Bundespatentgericht:
Urteil vom 13. Oktober 2009
Aktenzeichen: 4 Ni 14/08

(BPatG: Urteil v. 13.10.2009, Az.: 4 Ni 14/08)

Tenor

I. Das europäische Patent 0 885 676 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Anspruch 1 folgende Fassung erhält:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden, dadurch gekennzeichnet, dass ein spanrichtungsgebendes und die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussendes Muster (20, 32) erzeugt und das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 885 676 (Streitpatent), das am 13. Mai 1998 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nr. 598 00 204 geführt. Es betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen und umfasst 5 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet in der erteilten Fassung wie folgt:

Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 885 676 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung trägt sie vor, im Stand der Technik seien derartige Verfahren mit den Merkmalen des Streitpatentgegenstands bereits bekannt gewesen. Hierzu beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

K3 EP 0 425 812 A2 K4 WO 97/03777 A1 K6 US 5 026 960 A E4 EP 0 787 820 A2 E5 JP 05154704 A Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 885 676 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt zuletzt, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass Anspruch 1 folgende Fassung erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 5 der erteilten Fassung anschließen:

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche, wobei mit Hilfe der Laserbestrahlung zumindest die Spanflächen mit einem die Oberflächenstruktur verändernden geometrischen Muster versehen werden, dadurch gekennzeichnet, dass ein spanrichtungsgebendes und die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussendes Muster (20, 32) erzeugt und das Muster (20, 32) im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht wird.

Die Klägerin behauptet, auch dieser Anspruch sei nicht patentfähig, zudem sei er nicht ausreichend offenbart, nicht ausführbar und erweitere den Schutzbereich des Streitpatents.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als die Beklagte den Anspruch 1 des Streitpatents nicht mehr verteidigt und sich in zulässiger Weise selbst beschränkt hat. Der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass der hier einschlägige Fachmann, ein in der Herstellung von Werkzeugen für die spanende Bearbeitung tätiger Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen Kenntnissen der Werkstofftechnik und der Materialwissenschaft, ihn ausführen kann. Nachdem der neue Anspruch 1 auch in allen seinen Merkmalen bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbart ist, ist dieser Anspruch zulässigi. S. v Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) und c) EPÜ. Der Anspruch ist auch neu gegenüber dem in das Verfahren eingeführten Stand der Technik und er beruht auf erfinderischer Tätigkeit, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a), Art. 54, 56 EPÜ.

II.

1.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen. Allgemein wird bei Werkzeugen zum Spanen zwischen solchen mit geometrisch bestimmter Schneide und solchen mit unbestimmter Schneide unterschieden, wobei sich die vorliegende Erfindung nur auf die erstgenannten bezieht [Abs. 0002]. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift wird die Geometrie von Schneidwerkzeugen üblicherweise danach ausgerichtet, dazu beizutragen, Späne leicht und schnell abzuführen um einen Spanstau zu vermeiden. Dabei ist aber nicht nur die Geometrie des Schneidwerkzeugs, sondern auch die Beschaffenheit des Schneidstoffs, insbesondere dessen Härte, dessen Standfestigkeit und dessen Reibkoeffizient ausschlaggebend [0003]. Im Stand der Technik seien daher zur Erhöhung der Standfestigkeit der Werkzeuge Beschichtungen mit einer oder mehreren Hartstoffschichten, z. B. TiN, bekannt, wie etwa in der US-Patentschrift 4 706 542 geschildert. Solche Methoden verändern das Spanflussverhalten auch dann erheblich, wenn an der Geometrie des Werkzeugs nichts geändert wurde. Da eine solche Beschichtung zumeist einen geringeren Reibkoeffizienten als herkömmliche Schneidstoffe aufweist, kann die erhöhte Fließgeschwindigkeit zu einer Spanbildung führen, die dann ihrerseits die Spanabfuhr beeinträchtigen kann [0004]. Daher ist es im Stand der Technik nach der DE 43 19 789 C2 bekannt, die Spanfläche nach dem Beschichten des Werkzeugs zu schleifen, was aber einen zusätzlichen Arbeitsgang verbunden mit geringerer Standzeit des Werkzeugs bedingt, und bisher sollen darüber auch noch keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen [0005]. Zudem sei es allgemein bekannt, Werkzeuge wie z. B. Wendeschneidplatten im Sinterpressverfahren herzustellen, wodurch an der Spanfläche zur Beeinflussung der Rauheit eine bestimmte Topographie hergestellt werden kann, welche auf den Spanfluss der Schneidplatte Einfluss nimmt. Nachteilig sei aber, dass solcherart hergestellte Werkzeuge oft nicht genügend präzise seien [0006]. Schließlich sei auch bekannt, Werkzeuge mittels Laser zu bearbeiten. Dies erfolge aber zur Verfolgung anderer Zwecke, so zur Härtung der Oberfläche in den Randzonen, um hohe Zugspannungen in Randbereichen des Werkzeugs zu induzieren, oder zur Aufbringung von Schutzschichten gegen Verschleiß [0007].

