon deshalb (noch) nicht als Grundlage für eine Auskunft geeignet, weil sie auch Datensätze von Teilnehmern enthalten, die von den Inhabern nicht zur Veröffentlichung freigegeben worden sind.
Des Weiteren besteht die speziell als Grundlage für die Veröffentlichung von Teilnehmerdatensätzen geschaffene Teilnehmerdatenbank C (Datenredaktion), in die (u.a.) die Rohdaten aus B und darüber hinaus auch Teilnehmerdaten dritter Teilnehmernetzbetreiber (D) eingepflegt werden in einer Form, die die Beklagte als "kundengerecht" im Sinne des Gesetzes bezeichnet.
Schließlich betreibt sie die Auskunftsdatenbank E (National Directory Inquiry System), bei der es sich um ein Online-Suchsystem handelt, welches Daten (z.B. aus C) verarbeitet und als fertige Auskunft ausgibt. Mit Hilfe von E betreibt die Beklagte ihre eigene Telefonauskunft.
Unter dem 15.4.1999 schloss die Beklagte mit der Fa.Z einen Vertrag über die Überlassung von Teilnehmerdaten aus der C-Datenbank, in den alsbald im Einverständnis mit der Beklagten die Klägerin an Stelle der Fa. Z eintrat. Nach ihrer Behauptung hat die Klägerin in der Folgezeit seit 1999 bis zum Jahr 2005 für die reinen Daten (also ohne die Kosten für Datenträger und Versand) einschließlich Mehrwertsteuer einen Betrag von € 3.114.594,86 an die Beklagte gezahlt, der die Klageforderung ergibt.
Sie ist nämlich der Auffassung, der Beklagten stünden mehr als diese Übermittlungskosten bzw. als die für die Speicherung der Daten anfallenden Kosten nicht zu. Sie beruft sich hierzu auf ein Urteil des EuGH vom 25.11.2004 in der Rechtssache OPTA (C-109/03), in dem der EuGH die einschlägige Richtlinie 98/10/EG (ONP-Richtlinie) verbindlich dahingehend ausgelegt habe, dass Unternehmen wie die Beklagte sog. "Basisdaten", d.h. Daten, "die ausreichen, um den Nutzern eines Verzeichnisses die Identifizierung der Teilnehmer zu ermöglichen, die sie suchen. Diese Daten umfassen grundsätzlich den Namen und die Anschrift der Teilnehmer, einschließlich der Postleitzahl, sowie die Telefonnummer oder die Telefonnummern, die die betreffende Organisation an sie vergeben hat. ..." (EuGH-Urteil, a.a.O., Rdn.36) an Dritte wie die Klägerin "kostenlos" (im eingangs dargestellten Sinne) herausgegeben werden müssten.
Hierzu habe nämlich der EuGH (a.a.O., Rdn. 37 ff) festgestellt:
37. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche mit der Erhebung, der Aktualisierung und dem Zurverfügungstellen der entsprechenden Informationen über die Teilnehmer verbundenen Kosten in den Preis für das Zurverfügungstellen der Daten im Sinne des Artikels 6 Absatz 3 der Richtlinie einbezogen werden können.
38. In dieser Hinsicht genügt die Feststellung, dass, wie die OPTA und Denda zu Recht geltend machen, der Erhalt der Basisdaten über die Teilnehmer, d. h. deren Name, Anschrift und Telefonnummer, untrennbar mit dem Telefondienst verbunden ist und keinen besonderen Aufwand seitens des Universaldienstanbieters erfordert.
39. Wie der Generalanwalt in Nummer 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind nämlich die mit dem Erhalt oder der Zuordnung dieser Daten verbundenen Kosten, anders als die Kosten, die berechnet werden, um diese Daten Dritten zur Verfügung zu stellen, jedenfalls vom Anbieter eines Sprachtelefondienstes zu tragen und bereits in den Kosten und Einnahmen eines solchen Dienstes enthalten. Die mit dem Erhalt oder der Zuordnung der Daten verbundenen Kosten an die Personen weiterzugeben, die Zugang zu diesen Daten erbitten, würde zu einem ungerechtfertigten Mehrfachausgleich dieser Kosten führen.
40. Daher können, wenn diese Daten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, die auf dem Markt für die Bereitstellung von Verzeichnissen miteinander konkurrieren, nur die zusätzlichen mit diesem Zurverfügungstellen verbundenen Kosten, nicht aber die mit dem Erhalt dieser Daten verbundenen Kosten vom Universaldienstanbieter in Rechnung gestellt werden.
