Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2000
Aktenzeichen: 14 W (pat) 12/00
(BPatG: Beschluss v. 25.10.2000, Az.: 14 W (pat) 12/00)
Tenor
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I Am 10. Dezember 1997 reichten die in der BRD ansässigen Anmelder eine internationale Anmeldung nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) ein, für die die Priorität der beim DPMA eingereichten früheren Patentanmeldung 196 52 033.9 vom 13. Dezember 1996 beansprucht wird.
Die PCT-Anmeldung mit der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 98/25643 erhielt das internationale Aktenzeichen PCT/EP97/06901. In dieser PCT-Anmeldung ist auch Deutschland als Bestimmungsstaat benannt. Aus ihr ist die vorliegende Patentanmeldung 197 81 388.7 hervorgegangen.
Die Anmelder gaben auf dem Deckblatt der WO 98/25643 unter (74) "Anwälte" als Vertreter W..., H. usw K...straße 9 in M... an.
Die Adressenänderung der Mitanmelderin Frau G..., I... ist von der Kanz- lei W... dem Internationalen Büro mitgeteilt worden und ausweislich der dem Vertreter der Mitanmelderin am 8. Oktober 1998 zugegangenen "Notification of the recording of a change" auch den ausgewählten Ämtern mitgeteilt worden.
Der internationale vorläufige Prüfbericht datiert vom 9. April 1999.
Die PCT-Verfügung des DPA über die Einleitung der nationalen Phase datiert vom 15. März 2000, das Blatt zur Datenerfassung einer PCT-Anmeldung (Einleitung der "nationalen Phase") trägt den Stempelaufdruck "stat. erfaßt Böhm 2. Juli 1998".
Mit Bescheid vom 11. Oktober 1999, bei dem gemäß Aktenexemplar Zustellung per Übergabeeinschreiben angekreuzt ist, rügte die Prüfungsstelle 11.41 des DPMA, daß entgegen § 3 Abs 2 Nr 5 PatAnmV kein Zustellungsbevollmächtigter benannt wurde, bat um Behebung innerhalb einer Frist von vier Wochen beginnend mit Zustellung dieses Bescheids und drohte bei Fristversäumnis die Zurückweisung der Anmeldung an.
Die Bescheide waren an beide Mitanmelder adressiert, bei der Mitanmelderin Frau G... jedoch die frühere Adresse E...straße angegeben. Ein Einschreibenachweis an Frau G... ist nicht vorhanden. Insoweit ist es beim Zu- stellungsversuch verblieben.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2000 teilte Frau G... dem DPMA mit, daß sie die Mitteilung vom 11. Oktober 1999 erst am 26. Januar 2000 per Fax von Herrn S... vom DPMA erhalten habe. Sie trägt vor, ihre Ummeldung sei nach- weisbar und nennt als Adresse Z...straße in M....
In Bezug auf den Mitanmelder W1... trägt der Absendevermerk der Postabferti- gungsstelle vom 19. Oktober 1999 die Einschreibe Nr 04 0699 2003 4DE.
Mit Schreiben vom 2. Februar 2000 teilte Herr W1... mit, daß er den Bescheid vom 11. Oktober 1999 nicht erhalten habe.
Das DPMA hat am 22. Februar 2000 ein Auskunftsersuchen an die Deutsche Post AG, Niederlassung 2, Postfach 20 00 02, 80324 München gerichtet, das vom Kunden Call-Center der Deutschen Post AG, Mannheim dahingehend beantwortet, daß als Ersatz für den verlorengegangenen Rückschein eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs beigefügt sei. Diesem ist zu entnehmen unter 1. PLZ: 81249, 2. ZBez: 81, 3. ZAo: 33, 7. Sendungs-Identnummer: 04 0699 2003 4DE, 11. Name: SLUSNA; 13. Tag (TT, MM): 20 / 10, 14 Namenszeichen: Paraphe, 15. Anzahl/Sendungen 1, 16. Unterschrift: (zu identifizieren als) Slusna. Unter 10. Status Unterschriftsleistender ist keine Angabe enthalten.