2.

Die Erfindung soll daher ein Verfahren bereitstellen, bei dem mit den Spänen in Berührung kommende Flächen von spangebenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide in ihrem den Spanfluss bestimmenden Verhalten auf wirtschaftliche Weise verändert werden können [0009].

3.

Diese Aufgabe wird durch die im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst. In gegliederter Fassung lautet der Patentanspruch 1:

(0)

Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide;

(1)

die Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen erfolgt durch Laserbestrahlung der Werkzeugoberfläche;

(2)

es werden zumindest die Spanflächen mit dem Laser bestrahlt;

(3)

durch die Laserbestrahlung wird die Oberflächenstruktur der Spanflächen verändert;

(4)

Die Spanflächen werden mit einem geometrischen Muster versehen:

(a) es wird ein spanrichtungsgebendes Muster (20, 32) und ein die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussendes (20, 32) Muster (20, 32) erzeugt,

(5)

das Muster (20, 32) wird im geringen Abstand zur Schneidkante (16, 18, 36) angebracht.

Nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 befasst sich die vorliegende Erfindung mit der Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide. Als Werkzeuge mit geometrisch bestimmter Schneide sind beispielsweise Fräser, Bohrer oder dergleichen anzusehen. Mit Hilfe eines Lasers wird dabei zumindest die Spanfläche bestrahlt. Die Bestrahlung der Spanfläche eines Werkzeugs setzt jedoch voraus, dass an dem Werkzeug die Werkzeuggeometrie mit ihren Schneidkanten, Flächen (z.B. Spanfläche) und Winkeln bereits vorhanden sein muss, bevor die Laserbestrahlung stattfindet. Es handelt sich bei dem streitpatentgemäßen Verfahren somit um die nachträgliche Bestrahlung (zumindest) der Spanfläche an einem fertigen Werkzeug mit einer geometrisch bestimmten Schneide.

Nach den Merkmalen 3 und 4 des Patentanspruchs 1 wird durch die Laserbestrahlung die Oberflächenstruktur der Spanfläche verändert, wobei die Spanfläche mit einem geometrischen Muster versehen wird. Gemäß den diesbezüglich erläuternden Ausführungen in Absatz [0011] der Streitpatentschrift soll die Laserbestrahlung zur Erzeugung des geometrischen Musters derart sein, dass im Bereich des Substratmaterials oberflächlich eine Umschmelzung und möglicherweise eine Oxidation erzeugt werde, wodurch eine erhöhte Oberflächenrauheit entstehe. Dabei soll gemäß Merkmal 4a das Muster derart ausgebildet sein, dass es die Spangeschwindigkeit und durch eine bestimmte Richtungsgebung der das Muster bildenden Markierungen auch die Fließrichtung der Späne beeinflusst. Dies könne gemäß den Ausführungen in Absatz [0011] der Streitpatentschrift beispielsweise durch eine Reihe von Strichen und/oder Punkten oder einem Streifen oder einer Spur aus Strichen und/oder Punkten geschehen.