41. Etwas anderes würde jedoch gelten, wenn es um zusätzliche Daten ginge, für deren Erhalt der Universaldienstanbieter selbst zusätzliche Kosten aufwenden musste. Wenn dieser in einem solchen Fall beschließt, diese Daten Dritten zur Verfügung zu stellen, ohne durch die Richtlinie dazu verpflichtet zu sein, ist es ihm durch keine ihrer Vorschriften verwehrt, den Dritten diese zusätzlichen Kosten in Rechnung zu stellen, sofern deren nichtdiskriminierende Behandlung gewährleistet ist.
42. Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, dass Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie, soweit er vorsieht, dass die entsprechenden Informationen Dritten zu gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, dahin auszulegen ist, dass
der Universaldienstanbieter für Daten wie den Namen und die Anschrift der Personen sowie die Telefonnummer, die an sie vergeben wurde, nur die Kosten für das tatsächliche Zurverfügungstellen dieser Daten an Dritte in Rechnung stellen kann; - ein solcher Anbieter berechtigt ist, für zusätzliche Daten, die er Dritten nicht zur Verfügung stellen muss, die zusätzlichen Kosten, die er selbst für den Erhalt dieser Daten aufwenden musste, nicht aber die Kosten für dieses Zurverfügungstellen, in Rechnung zu stellen, sofern eine nichtdiskriminierende Behandlung der Dritten gewährleistet ist.
Nachdem sie und die Fa.F die Übermittlungskosten ohnehin getragen hätten, seien sämtliche anderen Beträge zurück zu erstatten.
Soweit tatsächlich Mehrwertdaten (= Daten, die nicht mehr nur als Basisdaten bezeichnet werden könnten, weil sie über diejenigen Daten hinausgingen, zu deren Pflege die Beklagte gegenüber den Endkunden ohnehin verpflichtet sei) geliefert worden seien, sei dies nicht verhindern zu verhindern gewesen: die Beklagte habe nämlich zu keiner Zeit angeboten, Basisdaten "kostenlos" zu liefern; sie habe vielmehr lediglich den Abschluss von ihr vorformulierter Verträge ermöglicht. Seit Juni 2003 würden diese Mehrwertdaten nicht mehr geliefert, sondern die Beklagte filtere sie vor der Lieferung heraus. Unerheblich sei auch, dass die Fa.F bzw. sie selbst zeitweise Zugang zu E gehabt hätten, denn das beruhe darauf, dass der C-Zugang zur damaligen Zeit zu kostenträchtig und damit unrentabel gewesen sei.
Die Beklagte habe ihre Marktmacht missbraucht. Sie habe sie dazu genutzt, von der Klägerin entgegen der Regelung in § 12 TKG (in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung von 1996) Zahlungen auch für den Erhalt und die Pflege der Teilnehmerdaten zu verlangen.
§ 12 TKG, der wie folgt lautet:
(1) Ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, ist verpflichtet, auf Anforderung Teilnehmerdaten unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen anderen Lizenznehmern, die Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten, zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in kundengerechter Form zugänglich zu machen. Hierfür kann
ein Entgelt erhoben werden, das sich an den Kosten der effizienten Bereitstellung orientiert.
(2) Ein Lizenznehmer, der Sprachkommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, ist darüber hinaus verpflichtet, auf Anforderung Teilnehmerdaten unter Beachtung der anzuwendenden datenschutzrechtlichen Regelungen jedem Dritten zum Zwecke der Aufnahme eines Auskunftsdienstes oder der Herausgabe eines Verzeichnisses der Rufnummern der Teilnehmer in kundengerechter Form gegen ein angemessenes Entgelt zugänglich zu machen.
müsse nicht nur dahingehend gelesen werden, dass in Absatz 1 lediglich gemeint seien diejenigen (Mehr-)Kosten, die durch die Anforderung der Daten entstanden seien (und damit außer Betracht zu bleiben hätten alle Kosten, die auch entstehen, wenn kein Dritter die Daten wünscht); das Ob und gegebenenfalls Warum der Zwischenübertragung (zwischen B und C) sei unerheblich. Ebenso mache es entgegen dem Wortlaut des Absatzes 2 keinen Unterschied, ob der Anspruchsteller Lizenznehmer sei oder - wie die Klägerin - ein "Dritter".
