Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 347/03

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2005, Az.: 28 W (pat) 347/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 9.1 vom 19. August 2003 aufgehoben.

2. Der Markeninhaberin wird auf ihren Antrag vom 12. Februar 2003 in die versäumte Frist zur Zahlung der Verlängerungsgebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 18. April 1991 angemeldeten und seit dem 8. Juli 1992 registrierten Wortmarke 2 016 766 . Nachdem das Einschreiben zur Mitteilung gemäß § 47 Abs. 3 MarkenG (Gebührenanforderung in Höhe von 1265,- DM zur Verlängerung der Schutzdauer) am 29. August 2001 als unzustellbar zurückgekommen war, hat das Patentamt keinen Ermittlungsversuch der neuen Anschrift der Markeninhaberin über das Einwohnermeldeamt unternommen, sondern am 11. März 2002 eine Benachrichtigung gemäß § 15 Abs. 2 VwZG (öffentliche Zustellung) ausgehängt und am 8. April 2002 abgenommen.

Am 12. Februar 2003 bat die Markeninhaberin unter Hinweis auf ein Fax aus dem Jahre 1995 mit ihrer Adressenänderung sinngemäß um Verlängerung ihrer Marke und insoweit Wiedereinsetzung in die Zahlungsfrist, die mit Beschluss der Markenabteilung 9.1. vom 19. August 2003 mangels rechtzeitiger Zahlung verweigert wurde mit dem Zusatz, die Markeninhaberin habe weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Zahlungsfrist verhindert gewesen sei, die aufgrund der Übergangsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 in dem am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen neuen Patentkostengesetz am 31. März 2002 abgelaufen sei. Auf den Zugang einer Adressenänderungsnachricht durch die Markeninhaberin und die gescheiterte Zustellung des Löschungsvorbescheides im August 2001 komme es daher nicht an.

Gegen diesen Beschluss hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt und trägt unter Vorlage einer eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vor, sie habe die neue Adresse rechtzeitig mitgeteilt und in einem weiteren Verfahren (Widerspruch in 399 43 682) mit dem Amt unter ihrer neuen Anschrift sogar schon Schriftverkehr unterhalten. Ohne anwaltliche Vertretung habe sie daher auf die Zusendung des Löschungsvorbescheides an die geänderte Adresse vertrauen dürfen und eine Wiedereinsetzung sei auch bei geänderter Gesetzeslage nicht ausgeschlossen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet.

Die Markenabteilung hat den Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in die Zahlung der Verlängerungsgebühren zu Unrecht zurückgewiesen.

Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält gemäß § 91 Abs 1 Satz 1 MarkenG auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten, die gleichzeitig oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen sind (§ 91 Abs 2, Abs 3 MarkenG). Das betrifft alle wesentlichen Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist; dazu gehören vor allem auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Säumige oder sein Vertreter (vgl. §§ 51 Abs 2, 85 Abs 2 ZPO) frei von Verschulden ist (vgl Stein/Jonas ZPO 21. Aufl § 236 Rdn 6 mwN; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 91 Rdn 16 mwN).

