Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. Januar 1995
Aktenzeichen: 6 U 82/94
(OLG Köln: Urteil v. 20.01.1995, Az.: 6 U 82/94)
1. Die sogenannte fiktive bzw. ,Gilt"-Zulassung nach Art. 3 § 7 AMNG ist ebenso wie die ,Vollzulassung" im Sinne des § 21 AMG personenbezogen. Sie darf allein von demjenigen benutzt werden, auf dessen Anzeige hin gem. Art. 3 § 7 Abs. 2 AMNG das Arzneimittel erstmals als zugelassen gilt. Zur Verkehrsfähigkeit eines parallelimportierten, wirkstoffgleichen Arzneimittels ist daher eine Zulassung nach §§ 21 ff. AMG erforderlich.
2. Mit einer Ànderungsanzeige nach § 29 AMG genügt der Importeur paralleleingeführter Arzneimittel den Anforderungen der §§ 21 ff. AMG nicht. Sie ermöglicht keine Identitätsprüfung, auf die im Hinblick auf eine optimale Arzneimittelsicherheit nicht verzichtet werden kann.
3. Das Zulassungserfordernis gem. §§ 21 ff. AMG bei parallelimportierten, stoffidentischen Arzneimittel verstößt jedenfalls dann nicht gegen Art. 30 EWGV, wenn die Bezeichnungen der konkurrierenden Arzneimittel - nicht nur unwesentlich - voneinander abweichen.
Tatbestand
Die bis August 1993 als ,Sch. Arzneimittel GmbH" firmierende
Klägerin vertreibt in Deutschland das verschreibungspflichtige
Arzneimittel Tiapridex, das als Wirkstoff Tiaprid-Hydrochlorid
enthält. Dieses in Tablettenform angebotene Medikament wird zur
Therapie von Dyskinesien und zentral bedingten Bewegungsanomalien
eingesetzt. Bei Tiapridex handelt es sich um ein beim
Bundesgesundheitsamt (im folgenden: BGA) im Jahre 1977 unter der
Registier-Nr. 10867 in das Spezialitätenregister eingetragenes
Arzneimittel, das sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens (01.01.1978)
des neuen Arzneimittelgesetzes (AMG) nach Art. 1 §§ 1-99 des
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.08.1976 (im
folgenden: AMNG) bereits im Handel befand. Infolge der unter Art. 3
§ 7 des AMNG getroffenen Óbergangsregelung gilt Tiapridex daher als
fiktiv zugelassenes Alt-Arzneimittel mit der Folge, daß es ohne die
in den §§ 21 ff. AMG vorgeschriebene Zulassung weiter in den
Verkehr gebracht werden darf.
Ein mit Tiapridex in der Zusammensetzung identisches
Arzneimittel wird von einer in Brüssel ansässigen
Schwestergesellschaft der Klägerin, der L. de L. N.V./S.A. in
Belgien unter dem dort eingetragenen Warenzeichen Tiapridal in den
Packungsgrößen von jeweils 20 und 60 Tabletten vertrieben.
Die Beklagte importiert das in Belgien unter der Bezeichnung
Tiapridal vertriebene Medikament in der Bundesrepublik Deutschland
und vertreibt es hier. Die Rückseite der importierten
Tablettenschachteln versieht die Beklagte dabei mit einem
Aufkleber, auf dem u.a. die für das Medikament Tiapridex zugeteilte
Registrier-Nr. 10867 angegeben ist. Auf der Vorderseite der
Umverpackungen bringt die Beklagte unmittelbar unter der
Produktbezeichnung Tiapridal Aufkleber an, in denen unter der
Angabe ,Wirkstoff: Tiaprid-Hydrochlorid" folgender Hinweis
enthalten ist:
,Dieses Produkt wird unter den verschiedenen Bezeichnungen
Tiapridex und Tiapridal angeboten. Hierbei handelt es sich
lediglich um einen sprachlichen Namensunterschied für das gleiche
Produkt."
Hinsichtlich der Ausstattungen der beiden vorerwähnten
Tablettenpackungen im einzelnen wird auf die Anlagen in der Hülle
Bl. 144 d.A. verwiesen.
Da die aus Belgien importierten Verpackungsgrößen von 60
Tabletten in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen sind,
entnimmt die Beklagte darüber hinaus diesen Packungen jeweils einen
Blister mit 10 Tabletten, um sie in der dann im Inland zugelassenen
Packungsgröße von 50 Tabletten zu vertreiben.
Aus dieser von ihr als Warenzeichenverletzung verstandenen
Veränderung des Packungsinhalts will die Klägerin allerdings im
vorliegenden Verfahren ausdrücklich keine Rechte herleiten. Die
Parteien streiten vielmehr allein über die Frage, ob die Beklagte
berechtigt ist, das Arzneimittel Tiapridal unter Verwendung der
Registrier-Nr. 10867 ohne eine ,eigene" Zulassung nach den
Vorschriften der §§ 21 ff. AMG im Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland in den Verkehr zu bringen.
In einem beim Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 31 O
631/93 geführten Verfahren hat die Klägerin gegen die Beklagte eine
einstweilige Verfügung mit dem Inhalt erwirkt, daß es die Beklagte
zu unterlassen habe, das Arzneimittel Tiapridal unter Verwendung
der Registrier-Nr. 10867 in der Bundesrepublik Deutschland
anzubieten und/oder zu vertreiben bzw. anbieten und/oder vertreiben
zu lassen.
Nachdem der Klägerin in dem genannten einstweiligen
Verfügungsverfahren durch Beschluß des Landgerichts vom 10.11.1993
aufgegeben wurde, innerhalb von 3 Wochen - beginnend mit Zugang des
Beschlusses - Klage zu erheben, hat sie nunmehr das vorliegende
Hauptsacheverfahren eingeleitet, mit dem sie über die begehrte
Unterlassung hinaus noch Auskunft und die Feststellung verlangt,
daß die Beklagte ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Vertrieb des
Arzneimittels Tiapridal sei unter Verwendung der ihrem, der
Klägerin, Produkt Tiapridex zugeteilten Registrier-Nr. unzulässig.
Diese Registrier-Nr. werde nämlich, so die Ansicht der Klägerin,
personenbezogen erteilt, so daß allein ihr das Recht zustehe, die
Registrier-Nr. zu benutzen. Selbst wenn man aber, so die weitere
Auffassung der Klägerin, die Produktbezogenheit der (fiktiven)
Zulassung bejahe, gelte im Ergebnis nichts anderes. Da die
Bezeichnung des von der Beklagten importierten und vertriebenen
Arzneimittels Tiapridal wesentlich vom Namen des Produkts Tiapridex
abweiche, handele es sich nicht um identische Erzeugnisse. Die
Beklagte benötige daher auch in diesem Fall eine Zulassung gemäß §
21 AMG, um Tiapridex, bei dem es sich - wie unstreitig ist - um ein
zulassungspflichtiges Medikament handele, im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr bringen zu dürfen. Da der
Beklagten aber - auch dies steht außer Streit - eine solche
Zulassung für Tiapridex nicht erteilt worden sei, übertrete sie
nicht nur die Zulassungsvorschriften des AMG, sondern verhalte sich
damit zugleich wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG. Es führe, so
hat die Antragstellerin weiter vertreten, auch nicht zu einer nach
Art. 36 S. 2 EWG-Vertrag unzulässigen künstlichen Marktabschottung,
wenn die Beklagte auf das Erlangen einer eigenen Zulassung zu
verweisen sei. Der Umstand, daß sie, die Klägerin, das in Belgien
unter der Bezeichnung Tiapridal hergestellte und vertriebene
Arzneimittel im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland unter dem
Namen Tiapridex vertreibe, sei - wie unstreitig ist - auf die
Intervention der Firma J. im Jahre 1976 zurückzuführen. Die
letztgenannte Firma habe verlangt, die Verwendung der Bezeichnung
Tiapridal zu unterlassen, weil es angeblich mit dem J.-Warenzeichen
Triperidol verwechslungsfähig sei. Zur Vermeidung einer
warenzeichlichen Auseinandersetzung habe sie, die Klägerin, daher
das Medikament in der Bundesrepublik Deutschland unter der
Bezeichnung Tiapridex in den Verkehr gebracht (Bl. 44 d.A.).