Die Beklagte schulde der Klägerin Rückzahlung, weil sie in Höhe der Zahlung ungerechtfertigt bereichert sei; der zwischen den Parteien bestehende Vertrag sei - wie sich aus dem vorher Ausgeführten ergebe - insoweit nichtig, als er ein Entgelt vorsehe für die Überlassung der reinen Daten. Verjährt sei der Rückzahlungsanspruch nicht, weil der Klageweg erst seit dem EuGH-Urteil mit ausreichender Sicherheit habe beschritten werden können und deshalb der Lauf der Frist erst am 1.1.2005 begonnen habe.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst nur einen Teilbetrag für die Zeit seit 1999 bis 2001 geltend gemacht und ihn mit € 1.344.421,33 beziffert; vor Verhandlung zur Sache hat sie diese Berechnung um einen Betrag von € 44.950,95 ermäßigt und die Klage insgesamt erweitert um den Zeitraum bis 2005.
Danach sind folgende Beträge im Streit, die sie als zuviel an die Beklagte gezahlt zurückverlangt (wobei unter "Rechnungsbetrag" immer nur derjenige zu verstehen ist, der nicht das im Verständnis der Klägerin lediglich geschuldete "reine Zurverfügungstellen" betrifft und gegebenenfalls Gutschriften bereits abgezogen sind, soweit sie nicht erwähnt sind):
Aufstellung gemäß ursprünglicher Klage:
Rechnungen Betrag (in €) gezahlt 1999 436.676,27 436.676,27 2000 417.999,49 417.999,49 2001 489.745,57 489.745,57 Summe: 1.344.421,33
Mit der Replik/Klageerweiterung stellt die Klägerin ihre Forderung wie folgt zusammen:
Rechnungen Betrag (in €) gezahlt 1999 436.676,27 436.676,27 2000 417.999,49 417.999,49 2001 444.794,62 444.794,62 2002 394.041,03 253.086,33 Rest aus 2002: 140.942,84 80.000,- gemäß Vergleich vom 11.12.2003 2003 264.763,79 264.763,79 2004 1.457.730,44 1.325.498,58 2005 7.361,16
Aus dem für 2002 gezahlten Betrag hat die Klägerin einen Teil in Höhe von € 115.585,38 an einen Dritten abgetreten, der diesen Betrag getrennt einklagt; die abgetretene Summe zieht sie von der Klage ab, sodass sich der Betrag von € 3.114.594,86 ergibt.
Sie beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Ansprüche der Klägerin insgesamt für unbegründet.
Die Klägerin könne sich gar nicht erst auf den "Selbstkostenpreis" berufen, weil sie keine "Lizenznehmerin" im Sinne von § 12 Abs. 1 TKG, sondern "Dritte" im Sinne des § 12 Abs. 2 TKG sei, von der ein "angemessenes Entgelt" verlangt werden könne; die Unterscheidung zwischen Lizenznehmern und sonstigen Dritten habe - dies führt sie näher aus - ihre innere Berechtigung. Im übrigen gelte § 12 TKG ohnehin nicht für E-Leistungen.
Durch ein Preismissbrauchskontrollverfahren des BkartA sei ihr - der Beklagten - im Einzelnen vorgeschrieben worden, welchen Betrag sie verlangen dürfe und hieran habe sie sich gehalten; es sei ihr nicht zuzumuten, durch Unterschreiten des Betrages eine Untersagungsverfügung zu riskieren, gegen die sie sich - mangels Beschwer - noch nicht einmal wehren könne. Auch das Zivilgericht müsse diesen Verwaltungsakt beachten.