Zwar hat jeder Markeninhaber grundsätzlich die Zahlungsfristen und insbesondere die Fälligkeit einer Schutzrechtsverlängerung selbst zu überwachen, die hier am 18. April 2001 anstand. Der Mangel rechtzeitiger Zahlung löste jedoch nach damaliger Rechtslage noch keinen unmittelbaren Rechtsverlust aus; vielmehr war das Amt nach § 47 Abs. 3 S. 4 MarkenG zunächst verpflichtet, dem Markeninhaber einen Löschungsvorbescheid zuzusenden, da die Marke erst bei dessen Nichtbeachtung nach § 47 Abs. 6 MarkenG gelöscht werden konnte. Die Rechtsfolgen der Löschungsreife kann ein solcher Bescheid allerdings nur auslösen, wenn er formell und materiell rechtmäßig ist (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl. 2000, § 47 Rdn. 20 mwN), was vorliegend schon deshalb zweifelhaft ist, weil er an eine für das Amt erkennbar unzutreffende Adresse versandt worden ist. Zwar sind amtliche Bescheide grundsätzlich an den "als Inhaber Eingetragenen" gemäß § 28 MarkenG zuzustellen. Allerdings kannte im vorliegenden Fall die Markenabteilung die richtige Adresse oder hätte sie zumindest ohne weiteres ermitteln können, so dass eine öffentliche Zustellung nach dem Verwaltungszustellungsgesetz schon deshalb unzulässig war. Zwar findet sich für die eidesstattlich versicherten Erklärung der Markeninhaberin, das Amt bereits im Jahre 1994 über die Anschriftenänderung informiert zu haben, in der Akte kein Hinweis. Nachdem die Markeninhaberin als Widersprechende aber in einem Beschlussverfahren aufgetreten war, in welchem die Markenstelle die Post, insbesondere den Beschluss vom 5. März 2001, an ihre neue Adresse gerichtet hatte, bestand für sie spätestens dann auch kein Anlass zu weiteren Erklärungen. Sie hätte jedenfalls vom Amt im Widerspruchsverfahren auf die Notwendigkeit einer Registeränderung hingewiesen werden müssen, was jedoch nicht geschehen ist.

Die Pflicht zur Zusendung eines korrekt adressierten Löschungsvorbescheides ist entgegen der Auffassung der Markenabteilung auch nicht durch die ab dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtslage entfallen. Denn der an die alte Adresse gerichtete Bescheid ist noch im August 2001 als unzustellbar wieder im Amt eingegangen, so dass die Pflicht zur Adressenermittlung formellrechtlich weiter bestand, wofür noch vier Monate im alten Jahr zur Verfügung gestanden hatten und sich die richtige Adresse ohne weiteres im Amt hätte ermitteln lassen.

Nun werden seit Anfang 2002 die Markeninhaber bekanntlich nicht mehr durch einen formellen Löschungsvorbescheid über den Ablauf der Schutzdauer informiert, um den Verwaltungsaufwand des Amtes (insbesondere bei erforderlicher Adressenermittlung) zu reduzieren (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs zum Patentkostengesetz in BlfPMZ 2002, S. 36, 38); dementsprechend ist nach Streichung der Benachrichtigungspflicht in § 47 Abs. 3 Satz 4 MarkenG für Übergangsfälle in § 14 Abs. 1, Satz 2 PatKostG vorgesehen, dass eine vor 2002 fällige Gebühr noch bis zum 31. März 2002 gezahlt werden kann, wenn nach den bis dahin geltenden Vorschriften für den Beginn der Zahlungsfrist die Zustellung einer Gebührenbenachrichtigung erforderlich und diese vor dem 1. Januar 2002 nicht erfolgt ist. In der Begründung sind aber nur Fallgestaltungen genannt, in denen keine zustellungsfähige Adresse oder kein Rechtsnachfolger ermittelt werden kann (vgl. Gesetzesbegründung aaO., S. 38). Hierauf zielt auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf zu § 14 PatKostG ab, wonach eine Zahlungsfrist für die Fälle fehle, in denen "das Deutsche Patent- und Markenamt die Gebührenbenachrichtigung nicht mehr zustellen konnte" (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in BlfPMZ 2002, S. 65). Im vorliegenden Fall war hingegen die richtige Adresse in der Markenabteilung - wenn auch vermutlich nicht in der zur Verlängerung zuständigen Stelle - bekannt, so dass eine Zustellung grundsätzlich möglich war. Es ist zweifelhaft, ob der Gesetzgeber eine Entlastung des Deutschen Patent- und Markenamts auch in solchen Fällen beabsichtigt hat, in denen ein Versehen vorlag (oder auch in anderen Fällen, etwa bei beantragter, aber nicht vollzogener Adressenänderung).

