Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juli 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 181/01
(BPatG: Beschluss v. 15.07.2002, Az.: 30 W (pat) 181/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zur Eintragung in das Markenregister ist angemeldet die Bezeichnung RETAIL LINK für die Waren "Computer-Software zum Gebrauch durch Einzelhandelsgeschäfte und deren Verkäufer im Hinblick auf Lagerbestandskontrolle, Preisfestsetzungen und Herstellungserfordernisse".
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen, weil sie nur eine schlagwortartige beschreibende Sachangabe für eine Verknüpfung von Daten im Einzelhandelsbereich darstelle, die im englischsprachigen Raum bereits verwendet und vom Verkehr ohne weiteres verstanden werde.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführungen die angemeldete Bezeichnung für schutzfähig. Sie verweist darauf, dass der Verkehr Marken in aller Regel so aufnehme, wie sie ihm entgegenträten und sie nicht einer analysierenden Betrachtung unterziehe. Zudem werde die englischsprachige Anmeldung von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verstanden; sie habe in ihrer Gesamtheit auch keinen eindeutigen Begriffsinhalt und sei im Sinne von "Einzelhandelsverbindung" zudem nicht beschreibend, was durch die Registrierung der Marke in den USA indiziert werde.
Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 5. September 2001 aufzuheben.
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Beschluss der Markenstelle Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg. Die angemeldete Marke RETAIL LINK ist für die beanspruchten Waren nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen. Ihr fehlt jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG).
Kann einer Wortmarke ein für die in Frage stehenden Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden, der ohne weiteres als solcher zu erfassen ist, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass der Verkehr die fragliche Bezeichnung nicht als beschreibende Angabe, sondern als Unterscheidungsmittel versteht, wobei unerheblich ist, ob der Begriff bereits lexikalisch nachweisbar ist (vgl BGH GRUR 2001, 1153 - antiKalk; vgl auch BGH WRP 2001, 1082, 1083 - marktfrisch; BGH GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - schlechte Zeiten; BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN). So liegt der Fall hier.
"Retail" bedeutet in der englischen Sprache "Einzelhandel, Einzelhandels-" (vgl Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch S 1472). Das ist ein Wirtschaftszweig, der in Ladengeschäften dem Verbraucher Waren anbietet oder auch die Bezeichnung für die Gesamtheit der Einzelhandelsgeschäfte (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl S 448; auch HABM, PAVIS PROMA, Bender R0688/00-3 - PRIME RETAIL). In dieser Bedeutung ist "retail" im Handel auch in der deutschen Sprache gebräuchlich, wie die der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung übergebenen Beispiele zeigen: ein Grafikkartenhersteller gibt in seinen Angeboten bei den jeweiligen Produkten "Retail Preise" an (www.matrox.com); ein anderer Hersteller bietet Grafikkarten als "Retail Version" an und verwendet im Fließtext einer Information die Formulierung: "Der Lieferumfang bei Retail Produkten ist meist umfangreicher..." (www.kmelektronik.de); ein Hersteller von Computerspielen bietet "Maps der Retail-Version" an (www.toheadquarters.4players.de); bei einem Hersteller von Smart Card Readers ist vom "Ausbau des Retail-Netzes" und von "Retail-Ketten" die Rede (www.towitoko.de); in einem weiteren Beispiel heißt es: "Sind Sie für die Herausforderungen im Retail-Markt gerüstet€" (www.humanit.de).
"Link" hat in der englischen Sprache allgemein die Bedeutung von "Verbindung" (Duden Oxford aaO S 1291). Im World Wide Web (WWW) ist "link" (auch "hyperlink") eine markierte Stelle, die durch "Anklicken" den sofortigen Zugriff auf ein Programm, eine Text- oder Datendatei oder eine - von einem Programm zur Verfügung gestellte - Webseite ermöglicht (vgl Microsoft Press Computerlexikon Ausgabe 2002 S 747 Stichwort "Verknüpfung"; Duden, Deutsches Universalwörterbuch 4. Aufl S 1022, 813; Beck EDV-Berater, Computer-Lexikon 4. Aufl S 494; Microsoft Press Computer Dictionary S 240). "Link" ist in dieser Bedeutung breitesten Verkehrskreisen geläufig, was die Anmelderin letztlich auch nicht in Abrede stellt. Lediglich zur Veranschaulichung wird darauf hingewiesen, dass z.B. die Süddeutsche Zeitung in der Rubrik "Panorama" Internet-Tipps zu den Panoramathemen unter der Überschrift "Links..." angibt; in der Zeitschrift "internet World" (Ausgabe 08/2002) sind solche Tipps unter "Tipps und Links" (S 27) oder "Links zum Thema" (S 32) genannt. In den der Anmelderin übergebenen Verwendungsbeispielen heißt es: "Ein Link in die Herzen der Verbraucher..." (www.globetrotter.de).