Die Klägerin hat beantragt,
I. 1. die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00
DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6
Monaten zu unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland von der L. D. N.V./S.A. in
Belgien in den Verkehr gebrachte Packungen des Arzneimittels
Tiapridal unter Verwendung der Registrier-Nr. des
Bundesgesundheitsamtes wie nachstehend wiedergegeben anzubieten
und/oder zu vertreiben und/oder anbieten und/oder vertreiben zu
lassen:
2. ihr, der Klägerin, Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang
sie Handlungen der unter Ziffer I. 1. bezeichneten Art vorgenommen
hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, das die
Verkaufspreise, Liefermengen, Lieferzeichen und Namen der Abnehmer
enthält.
II.
Ferner festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr,
der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter
Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch
entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, es könne ihr nicht
verwehrt werden, die Registrier-Nr. des Medikaments Tiapridex auf
den Verpackungen des von ihr importierten und im Inland
vertriebenen Arzneimittels Tiapridal zu verwenden. Zum einen
handele es sich bei der Registrier-Nr. um eine allein der
Kennzeichnung des Arzneimittels dienende produktbezogene Angabe.
Zum anderen sei Tiapridal auch mit dem von der Klägerin
vertriebenen Produkt Tiapridex identisch. Hierfür komme es nämlich
nur auf die Óbereinstimmung der stofflichen Beschaffenheit an. Die
Abweichungen in den jeweiligen Produktbezeichnungen spielten keine
Rolle. Sie - die Beklagte - könne sich daher ohne eine ,eigene"
Zulassung für das Arzneimittel Tiapridal an die dem Produkt
Tiapridex zugeteilte Registrier-Nr. ,anhängen".
Dieses Verständnis der arzneimittelrechtlichen Vorschriften für
das Inverkehrbringen sogenannter parallelimportierter Arzneimittel
bei im Inland nach Art. 3 § 7 AMNG fiktiv zugelassenen Original-
bzw. Alt-Arnzeitmitteln entspreche im übrigen auch der Auffassung
und Praxis der nach dem AMG zuständigen Zulassungs- und
Óberwachungsbehörden. Danach sei sie - die Beklagte - lediglich
verpflichtet, den zuständigen Behörden die Feststellung der
Identität des importierten Produkts mit dem im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland bereits vorhandenen Original- bzw.
Alt-Arzneimittel zu ermöglichen. Das habe sie mit einer beim BGA
erstatteten Ànderungsanzeige gemäß § 29 AMG getan. Im Hinblick auf
dieses der Behördenpraxis konforme Verhalten stelle es sich
jedenfalls nicht als sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG dar, wenn
sie - gestützt auf die Auffassung der vorbezeichneten Behörden -
das Medikament Tiapridal ohne eigene Zulassung in der
Bundesrepublik Deutschland vertreibe.
Schließlich stelle es sich als eine gegen Art. 30 EWG-Vertrag
verstoßende und auch nicht durch die Erfordernisse der
Volksgesundheit nach Art. 36 EWG-Vertrag gerechtfertigte
Handelsbeschränkung dar, wenn man ihr, der Beklagten, eine
Vollzulassung nach § 21 AMG abverlange, von welcher die Klägerin
nach Art. 3 § 7 AMNG noch freigestellt sei. Der Klägerin, so hat
die Beklagte weiter vertreten, sei andernfalls dadurch, daß sie die
Bezeichnung des Arzneimittels für den Vertrieb im Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland geringfügig ändere, eine
Marktabschottung gelungen.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 22.02.1994 in
vollem Umfang stattgegeben. Unter Bezugnahme auf - auch in
Auseinandersetzung mit den Art. 30, 36 EWG-Vertrag und der hierzu
ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) -
getroffene Entscheidungen des Landgerichts Hamburg (Pharmarecht
1990, 111 ff.), des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Pharmarecht
1993, 77 ff.), und des Bundesverwaltungsgerichts (Pharmarecht 1989,
229 ff.) die den Parteien sämtlich aus dem vorangegangenem
einstweiligen Verfügungsverfahren bekannt waren, hat das
Landgericht zur Begründung ausgeführt, daß parallelimportierte
Arzneimittel, deren Bezeichnung von der des inländischen
Originalproduktes abwichen, der Zulassung gemäß § 21 AMG bedürften.
Hierdurch eintretende Handelsbeschränkungen im Sinne des Art. 30
des EWGVertrages seien durch Belange der Volksgesundheit gedeckt,
daher auch nach den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen des
EWG-Vertrages in der ihm durch die Rechtsprechung des EuGH
gegebenen Ausprägung zulässig. Daß das BGA und die
Arzneimittelüberwachungsstellen der Bundesländer in diesem
Zusammenhang eine abweichende Rechtsauffassung verträten, sei weder
für den Unterlassungsanspruch, noch für den Auskunfts- und
Feststellungsanspruch von Belang.
Gegen dieses ihr am 09.03.1994 zugestellte Urteil hat die
Beklagte - beim Oberlandesgericht eingegangen am 05.04.1994 -
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung
mit einem am 03.06.1994 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches
Vorbringen. Sie hebt insbesondere hervor, die unter Bezugnahme auf
die zitierte Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts
vertretene Rechtsansicht des Landgerichts, wonach sich
parallelimportierte Arzneimittel nur dann an die fiktive bzw.