Mit der Sprachtelefonie unmittelbar zusammen hingen lediglich die Kosten zur Erstellung der Datenbank B, die aber unmittelbar nicht herausgegeben werden könnten, u.a. weil noch der Datenschutz beachtet werden müsse und darüber hinaus auch die Herausgabe nur in "kundengerechter" Form erfolgen dürfe. Der Gesetzgeber habe über den harmonisierten Bereich hinausgehend weitere Anforderungen an die Daten gestellt, sodass sich die Klägerin ohnehin nicht auf das Urteil des EuGH berufen könne. Die Kosten für B und auch die Kosten für die Überführung der Daten aus B zu C seien nicht in den von der Klägerin gezahlten Preis eingeflossen, dagegen seien die Kosten der Teilnehmerdatenbank C keine Kosten, die ohnehin mit der Sprachtelefonie zusammenhingen und deshalb von der Klägerin zu tragen seien: alles, was über Name/Anschrift/Rufnummer hinausgehe, sei "Mehrwert". Ein weiterer Unterschied zum EuGH-Urteil liege darin, dass dort offenbar die Kosten für Daten in die Kosten für den Teilnehmeranschluss eingerechnet gewesen seien; dies sei vorliegend nicht der Fall, und schließlich erlange die Klägerin mit ihren Datenzugangsverträgen sowohl über E als auch über C nicht nur die Daten der Kunden der Beklagten, sondern auch die Daten von Kunden anderer D. Es sei nämlich so, dass diese ihre Daten der Klägerin anlieferten, damit sie sie für das Teilnehmerverzeichnis im Sinne des § 21 TKV verarbeite; dies geschehe nicht kostenlos, sondern im Kompensationsgeschäft dergestalt, dass sie - die Beklagte - den Dn ihre - der Beklagten - Dienstleistung nicht in Rechnung stelle und dafür dann die Daten ebenfalls ohne Berechnung erhalte. Die Klägerin habe dann auf die in diesem Sinne dann wirklich vollständige und auch vollständig aufbereitete Teilnehmerdatenbank zugreifen können; dies seien zusätzliche Leistungen, die von der Klägerin dann auch bezahlt werden müssten.
Für einen Schadensersatzanspruch fehle es an einem Verschulden der Beklagten und ungerechtfertigt bereichert sei die Klägerin auch nicht, denn sie - die Beklagte - habe gegenüber der Klägerin eine angemessene Gegenleistung erbracht: sie habe ihr ihre - der Beklagten - urheberrechtsschutzfähigen Leistungen aus C erbracht, die frei zu verwerten zu den grundgesetzlich geschützten Rechten der Beklagten gehöre.
Im übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung, denn die vermeintlichen rechtlichen Unklarheiten haben keineswegs bestanden; die Klägerin habe alle Umstände einschließlich der Abmahnung seitens des Bundeskartellamtes gekannt und habe in Kenntnis der Richtlinie 98/10/EG einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, ohne irgendwelche Vorbehalte zu erklären. Vor diesem Hintergrund stehe einem angeblichen Rückforderungsanspruch schon § 814 BGB entgegen.
Zur Höhe weist sie auf Folgendes hin:
Ihre - der jetzigen Beklagten - seinerzeitige Klage vor dem Landgericht Bonn zu Az. 14 O 103/03 habe den unstreitig noch in Höhe von € 140.942,- offenstehenden Rest aus ihrer Rechnung vom 21.5.2002 zum Gegenstand gehabt, gegen den sich die jetzige Klägerin nicht nur mit angeblichen Schadensersatzforderungen gewandt hat, sondern gegen den sie auch eine rückwirkende Herabsetzung des Mindestentgeltes verlangt habe. nachdem darüber hinaus noch im Verhandlungsprotokoll das "Mindestentgelt" als Streitgegenstand genannt ist und der Vergleich dann "zur Abgeltung aller Ansprüche, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind" geschlossen worden ist, scheidet eine Rückforderung jetzt aus.
Nachdem im August 2004 wegen der Novellierung des TKG ein neuer C-Vertrag geschlossen worden ist, seien in der Folgezeit etliche Datenlieferungen erfolgt, die nur teilweise bezahlt worden seien:
Rechnungen Betrag (in €) gezahlt 27.12.2004 176.309,15 44.077,28 26.01.2005 164.698,48 41.174,82 21.03.2005 334.325,85 83.581,48 21.04.2005 173,214,- 0,- 20.05.2005 163.301,0 0,-
Nach Abzug einer Gutschrift für die Klägerin verbleibe eine Forderung zu Gunsten der Beklagten in Höhe von € 688.316,52, die mit Schriftsatz vom 14.7.2005 vor dem Landgericht Köln zu Az. 28 O 292/05 widerklagend anhängig gemacht worden sei; hilfsweise werde vorliegend damit die Aufrechnung erklärt.
Die Klägerin hält die Hilfsaufrechnung aus verschiedenen Gründen schon für unzulässig und im übrigen auch für unbegründet. Der Vergleich vom 11.12.2003 habe die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eine Entgeltforderung der Beklagten zur Geschäftsgrundlage gehabt, stehe also der jetzigen Rückzahlungsforderung nicht entgegen.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung nach Maßgabe des Tenors verlangen, weil der Vertrag zwischen den Parteien teilnichtig ist, soweit die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Entgelt die Kosten der Zurverfügungstellung der Daten übersteigt, und die Beklagte um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert ist, § 812 BGB.