Die sprachüblich aus den beiden auch im Deutschen verwendeten Begriffen gebildete Gesamtbezeichnung RETAIL LINK (Einzelhandels-Link) ergibt in Bezug auf die beanspruchten Waren für die hier maßgeblichen, am Einzelhandel beteiligten Verkehrskreise die sinnvolle und zur Beschreibung der Anmeldewaren geeignete Sachaussage, dass die für den Einzelhandel bestimmte Computer-Software über ein Link verfügt, das dem Einzelhandel den Zugriff auf Programme ermöglicht, die in der Kommunikation mit Herstellern/Lieferanten zum Beispiel online die Daten über Abverkaufsmengen, Lagerbestand, Bestellmengen und Preise von Verkaufsartikeln sofort zur Verfügung stellen, wie dies im Warenverzeichnis auch ausgedrückt ist.
Nach alledem liegt die Annahme fern, dass der Verkehr die Bezeichnung RETAIL LINK als individuellen betrieblichen Herkunftshinweis auffassen wird.
Die angenommene warenbeschreibende Sachaussage geht auch nicht auf eine unzulässige zergliedernde Betrachtung des Anmeldezeichens zurück (vgl BGH GRUR 1996, 771 - THE HOME DEPOT). Die Annahme einer warenbeschreibenden Angabe beruht hier gerade nicht auf einer nach deren einzelnen Bestandteilen analysierenden Betrachtungsweise, sondern darauf, dass der beanspruchten Wortkombination in ihrer Gesamtheit die Bedeutung einer warenbeschreibenden Sachaussage zukommt. Diese Wortkombination ist, wie bereits ausgeführt, in ihrer Gesamtheit sprachüblich gebildet; eine der Struktur nach ungewöhnliche Wortverbindung liegt nicht vor (vgl EuGH GRUR 2001, 1145 - Baby Dry).
Auch die Voreintragung der angemeldeten Marke im Markenregister des US-Patent- und Markenamts vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist anerkannt, dass die Voreintragung einer Marke in dem Sprachgebiet, dem das betreffende Markenwort entstammt, ein Indiz dafür darstellen kann, dass es sich insoweit nicht um eine beschreibende Angabe handelt (vgl BGH MarkenR 2001, 304, 305 - GENESCAN). Diese Indizwirkung hat jedoch nur im Rahmen des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG Bedeutung, nicht auch für die Beurteilung der Unterscheidungskraft einer angemeldeten Marke, da es insoweit nur auf das inländische Verkehrsverständnis ankommt, über das die ausländische Voreintragung naturgemäß keinen Aufschluss geben kann (vgl Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 8 Rn 22).
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs 2 MarkenG. Angesichts der vorliegenden konkreten Einzelfallgestaltung sieht der Senat weder den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Rechtsfrage noch den der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als gegeben. Entgegen den Erwägungen der Anmelderin weicht die vorliegende Entscheidung nicht von den Grundsätzen der "PREMIERE"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BlPMZ 1999, 256, 257) ab; Ausgangspunkt der Entscheidung des BGH war die Annahme eines unscharfen Bedeutungsgehaltes des Wortes "Premiere", der einen eindeutig beschreibenden Inhalt nicht erkennen ließ; der Bedeutungsgehalt der hier angemeldeten Bezeichnung ist demgegenüber klar und eindeutig und hat, wie dargelegt, auch einen eindeutig beschreibenden Inhalt.
Winter Voit Paetzold Fa
BPatG:
Beschluss v. 15.07.2002
Az: 30 W (pat) 181/01
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