,Gilt"-Zulassung des auf dem deutschen Markt vorhandenen
Originalprodukts ,anhängen" dürften, wenn das eingeführte Produkt
mit dem Originalprodukt auch namentlich übereinstimme, jedenfalls
nur geringfügige Abweichungen tolerabel seien, sei nicht mit den
Art. 30, 36 EWG-Vertrag vereinbar. Nach der Rechtsprechung des EuGH
könnten nur therapeutisch relevante Unterschiede ein sich aus den
nationalen Regelungen eines Mitgliedsstaates ergebendes
einfuhrbeschränkendes Zulassungserfordernis für ein aus einem
anderen Mitgliedsland parallelimportiertes Arzneimittel
rechtfertigen. Derartige therapeutisch relevante Unterschiede lägen
aber bei den hier betroffenen stoffidentischen Arzneimitteln nicht
vor. Die bei Bejahen einer Zulassungspflicht für den Import und den
Vertrieb des Arzneimittels Tiapridal eintretende Behinderung des
freien Warenverkehrs sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Volksgesundheit nach Art. 36 EWG-Vertrag gerechtfertigt. Denn
Aspekte der Volksgesundheit könnten das Markthindernis nur dann und
in dem Umfang rechtfertigen, wenn und soweit dies für einen
wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen
notwendig sei. Dies gelte nicht, wenn die Gesundheit und/oder das
Leben von Menschen genauso wirksam durch Maßnahmen geschützt werden
könnten, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger
beschränkten. Die Vollzulassung nach § 21 AMG erweise sich danach
als unverhältnismäßige Maßnahme. Im Interesse der
Arzneimittelsicherheit sowie des effektiven Schutzes der Gesundheit
und/oder des Lebens von Menschen reiche es vielmehr aus, wenn der
Parallelimporteur eine Anzeige nach § 29 AMG an die
Zulassungsbehörde erstatte. Diese werde hierdurch in die Lage
versetzt, das parallelimportierte Produkt auf seine
arzneimittelrechtliche Unbedenklichkeit hin zu überprüfen. Diese
Praxis stelle dann zugleich die Grundlage für die von der
Óberwachungsbehörde vor Erteilung einer Importbescheinigung nach §
73 Abs. 6 AMG vorzunehmende Óberprüfung dar. Das BGA habe sich
dieser Auffassung im Laufe des Jahres 1993 ausdrücklich
angeschlossen und Importeuren bei aus einem Mitgliedsland der EG
parallelimportierten Fertigarzneimitteln, die therapeutisch mit
dem Inlandsprodukt identisch seien, aber in der Bezeichnung
abwichen, im vereinfachten Zulassungsverfahren die Zulassung
erteilt. So verhalte es sich auch bei fiktiv zugelassenen
Arzneimitteln, bei denen das BGA die Ànderungsanzeige auch bei
erheblichen Bezeichnungsabweichungen entgegengenommen habe. Die
Arzneimittelüberwachungsstellen der Länder würden den
Bezeichnungsunterschied dann zum Anlaß nehmen, die therapeutische
Identität gesondert zu überprüfen. Bezüglich der Einzelheiten im
Vortrag der Beklagten hierzu wird auf ihre Ausführungen in der
Berufungsbegründung, dort auf S. 4, 6-10 und 12-14 (Bl. 84, 86-90,
92-95 d.A.) sowie in den Schriftsätzen vom 07.07.1994, dort S. 1 f.
(Bl. 108 f. d.A.) und vom 09.11.1994, dort S. 2 f., 5 f. (Bl. 139
f., 142 f. d.A.) - jeweils mit Anlagen - verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln - 31. Zivilkammer - vom
22.02.1994 (31 O 717/93) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Auch sie ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Insbesondere, so behauptet die Klägerin, könne es nicht zutreffen,
daß der Beklagten durch die Landesbehörde eine Importbescheinigung
gemäß § 73 Abs. 6 AMG erteilt worden sei. Dies scheide schon aus
Rechtsgründen deshalb aus, weil ab dem 01.01.1993 auf die Vorlage
einer Importbescheinigung nach § 73 Abs. 6 AMG bei der Einfuhr von
Arzneimitteln aus EGMitgliedsländern verzichtet werde (Bl. 128
d.A.). Eine Óberprüfung der Identität des importierten
Arzneimittels Tiapridal mit Tiapridex im Hinblick auf therapeutisch
relevante Merkmale könne also überhaupt nicht vorgenommen worden
sein.
Aber selbst dann, wenn die beiden Arzneimittel stoffidentisch
seien, dürfe die Registrier-Nr. bzw. die damit dokumentierte
fiktive Zulassung jedenfalls deshalb nicht von der Beklagten
benutzt werden, weil diese Zulassung personenbezogen sei. Die
Verwendung der Registrier-Nr. erwecke daher den Anschein einer in
Wirklichkeit nicht vorhandenen Zulassung und führe die
angesprochenen Verkehrskreise daher im Sinne des § 3 UWG in die
Irre.
Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin hierzu im einzelnen wird
auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen in der Berufungserwiderung
vom 06.09.1994, dort S. 3-9 (Bl. 128-134 d.A.) Bezug genommen.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.12.1994 hat die
Beklagte den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung angeregt,
weil der Senat im vorangegangenen Termin zur mündlichen Verhandlung
irrtümlich einen Vorlagebeschluß zitiert habe, der im gegebenen
Fall aber nicht einschlägig sei. Es könne, so die Ansicht der
Beklagten, nicht ausgeschlossen werden, daß sich dieses angebliche
Versehen des Senats auf die Beurteilung des Streitfalles
auswirke.
Gründe
Die Berufung ist zwar zulässig. In der Sache hat sie jedoch
keinen Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 1 UWG i.V.m. den §§
21, 25, 29 AMG Unterlassung des Inverkehrbringens des Arzneimittels
Tiapridal in der konkret angegriffenen Form ebenso verlangen, wie
ihr darüber hinaus die geltend gemachten Auskunfts- und
Unterlassungsansprüche zustehen.
Dabei war von vornherein davon auszugehen, daß die Klägerin die
Unterlassung und die daran anknüpfenden Folgeansprüche nicht aus
zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten, nämlich einmal der
Verwendung der Registrier-Nr. und zum anderen - hilfsweise - aus
dem Vertrieb ohne Zulassung herleiten will. Bereits aus dem in der
Berufungsinstanz wiederholten erstinstanzlichen Vortrag der
Klägerin geht hervor, daß beide Aspekte nicht im Verhältnis einer
Haupt- und Hilfsbegründung die verschiedenen Anträge stützen
sollen, sondern daß sie eineinander gleichwertig bedingen. Ist
nämlich die Beklagte - sei es wegen der Personenbezogenheit der
Registrier-Nr. bzw. der damit dokumentierten ,Gilt"-Zulassung, sei
es, bei Annahme der Produktbezogenheit, wegen der mangelnden
Identität der Produkte - nicht befugt, die für das Arzneimittel
Tiapridex erteilte Registrier-Nr. auch für das Arzneimittel
Tiapridal zu verwenden, so steht dieses sozusagen ,nackt" im Sinne
der zulassungsrechtlichen Vorschriften des AMG, also ohne Zulassung
bzw. ,Gilt"-Zulassung da, und darf weder importiert noch hier in
den Verkehr gebracht werden. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt
ist, die verfahrensbetroffene Registrier-Nr. für ,ihr" Produkt zu
verwenden, stellt daher lediglich die zur Beantwortung der
maßgeblichen Frage zu erörternde Vorstufe dar, ob die Beklagte das
Arzneimittel Tiapridal ohne Zulassung oder eine dieser
gleichgestellten Erlaubnis im Sinne der arzneimittelrechtlichen
Vorschriften in den Verkehr bringt und damit ein Verstoß gegen § 1
UWG vorliegt.
Die Beklagte hat das parallelimportierte Fertigarzneimittel (§§
2 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG) Tiapridal unter Verstoß gegen die
zulassungsrechtlichen bzw. zulassungsersetzenden Vorschriften des
AMG/AMNG in Verkehr gebracht.
Eine Zulassung im Sinne des § 21 AMG besteht weder für das
Arzneimittel Tiapridex noch für das von der Beklagten importierte
und vertriebene Tiapridal. Die Klägerin kann sich für ,ihr" Produkt
Tiapridex allerdings auf die sogenannte fiktive bzw.
,Gilt"-Zulassung gemäß Art. 3 § 7 des AMNG berufen. Sie hat - wie
unstreitig ist - fristgerecht den Verlängerungsantrag nach Art. 3 §
7 Abs. 3 S. 1 AMNG beim BGA gestellt, über den bisher noch nicht
entschieden ist mit der Folge, daß Tiapridex solange unter der
zugeteilten RegistrierNr. 10867 weiter in den Verkehr gebracht
werden darf, bis abschließend über den Verlängerungsantrag
entschieden ist (Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht, Anm. 14 zu Art.