Das Streitpatent unterscheidet ausweislich seiner Beschreibungseinleitung sowie den Ausführungen zu Beginn des Absatzes [0022] klar zwischen dem herkömmlichen Stand der Technik, bei dem die Beeinflussung des Spanflussverhaltens durch geometrisch ausgestaltete Spanbrecher erfolgt, wie sie beispielsweise durch Absätze, Stufen, Mulden, eingearbeitete Vertiefungen oder ähnliche geometrische Abweichungen von einer ebenen Fläche direkt hinter der Werkzeugschneide gebildet werden, und oberflächlichen, mikroskopischen Veränderungen der Spanfläche, die die Rauheit (ehemals auch als Rauhigkeit bezeichnet) der Oberfläche partiell, nämlich in dem bestrahltem Bereich, verändern, ohne dass eine geometrische Veränderung der Spanfläche stattfindet. Vor allem die Merkmale 3, 4 und 4a für sich, jedoch insbesondere auch in Verbindung mit den diesbezüglich erläuternden Ausführungen im Absatz [0012] der Streitpatentschrift gesehen, legen nach Überzeugung des Senats unmissverständlich fest, dass es beim streitpatentgemäßen Verfahren ausschließlich um oberflächliche Veränderungen der Spanfläche geht, die rauheitsbeeinflussende Dimensionen hat. Derartige rauheitsbeeinflussende Dimensionen liegen üblicherweise im Mikrometerbereich der Oberflächenstruktur und sind im Allgemeinen mit bloßem Auge kaum sichtbar.

Unter einem geometrischen Muster gemäß Merkmal 4 sind demnach in Verbindung mit den diesbezüglichen Erläuterungen im Absatz [0011] der Streitpatentschrift gezielt hergestellte, eine bestimmte Regelmäßigkeit aufweisende Markierungen im mikroskopischen Bereich zu verstehen, was beispielsweise eine Reihe von Strichen und/oder Punkten oder ein Streifen oder eine Spur aus Strichen und/oder Punkten sein könnte. Derartige Reihen von Strichen oder Streifen weisen selbst eine gewisse Richtungsgebung und somit lokale Bereiche mit unterschiedlicher Rauheit auf und können auf diese Weise auch die Spanrichtung beeinflussen.

Dieser, nach Überzeugung des Senats einzig möglichen Auslegung der Merkmale 3 und 4, wonach durch die Laserbestrahlung die Oberflächenstruktur der Spanfläche mit einem geometrischen Muster versehen wird, widerspricht nicht, dass eine Spur von Strichen gemäß Bezugszeichen 22 auch parallel zur Schneidkante angebracht werden kann, um den Verschleiß an der Schneidkante zu beobachten (Absatz [0024] der Streitpatentschrift). Denn zum einen ist dies nur eine vorteilhafte Ausgestaltung des streitpatentgemäßen Verfahrens nach Patentanspruch 1 und zum anderen sind auch mit bloßem Auge kaum sichtbare Markierungen geeignet, den Verschleißzustand anzuzeigen, beispielsweise mittels Sehhilfen.

Gemäß Merkmal 5 wird das Muster im geringen Abstand zur Schneidkante angebracht. Nach Absatz [0013] der Streitpatentschrift ist der Abstand deshalb erforderlich, da sonst die Gefahr besteht, dass durch die Umschmelzung und ggf. Oxidation das Material für die Zerspanung nicht mehr gut geeignet ist. Auch können von diesen Stellen Kerbwirkungen ausgehen, die zu einem Bruch des Werkzeugs führen können. Diese Angaben leiten den Fachmann an, den Abstand zur Schneide in Abhängigkeit der durch den Laser eingetragenen Energie sowie der Dimension der durch den Laser herzustellenden Muster derart zu wählen, dass keine Oxidation oder Umschmelzung direkt an der Schneidkante des Werkzeugs stattfinden kann.

III.

1. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die dem Streitpatent zugrunde liegenden Patentansprüche in der verteidigten Fassung unzulässig erweitert sind oder den Schutzbereich des erteilten Patents erweitern.

In der erteilten Fassung umfasste der Patentanspruch 1 des Streitpatents die Merkmale 1 bis 4 sowie 5, deren Zulässigkeit die Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen hat. In der geltenden Fassung wurde das Merkmal 4a ergänzt. Offenbart ist dieses Merkmal beispielsweise im Absatz [0012] der Streitpatentschrift, in dem beschrieben ist, dass durch eine bestimmte Richtungsgebung der das Muster bildenden Markierungen sich nicht nur die Fließgeschwindigkeit, sondern auch die Fließrichtung beeinflussen lässt.