Ausgangspunkt der Entscheidung ist zum einen der Umstand, dass die Beklagte durch ihre besonders starke Marktstellung als Teilnehmernetzbetreiberin zugleich auch über eine große Marktmacht verfügt auf dem Gebiet der Teilnehmerdaten, die durch die Anlieferung der sozusagen noch fehlenden Daten durch andere Teilnehmernetzbetreiber noch verstärkt wird; sie ist damit Normadressatin des GWB.
Zum anderen ist die Beklagte lediglich berechtigt, für die Teilnehmerdaten von der Klägerin nur die Kosten der tatsächlichen Zurverfügungstellung zu verlangen; hieran hat sie sich nicht gehalten, sodass sie dem Klageantrag entsprechend zu verurteilen gewesen ist.
Im Einzelnen:
Grundlage für die Beurteilung ist § 12 TKG in der im Tatbestand wiedergegebenen Fassung und in der europarechtskonformen Auslegung, die sich unter der Geltung der ONP-Richtlinie ergibt und mit dem Verständnis, auf das der EuGH in seiner oben zitierten Entscheidung erkannt hat.
Artikel 6 der ONP-Richtlinie lautet, soweit vorliegend von Interesse:
... Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass
...; Verzeichnisse aller Teilnehmer, ... , mit Nummern von ortsfesten Anschlüssen, Mobiltelefonanschlüssen und personenbezogenen Nummern den Nutzern in einer von der nationalen Regulierungsbehörde gebilligten Form gedruckt und/oder elektronisch zur Verfügung gestellt und regelmäßig aktualisiert werden; mindestens ein Telefonauskunftsdienst, der sämtliche aufgeführten Teilnehmernummern abdeckt, allen Nutzern, einschließlich der Nutzer von öffentlichen Telefonen, zur Verfügung steht.
Um die Bereitstellung der in Absatz 2 Buchstaben b) und c) genannten Dienste zu gewährleisten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Organisationen, die Telefonnummern an Teilnehmer vergeben, jedem vertretbaren Antrag stattgeben, die entsprechenden Informationen in einer vereinbarten Form zu gerechten, kostenorientierten und nichtdiskriminierenden Bedingungen zur Verfügung zu stellen.
Daraus folgt zum Einen, dass es eine Unterscheidung zwischen Lizenznehmern für die Sprachtelefonie einerseits und "Dritten" andererseits nicht gibt; folgerichtig hat der EuGH bei seinen Ausführungen auch nur von Unternehmen gesprochen, "die auf dem Markt für die Bereitstellung von Verzeichnissen miteinander konkurrieren" (Rdn.40). Es ist letztlich unerheblich, wenn §§ 21, 22 TKV und nicht § 12 TKG die ONP-Richtlinie haben umsetzen sollen, denn nachdem § 12 TKG nach Ablauf der Umsetzungsfrist unverändert geblieben ist, ist die Vorschrift richtlinienkonform auszulegen.
Zum anderen folgt daraus, dass die "entsprechenden Informationen ... zu ... kostenorientierten ... Bedingungen zur Verfügung stehen" müssen, was nach den Feststellungen des EuGH bedeutet, dass wirklich nur die Kosten der tatsächlichen Zurverfügungstellung berechnet werden dürfen; dies sind die Kosten, die nur deshalb entstehen, weil sich der Erwerber für die Daten interessiert und er deshalb die Verfügungsgewalt darüber erlangen soll. Es handelt sich mithin um Kosten, die angesichts der in Prozessen der vorliegenden üblicherweise in Rede stehenden Beträge als äußerst geringfügig zu bezeichnen sind und bei der Übermittlung der Daten entstehen: im Folgenden wird zur Vereinfachung von der "kostenlosen" Überlassung der Daten gesprochen, wobei aber immer die vorstehende Modifizierung gemeint ist.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Rdn.40 des Urteils eine aus den Feststellungen der Rdn.39 schlussfolgernde Aussage ist und darauf aufbaut, dass die mit dem Erhalt und/oder der Zuordnung zusammenhängenden Kosten bereits in den Kosten und Einnahmen des Sprachtelefoniedienstes enthalten sind.