3 § 7 AMNG).
An diese für das Arzneimittel Tiapridex bestehende, in der
Registrier-Nr. dokumentierte ,Gilt"-Zulassung darf die Beklagte
sich nicht ,anhängen", weil die fiktive Zulassung - ebenso wie die
,Vollzulassung" im Sinne des § 21 AMG - personenbezogen ist.
Die fiktive Zulassung darf vielmehr allein von demjenigen
benutzt werden, auf dessen Anzeige gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 AMNG das
Arzneimittel erstmals als zugelassen gilt - hier also die
Klägerin.
Bei der arzneimittelrechtlichen ,Vollzulassung" i.S.d. § 21 AMG
ist umstritten, ob diese personen- oder produktbezogen ist.
Der Senat hält an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen
Auffassung fest, wonach die arzneimittelrechtliche Zulassung i.S.d.
§ 21 AMG personenbezogen ist (vgl. dazu beispielhaft OLG Köln -
Urteil vom 13.8.1993 - 16 U 145/93, Pharmarecht 1994, 28 ff. =
NJW-RR 194, 169 ff., und vom 21.2.1992 - 6 U 99/91; ebenso: BGH -
9. Zivilsenat - in NJW 1990, S. 2931 ff., 2932; Kloesel-Cyran,
Arzneimittelrecht, Band I Anm. 5 zu § 25 AMG m.w.N.). Die
Produktbezogenheit der arzneimittelrechtlichen Zulassung bejahen
wiederum Klagemann (WRP 1978, 23 ff, 25 f.) und Forch (WRP 1981, S.
71 ff., 73). Der 1. Senat des Bundesgerichtshofs hat in seiner in
WRP 1994, S. 818 ff., 821 veröffentlichten Entscheidung diese Frage
offengelassen. Mit dem Hinweis auf die auch von den Vertretern der
,Personenbezogenheit" zugestandenen produktbezogenen Aspekte der
Zulassung hat er allerdings in Abweichung von der Auffassung des 9.
Senats (a.a.O.) wohl tendenziell erkennen lassen, daß er die
Zulassung eher für produktbezogen hält. Für die dem gegenüber
jedoch nach Auffassung des Senats nach wie vor zu bejahende
Personenbezogenheit der arzneimittelrechtliche Zulassung i.S.d. §
21 AMG spricht allerdings deutlich die Systematik der §§ 21 ff.
AMG, mit der Folge, daß nur der pharmazeutische Unternehmer (§ 4
Abs. 18 AMG), auf dessen Antrag hin die Zulassung für das
Medikament erteilt wurde, das mit der Nummer der Zulassung
versehene Medikament in den Verkehr bringen, ein anderer
Unternehmer diese Zulassungsnummer daher nicht verwenden darf.
Das Zulassungsverfahren setzt einen Zulassungsantrag durch eine
bestimmte Person voraus, der bei Bejahen der
Zulassungsvoraussetzungen durch die Zulassungsbehörde (§ 77 AMG)
sodann die Zulassung erteilt wird (§§ 21 Abs. 3 S. 1, 25 AMG).
Damit wird nicht etwa lediglich die Personenbezogenheit des
Zulassungsverfahrens selbst, das nur auf den Antrag einer Person
und nicht von Amts wegen eingeleitet wird, zum Ausdruck gebracht.
Die nach erfolgter Zulassung des Arzneimittels eingreifende weitere
Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens stützt vielmehr die
Auffassung, daß die einmal erteilte Zulassung an einen bestimmten
Unternehmer gebunden bleibt und sie sich nicht anschließend von der
Person des Zulassungsinhabers dergestalt ablöst (trennt), daß sie
allein auf das Produkt bezogen unabängig von der Person des
Antragsteller (der Zulassung) im Verkehr verwendet werden darf:
Nachträgliche Ànderungen in den für den Zulassungsantrag selbst
erforderlichen Angaben und Unterlagen (§§ 22 - 24 AMG) hat der
Antragsteller im Rahmen einer Ànderungsanzeige gemäß § 29 Abs. 1 S.
1 AMG mitzuteilen. Zu diesen Angaben zählt auch der Name bzw. die
Firma des Antragstellers, so daß, ergeben sich insoweit Ànderungen,
eine Ànderungsanzeige erforderlich wird. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 1 AMG
muß weiter vor dem Widerruf der Zulassung der Zulassungsinhaber
gehört werden. Im Falle der nachträglichen Anordnung von Auflagen
gemäß § 28 AMG ist Adressat der pharmazeutische Unternehmer als
Antragsteller oder Inhaber der Zulassung. Selbst wenn man von der -
allerdings umstrittenen (vgl. Kloesel-Cyran, a.a.O., Anm. 4 zu §
28) - Möglichkeit ausgeht, daß, werden Arzneimittel gleicher
Zusammensetzung von verschiedenen Unternehmen in den Verkehr
gebracht, solche Auflagen auch im Wege der Allgemeinverfügung (§ 35
S. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz) erlassen werden können, ändert
sich nichts an der grundsätzlich personenbezogenen Struktur. Auch
die Allgemeinverfügung setzt eine Einzelfallregelung für einen
bestimmten oder zumindest bestimmbaren Personenkreis voraus.
Dem steht es auch weiter nicht entgegen, daß das Arzneimittel
nach seiner Zulassung im Wege des Mitvertriebs zusätzlich noch
durch andere Unternehmen als eigenes Erzeugnis in den Verkehr
gebracht werden kann, worin Kloesel-Cyran (a.a.O., Anm. 5 zu § 25)
die produktbezogenen Aspekte der - personenbezogenen - Zulassung
sehen. Unabhängig davon, daß die Zulässigkeit der Einräumung eines
Mitvertriebs durchaus in Zweifel gezogen wird (Kloesel-Cyran,
a.a.O., Anm. 1 b zu § 29), setzt der Mitvertrieb voraus, daß
derjenige pharmazeutische Unternehmer, dem die Zulassung erteilt
wurde, einem anderen pharmazeutischen Unternehmer gestattet,
gleichfalls von der Zulassung Gebrauch zu machen. Ànderungen in der
Zulassung kann ausschließlich der Inhaber der Zulassung, also der
,erste" Unternehmer, der den Mitvertrieb gestattet, durchführen
(Kloesel-Cyran, a.a.O.). Der gestattende ,Erstunternehmer" bleibt
also Herr und Verfügungsbefugter der Zulassung, was wiederum deren
Personengebundenheit betont.
Was für die arzneimittelrechtliche Zulassung i.S.d. § 21 AMG
gilt, ist aus systematischen Gründen auf die ,Gilt"-Zulassung gemäß
Art. 3 § 7 AMNG zu übertragen.
