Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 1. Juni 2001
Aktenzeichen: 19 B 262/01
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 01.06.2001, Az.: 19 B 262/01)
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung aus dem allein geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt sind. Der Antragsteller hat nämlich mit seiner Antragsbegründung, die den Rahmen der gerichtlichen Prüfung absteckt, weil die Gründe, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist, in der Antragsschrift darzulegen sind (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO), ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht aufgezeigt.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Sie darf bei der Entscheidung über die Entziehung nach § 11 Abs. 8, § 46 Abs. 3 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Entsprechend den zu § 15 b Abs. 2 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung a. F. aufgestellten Grundsätzen -
vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 7 C 52.88 -, Buchholz 442.10, § 4 StVG Nr. 87; Beschluss vom 23. August 1996 - 11 B 48.96 -, NJW 1997, 269 und Urteil vom 13. November 1997 - 3 C 1.97 -, Buchholz 442.16, § 15 b StVZO Nr. 28 -
ist der Schluss auf die Nichteignung nur zulässig, wenn die Anordnung, ein Gutachten beizubringen rechtmäßig war und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, kein ausreichender Grund besteht.
Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36.A., § 11 FeV Rdnr. 22, 24.
Die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, dient gemäß § 2 Abs. 7 und 8, § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, §§ 11 Abs. 2, 13, 14, 46 Abs. 3 FeV dazu, aufgrund bekannt gewordener Tatsachen begründete Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zu klären; sie ist rechtmäßig, wenn die angeordnete Begutachtung ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Aufklärung solcher Eignungszweifel ist. Speziell zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Drogenproblematik regelt § 14 FeV im Einzelnen die gebotenen bzw. zulässigen Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung. Angesichts des ordnungsrechtlichen Charakters der Vorschriften über die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis bestimmt sich der Aufklärungsbedarf nach dem Maßstab der durch den betroffenen Kraftfahrer ausgelösten Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr unter die Fahrtauglichkeit beeinträchtigendem Einfluss von Betäubungsmitteln erhebliche Gefahren für hochrangige Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer in sich birgt.
Die hier streitige Anordnung des Antragsgegners vom 6. Oktober 2000 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ergangen. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens an, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vorliegt. Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ist für die Anordnung nicht erforderlich, dass die Einnahme von Betäubungsmitteln tatsächlich erwiesen ist, um aufklärungsbedürftige Eignungsbedenken auszulösen; es genügt vielmehr die durch Tatsachen begründete "Annahme".
Danach bestehen im vorliegenden Fall aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Antragsgegners an den Antragsteller vom 6. Oktober 2000, ein fachärztliches Gutachten in Form eines chemisch- toxikologischen Gutachtens (Blut- und Urinuntersuchung) beizubringen, und an der Aufforderung, zu diesem Zweck innerhalb der bestimmten Frist die Sicherstellung der Urinprobe und die Entnahme der Blutprobe vornehmen zu lassen.
Unerheblich ist nach dem Vorstehenden zunächst der vom Antragsteller vorgebrachte Einwand, die bei seiner polizeilichen Kontrolle am Abend des 30. März 2000 - der Antragsteller wurde am Steuer eines Pkw angetroffen, als er gerade vom Parkplatz wegfahren wollte - gemachten Beobachtungen und Geruchswahrnehmungen und das im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnene Untersuchungsergebnis hätten keinen konkreten, für eine strafrechtliche Verurteilung hinreichenden Beweis dafür erbracht, dass er, der Antragsteller, Drogen konsumiert habe; denn der Nachweis des Drogenkonsums ist für die vom Antragsgegner nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV getroffene Aufklärungsmaßnahme nicht erforderlich.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergeben sich schon aus den Wahrnehmungen der Polizeibeamten, die die Kontrolle durchführten, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass beim Antragsteller eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorlag. Die Polizeibeamten haben festgehalten, dass der Antragsteller glücklich und entspannt wirkte und stark geweitete Pupillen hatte, die sich selbst bei Lampenlicht nicht verengten. Dass diese Beobachtung unzutreffend war, hat der Antragsteller nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich. Damit haben die Polizeibeamten aber tatsächliche Umstände festgestellt, die - soweit die Pupillenerweiterung nicht etwa durch Medikamente im Rahmen einer augenärztlichen Untersuchung herbeigeführt worden ist - aus medizinischtoxikologischer Sicht gewichtige Beweisanzeichen für den Konsum von Betäubungsmitteln sind. Eine vegetative Auffälligkeit liegt nämlich vor, wenn die Pupillen merklich erweitert sind und nicht oder nur träge auf Licht reagieren, die Pupillenmotorik also gestört ist.
Vgl. Kauert, Zur drogen- oder medikamentenbedingten Fahruntüchtigkeit aus medizinischtoxikologischer Sicht, DAR 2000, 438 (439, 441); Salger, Drogeneinnahme und Fahrtüchtigkeit, DAR 1994, 433 (437): hoher Indizwert.
Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Antragstellers, an Pupillen könne Drogenkonsum nicht festgestellt werden, jedenfalls insoweit haltlos, als es darum geht, tatsächlich begründete Anhaltspunkte für Drogenkonsum aufzuzeigen.
Als weitere Auffälligkeit in psychischer Hinsicht ist eine euphorische Stimmung - gerade auch bei Kokain, einer Aufputschdroge - als tatsächlicher Anhaltspunkt für Drogenkonsum signifikant.
Vgl. Kauert und Salger, jeweils a.a.O.
