Bundespatentgericht:
Urteil vom 21. Januar 2003
Aktenzeichen: 3 Ni 51/01
(BPatG: Urteil v. 21.01.2003, Az.: 3 Ni 51/01)
Tenor
Das europäische Patent 0 912 130 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in folgendem Umfang teilweise für nichtig erklärt:
a) der Patentansprüche 1, 2 und 3 b) des Patentanspruchs 4, soweit dieser nicht auf Patentanspruch 2 zurückbezogen istc) der Patentansprüche 5 und 8, soweit diese auf gemäß a) und b) für nichtig erklärte Patentansprüche zurückbezogen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt ein Drittel, die Beklagte zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. April 1997 angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten europäischen Patents 0 912 130 (Streitpatent), für das die Inhaberin die Priorität der deutschen Patentanmeldung 196 20 947 vom 24. Mai 1996 in Anspruch genommen hat. Das Streitpatent betrifft ein motorangetriebenes Bürstengerät und umfasst in der erteilten Fassung 8 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1 bis 5 und 8 lauten wie folgt:
"1. Motorangetriebenes Bürstengerät (1), mit auf einem eine Antriebswelle (8) führenden Aufnahmeteil (10) aufgestecktem Bürstenteil (16), wobei das rotierbare Bürstenteil (16) in einem Vertikalschnitt durch die Achse der Antriebswelle (8) innenseitig in Überdeckung zu einem feststehenden Bodenblech (30) ist, dadurch gekennzeichnet, dass weiter nach innen ein stufenartiger Rücksprung (28) an dem rotierbaren Bürstenteil (16) ausgebildet ist, welcher gleichfalls in einem Vertikalschnitt durch die Achse der Antriebswelle (8) in Überdeckung zu einem Festteil ist, wobei das Festteil als ein das innenseitige Bürstenteilende (27) umgreifender Vorsprung (24) des Aufnahmeteils (10) ausgebildet ist."
2. Motorangetriebenes Bürstengerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Festteil als ein das innenseitige Bürstenteilende (27) umgreifender Vorsprung (24) eines eine Antriebswelle (8) aufnehmenden Getriebekastens (15) ausgebildet ist.
3. Motorangetriebenes Bürstengerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das innenseitige Bürstenteilende (27) im wesentlichen freifliegend in dem Vorsprung (24) aufgenommen ist.
4. Motorangetriebenes Bürstengerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche 2 und 3, dadurch gekennzeichnet, dass ein Zwischenraum (19) zwischen dem Getriebekasten (15) und ein (lies: einem) diesen überdeckenden Zylinderkörper (17) des Bürstenteiles (16) sich von innen nach außen vergrößert.
5. Motorangetriebenes Bürstengerät nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Zwischenraum (19) in einem Querschnitt beidseitig des Getriebekastens (15) sich keilförmig vergrößernd ausgebildet ist."
"8. Motorangetriebenes Bürstengerät nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche 2 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass stirnseitig eines äußeren Endes (21) des Getriebekastens (15) ein Freiraum (22) zu einer stirnseitig anschließenden Fläche (20) des Bürstenteiles (16) ausgebildet ist, welcher Freiraum (22) in seiner Breite (a) mindestens einem Abstand (b) zwischen dem Getriebekasten (15) und dem Zylinderkörper (17) des Bürstenteiles (16) in Radialrichtung entspricht."
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 5 und 8 sei nicht patentfähig, weil er nicht neu sei und auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin auf folgende Dokumente:
D1 DE 44 12 986 A1, D2 US-PS 4 847 944, D3 US-PS 5 435 038, D4 Bilder der Bürstenwalze Elektrolux ZE 3 zum Nachweis einer offenkundigen Vorbenutzung; Schnittzeichnung der Bürstenwalze Elektrolux ZE 3;
Preisliste der Firma E... vom 1. 12.1992 D5 DE 70 18 880 U1 D6 DE-PS 19 60 315 D7 DE 31 42 247 C2 D8 EP 0 526 694 A1 D9 GB 2 032 263 A D10 US-PS 4 996 737 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 912 130 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 und 8, soweit letzterer nicht auf die Patentansprüche 6 oder 7 zurückbezogen ist, mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in der Fassung der Patentansprüche gemäß den in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsanträgen I, Ia, II, III und IV in dieser Reihenfolge.