Die Einfügung dieser bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbarten Merkmale ist eine klare Beschränkung des streitpatentgemäßen Verfahrens, weil das ursprünglich beliebige Muster nunmehr auf ein Muster beschränkt wird, das spanrichtungsgebend und die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussend ausgebildet ist. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist es dabei auch nicht entscheidend, ob im Patentanspruch 1 auch festgelegt sein müsse, dass der Span in eine "bestimmte" Richtung geleitet wird, da eine planmäßige richtungsgebende Ausrichtung der das Muster bildenden Markierungen immer eine bestimmte Richtungsgebung umfasst.

Diese Merkmale waren auch in diesem Zusammenhang den erteilten Unterlagen entnehmbar, so dass es sich bei dem Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 um dasselbe, jedoch gegenüber der erteilten Fassung eingeschränktes Verfahren handelt. Eine unzulässige Änderung oder eine Erweiterung des Schutzbereichs liegt deshalb nicht vor.

2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.

Der Patentanspruch 1 des Streitpatents gibt klare Anweisungen, auf welche Weise das Spanflussverhalten im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide beeinflusst werden kann, wozu im Einzelnen auf die vorstehenden Ausführungen in Punkt II.3 verwiesen wird. Insofern die Einsprechende bemängelt, dass die genaue Form und Ausrichtung des geometrischen Musters im Patentanspruch 1 nicht offenbart sei, damit es das Spanflussverhalten im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide beeinflussen könne, so ist dies schon deshalb unschädlich, da der Fachmann die erforderliche Form des Musters je nach Art der Bearbeitung und verwendeten Werkzeugund Werkstückmaterialien durch einfache Versuche ermitteln kann. Hinweise, wie derartige Muster aussehen könnten, erhält der Fachmann aus dem Absatz [0012] der Streitpatentschrift, wonach die Muster aus parallel beabstandeten Strichmarkierungen bestehen könnten, die in einem bestimmten Winkel zur Schneidkante verlaufen, um so den Span richtungsgebend zu beeinflussen. Auch die in den Absätzen [0022] und [0025] der Streitpatentschrift beschriebenen verschiedenen Ausführungsbeispiele leiten den Fachmann an, wie er die geometrischen Muster ausgestalten kann, um die Fließgeschwindigkeit und die Fließrichtung zu beeinflussen. Aus diesem Grund sind die Merkmale 4 und 4a des Streitpatents im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht aufgabenhaft und unklar, sondern allenfalls weit. Gleiches gilt sinngemäß auch für die Festlegung des erforderlichen Abstandes der Markierungen zur Schneidkante, der je nach Dimension des Werkzeugs, der Werkzeugund Werkstückmaterialien etc. durchaus unterschiedlich sein kann, jedoch vom Fachmann durch einfache Versuche ermittelt werden kann.

3. Der Senat konnte nicht feststellen, dass das unstrittig gewerblich anwendbare streitpatentgemäße Verfahren nach den geltenden Patentansprüchen 1 bis 5 gegenüber dem angeführten Stand der Technik nicht patentfähig ist.

3.1 Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erfindung des Streitpatents nach dem Patentanspruch 1 nicht als neu gilt.

Die K6 offenbart einen Spanbrecher für ein polykristallines Diamantund CBN-Werkzeug und ein Verfahren zur Herstellung eines Spanbrechers an einem polykristallinem Diamantund CBN-Werkzeug. Zur Herstellung des Werkzeugs wird zunächst ein überdimensionierter Rohling (oversize compact blank (10)) des Werkzeugs hergestellt. Auf dessen Oberfläche wird dann gemäß dem Wortlaut des Anspruchs 1 der K6 ein Spanbecherprofil eingebracht ("forming a chip breaker pattern on said surface"), was beispielsweise durch Bestrahlung mittels eines Lasers erfolgen könnte (Spalte 1, Zeilen 52 bis 59). Das Wort "pattern" wird häufig wahlweise als "Profil" oder "Muster" übersetzt. Doch offenbart die K6 nach Überzeugung des Senats schon aus dem Wortlaut seiner Bezeichnung einen Spanbrecher im herkömmlichen Sinn, also eine Vertiefung oder Erhöhung und somit ein Profil an dem Werkzeug, an dem der Span anstoßen kann, was somit zur Stauchung und zum Bruch des Spans führt. Dies belegt auch die einzige Figur der K6, bei der zwar das im Text erwähnte Bezugszeichen 14 für das Spanbrecherprofil nicht eingezeichnet ist. Jedoch erkennt man ohne weiteres zwei parallel verlaufende quadratische Linien innerhalb des das Fertigmaß bestimmenden Quadrats (12), die in üblicher Weise bei technischen Zeichnungen eine Abwinkelung oder einen Absatz im Verlauf einer Ebene bedeuten. Als letzter Arbeitsgang wird dann das mit dem Spanbrecher versehene Werkzeug im Bereich seiner Kanten derart bearbeitet, dass die Größe des überdimensionierten Rohlings (10) auf das vorgesehene Fertigmaß (12) reduziert wird.