Daher hat hier auch das von den Polizeibeamten festgehaltene Symptom, dass der Antragsteller glücklich und entspannt wirkte, als Beweisanzeichen für die Einnahme von Betäubungsmittel Gewicht; es kann davon ausgegangen werden, dass sie diese Stimmung des Antragstellers im Polizeibericht deshalb hervorgehoben haben, weil sie auffällig war.
Im Hinblick darauf, dass die Polizeibeamten, die den Antragsteller am 30. März 2000 kontrollierten, nach dem Vorstehenden die Kontrolle auf Umstände gerichtet haben, die als Beweisanzeichen für Drogenkonsum fachlich gesichert sind, spricht Überwiegendes dafür, jedenfalls aber nichts dagegen, dass sie mit der polizeilichen Kontrollpraxis bei Verdacht auf Drogenkonsum vertraut wenn nicht sogar dafür eigens geschult waren. Daher hat auch ihre im Polizeibericht festgehaltene Wahrnehmung, dass es im Innern des Pkw stark nach verbranntem, gerauchtem Heroin oder Kokain roch, hinreichende Aussagekraft, um jedenfalls einen tatsächlichen Anhalt dafür anzunehmen, dass der Antragsteller ein Betäubungsmittel konsumiert habe. Unerheblich ist, dass sie am Geruch nicht festgestellt haben, von welcher Droge dieser herrührte. Es gab nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass für den - immerhin als auffällig festgehaltenen - Geruch eine nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Substanz, etwa, wie der Antragsteller anführt, Räucherstäbchen, hätte ursächlich sein können. Dafür, dass eine solche Substanz im Fahrzeug vorhanden war und dort gebrannt hatte, ist nichts ersichtlich; der Antragsteller selbst hat nicht einmal behauptet, Räucherstäbchen bei sich gehabt und abgebrannt zu haben. Angesichts der beim Antragsteller festgestellten vegetativen und psychischen Auffälligkeiten bestand auch kein tatsächlicher Anlass, über die Sicherstellung des beim Antragsteller gefundenen weißen Pulvers hinaus nach anderen geruchsrelevanten Stoffen zu suchen.
Bei diesen Anhaltspunkten bestand auch kein Anlass, die Annahme, es seien Betäubungsmittel eingenommen worden, ausschließlich auf die männliche Person zu beziehen, die bei der Polizeikontrolle auf der Rückbank des Pkw saß. Der auf keinerlei tatsächliche Angaben gestützte Versuch des Antragstellers, die Anzeichen für Drogenkonsum auf diese Person abzuwälzen, ist schon im Ansatz untauglich.
Bereits diese erörterten Umstände reichen als tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme aus, dass beim Antragsteller eine Einnahme von Betäubungsmitteln vorgelegen hat und abzuklären war, ob bei ihm weiterer Drogenkonsum vorliege. Als weiterer Anhaltspunkt kommt hinzu, dass die Polizeibeamten bei der Kontrolle am 30. März 2000 in der Mittelkonsole des Pkw eine Pillenverpackung fanden, in die weißes Pulver eingepresst war, das der Antragsteller als das ihm verordnete - also auch ihm gehörende - Schmerzmittel "Lamra" bezeichnet hat; ein im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren an dem sichergestellten Pulver durchgeführter ESA-Vortest für Kokain fiel positiv aus, und auch die Staatsanwaltschaft ging daraufhin ausweislich der Verfügung über die Einstellung des Verfahrens nach § 31a BTMG vom 4. Juli 2000 davon aus, dass es sich bei dem sichergestellten Pulver um Kokain gehandelt habe. Anhaltspunkte dafür, dass das Testergebnis unrichtig war und es sich bei dem Pulver etwa um das dem Antragsteller ärztlich verordnete Schmerzmittel handelte, sind nicht aufgezeigt und ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaft eine Nachfrage des Antragstellers (bislang) nicht beantwortet hat; diese Nachfrage bezog sich auf die Durchführung des ESA-Vortests an dem Pulver, das dem Antragsteller im Übrigen im Zuge der irrtümlichen Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO vom 31. Mai 2000 wieder ausgehändigt wurde. Es lag danach unter Berücksichtigung der sonstigen polizeilichen Feststellungen durchaus im Bereich des Möglichen wenn nicht gar Naheliegenden, dass der Antragsteller am 30. März 2000 von diesem Stoff konsumiert hatte.
Auch die sonstigen Einwände des Antragstellers sind ungeeignet, ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen. Unerheblich ist, dass der Antragsteller den Drogenkonsum nicht eingeräumt hat und dass die Polizeibeamten - aus welchen Gründen auch immer - vor Ort keine Blut- bzw. Urinprobe veranlassten. Hier kommt es allein auf die - nicht zweifelhaften - Anhaltspunkte für eine Einnahme von Betäubungsmitteln an. Unerheblich ist schließlich, warum die Polizeibeamten den Fahrzeugschlüssel zu dem Fahrzeug seines Vaters dem Antragsteller belassen haben; jedenfalls haben sie ihm die Weiterfahrt untersagt.
Weil der Antragsteller sich ohne beachtlichen Grund geweigert hat, das somit zu Recht geforderte Gutachten beizubringen, durfte der Antragsgegner gemäß § 11 Abs. 8 FeV bei seiner Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung auf die Nichteignung des Antragstellers schließen. Dieser hat keine Umstände dafür aufgezeigt, dass der Schluss auf die Nichteignung nicht gerechtfertigt wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1, 14 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 01.06.2001
Az: 19 B 262/01
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