Mit Beschluß vom 4. Januar 2000 hat die Patentabteilung 11.41 die Patentanmeldung aus den Gründen des Bescheids vom 11. Oktober 1999 zurückgewiesen.
Dieser Beschluß wurde den beiden Anmeldern zugestellt, und zwar Frau G... unter der früheren Adresse E...straße. In der Rechtsmittelbelehrung wurde die Beschwerdegebühr mit 300,-- DM angegeben.
Die Briefsendung kam als unzustellbar zurück. Bei Erkundigungen seitens des DPMA beim Einwohnermeldeamt wurde nach einer Frau G... gefragt. Das zusätzliche "h" in G... wurde zwar im Aktenexemplar des Schreibens des DPMA mit Kugelschreiber gestrichen. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Auskunft aus dem Melderegister suchte das Einwohnermeldeamt dennoch nach einer Frau G... - diese war nicht zu ermitteln.
Bei dem Herrn W1... zugestellten Beschluß wurde nicht - wie wie in dem an Frau G... zugestellten Beschluß geschehen - angegeben, daß die Anmeldung aufgrund von § 42 Abs 3 PatG zurückgewiesen wurde, was durch Versäumen des Ankreuzen des betreffenden Kästchens erfolgt sein könnte.
Auch hier ist in der Rechtsmittelbelehrung die Beschwerdegebühr mit 300,-- DM angegeben.
Das Aktenexemplar des an Herrn W1... adressierten Beschlusses vom 4. Ja- nuar 2000 trägt den handschriftlichen Vermerk: "Gem. Auskunft unter Telef.-Nr 290 690 Empfang bestätigt am 7. Januar 2000 von Herrn W1..." mit Datums- stempel 9. Februar 2000 und Stempel Sendlinger Regierungsamtsrat sowie dessen Paraphe.
Gegen den Beschluß des DPMA vom 4. Januar 2000 richtet sich die namens und im Auftrag der Mandantschaft Dr. I. Gürtner und Dr. K. W1... von den Patentan- wälten W... und Koll. am 11. Februar 2000 beim DPMA eingegangene Be- schwerde mit der Angabe, daß der Beschluß vom 4. Januar 2000 bei Herrn Dr. W1...am 13. Januar 2000 eingegangen sei.
Sie beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, mit den derzeit gültigen Unterlagen die Patentanmeldung aufrechtzuerhalten, sowie Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Anmelder sind der Auffassung, die Patentabteilung hätte die Anmeldung nicht aus den Gründen des Bescheids vom 11. Oktober 1999 zurückweisen dürfen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist zulässig.
Aufgrund der unrichtigen Angabe der Beschwerdegebühr (300,-- DM statt 345,-- DM) im Hinweis der Rechtsmittelbelehrung lag dem Beschluß eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung bei, mit der Folge, daß eine Rechtsmittelfrist bei beiden Anmeldern nicht in Lauf gesetzt wurde.
Für die Rechtzeitigkeit der Beschwerde des Mitanmelders W1... ist daher uner- heblich, ob der Beschluß wie behauptet bei Herrn Dr. W1... am 13. Januar 2000 eingegangen ist oder am 7. Januar 2000, wie im Aktenvermerk festgehalten ist.
Die Beschwerde ist mithin fristgerecht eingelegt, die Beschwerdegebühr von DM 345,--, bezahlt und auch ansonsten zulässig.
Die Beschwerde mußte auch insoweit Erfolg haben, als sie unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das DPMA führt.
Der angefochtene Beschluß der Patentabteilung 11.41 des DPMA ist aufzuheben, da das Verfahren vor dem DPMA an wesentlichen Mängeln leidet.
Der Zurückweisungsbeschluß kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil der gerügte Mangel jedenfalls nicht (mehr) vorliegt und nach Aktenlage auch nicht vorgelegen hat. Zustellungsbevollmächtigte sind die Vertreter der Anmelder, die Patentanwälte W... und Kollegen.