Somit erfolgt das Einbringen des Spanbrechers bei der K6 nicht bei einem fertig ausgestalteten Werkzeug, wie es bei dem Streitpatent gemäß den Merkmalen 1 bis 2 vorgesehen ist, sondern bei einem Rohling. Weiterhin werden bei der K6 geometrisch ausgestaltete Spanbrecher erzeugt, welche gemäß den Ausführungen in der Beschreibungseinleitung sowie in Absatz [0022] der Streitpatentschrift ohnehin als bekannt vorausgesetzt werden und nicht die Spanflächen mit einem geometrischen Muster im Sinne der Merkmale 4 und 4a des Streitpatents versehen, bei dem es sich um oberflächliche, mikroskopische Veränderungen der Spanfläche handelt, die die Rauheit der Oberfläche partiell verändern, um auf diese Weise das Spanflussverhalten zu beeinflussen. Das streitpatentgemäße Verfahren nach Patentanspruch 1 ist daher gegenüber der K6 neu.

Die Druckschrift K3 geht als Familienmitglied zur K6 nicht über das hinaus was aus der K6 bekannt geworden ist.

Die Druckschrift K4 betrifft ein mit einem PVD-Überzug (28) beschichtetes Schneidwerkzeug (20), das eine beschichtete Spanfläche (34) und eine beschichtete Freifläche (36) umfasst, die sich unter Bildung einer Schneidkante (38) schneiden. Dieser Druckschrift liegt gemäß Seite 6, Absatz 1, die Aufgabe zugrunde ein verbessertes Schneidwerkzeug bereitzustellen, das einerseits für eine mit einer ausreichenden Stärke beschichteten PVD-Schicht eine geeignete (raue) Oberfläche aufweist. Andererseits soll gemäß Seite 5, Absätze 2 und 3 der K4 auch eine Spankontrolle durch die Mikrotopographie der Spanfläche des Schneidwerkzeugs mit oder ohne Verwendung eines "eingebauten" Spanbrechers ("structural chip breaker") zur Verfügung gestellt werden, vorzugsweise jedoch ohne die Verwendung eines "eingebauten" Spanbrechers. Gerade durch den Verzicht auf "eingebaute" Spanbrecher, die häufig eine komplizierte geometrische Ausgestaltung des Werkzeugs verursachen, sollen Kosten gespart werden. Um trotz Verzicht auf einen eingebauten Spanbrecher eine ausreichende Spankontrolle, die lange Spanfäden vermeidet, zu erreichen, soll nach dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 der K4 der beschichtete Teil der Substratoberfläche eine bestimmte Oberflächenrauheit aufweisen. In mehreren Ausführungsbeispielen werden Flächen, wie zum Beispiel die Spanfläche, mit einer erhöhten Rauheit ausgeführt und andere Flächen, bei denen eine erhöhte Rauheit nicht erwünscht ist (beispielsweise Freiflächen), sogar geglättet.