Teilweise wird zwar die Ansicht vertreten, daß die fiktive
Zulassung als produktbezogen einzuordnen sei (Hanseatisches OLG
Hamburg in WRP 1983, 349 ff., 350 und in WRP 1993, S. 496 ff.,
497). Diese Auffassung wird darauf gestützt, daß die für die
Verkehrsfähigkeit von vor dem Inkrafttreten des AMG (1. Januar
1978) bereits in Verkehr befindlichen Altarzneimitteln
erforderliche ,Zulassung" durch bloße Anzeige - gleich von wem sie
erstattet wurde - habe herbeigeführt werden können, wie durch das
Fehlen jeglicher Regelungen für Mehrfachanträge hinsichtlich
desselben Arzneimittel verdeutlicht werde. Daraus folge wiederum,
daß sich jeder pharmazeutische Unternehmer selbständig auf die
fiktive Zulassung mit dem Inhalt berufen könne, der sich aus den
Unterlagen über die Registrierung aus dem AMG 1961 und den Angaben
in der gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 AMNG zu erstattenden Anzeige ergibt.
Diese Auffassung überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat die fiktive
Zulassung nach Art. 3 § 7 AMNG als vollgültige Zulassung im Sinne
der durch Artikel 1 AMNG mit Wirkung ab 1. Januar 1978 neu
eingeführten arzneimittelrechtlichen Vorschriften, des AMG nämlich,
angesehen, die lediglich im Hinblick auf die nach einer
Fünfjahresfrist notwendig werdende Verlängerung abweichend zu
behandeln ist (Art. 3 § 7 AMNG, § 31 Abs. 1 Nr. 3 AMG). Daraus
folgt wiederum, daß die Vorschriften über die Zulassung i.S.d. § 21
AMG betreffend die Auflagenbefugnis, die Anzeigepflicht und
Neuzulassung, den Widerruf, das Ruhen und das Erlöschen der
Zulassung (§ 28 - 31 AMG) auch auf Fertigarzneimittel anwendbar
sind, die gemäß Art. 3 § 7 AMNG als zugelassen gelten
(KloeselCyran, a.a.O. Band II, Anm. 3 zu Art. 3 § 7 AMNG; VG
Berlin, Pharmarecht 1982, S. 73 ff., 75; Sträter, Pharmarecht 1983,
S. 5 f., 5). Dann ist aber kein Grund ersichtlich, der es sachlich
rechtfertigt, die ,Gilt"-Zulassung, anders als die Zulassung i.S.d.
§ 21 AMG als produktbezogen anzusehen.
Die Beklagte bedarf daher, um die Verkehrsfähigkeit ihres
Arzneimittels Tiapridex zu erreichen, der Zulassung i.S.d. §§ 21
ff. AMG. Mit der ihrer Behauptung nach erfolgten Ànderungsanzeige
nach § 29 AMG hat die Beklagte diesem Zulassungserfordernis nicht
genügt. Aufgabe des Senats ist es dabei nicht festzustellen, ob die
Beklagte auf die Vollzulassung oder auf ein dem vereinfachten
Zulassungsverfahren i.S.d. § 25 Abs. 5 a AMG entsprechendes
Verfahren zu verweisen ist. Maßgeblich ist allein, daß die
beklagtensteits behauptete Ànderungsanzeige nach § 29 AMG nicht
ausreicht. Sinn und Zweck des Zulassungserfordernisses für
parallelimportierte Arzneimittel ist es, die Identität des
importierten mit dem in der Bundesrepublik Deutschland (fiktiv)
zugelassenen Arzneimittel durch eine sachkundige Instanz
festzustellen. Anderenfalls läge es in der Hand des Importeurs,
durch die bloße Angabe, es handele sich bei dem eingeführten
Produkt um ein dem hier bereits vorhandenen Produkt identisches
Erzeugnis, die Zulassung zu erwirken. Im Hinblick auf eine optimale
Arzneimittelsicherheit und die hiervon betroffenen hochrangigen
Rechtsgüter ist dieses Ergebnis untragbar.
Die bloße Ànderungsanzeige nach § 29 AMG entspricht dieser
erforderlichen Identitätsprüfung nicht. Mit der Anzeige nach § 29
AMG teilt der Parallelimporteur lediglich mit, er werde nun ein
hier bereits (fiktiv) zugelassenes Arzneimittel vertreiben. Eine
Óberprüfung auf die Verkehrsfähigkeit bzw. die Identität des
eingeführten Arzneimittels mit dem hier bereits vorhandenen findet
nicht statt. Ob die im Land NRW durch die
Arzneimittelüberwachungsbehörde entsprechend dem Runderlaß des
Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 6. Juli 1994
durchgeführte Óberprüfung der erforderlichen Identitätsfeststellung
genügt, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil die
zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde der Beklagten nicht im
Land NRW angesiedelt ist, sondern die Óberwachungsbehörde
Schleswig-Holstein für die Beklagte zuständig ist. Selbst wenn
diese aber - wie die Beklagte das behauptet - eine dem Verfahren
des Runderlasses des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales
des Landes NRW entsprechende Vorgehensweise praktizieren sollte,
ist keine abweichende Beurteilung gerechtfertigt. Schon im
Interesse eines bundeseinheitlichen Vorgehens bestehen Bedenken
dagegen, die nach den vorbezeichneten Ausführungen erforderliche
Identitätsfeststellung der Zuständigkeit der
Arzneimittelüberwachungsbehörden auf Länderebene zu überlassen.
Vielmehr spricht alles dafür, diese Identitätsfeststellung in die
Zuständigkeit der Zulassungsbehörde (§ 77 AMG), also des
Bundesgesundheitsamtes bzw. seiner Nachfolgebehörde, zu stellen.
Notwendiger Bestandteil einer Identitätsprüfung ist es nämlich, daß
die Zulassungsbehörde sich zunächst Aufschluß über die
Beschaffenheit des importierten Arzneimittels verschafft. Hierzu
setzt sie sich entsprechend der in § 25 Abs. 5 a AMG für das
sogenannte ,vereinfachte Zulassungsverfahren" vorgesehenen Regelung
mit der ausländischen Zulassungsbehörde in Verbindung, um von dort
die Angaben zur pharmazeutischen Qualität zu erhalten, die eine
Feststellung der Identität ermöglichen (vgl. Kloesel-Cyran, a.a.O.
