Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Oktober 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 166/00
(BPatG: Beschluss v. 11.10.2000, Az.: 28 W (pat) 166/00)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für die Waren "Motorenöl" eingetragene Wortmarke 396 25 867 Seratronist Widerspruch erhoben aus der seit dem 5. September 1991 für die Waren "technische Öle und Fette, Schmiermittel" eingetragenen Marke 2 003 732 MEGATRON.
Die Markenstelle für Klasse 4 hat mit zwei Beschlüssen vom 31. August 1998 und vom 13. März 2000 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Angesichts der großen Warenähnlichkeit bzw Warenidentität und der breiten Verkehrskreise, an die sich die beiderseitigen Waren wenden, sei der zu fordernde Abstand der Marken voneinander nicht ausreichend genug, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Es bestehe eine weitgehende Übereinstimmung in Laut- und Silbenzahl, der Betonung sowie in der Vokalfolge. Bei den unterschiedlichen Konsonanten in den jeweiligen Zeichen handle es sich um klangschwache Laute, die keinen deutlichen Klanggegensatz vermittelten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie macht geltend, daß der Markenabstand zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen ausreichend groß sei. Denn zum einen handle es sich nicht um fachkundige Verkehrskreise und zum anderen stimmten die Vergleichszeichen lediglich in der schwachen Endsilbe "tron" überein, unterschieden sich jedoch in ihrem zeichenprägenden Anfang deutlich voneinander. Am Wortanfang befinde sich auch die völlig unterschiedliche Konsonantenfolge, nämlich "S-r" einerseits und "M-g" andererseits. Dieser unterschiedliche Eindruck werde dadurch verstärkt, daß "Sera" und "MEGA" jeweils einen anderen Sinngehalt haben. Die Beschwerdeführerin beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.
Sie trägt zur Begründung im wesentlichen die Argumente vor, die Grundlage der Beschlüsse der Markenstelle waren, und weist daraufhin, daß die Unterschiede in den Konsonanten für den erforderlichen Abstand nicht hinreichend deutlich seien. Die begriffliche Betrachtung sei unzulässig, da nach der neueren Rechtsprechung eine segmentäre Betrachtungsweise, nämlich die Aufgliederung in "tron" und "mega" bzw "sera" nicht zulässig sei.
II.
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, jedoch unbegründet, da die Vergleichsmarken verwechselbar ähnlich im Sinne von §§ 42 Abs 2 Nr 1, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG sind.
1. Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren. Darüber hinaus sind auch alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st Rspr BGH GRUR 2000, S 608, 610 - ARD 1; GRUR 2000, S 605, 606 - comtes/ComTel; GRUR 1999, S 995, 997 - HONKA). Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr bejaht werden.
2. Die Vergleichsmarken können sich auf den hier beanspruchten Warengebieten auf identischen oder sehr ähnlichen Waren begegnen. Des weiteren kann davon ausgegangen werden, daß die Waren sich nicht nur an Fachleute richten, sondern auch an breitere Verkehrskreise, wie der Senat anhand der Prospekte der, zB von "Praktiker", von "Autofahrer-Fachmarkt" und von "Auto-Teile-Unger" feststellte. Bei diesem Publikum kann von durchschnittlicher Aufmerksamkeit ausgegangen werden. Angesichts dieser Ausgangslage ist von einem sehr deutlichen Abstand zwischen den Marken auszugehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mag zwar sehr gering sein, aber sie führt nicht dazu, daß der zu fordernde Abstand der Marken voneinander dadurch um weniger als einen normalen Abstand verringert wird.
3. Beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Marken auf eine unmittelbare Verwechslungsgefahr hin ist von dem Grundsatz auszugehen, daß auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Bei den Vergleichszeichen sind Verwechslungen hier vor allem im klanglichen Bereich nicht auszuschließen. Beide Zeichenwörter werden von der Lautfolge "eatron" geprägt, die in beiden Zeichen identisch vorhanden ist. Die unterschiedlichen Eingangskonsonanten m bzw s und mittleren Konsonanten r bzw g fallen bei dieser Konstellation nicht ausreichend ins Gewicht, zumal die Gefahr besteht, daß sie bei Übermittlungsbedingungen im verbalen Bereich untergehen. Die aufgezeigte klangliche Nähe wird vorliegend noch durch den Umstand verstärkt, daß sich beide Zeichenwörter trotz des Anklangs der jeweiligen Endsilbe "tron" an den Fachbegriff "Electron" als Phantasiewörter darstellen und deshalb von der Wort- und Begriffsbildung her keine Hilfestellung gegen ein eventuelles Verhören oder ein fehlerhaftes Erinnerungsbild geben. Der Ansicht der Markeninhaberin, daß der Bestandteil MEGA in der Widerspruchsmarke zu einer Begriffsbildung führe, folgt der Senat nicht. MEGATRON ist eine auf die Waren bezogene keinerlei Begriffsinhalt bildende Wortgestaltung, denn "groß" und "Electronic" bilden in keiner Weise einen irgendwie ohne phantasierendes Gedankenspiel ergebenden Sinngehalt. Für Sera gilt Gleiches. Der Bezug zu dem Wort Serum ist in bezug auf die beanspruchten Waren "Motorenöl" auch nicht annähernd einen Bedeutungsgehalt wiedergebend. Serum ist, soweit es überhaupt im allgemein sprachlichen Bereich beim Publikum bekannt ist, ein Begriff aus der Medizin.