In der Beschreibung der K4 werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie eine derartige bestimmte Oberflächenrauheit an unterschiedlichen Bereichen und Flächen des Werkzeugs erreicht werden kann. Neben mehreren weiter ab liegenden Verfahren, wird auf Seite 23 oben als eine Variante zur Herstellung der gewünschten Oberflächenrauheit an ausgewählten Stellen auf der Oberfläche der Spanfläche auch das Laserätzen genannt, bei dem bekanntlich durch die Wechselwirkung des Laserstrahls mit der Materialoberfläche bei gleichzeitigem Einwirken eines Ätzmittels, eine verstärkte thermochemische Ätzreaktion aktiviert wird, die zu einem Materialabtrag im bestrahlten Bereich führt.

Die K4 bildet somit einen durchaus bedeutsamen Stand der Technik, der bereits die grundlegende Gemeinsamkeit zum streitpatentgemäßen Verfahren aufweist, wonach eine Beeinflussung des Spanflussverhaltens nicht nur durch die geometrische Form des Spanbrechers, sondern auch oder sogar nur durch die Mikrostruktur der Oberflächen des Werkzeugs, beispielsweise durch die Rauheit der Spanfläche, erfolgt.

Das bekannte Verfahren nach der K4 unterscheidet sich vom streitpatentgemäßen Verfahren jedoch dadurch, dass es, anders als die Merkmale 4 sowie 4a des Patentanspruchs 1 vorgeben, keinerlei Hinweise auf die Erzeugung eines bestimmten geometrischen, nämlich eines spanrichtungsgebenden Musters zum Inhalt hat. Denn bei der K4 wird ausschließlich die Rauheit der jeweiligen Oberfläche mittels Schleifen, Funkenerosion oder Laserätzen gezielt vergrößert oder verkleinert (Seite 23, 1. Absatz der K4), wodurch die Spangeschwindigkeit verändert werden soll. Hinweise auf ein geometrisches Muster in der Oberfläche der Spanfläche, das die Rauheit in lokalen Bereichen der Spanfläche verändert und dadurch nicht nur die Spangeschwindigkeit sondern auch die Spanrichtung beeinflussen kann, gibt die K4 dem Fachmann demnach nicht. Auch das Merkmal 5 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist der K4 nicht zu entnehmen. Denn an keiner Stelle offenbart die K4 im Sinne einer positiven nachvollziehbaren technischen Lehre, dass einzelne Bereiche einer Fläche bei der Veränderung der Rauheit ausgespart werden sollen. Inbesondere gibt die K4 auch keinerlei Hinweise, dass die direkt an der Schneidkante liegenden Bereiche der Spanfläche bei der Veränderung der Rauheit ausgespart werden sollen, um auf diese Weise eine Umschmelzung oder Oxidation des Materials an der Schneidkante zu verhindern, was einen Bruch des Werkzeugs verursachen könnte. Das streitpatentgemäße Verfahren nach Patentanspruch 1 ist daher gegenüber der K4 neu.

Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch herangezogene E4 beschreibt ein Verfahren zum Vorbereiten eines Schneidwerkzeug-Grundkörpers zur Beschichtung mit Diamantschichten, bei dem zumindest die Spanfläche eines Werkzeugs mit geometrischer Schneide durch Laserbestrahlung mit einem geometrischen Muster in Form von diagonalen Streifen versehen wird, bei dem die Streifen gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 2 bis 5 im Mikrometerbereich liegen und daher ein Muster im Sinne des streitpatentgemäßen Verfahrens bilden. Nach den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 32 bis 34 oder 46 bis 48 enden die Streifen ca. 100 Mikrometer vor der Schneidkante, weshalb sich ein geringer Abstand des durch die Streifen gebildeten Musters zur Schneidkante im Sinne des Merkmals 5 des Streitpatents ergibt. Wie jedoch bereits der Titel dieser Patentschrift beweist, hat die E4 kein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen zum Inhalt. Auch die übrigen Unterlagen der E4 geben keinerlei Hinweise darauf, dass das der E4 zugrundeliegende Verfahren auch zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens herangezogen werden könnte, weshalb das streitpatentgemäße Verfahren gegenüber der E4 zugrundeliegendem Verfahren bereits neu ist. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich des Merkmals 4a. Denn die E4 gibt auch keinerlei Hinweise im Sinne einer technischen Lehre darauf, welche Beschaffenheit die Oberfläche der Spanfläche nach der erfolgten Beschichtung mit der Diamantschicht aufweisen soll. Aus diesem Grund ist der E4 auch nicht zu entnehmen, dass die Oberfläche der Diamantbeschichteten Spanfläche des Werkzeugs ein derartiges Muster aufweisen soll, dass die Spanrichtung und die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflusst werden könnte.