Band I, Anm. 70 a zu § 25). Selbst wenn über das im Inland
lediglich fiktiv zugelassene Arzneimittel keine
Zulassungsunterlagen i.S.d. §§ 22 - 24 AMG vorhanden sind,
verschafft sich die Zulassungsbehörde dadurch Kenntnis über die
stoffliche Beschaffenheit des eingeführten Produkts und kann auf
dieser Grundlage vergleichend feststellen, ob es hinsichtlich der
angegebenen Wirkstoffe dem hier bereits registrierten tatsächlich
entspricht und dann in den Verkehr gebracht werden kann. Hierzu ist
außerdem sicherzustellen, daß das importierte Arzneimittel vom
Inhaber der ausländischen Zulassung stammt, wozu es dem Importeur
zugemutet werden kann, seine Bezugsquellen im Ausland anzugeben und
zuzusichern, daß das importierte Produkt den Anforderungen der
ausländischen Zulassung entspricht (vgl. Stellungnahme des BGA zum
Parallelimport von gemäß §§ 21 ff. AMG zugelassenen Arzneimitteln
in Pharmarecht 1983, 223 f., 224). Darüber hinaus besteht noch
folgender wesentlicher Unterschied zwischen einerseits dem
Zulassungsverfahren und andererseits der bloßen Ànderungsanzeige
i.S.d. § 29 AMG: Im Zulassungsverfahren nach den §§ 21 ff. AMG darf
das Arzneimittel erst in den Verkehr gebracht werden, wenn die
Zulassung erteilt ist. Dies gilt nicht bei der bloßen
Ànderungsanzeige nach § 29 AMG, die die Verkehrsfähigkeit des
Arzneimittels nicht berührt (vgl. Kloesel-Cyran, a.a.O., I, Anm. 3
zu § 29). Stellt sich daher nachträglich bei einer etwa durch die
zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde auf Länderebene
durchgeführte Óberprüfung heraus, daß das angebliche ,parallel"
importierte Arzneimittel in Wirklichkeit nicht mit dem hier bereits
im Verkehr befindlichen Parallelprodukt identisch ist, wäre das
,parallel"-importierte Arzneimittel hier bereits in den Verkehr
gebracht. Das aber läßt sich mit den Grundsätzen der
Arzneimittelsicherheit und dem hohen Rang der hierdurch zu
schützenden Rechtsgüter schlechthin nicht vereinbaren.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich
dieses Ergebnis nach einer von Kloesel-Cyran, a.a.O., II, Anm. 7 zu
Art. 3 § 7 AMNG vertretenen Auffassung im gegebenen Fall sogar auch
dann ergibt, wenn man die Ànderungsanzeige nach § 29 AMG für
ausreichend erachten wollte. Die Verkehrsfähigkeit des
parallelimportierten Arzneimittels hing während der Óbergangszeit
bis zum 30. April 1990 vom Schicksal der fiktiven Zulassung des
Originalprodukts ab. Der vom Inhaber der fiktiven Zulassung gemäß
Art. 3 § 7 Abs. 4 AMNG zu stellende Verlängerungsantrag und die
Qualitätsunterlagen gelten jedoch nur für das Originalprodukt. Um
die Verkehrsfähigkeit des parallelimportierten Arzneimittels zu
sichern, muß der Parallelimporteur gleichfalls einen
Verlängerungsantrag stellen, wobei die Qualitätsunterlagen von ihm
allerdings nur insoweit gefordert werden können, als sie bei der
Eröffnung eines neuen Parallelimports vorzulegen sind. Daß die
Beklagte vorliegend einen derartigen Verlängerungsantrag überhaupt
gestellt hätte, ist nicht ersichtlich.
Das nach alledem zu bejahende Zulassungserfordernis verstößt
schließlich auch nicht gegen die Art. 30, 36 des EWG-Vertrags in
der ihm durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
gegebenen Ausprägung. Zwar stellt sich das der Beklagten nach
alledem abzuverlangende Erfordernis, eine Zulassung für das aus
Belgien parallelimportierte Arzneimittel zu verlangen, als eine
Beschränkung des freien Warenverkehrs i.S.d. Art. 30 EWG-Vertrag
dar. Dieses ist allerdings nach Art. 36 des EWG-Vertrags
gerechtfertigt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs, daß unter den in Art. 36 EWG-Vertrag
geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von
Menschen den ersten Rang einnehmen und daß es Sache der
Mitgliedstaaten ist, in den durch den Vertrag gesetzten Grenzen zu
bestimmen, in welchem Umfang sie deren Schutz gewährleisten wollen,
insbesondere wie streng die durchzuführenden Kontrollen ausfallen
sollen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8.4.1992,
Rechtssache 247/81, Sammlung 1984, S. 1111 ff. - Kommission gegen
Bundesrepublik Deutschland; Urteil des Europäischen Gerichtshofs
vom 20.5.1976, Rechtssache 104/75, Sammlung 1976, 613 ff. - ,de
Peijper" bzw. Centrafarm). Zwar hat der Europäische Gerichtshof in
den vorbezeichneten Entscheidungen auch festgestellt, daß eine
nationale Regelung oder Praxis dann nicht unter die
Ausnahmebestimmung des Art. 36 EWG-Vertrags fällt, wenn die
Gesundheit oder das Leben genauso effektiv durch Maßnahmen
geschützt werden können, die den innergemeinschaftlichen Handel
weniger beschränken. Damit hat der Europäische Gerichtshof jedoch
keinesfalls ein berechtigtes Interesse der nationalen Instanzen
ausgeschlossen, den Hersteller oder dessen offiziellen Vertreter zu
zwingen, die Angaben zu machen, die die Feststellung ermöglichen,
ob das parallelimportierte Arzneimittel mit demjenigen
übereinstimmt, über das die nationalen Behörden bereits
unterrichtet sind. Dieser Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs entspricht die vom Gesetzgeber mit § 25 Abs. 5 a AMG -
in Konsequenz der de Peijper-Entscheidung - eingeführte sogenannte
Formalzulassung, die der Feststellung der Identität des
parallelimportierten Arzneimittels mit dem bereits zugelassenen
Arzneimittel dient. Daß diese Praxis der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs entspricht und nicht gegen Art. 30, 36
EWG-Vertrag verstößt, hat der Europäische Gerichtshof in seiner
Entscheidung ,Eurimpharm" vom 16. April 1991 (Rechtssache C 347/89,
Sammlung 1991, 1147 ff., 1771 = NJW 1993, S. 2987 ff.) bestätigt.
Hierin hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, daß die
Zulassung nach § 25 Abs. 5 a AMG eine Zulassung ist, die dem
Parallelimporteur in einem vereinfachten Verfahren - um der
Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung zu tragen - für eine
Spezialität erteilt wird, die vom Hersteller oder von dessen
offiziellen Importeur bereits in den Verkehr gebracht worden ist.
Auch nach den Darlegungen und der Auffassung des Europäischen
Gerichtshofs kann mit dieser Zulassung insbesondere sichergestellt
werden, daß die von einem Parallelimporteur eingeführten
Arzneimittelspezialitäten dieselbe Zusammensetzung aufweisen wie
diejenigen, deren Inverkehrbringen bereits zugelassen ist. Eine
solche Zulassung stellt daher auch im Sinne der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs kein gemeinschaftsrechtswidriges
Hindernis für den Handel mit Arzneimittelspezialitäten innerhalb
der Gemeinschaften dar. Auch im vorliegenden Fall, wo der Beklagten
vor dem Inverkehrbringen des importierten Produkts das Durchführen
einer Identitätsprüfung abverlangt wird, kann daher kein gegen die
Art. 30, 36 EWG-Vertrag verstoßendes, gemeinschaftsrechtswidriges
Hindernis des freien Handels und Verkehrs gesehen werden. Es stellt
sich dies vielmehr als die, ,mildeste" Maßnahme dar, die
erforderlich ist, um die Interessen der Volksgesundheit zu wahren.
Die Beklagte muß sich daher jedenfalls die vorbezeichnete
Identitätsfeststellung ihres eigenen Produkts, welches dann mit dem
hier registrierten verglichen werden kann, gefallen lassen, bevor
sie das importierte Produkt hier auf den Markt wirft.
Die von der Beklagten angeführte Mitteilung der Kommission über
Parallelimporte für Arzneispezialitäten, deren Inverkehrbringen
bereits genehmigt ist, kann keine abweichende Beurteilung
rechtfertigen. Unabhängig davon, ob diese Mitteilung der Kommission
überhaupt rechtsverbindlichen Charakter hat, kann ihr jedenfalls
keine der vorbezeichneten Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs widersprechende Wirkung beigemessen werden.
Da das Erfordernis der im Rahmen einer Zulassung vorzunehmenden
Identitätsfeststellung für parallelimportierte Arzneimittel bei im
Inland fiktiv zugelassenen Originalarzneimitteln der Rechtsprechung
des EUGH folgt, besteht auch kein Anlaß für die von der Beklagten
beantragte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177
EWG-Vertrag.