Die Benennung des Vertreters hätte - wie nicht nur die dem Vertreter der Anmelder am 8. Oktober 1998 zugegangene "Notification of the recording of a change", sondern auch das Blatt zur Datenerfassung vom 2. Februar 1998 bestätigt, da dort in der Rubrik "Vertreter" die VNR/VGN mit 265 608 und in der Rubrik "Zustellanschrift-Nr" ZAN 6026273 ausgefüllt war, was eine eindeutige Identifikation des Vertreters ermöglicht - dem DPMA somit spätestens bei Beschlußfassung bekannt sein müssen, auch wenn sich der genaue Zeitpunkt angesichts der im übrigen zu beanstandenden Aktenführung letztlich nicht völlig aufklären läßt.
Ebensowenig läßt sich daher aufklären und kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob das DPMA in dieser Sache vor dem 15. März 2000 überhaupt schon tätig werden durfte. Denn die in der Akte befindliche PCT-Verfügung über die Einleitung der nationalen Phase datiert vom 15. März 2000, während das Blatt zur Datenerfassung einer PCT-Anmeldung (Einleitung der "nationalen Phase") am 2. Juli 1998 statistisch erfaßt wurde. Abgesehen von diesen unterschiedlichen Daten hinsichtlich der Einleitung der nationalen Phase läßt sich insoweit den Akten auch nicht entnehmen, ob die Frist für den Eintritt in die nationale Phase abgelaufen war oder ob die Anmelder vor Ablauf der in Art 22 (1) bzw Art 39 (1) a PCT genannten Fristen beim DPMA eine frühere Bearbeitung ausdrücklich beantragt haben (siehe dazu Art III §§ 4 bis 7 IntPAtÜG sowie Mitteilung Nr 4/88 vom 16. März 1988; BlPMZ 1988, 145).
Ein weiterer Mangel ist darin zu sehen, daß der Beschluß sich zu Unrecht als (einzigem) Zurückweisungsgrund darauf beruft, daß der Bescheid vom 11. Oktober 1999 unbeantwortet geblieben sei. Denn dieser Bescheid wurde zunächst nicht ordnungsgemäß zugestellt. Es ist auch kein Nachweis über einen vor Beschlußfassung erfolgten tatsächlichen Zugang geführt, so daß eine Reaktion der Anmelder auch nicht erfolgen konnte. Die Anmelder hatten somit keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, was mit dem Grundsatz des Rechts auf Äußerung nicht zu vereinbaren ist und einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs darstellt.
Hinsichtlich des Mitanmelders W1... ist hierzu festzustellen, daß mit dem Abver- merk des DPMA vom 19. Oktober 1999 ein Nachweis des bestrittenen Zugangs deshalb nicht geführt ist, weil das entsprechende Auskunftsersuchen dies nicht bestätigt.
Soweit die Mitanmelderin G... betroffen ist, ist außerdem - abgesehen davon, daß ihre Adressenänderung dem DPMA hätte bekannt sein müssen (siehe oben) - nach erfolglosem Zustellungsversuch mit Übergabeeinschreiben eine nochmalige Zustellung etwa durch Einwurf-Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein bzw öffentliche Zustellung unterblieben. Ihr ist der Bescheid vom 11. Oktober 1999 erst am 26. Januar 2000 per Fax, also nach Beschlußfassung zugegangen.
Aus demselben Grund ist im übrigen auch der Zurückweisungsbeschluß jedenfalls soweit es die Mitanmelderin G... betrifft nicht ordnungsgemäß zugestellt.
Eine Heilung des Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Empfang ist bei dem zustellungsbedürftigen Beschluß nicht möglich (§ 9 Abs 1 und 2 VwZG).
Wegen dieser wesentlichen Mängel ist die Sache ohne eigene Sachentscheidung des Senats an das DPMA zurückzuverweisen (§ 79 Abs 3 Nr 2 PatG). Abgesehen davon ist der Vertreter benannt, so daß dies einer Fortführung des Verfahrens nicht entgegensteht.
Gleichzeitig ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, da dies angesichts der Mängel der Billigkeit entspricht (§ 80 Abs 3 PatG).
Moser Wagner Harrer Feuerlein Pü
BPatG:
Beschluss v. 25.10.2000
Az: 14 W (pat) 12/00
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