4. Die Tatsache, daß vorliegend von den Waren der Vergleichszeichen und damit auch von den Kennzeichnungen selbst ausschließlich Fachleute angesprochen werden, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Zwar ist bekannt, daß solche Fachleute im Umgang mit Waren und ihren Marken entsprechend geschult sind und daß ihnen schon deshalb geringere Unterschiede in Zeichen auffallen, vor allem wenn es sich um hoch spezialisierte Industriegüter handelt, die regelmäßig mit besonderem Bedacht nach sorgfältiger Prüfung angeschafft werden. Einerseits handelt es sich hier nicht um solche Konsumgüter. Andererseits sind auch solche Fachleute nicht gegen ein unmittelbares Verhören oder gegen Erinnerungsfehler unempfindlich, wenn es sich um Warenkennzeichnungen handelt, die in ihrer dominierenden Klangstruktur weitgehende Annäherungen aufweisen, ohne daß sich solche Übereinstimmungen etwa von begrifflichen Anklängen her kompensieren lassen. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin läßt sich in diesem Zusammenhang aus dem häufigen Vorkommen der Endsilbe "tron" nicht schon der Schluß ziehen, es handle sich hierbei um einen kennzeichnungsschwachen Zeichenbestandteil, der zumindest insoweit Auswirkungen auf das gesamte mit dieser Silbe gebildete Zeichenwort habe, als der Verkehr sich deshalb dem Wortanfang stärker als dem übrigen Bestandteil zuwenden werde. Dabei ist zu berücksichtigen, daß für die Frage, ob ein Zeichen mit einem anderen verwechselt werden kann, stets der Gesamteindruck maßgebend ist, bei dem auch die kennzeichnungsschwachen oder sogar schutzunfähigen Zeichenteile hinreichend mitberücksichtigt werden müssen. Es besteht hier jedoch für den Verkehr, wenn er eines der beiden Zeichenwörter erstmals hört, keine Veranlassung, sich stärker an den Eingangssilben der beiden Zeichen zu orientieren und sich allein hieran die jeweilige Kennzeichnung einzuprägen. Selbst wenn man dem identischen Zeichenteil "tron" eine geringere Bedeutung beimißt, so sind die Eingangssilben dennoch aufgrund ihrer phonetischen Nähe in den deutlich zu hörenden und hervorgehobenen identischen Vokalen sowie ihres identischen Sprechrhythmus nicht soweit voneinander entfernt, daß die beiden Zeichenwörter vom Gesamteindruck her noch für den Verkehr ausreichend unterscheidbar sind.
Da sich auch nicht feststellen läßt, daß etwa die Zahl der mündlichen Benennungen der Zeichen vernachlässig gering wäre, bzw die Waren der Vergleichszeichen ausschließlich aufgrund schriftlicher Bestellungen oder nach vorangegangener Ausschreibung bezogen würden, rechtfertigt sich auch unter diesem Gesichtspunkt kein anderes Ergebnis, wobei selbst bei einer solchen ausschließlichen Konstellation Verwechslungen noch aufgrund der weitgehenden Annäherung der Zeichenwörter im schriftlichen Bereich zu befürchten wären.
Die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle sind damit nach Überzeugung des Senats im Ergebnis unter keinerlei rechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden, so daß die Beschwerde der Markeninhaberin als unbegründet zurückzuweisen war. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nach der Sach- und Rechtslage keine Veranlassung.
VRi Stoppel ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben Grabrucker Grabrucker Schramm Fa
BPatG:
Beschluss v. 11.10.2000
Az: 28 W (pat) 166/00
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