Nur hilfsweise sei schließlich darauf hingewiesen, daß das obige
Ergebnis, wonach die Beklagte, um die Verkehrsfähigkeit des von ihr
importierten Arzneimittels Tiapridex zu erlangen, der Zulassung
bedarf, auch bei Bejahen der Produktbezogenheit der
arzneimittelrechtlichen Zulassung vorläge:
Auch eine produktbezogene ,Gilt"-Zulassung darf nämlich
jedenfalls nur für solche parallelimportierten Arzneimittel
verwendet werden, die mit dem fiktiv zugelassenen Originalprodukt
identisch sind. Dies ist hier nicht der Fall.
Die beiden Arzneimittel Tiapridex und Tiapridal sind zwar - wie
die Parteien außer Streit gelassen haben - stoffidentisch
zusammengesetzt. Allerdings führen sie erheblich voneinander
abweichende Bezeichnungen. Diese Arzneimittelbezeichnungen sind in
den beiden Endsilben ,...ex" und ,...al" dem Schrift- und Klangbild
nach völlig verschieden. Für die Identität von Arzneimitteln ist
aber nicht allein auf die stoffliche Zusammensetzung, sondern
gleichermaßen auf die Bezeichnung abzustellen, die Bestandteil des
Arzneimittels und diesem nicht lediglich hinzugefügt ist
(Bundesverwaltungsgericht in Pharmarecht 1989, S. 230 ff., 231; LG
Hamburg, Pharmarecht 1990, S. 112; Hiltl in Pharmarecht 1993, 66
ff., 68). Dies geht zum einen schon aus dem Arzneimittelgesetz
selbst hervor. Gemäß §§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG gehört die Bezeichnung
zu den Angaben, die der Antragsteller im Zulassungsverfahren seinen
Unterlagen beizufügen hat. § 25 Abs. 1 S. 2 AMG besagt, daß die
Zulassung nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte
Arzneimittel gilt. Der Zulassungsbescheid bezieht sich auf den
Antrag; dadurch wird die Bezeichnung Bestandteil der Zulassung. §
25 Abs. 3 AMG beschränkt die - sonst bis zur Grenze des § 8 Abs. 1
Nr. 10 AMG grundsätzliche freie - Wahl der Bezeichnung durch den
Antragsteller. Danach darf die Bezeichnung nicht mit derjenigen
eines anderen Arzneimittels identisch sein, daß sich in der Art
oder in der Menge der wirksamen Bestandteile von diesem
unterscheidet. Nach § 29 Abs. 2 AMG ist der Zulassungsbescheid bei
einer Ànderung der Arzneimittelbezeichnung zu ändern und darf das
Arzneimittel unter der alten Bezeichnung nur noch eine begrenzte
Zeit in den Verkehr gebracht werden. Schon nach der Struktur der
arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist die Bezeichnung nicht
lediglich als eine Zutat, die dem eigentlichen Arzneimittel
zugefügt wird, anzusehen, sondern Bestandteil des Arzneimittels
selbst.
Zum anderen folgt dies auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene aus
Art. 4 Abs. 2 Nr. 9, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie des Rates
zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über
Arzneimittel vom 26. Januar 1965 (65/65/EWG), in welcher die
Bezeichnung des Arzneimittels als Merkmal des Arzneimittels neben
der qualitativen und quantitativen und stofflichen Zusammensetzung
aufgeführt ist. Entsprechendes ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 lit a)
der Richtlinie des Rates über die Etikettierung und die
Packungsbeilage von Humanarzneimitteln vom 31.3.1992 (92/27/EWG),
wonach der Name des Arzneimittels zu den notwendigen
Kennzeichnungen gehört.
Auch allgemeine, sich gerade aus therapeutischen Gesichtspunkten
ergebende Erwägungen sprechen schließlich dafür, die Bezeichnung
des Arzneimittels als dessen Bestandteil anzusehen.
Die Bezeichnung des Arzneimittels hat ganz wesentliche
Zuordnungsfunktion, die nicht nur im Rechtsverkehr, sondern auch im
therapeutischen Einsatz von Bedeutung ist. Angesichts der Fülle der
auf dem Arzneimittelmarkt befindlichen Mittel kommt der Bezeichnung
die wichtige Bedeutung zu, die Verwender von weiteren
Identitätskriterien, beispielsweise über die Zulassungs- oder
Registrier-Nr., freizustellen. Selbst wenn bei stoffidentisch
zusammengesetzten Arzneimitteln verschiedener Bezeichnungen die
Gefahr von aus Verwechslungen entstehenden Therapiefehlern und
Gesundheitsschäden, mithin die Frage der Arzneimittelsicherheit,
nicht berührt ist, so kann es doch nicht von der Hand gewiesen
werden, daß die Auswahl und der therapeutische Einsatz eines
Arzneimittels durch den verordnenden Arzt oder ausgebenden
Apotheker sich nicht nur an den aufgeführten Wirk- und
Hilfsstoffen, sondern gleichermaßen an der Bezeichnung des Produkts
orientiert, die sozusagen der ,Einstieg" in die Verordnung
darstellt. Dies gilt vor allem dann, wenn - wie dies auf dem
deutschen Markt der Fall ist - für ein und denselben
therapeutischen Zweck zahlreiche stoffidentisch zusammengesetzte
Arzneimittel verschiedener Bezeichnungen angeboten werden. Dies
alles spricht dafür, die Bezeichnung nicht losgelöst von der
stofflichen Beschaffenheit, sondern als zum Produkt selber zählend
anzusehen.
Da die Bezeichnung, mit der das Arzneimittel in den Verkehr
gebracht wird, mit derjenigen übereinstimmen muß, unter der das
Produkt zugelassen bzw. registriert ist, hat dies nicht nur für den
Inhaber der Zulassung selbst, sondern für jeden anderen
pharmazeutischen Unternehmer zu gelten, der das Arzneimittel unter
,Anhängen" an die Zulassung in den Verkehr bringen will, also auch
für den Parallelimporteur, der ein Arzneimittel auf dem
innerdeutschen Markt in den Verkehr bringen will, welches seiner
stofflichen Zusammensetzung nach mit einem hier bereits vorhandenen
und vertriebenen Produkt identisch ist. Will er hierbei eine andere
oder ähnliche Bezeichnung für das Arzneimittel verwenden, so bedarf
er der eigenen Zulassung.
Im gegebenen Fall bedarf es dabei nicht der Entscheidung, ob die
Óbereinstimmung der Arzneimittelbezeichnungen ,buchstaben-,
interpunktionszeichen- und wortfolgegetreu" sein muß (so
Bundesverwaltungsgericht, a.a.O., S. 23) oder ob geringe
Abweichungen tolerabel sind (so Landgericht Hamburg, a.a.O., S.
111; Hessischer VGH, Pharmarecht 1993, 77 ff). Die Bezeichnung des
von der Beklagten in Verkehr gebrachten parallelimportierten
Arzneimittels Tiapridal weicht jedenfalls erheblich von der des
klägerseits vertriebenen Produkts Tiapridex ab, so daß die Beklagte
daher auch bei Bejahen der Produktbezogenheit der
arzneimittelrechtlichen (fiktiven) Zulassung einer eigenen
Zulassung bedarf. Daß sie sich mit der von ihr behaupteten
Ànderungsanzeige gegenüber dem BGA gemäß § 29 AMG keine derartige
Zulassung beschafft hat, ist oben bereits ausgeführt.