Gründe
Die Klage erweist sich als teilweise begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem sich aus der Urteilsformel ergebenden Umfang. Im Übrigen erweist sich die Klage als unbegründet, denn nach Auffassung des Senats ist der Gegenstand des Patents patentfähig, soweit dieser über die sich aus der Urteilsformel ergebende Nichtigerklärung des Streitpatents hinausgeht, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ, Art 52, 54 und 56 EPÜ.
I.
1. Das Streitpatent betrifft ein motorangetriebenes Bürstengerät mit einem rotierbaren Bürstenteil.
Nach den Angaben der Streitpatentschrift sind solche Bürstengeräte aus dem Stand der Technik, zB aus der deutschen Offenlegungsschrift 44 12 986, bekannt (Streitpatentschrift Sp 1 Z 9 - 34) und werden insbesondere zur Reinigung von Teppichböden verwendet. Die beim Betrieb des Bürstengerätes aufgenommenen Teile wie Haare oder Fäden können zu Störungen im Bereich zwischen dem Aufnahmeteil, das die Antriebswelle führt, und den rotierenden Bürsten führen. Um ein Eindringen dieser Teile zu verhindern, sind Ausbildungen bekannt, die ein Überdecken des kritischen Bereiches durch ein feststehendes Bodenblech vorsehen. Das dadurch gebildete Labyrinth soll das Eindringen unerwünschter Teile unterbinden.
2. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe des Streitpatents, ein motorangetriebenes Bürstengerät anzugeben, das sich durch eine hohe Funktionssicherheit auszeichnet (Streitpatentschrift Sp 1 Z 34 - 39).
3. Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 ein motorangetriebenes Bürstengerät 1. mit einem Bürstenteil, 1.1. das auf einem Aufnahmeteil aufgesteckt ist, 1.1.1. welches eine Antriebswelle führt, 1.2. das rotierbar ist, 1.3. das in einem Vertikalschnitt durch die Achse der Antriebswelle innenseitigin Überdeckung zu einem feststehenden Bodenblech ist, 1.4. an dem weiter nach innen ein stufenartiger Rücksprung ausgebildet ist, 1.4.1. der gleichfalls in einem Vertikalschnitt durch die Achse der Antriebswelle in Überdeckung zu einem Festteil ist, 1.4.1.1. das als Vorsprung des Aufnahmeteils ausgebildet ist, 1.4.1.1.1. der das innenseitige Bürstenteilende übergreift.
II.
1. Das motorangetriebene Bürstengerät nach Anspruch 1 des Streitpatents beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann - einen mit der Entwicklung von Bodenstaubsaugern und Zubehör befassten Maschinenbauingenieur - am Prioritätstag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.
