Hessisches Landesarbeitsgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2005
Aktenzeichen: 13 Ta 536/05

(Hessisches LAG: Beschluss v. 05.12.2005, Az.: 13 Ta 536/05)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss desArbeitsgerichts Kassel vom 23. September 2005 - 5 Ca 112/05 - wirdauf dessen Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 17. März 2005 erhob der Kläger, der seinerzeit 4.050,00 Euro brutto pro Monat verdiente, gegen die Beklagte eine Klage mit folgenden Anträgen:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 28.02.2005 nicht aufgelöst wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Mai 2005 hinaus fortbesteht.

Hilfsweise,

3. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen vertragsgemäß als Molkereimeister in der Produktion weiterzubeschäftigen.

Im Gütetermin vom 15. April 2005 schlossen die Parteien, der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten, folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich einig, dass die Kündigung vom 28. Februar 2005 gegenstandslos ist.

2. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

3. Etwaige gerichtliche Auslagen werden zwischen den Parteien geteilt. Ihre außergerichtlichen Kosten trägt jede Partei selbst.

Am 04. Juli 2005, eingegangen am 06. Juli 2005, beantragte der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers Kostenfestsetzung gegen den Kläger wie folgt:

Gegenstandswert:12.150,00 €Verfahrensgebühr § 13, Nr. 3100 VV RVG 1,3683,80 €Terminsgebühr § 13, Nr. 3104 VV RVG 1,2631,20 €Einigungsgebühr, gerichtliches Verfahren § 13, Nr. 1003, 1000 VV RVG 1,0526,00 €Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG20,00 €Zwischensumme netto1861,00 €Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG297,76 €Zwischensumme brutto2.158,76 €abzüglich gezahlter Vorschuss- 1548,60 €Gesamtbetrag610,16 €Zugleich beantragte der Klägervertreter Verzinsung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung.

Durch Beschluss vom 23. September 2005 setzte der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die Kosten antragsgemäß fest. Der Beschluss wurde dem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 28. September 2005 zugestellt. Am 05. Oktober 2005 legte der Kläger €Beschwerde€ ein wegen der festgesetzten Einigungsgebühr. Aus dem abgeschlossenen Vergleich ergäbe sich, dass eine Einigung im Sinne eines Vergleichs nicht erzielt worden sei.

Der Rechtspfleger hat der so verstandenen sofortigen Beschwerde des Klägers am 20. Oktober 2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen LAG zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II.

Die so zu verstehende sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§ 11 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO), insbesondere gemäß § 569 Abs. 1 ZPO fristgerecht innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung erhoben. Der notwendige Beschwerdewert von mehr als 200 Euro ist erreicht (§ 567 Abs. 2 ZPO).

Der Rechtspfleger hat Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht die Kosten gegen den Kläger antragsgemäß auf 610,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Juli 2005 festgesetzt.

Die Festsetzung entspricht den einschlägigen und im Kostenfestsetzungsantrag des ehemaligen Klägervertreters zitierten Gebührenvorschriften und ist vom zutreffenden Gegenstandswert ausgehend berechnet. Insbesondere steht dem ehemaligen Klägervertreter auch die Festsetzung einer Einigungsgebühr zu (§ 13, Nr. 1000, 1003 VV RVG). Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss

eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich auf ein

Anerkenntnis oder einen Verzicht (Vorbemerkung 1 vor Nr. 1000 VV RVG). Die Einigungsgebühr ist an die Stelle der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO getreten. Diese gebührenrechtliche Neuregelung soll die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter fördern und damit gerichtsentlastend wirken. Sie soll außerdem die früher häufigen Auseinandersetzungen über die Frage, ob ein Vergleich i. S. v. § 779 BGB vorliegt, vermeiden. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist für die Einigungsgebühr daher der Abschluss eines €echten Vergleichs€ i. S. von § 779 BGB nicht mehr erforderlich. Der Anwendungsbereich der Einigungsgebühr ist daher weiter zu ziehen als der der früheren Vergleichsgebühr (vgl. statt vieler: Gebauer/ Schneider, RVG, 2. Aufl., VV 1000, Randziff. 29).

Nach diesen Kriterien hat der damalige Klägervertreter die Einigungsgebühr verdient. Erst durch die vergleichsweise Übereinkunft der Parteien ist der Streit bzw. die Ungewissheit über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses vertraglich beseitigt worden. Bekanntlich ist eine Kündigung eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang wirksam wird (§ 130 Abs. 1 BGB) und danach nicht mehr einseitig aus der Welt gebracht werden kann. Die im Vergleich getroffene vertragliche Vereinbarung, die eine Kündigung einvernehmlich ungeschehen macht, ist damit mehr als ein Anerkenntnis des Klagebegehrens mit der Folge eines Anerkenntnisurteils gem. § 307 Abs. 1 ZPO und gibt den Parteien, anders als eine gerichtlich erstrittene Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, die Chance auf eine unbelastete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus eigener Verantwortung (Kammerbeschlüsse vom 26. September 2005 € 13 Ta 383/05 € und vom 21. Oktober 2005 -13 Ta 433/05 -; ebenso LAG Niedersachsen vom 18. Februar 2005 € 10 Ta 129/05 €, zitiert nach Juris; LAG Berlin vom 08. Juni 2005 € 17 Ta (Kost) 6023/05 €, zitiert nach Juris und LAG Düsseldorf vom 15. August 2005, NZA-RR 05, 604; anderer Anfassung zu Unrecht AG Oschatz vom 07. März 2005 € 2 C 556/04 €, zitiert nach Juris, das wie der derzeitige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers noch immer einen Vergleich i. S. von § 779 BGB verlangt).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hat der Kläger als Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Dies betrifft allerdings nur die Gerichtskosten (KV 8613 GKG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 11 Abs. 2 S. 6 RVG).

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus § 78 Satz 2 in Verbindung mit § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung. Über die Rechtsbeschwerde in dem Parallelverfahren 13 Ta 383/05 ist noch nicht entschieden (AZ: 3 AZB 69/05). Mit einer €Aussetzung€ des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts war der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht einverstanden.






Hessisches LAG:
Beschluss v. 05.12.2005
Az: 13 Ta 536/05


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