Dies ist - entgegen den Darlegungen der Beklagten - auch vorliegend der Fall, denn die Beklagte macht ja nicht ernsthaft geltend, ihr Unternehmen arbeite als Teilnehmernetzbetreiberin defizitär. Auch der EuGH hat nicht zur Voraussetzung gemacht, dass dem Anbieter bei Genehmigung seiner Preise eine gesonderte Position "Erhalt und Zuordnung von Teilnehmerdaten" zugestanden wird, sondern nur festgehalten, dass diese Kosten "jedenfalls vom Anbieter ... zu tragen" sind.
Möglicherweise zu Recht - dies bleibt aber als entscheidungsunerheblich offen - weist die Beklagte darauf hin, dass in C, die nach ihrer eigenen Darstellung nur zum Zwecke der Herausgabe der einschlägigen Daten an gewerbliche Nachfrager geschaffen worden ist, in womöglich verschiedenen Hinsichten "höherwertige" Daten vorhanden sind als der nur in Rohform vorhandene Satz, bestehend aus Name, Adresse und Rufnummer; auch kann es sein, dass C - und erst recht E - als urheberrechtlich geschützte Leistungen zu bewerten sind, deren Verwertung dem Nutzungsberechtigten im "Normalfall" nur "freiwillig", jedenfalls aber nur gegen ein angemessenes Entgelt zuzumuten ist.
Dies ändert alles nichts an der Verpflichtung der Beklagten, dem Wettbewerb die Basisdaten "kostenlos" zur Verfügung zu stellen, und die Beklagte wird hiervon auch nicht etwa mit der Erwägung befreit, der bundesdeutsche Gesetzgeber verlange eine "kundengerechte Form" und lasse es damit gar nicht erst zu, lediglich die Basisdaten in einfacher Form zu übermitteln.
In diesem Zusammenhang ist zum einen festzuhalten, dass "kundengerechte Form" nichts anderes bedeutet, die Daten in für Zwecke eines Teilnehmerverzeichnisses brauchbarer Form und unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechtes eines jeden Teilnehmers aufzubereiten, eine Pflicht, der die Beklagte schon gegenüber ihren Endkunden nachkommen muss und deren Kosten deshalb im Sinne des EuGH-Urteils vom Anbieter selbst zu tragen ist.
Zum anderen ist festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zu keiner Zeit diese einfachen Basisdaten (und dann auch "kostenlos") angeboten hat, sondern auch noch jetzt im Prozess unter Hinweis auf die Hochwertigkeit der Leistungen, die in C und erst recht in E verkörpert sind, ihr Recht verteidigt, ein angemessenen Entgelt zu verlangen. Die Verpflichtung der Beklagten ist "technologieneutral": es ist ausschließlich Sache der Beklagten, wie sie die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Teilnehmerdaten weiter gegeben werden können, aber aus einer aufwändigen Konstruktion kann sie keinen Anspruch auf Zahlung herleiten. Wenn die pflichtgemäße Weitergabe an die Klägerin nur aus C (oder wahlweise aus E) möglich ist, sind eben diese an sich höherwertigen Leistungen ebenfalls kostenlos zu erbringen, sodass es auf die Frage, in welcher Höhe die wertvolleren Leistungen zu entgelten sind, gar nicht erst ankommt.
In diesem Zusammenhang ist es ohne Belang, dass die Beklagte tatsächlich nicht - anders als KPN im EuGH-Fall - Universaldienstleistungsverpflichtete ist, denn die Erkenntnisse des EuGH stellen auf diese Eigenschaft nicht ab. Wäre sie es, würde die Aufnahme von Teilnehmerdaten anderer D eine Entgeltpflicht der Klägerin nicht rechtfertigen, weil diese Aufnahme dann zu ihren Pflichten gehörte. Aber auch ohne diese förmliche Stellung kann sie dafür von der Klägerin keine Zahlungen verlangen, denn ganz gleich, wie sich das Verhältnis der Beklagten zu den anderen Teilnehmernetzbetreibern tatsächlich darstellt: der Sache nach "kaufen" sich diese anderen Anbieter durch die Weitergabe der Daten an die Beklagte von ihrer eigenen Pflicht zur Herausgabe eines entsprechenden Verzeichnisses "frei" und es ist deren Sache, diese Leistung zu bezahlen; der Erwerb und die Zuordnung auch dieser Daten ist für die Beklagte bereits abgegolten und deshalb nicht entgeltbegründend.