Die Auffassung, Arzneimittelidentität im Sinne der
zulassungsrechtlichen Vorschriften des AMG setze - über die
Identität der stofflichen Zusammensetzung hinaus - auch
übereinstimmende Bezeichnungen voraus, steht auch nicht in
Widerspruch zu den Art. 30, 36 des EWG-Vertrags. Das de Peijper
bzw. Centraform-Urteil des EUGH (a.a.O.) steht dem nicht entgegen.
Dieses Urteil betraf nur die Óbereinstimmung von
Zulassungsunterlagen zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
(,Unterlagen über Herstellungsverfahren sowie quantitative und
qualitative Zusammensetzung"), die dem Parallelimporteur von den
Behörden des Einfuhrlandes, wenn sie zu diesen Unterlagen bereits
Zugriff haben, auch angesichts Art. 36 EWG-Vertrag nicht nochmals
abverlangt werden dürfen. Nur wenn sich ,aus den Unterlagen" das
Bestehen therapeutischer Unterschiede ergeben sollte, sei es
gerechtfertigt, die Varianten für die Genehmigung des
Inverkehrbringens ... als zwei verschiedene Arzneimittel zu
behandeln (a.a.O., S. 639). Diesen Ausführungen des Europäischen
Gerichtshofs lag die Fragestellung zugrunde, ob die vorher
untersuchte Ausnahmebestimmung des Art. 36 EWG-Vertrag bei
einfuhrbeschränkenden Zulassungsanforderungen auch dann nicht
eingreife, wenn sich das parallelimportierte Arzneimittel
hinsichtlich des Feststellungsverfahrens oder der qualitativen und
quantitativen Zusammensetzung von demjenigen Produkt gleichen
Namens unterscheide, für das die Behörden des einführenden
Mitgliedsstaates bereits über die Zulassungsunterlagen verfügen
(a.a.O., S. 638). Ob es für die Beurteilung der therapeutischen
Unterschiede bzw. der Identität der Arnzeimittel allein auf die
stoffliche Zusammensetzung unter Außerachtlassen der
Arzneimittelbezeichnung ankomme, war weder Gegenstand der
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, noch läßt sich seinen
Ausführungen hierzu etwas entnehmen (vgl. in diesem Sinne auch
Hiltl, Pharmarecht 1993, S. 66 ff., 68).
Auch unter dem Gesichtspunkt einer ,künstlichen
Marktabschottung" i.S.d. § 36 S. 2 EWG-Vertrag ergeben sich
insoweit keine Bedenken. Es liegen schon die objektiven
Voraussetzungen einer künstlichen Marktabschottung nach Art. 36 S.
2 EWG-Vertrag nicht vor. Hierdurch unterscheidet sich der
vorliegende Fall von der dem Vorlagebeschluß des Senats vom
29.7.1994 (GRUR 1994, 813 ff. - ,Orudis") zugrundeliegenden
Problematik, wo - bei Vorliegen der objektiven Voraussetzungen
einer Marktabschottung - dem Europäischen Gerichtshof die Frage
vorgelegt worden ist, ob, um eine künstliche Marktabschottung
i.S.d. des Art. 36 S. 2 EWG-Vertrag annehmen zu können, darüber
hinaus der Nachweis erforderlich ist, daß darüber hinaus eine
objektiv marktabschottende Maßnahme subjektiv gerade mit dem Ziel
eingesetzt werde, eine künstliche Abschottung der Märkte zu
bewirken. Im gegebenen Fall ist die sich (bei Annahme der
Produktbezogenheit der Zulassung) als Zutrittshindernis zum
deutschen Markt auswirkende Ànderung der Bezeichnung des
Arzneimittels für den deutschen Markt darauf zurückzuführen, daß -
wie unstreitig ist - die Klägerin einer warenzeichenrechtlichen
Auseinandersetzung mit der Firma J. aus dem Weg ging. Die Ursache
des Marktzutrittshindernisses für die Beklagte liegt daher nicht in
einem von der Klägerin etwa angewandten Vermarktungssystem, so daß
schon die Voraussetzungen des mit den Art. 30, 36 S. 2 EWG-Vertrag
angestrebten Verbots einer ,verschleierten" Beschränkung des
Handels zwischen den Mitgliedsstaaten unter dem Gesichtspunkt der
,künstlichen Marktabschottung" nicht gegeben sind.
Da die Beklagte das Arzneimittel Tiapridal nach alledem unter
Verstoß gegen die §§ 21, 25 Abs. 5 AMG ohne eigene Zulassung in den
Verkehr gebracht hat, führt dies ohne weiteres zur Annahme eines
unlauteren Verhaltens i.S.d. § 1 UWG. Die genannten Vorschriften
des AMG dienen dem Schutz der Volksgesundheit und sind als
wertbezogene Normen anzusehen, deren Verletzung ohne Hinzutreten
zusätzlicher Unterlauterkeitsmomente per se den
Unlauterkeitstatbestand des § 1 UWG erfüllt. Es kommt daher auch
nicht darauf an, ob die Behörden die von der Beklagten bestrittene
Verfahrensweise der Ànderungsanzeige bei Parallelimporten aus
EG-Mitgliedsländern billigen oder selbst praktizieren.
Der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch steht
ihr - ebenso wie der Feststellungsanspruch - aus den §§ 1 UWG, 242
BGB zu. Die Klägerin kann den ihr durch den Vertrieb des nicht
zugelassenen Arzneimittels Tiapridal entstandenen und noch
entstehenden Schaden, für dessen Eintritt die Lebenserfahrung
spricht, erst nach Erteilung der begehrten Auskunft näher
beziffern. Diesen Schaden haben die Beklagte bzw. ihre Organe auch
schuldhaft herbeigeführt.
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht damit
entlasten, sie habe angesichts der Behördenpraxis nicht erkennen
und wissen können, daß die Ànderungsanzeige nach § 29 AMG nicht
ausreiche, sondern eine Zulassung erforderlich sei. Im Hinblick auf
die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Hessischen
Gerichtshofs sowie des Landgericht Hamburg durfte sie sich nicht
lediglich auf die Behördenpraxis verlassen, sondern hätte sie ohne
weiteres erkennen können und müssen, daß der Vertrieb von Tiapridal
ohne die erforderliche Zulassung mit § 1 UWG nicht in Einklang
steht.
Es bestand schließlich auch kein Anlaß für die Wiedereröffnung
der mündlichen Verhandlung, wie dies die Beklagte mit nicht
nachgelassenem Schriftsatz vom 16.12.1994 angeregt hat. In dem
Verhandlungstermin am 9.12.1994 wurde über das von der Beklagten
zitierte Urteil des Senats vom 21.10.1994 in dem sogenannten
,Clexane-Verfahren" hinaus lediglich der oben bereits angegebene
Vorlagebeschluß - ,Orudis" im Hinblick darauf zitiert, daß, wie
dies oben auch ausgeführt ist, der Sachverhalt hier von dem im
Orudis-Verfahren maßgeblich abweicht. Ein Vorlagebeschluß des
Senats in einem anderen ,Clexane-Verfahren" existiert nicht und es
wurde auch darauf nicht hingewiesen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der Beklagten
im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 20.01.1995
Az: 6 U 82/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f9113f087a62/OLG-Koeln_Urteil_vom_20-Januar-1995_Az_6-U-82-94