Selbst wenn man dies bejahen wollte, hätte die Markenabteilung auch nach der neuen Rechtslage im Jahr 2002 eine Benachrichtigung des Markeninhabers vornehmen müssen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (aaO. S. 38 re.Sp., bzw. S. 42 re.Sp.), wird "das Patentamt ... auch künftig nach Fälligkeit des Verspätungszuschlages automatisch formlos an die Zahlung erinnern" bzw. "ist vorgesehen, nach Fälligkeit der Verspätungszuschläge für die Verlängerungsgebühren eine formlose Zahlungsaufforderung als Service des Patentamts zu versenden". Da im vorliegenden Fall die Verlängerungsgebühr nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 3 S. 2 MarkenG aF am letzten Tag der Schutzdauer, d.h. am letzten Apriltag 2001 fällig war und bei jeder späteren Zahlung ein Verspätungszuschlag fällig geworden ist (vgl. Althammer/Ströbele aaO. Rdn. 19 mwN.), hätte die Markenabteilung nach der oben zitierten Passage in der Gesetzesbegründung zumindest formlos an die Zahlung erinnern müssen, was offenbar nicht geschehen ist. Aus der Akte ergibt sich lediglich, dass der als unzustellbar zurückgekommene Löschungsvorbescheid vom 20. August 2001 am 11. März 2002 öffentlich zugestellt wurde. Damit hat das Amt jedoch nicht seiner Zustellungspflicht entsprochen. Vielmehr handelt es bei der öffentlichen Zustellung um ein - nach vorangegangenen erfolglosen tatsächlichen Zustellungsversuchen - formalisiertes Verfahren, bei welchem der Adressat nur in den seltensten Fällen tatsächlich Kenntnis vom zuzustellenden Schreiben erhält, was aber der vorliegenden Fallkonstellation nicht gerecht wird. Vielmehr sollen hierdurch säumige Zahler die Gelegenheit zur Aufrechterhaltung ihrer Markenrechte erhalten, ohne dass das Amt vor der Löschung auf einen nach früherem Recht erforderlichen Nachweis des Zugangs angewiesen war. Zudem lagen auch die Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung nicht vor. Selbst wenn die geänderte Adresse intern nicht ermittelbar gewesen wäre, hätte es zumindest einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt bedurft, ehe die Zustellung nach § 15 VwZG angeordnet werden konnte. Hätte man die Adresse im vorangegangenen Widerspruchsverfahren korrigiert, wäre die richtige Adresse sofort aufgefallen. Auf diese Weise hätte zumindest diese Erinnerung entsprechend versandt werden können, wenn man nicht sogar im konkreten Fall einen erneuten Zustellungsversuch des Löschungsvorbescheides nach altem Recht (unter Angabe der neuen Euro-Beträge) erwarten durfte.

Unter den genannten Umständen war die Versäumung der Frist auf jeden Fall entschuldbar, und zwar auch ohne Rücksicht darauf, ob die Markeninhaberin die neue Adresse bereits, wie eidesstattlich versichert, im Dezember 1994 dem Amt mitgeteilt hat. Denn ohne Verschulden ist eine Fristversäumung, wenn der Betroffene die übliche Sorgfalt hat walten lassen, deren Beachtung ihm im konkreten Fall nach seinen subjektiven Verhältnissen zumutbar war (vgl. Ströbele/Hacker, aaO., Rdn. 16 mwN.). Diese Sorgfalt hat die Markeninhaberin jedenfalls unter den konkreten Umständen ohne weiteres aufgewendet.

Mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles, in dem die Markeninhaberin sozusagen das "klassische" Opfer einer gesetzlichen Verfahrensänderung geworden ist, liegen mithin die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in die Zahlung der Verlängerungsgebühr vor, nachdem auch die Jahresfrist des § 91 Abs. 5 MarkenG, die erst mit Ablauf der Zahlungsfrist gemäß § 14 Abs.1 S. 2 MarkenG am 31. März 2002 begonnen hat, gewahrt worden ist.

Die Beschwerde musste damit Erfolg haben.

Stoppel Schwarz-Angele Paetzold Bb






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2005
Az: 28 W (pat) 347/03


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