Die E5, die auch ein Verfahren zum Vorbereiten eines Schneidwerkzeug-Grundkörpers zur Beschichtung mit Diamantschichten zum Inhalt hat, geht nicht über das hinaus, was aus der E4 bekannt geworden ist, so dass das streitpatentgemäße Verfahren nach Patentanspruch 1 auch gegenüber der E5 neu ist.

3.2.Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass das streitpatentgemäße Verfahren nach dem Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Denn entgegen der Auffassung der Klägerin führt weder die K6 alleine noch die Kombination der K6 mit der K4 zum streitpatentgemäßen Verfahren. Da die K6 gemäß den vorstehenden Ausführungen zur Neuheit (vgl. Punkt III.3.1 einen "eingebauten", also geometrisch ausgebildeten Spanbrecher aufweist, kann sie den Fachmann nicht dazu anregen, das Spanflussverhalten über oberflächliche, mikroskopische Veränderungen der Spanfläche, beispielsweise über die Rauheit, zu beeinflussen.

Wie unter Punkt III.3.1 ausführlich beschrieben, hat als einzige der im Verfahren befindlichen Druckschriften nur die K4 ein Verfahren zur Beeinflussung des Spanflussverhaltens von Werkzeugflächen im Bereich von Schneidkanten bei spanerzeugenden Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide zum Inhalt, das dem Fachmann die Anleitung geben kann, auf die Verwendung eines "eingebauten", Spanbrechers zu verzichten und das Spanflussverhalten durch oberflächliche, mikroskopische Veränderungen der Spanfläche insbesondere der Rauheit zu beeinflussen.

Anders als beim streitpatentgemäßen Verfahren erfolgt bei dem Verfahren nach der K4 die Beeinflussung ausschließlich über die Erzeugung einer rauen Mikrotopographie der Oberfläche, wodurch sich allenfalls die Fließgeschwindigkeit der Späne beeinflussen lässt. Hinweise, dass neben der Fließgeschwindigkeit der Späne auch die Spanrichtung beeinflusst werden könnte, sind der K4 nicht zu entnehmen. Deshalb gibt es in der K4 auch keinerlei Hinweise auf die Erzeugung eines (bestimmten) geometrischen Musters in der Oberflächenstruktur der Spanfläche, welches die Spanrichtung beeinflussen könnte.

Auch eine Kombination der Druckschriften K4 und K6 führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zum streitpatentgemäßen Verfahren. Denn weil die K6 einen eingebauten, also einen geometrisch ausgebildeten Spanbrecher aufweist, wird der Fachmann sich ausgehend von der K4, bei der K6 keine Anregungen holen, weil die K4 aufgabengemäß gerade auf einen eingebauten Spanbrecher verzichten will. Aus diesem Grund aber kann die K6 auch keine Hinweise auf das Merkmal 5 des Streitpatents geben.

Auch die E5, welche ausschließlich die Anhaftung einer aufzubringenden Diamantschicht verbessern will, kann dem Fachmann keinerlei Anregungen geben, das Spanflussverhalten von Werkzeugflächen zu beeinflussen.

Die E4 ist eine gegenüber dem Prioritätstag des Streitpatents vorangemeldete, jedoch nachveröffentlichte Druckschrift und hat daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht zu bleiben.

Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte somit weder für sich genommen, noch in einer Zusammenschau betrachtet, dem Fachmann den Gegenstand nach dem Patentanspruch 1 nahe legen. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern es bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.

Der geltende Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

3.3.Nachdem der geltende Patentanspruch 1 bestandsfähig ist, haben die angegriffenen und auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 ebenfalls Bestand. Denn diese Patentansprüche sind zulässig und bilden das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 vorteilhaft weiter aus. Sie werden daher von diesem aufgrund ihrer Rückbeziehungen getragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V.m. §709 ZPO.

Voit Dr. Huber Schwarz-Angele Rippel Dr. Prasch Pr






BPatG:
Urteil v. 13.10.2009
Az: 4 Ni 14/08


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