In der deutschen Offenlegungsschrift 44 12 986 (D1), die nach Angabe der Patentinhaberin den Stand der Technik offenbart, der als Ausgangspunkt der Lehre des Streitpatents diente, ist ein motorangetriebenes Bürstengerät mit einem als Übersetzungsgehäuse (19) bezeichneten, eine Antriebswelle (17) führenden Aufnahmeteil beschrieben (Fig 3 iVm Sp 7 Z 13 bis 65), von dem zu beiden Seiten koaxial zu den Antriebswellen Zentrierhülsen (24) ausgehen, über die rotierbare Saugbürsten (28) auf das Aufnahmeteil (mit den Zentrierhülsen) aufgesteckt sind. Über einen Mitnehmer (21) der Antriebswelle (17) werden die Bürsten in Rotation versetzt. Die innenseitige bzw aufnahmeteilseitige Stirnfläche des Bürstenteils bildet zumindest bei Rotation mit einer feststehenden Wandfläche des Aufnahmeteils einen Spalt, der stets senkrecht zu einer zu reinigenden Bodenfläche verläuft. Nach den Ausführungen im Streitpatent können in diesen Spalt gelangende Fäden oder Haare, insbesondere bei Geräteteilen aus Kunststoff, aufgrund der bei Rotation der Bürsten entstehenden Reibungswärme zu Verschmelzungen und in Folge sogar zu Zerstörungen des Gerätes führen (StrPS Sp 1 Z 15 bis 25). In D1 nicht dargestellt ist das Merkmal des angefochtenen Anspruchs 1, wonach der Spaltbereich durch ein feststehendes Bodenblech des Bürstengerätes überdeckt wird. Das Streitpatent setzt dies jedoch als der Fachwelt bekannt voraus (StrPS Sp 1 Z 28 bis 34), wie durch Aufnahme dieses Merkmals in den Oberbegriff des Anspruchs 1 zum Ausdruck kommt. Zwischen Bodenblech und Bürstenteil ist ein bodenparalleler Spalt gebildet, den die Fäden oder Haare erst ein Stück durchwandern müssen, bevor sie in den rechtwinklig dazu verlaufenden Spalt zwischen Büstenteil und Aufnahmeteil eindringen können. Die Steitpatentschrift nennt diesen abgewinkelten Spaltverlauf ein erstes Labyrinth.
Hiervon ausgehend lehrt der Anspruch 1 im Kern, die Funktionssicherheit eines derartigen Bürstengerätes durch eine weitere Umlenkung im gesamten Spaltverlauf zu verbessern. Konkret ist im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 vorgeschlagen, an dem innenseitigen Bürstenteilende einen stufenartigen Rücksprung auszubilden, der in Überdeckung zu einem das Bürstenteilende umgreifenden Vorsprung (=Festteil) des Aufnahmeteils ist. Die Spaltstufung soll demgemäß derart gewählt werden, dass das Aufnahmeteil die radial äußere und das drehende Bürstenteilende die radial innere Spaltbegrenzungsfläche am Rücksprung bilden. Die Spaltumlenkung durch den stufenartigen Rücksprung bezeichnet die Streitpatentschrift als zweites Labyrinth, das gemeinsam mit dem ersten Labyrinth eine erhöhte Funktionssicherheit für das Bürstengerät gewährleisten soll (StrPS Sp 1 Z 40 bis 53).
Es kann jedoch keine erfinderische Leistung begründen, eine bekannte Maßnahme zur Nutzung ihrer bekannten Wirkung, nämlich eine Umlenkung eines Spaltes zur Erhöhung seines Durchdringungswiderstandes, mehrfach anzuwenden und - wie hier - einem ersten Labyrinth ein zweites folgen zu lassen. Die zusätzliche konstruktive Vorgabe im Anspruch 1, im Rücksprungbereich des Spalts das Bürstenteilende vom Aufnahmeteil umgreifen zu lassen - statt der Umkehrung, die aber an dem umgelenkten Spaltverlauf nichts grundsätzlich ändert -, trägt nicht erkennbar zur Erhöhung des Durchdringungswiderstandes des umgelenkten Spaltes bei, so dass dieses Merkmal keinen Beitrag zur Problemlösung leistet und deshalb eine erfinderische Tätigkeit nicht stützen kann. Zudem regt bereits die US-Patentschrift 5 435 038 (D3) dazu an, das Eindringen von Fäden in die Lagerung von rotierbaren Bürstenteilen bei Staubsaugern durch mehrfache Umlenkung bzw stufige Formung der zwischen rotierenden Bürstenteilen und feststehenden Lagergehäusewänden gebildeten Spalte zu erschweren. Wie beispielsweise der Figur 5 zu entnehmen ist, muss ein Faden, der in den senkrecht zum Boden verlaufenden Spalt zwischen der Stirnfläche des Bürstenteils (120) und der Gehäusewand (100) gerät, zwei in Richtung der Bürstendrehachse liegende, d.h. zwei in Reihe angeordnete Spalt-Rücksprünge zwischen einem das Lager aufnehmenden, an der Gehäusewand (100) festgelegten Bauteil (end cap 190) und dem Bürstenteil (120) passieren, ehe er in das Lager (80 nach Fig 6) selbst gelangt und dessen Funktion ggf beeinträchtigen kann. Die mehrstufige Spaltgestaltung zum Schutz von Lagern oder vergleichbar gefährdeten Teilen wie Antrieben in Bürstengeräten lag somit schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents im Griffbereich des Fachmannes.
2. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 durch die Einfügung der Wortfolge "radial nach innen gebildeter," vor dem Begriff "stufenartiger Rücksprung (28)" (Streitpatentschrift Sp 8 Z 30) und durch Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers in der letzten Zeile des Anspruchs. Das eingefügte Merkmal ändert nichts an dem Sachverhalt, den der Fachmann dem erteilten Anspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung entnimmt. Die vorstehenden Ausführungen zum erteilten Anspruch 1 gelten daher in gleicher Weise für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2, der somit ebenfalls nicht patentfähig ist.
3. Der Anspruch 2, gemäß welchem das Festteil bzw der Vorsprung als Element eines die Antriebswelle aufnehmenden Getriebekastens ausgebildet ist, beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Da in D1 das Aufnahmeteil als Übersetzungsgehäuse/Übertragungsgehäuse (19) bezeichnet ist (ua Sp 7 Z 5 u 6, 20) und der Fachmann darunter ebenfalls ein Getriebegehäuse versteht, führt dieses Merkmal nicht über das hinaus, was schon aus D1 bekannt ist.
4. Der Anspruch 3, der den Gegenständen nach den erteilten Ansprüchen 1 oder 2 das Merkmal hinzufügt, dass das Bürstenteilende im wesentlichen freifliegend in dem Vorsprung des Aufnahmeteils aufgenommen ist, vermag ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen. Diesem Merkmal liegt der Gedanke zugrunde, beim Rotieren der Bürsten eine offensichtlich nachteilige Kontaktreibung zwischen dem Bürstenteilende und dem es umgreifenden Vorsprung des Aufnahmeteils zu vermeiden. Da bereits beim aus D1 bekannten Bürstengerät die Bürstenenden innenseitig frei um die feststehenden Zentrierhülsen sowie stirnseitig frei am Übertragungsgehäuse rotierbar angeordnet sind, kann es keine erfinderische Leistung mehr begründen, einen an das Aufnahmeteil angefügten und das Bürstenteilende umgreifenden Vorsprung ebenfalls ohne Reibkontakt zum Bürstenteil anzuordnen.
5. Der Senat konnte jedoch nicht feststellen, daß der Gegenstand des Anspruchs 4 nicht patentfähig ist, soweit er unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogen ist.
Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 4 ist darauf gerichtet, einen Zwischenraum zwischen einem Getriebekasten und dem diesen überdeckenden Zylinderkörper des Bürstenteils auszubilden, der sich von innen nach außen vergrößert, mithin von der Labyrinthseite ausgehend in Richtung des freien Endes des Getriebekastens bzw in Vordringrichtung der Fäden oder Haare zunimmt (StrPS Sp 2 Z 26 bis 39). In diesem Zwischenraum sollen die durch beide Labyrinthe eingedrungenen Haare oder Fäden kontrolliert aufgenommen, beispielsweise innerhalb der Austauschzeit der Bürsten infolge Abnutzung gesammelt und dadurch Störfälle innerhalb der Lebensdauer der Bürsten vermieden werden (StrPS Sp 2 Z 39 bis 53).
a) Die Kombination der Merkmale eines nicht die Merkmale des Anspruchs 2 einschließenden Anspruchs 4 lässt offen, in welchem Zusammenhang der Getriebekasten gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 4 mit den übrigen Merkmalen steht. Sie ergibt somit keine nacharbeitbare Lehre zum technischen Handeln und ist daher nicht schutzfähig. Erst der Anspruch 2 schließt die Vollständigkeitslücke, indem dort angegeben ist, daß der Vorsprung des Aufnahmeteils (Anspruch 1) als Vorsprung eines Getriebekastens ausgebildet ist.
b) Der Gegenstand des zumindest mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogenen Anspruchs 4 ist neu.