Die beiden Missbrauchsverfahren des BkartA gegen die Beklagte sind schon deshalb ohne Einfluss auf das vorliegende Verfahren, weil sie beide ohne eine förmliche Sachentscheidung auf der Grundlage einer Art vergleichsweiser Einigung zu Ende gegangen sind; es kann deshalb dahin stehen, ob das Gericht andernfalls über die bloße Bindung an die Existenz einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung hinaus auch in der materiellen Bewertung gebunden wäre.
Der Höhe nach sind die von der Klägerin genannten Zahlen über tatsächlich erbrachte Zahlungen zugrunde zu legen, denn diese sind - wie sich aus der Aufstellung im Tatbestand ergibt - unstreitig.
Danach hat die Klägerin für die Lieferung der Daten - im Gegensatz zu den reinen Übermittlungskosten bzw. den Kosten für die Datenträger - den eingeklagten Betrag an die Beklagte gezahlt und aus den oben genannten Gründen genau diese Beträge zurück verlangen.
Der Vergleich vom 11.12.2003 steht dem auch nicht teilweise entgegen, auch wenn es richtig ist, dass mit dem Vergleich auch ein von der damaligen Beklagten für sich in Anspruch genommenes Recht zur nachträglichen Anpassung des Mindestentgeltes mit abgegolten sein sollte. Mit keinem Wort aber ist seinerzeit von der jetzt maßgeblichen, grundsätzlich anderen Rechtslage die Rede gewesen; der Vergleich ist fast ein ganzes Jahr vor dem EuGH-Urteil geschlossen worden. Eine einfache Parallelüberlegung zeigt, dass der damalige Vergleich mit dem jetzigen Streitgegenstand nichts zu tun haben kann: ein Urteil, welches in vollem Umfang der damaligen Klägerin Recht gegeben (und einen Anspruch der damaligen Beklagten auf Herabsetzung des Mindestentgeltes verneint) hätte, stünde der jetzigen Klage nämlich nicht entgegen und der Vergleich hat - mangels anderer Formulierung - nicht mehr leisten können als (nur) den Streitgegenstand zu erledigen.
Die Hilfsaufrechnung ist schon deshalb unzulässig, weil unklar ist, unter welcher Bedingung sie steht: für den - jetzt eingetretenen - Fall des Unterliegens in diesem Verfahren kann sie nicht gemeint sein, denn mit ihr wird nur geltend gemacht, dass die Klägerin die Rechnungen nicht vollständig bezahlt hat; dies ist unstreitig und beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin nach Auffassung dieses Gerichts die noch ausstehenden Beträge keinesfalls schuldet und diese Beträge deshalb nicht dem Rückforderungsanspruch gegenüber aufgerechnet werden kann.
Der Fall des Unterliegens im Verfahren vor der 28.Zivilkammer ist keine zulässige, weil keine innerprozessuale Bedingung, und im übrigen ergibt sich aus der Widerklage in dem anderen Verfahren gegen die Hilfsaufrechnung auch noch der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit.
Die Beklagte ist durch die Leistung der Klägerin ungerechtfertigt bereichert, denn der Vertrag wäre auf Grund der kartellrechtlichen Verhältnisse auch ohne die unwirksame Entgeltvereinbarung geschlossen worden; sie ist deshalb verpflichtet, das Erlangte zurück zu erstatten und kann sich demgegenüber aus den oben dargelegten Gründen nicht etwa darauf berufen, der Klägerin gegenüber eine wertvolle, nämlich urheberrechtlich geschützte Leistung erbracht zu haben.
Die Einrede der Verjährung ist unbegründet, denn der Fristenlauf für Rückforderungsansprüche der vorliegenden Art ist erst durch das Urteil des EuGH in Gang gesetzt werden worden. Vorher ist - trotz aller Unsicherheit der Rechtslage - die Erhebung einer Klage nicht zumutbar gewesen: angesichts des Wortlautes des § 12 TKG ist eine Klage in der Zeit vor der verbindlichen Auslegung der Richtlinie kaum aussichtsreich gewesen; erst recht liegt kein Fall des § 814 BGB vor.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO; die Zuvielforderung ist mit rund 1,4% relativ geringfügig.
Streitwert: € 3.114.594,86
LG Köln:
Urteil v. 30.09.2005
Az: 81 O (Kart) 48/05
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