Aus den zum Stand der Technik genannten Druckschriften und aus der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung geht kein Bürstengerät hervor, das neben den Merkmalen der zu berücksichtigenden Bezugsansprüche 2 bzw 2 und 3 gemeinsam, auch das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 4 des Streitpatents aufweist.
c) Der Senat konnte nicht feststellen, dass der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des zumindest mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogenen Anspruchs 4 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Das Übersetzungsgehäuse bzw Übertragungsgehäuse (19) mit den beidseitig von ihm ausgehenden Zentrierhülsen (24) und die auf letztere aufgesteckten rotierbaren Saugbürsten (28) bei dem Bürstengerät nach der nächstkommenden Entgegenhaltung D1 (Fig 3) bilden eine Anordnung, die insoweit vergleichbar ist mit der nach Anspruch 4, als das Übersetzungsgehäuse und die mit ihm verbundenen Zentrierhülsen dem streitgegenständlichen Getriebekasten entsprechen und zwischen der zylindrischen Innenwand der Bürsten und der zylindrischen Mantelfläche der Zentrierhülsen ein Zwischenraum existiert. Ein Anhaltspunkt für die Gestaltung des ringzylindrischen Zwischenraums mit in Richtung auf das Zentrierhülsenende hin zunehmendem Querschnitt ergibt sich aus D1 jedoch nicht.
In der US-Patentschrift 4 847 944 (D2) ist eine Schutzeinrichtung gegen das Eindringen von Fäden und sonstigen Schmutzteilen in die Lager von rotierbaren Bürsten an Staubsaugern beschrieben. Sie besteht aus einem Fadenschutzteil (thread guard 36), das kappenartig ein ein Gleitlager im Inneren aufnehmendes Bürstenende von der Stirnseite her umgreift und am die Drehachse für die Bürste bildenden Schaft (18) befestigt ist (Fig 2 iVm Sp 2 Z 49-64, Sp 3 Z 5-33). Das Ende (44) des zylindrischen Mantels (skirt 43) des Fadenschutzteils ist nach innen eingezogen und liegt unter Kontakthaltung (zero clearance fit) am Außenmantel des Bürstenteils an, so dass ein Eindringen von die Lagerfunktion gefährdenden Stoffen weitestgehend verhindert ist (Sp 3 Z 34-46). Gegebenenfalls dennoch zwischen Fadenschutz und Bürstenrolle eindringende Haare oder Fäden müssen ebenfalls zwei Spaltumlenkungen überwinden (Fig 2), um anschließend unmittelbar vor das Lager in einen nur sehr kurzen Zwischenraum zu gelangen, der sich zum einen in Vordringrichtung der Schmutzteile nicht vergrößert und zum anderen wegen seiner Kürze und Nähe zum Lager nicht als Sammler für die Haare oder Fäden geeignet ist. Die Entgegenhaltung liefert auch keine Hinweise in Richtung auf die streitpatentgemäße Zwischenraumgestaltung.
Eine der D2 ähnliche kappenartige Fadenschutzeinrichtung für Lager an rotierbaren Bürsten von Staubsaugern offenbart auch die US-Patentschrift 5 435 038 (D3). Zwischen feststehenden Gehäuseteilen und den Enden rotierbarer Büstenteile sind mehrfach umgelenkte Spalte gebildet, die das Vordringen der Fäden oder Haare in die Lager erschweren sollen (Fig 1 iVm Sp 5 Z 56 - Sp 6 Z 19, Fig 5 iVm Sp 9 Z 42-55). Zur weiteren Abdichtung des Lagers gegen Schmutzanfall ist eine Filzscheibe (felt washer 60) zwischen schräg angefasten Flanschenenden (94, 194) und dem stirnseitigen Ende des rotierbaren Bürstenteils vorgesehen (Sp 4 Z 6-11, Sp 5 Z 65-68), die unter Belassung eines Spaltes allerdings entfallen kann (Sp 5 Z 68 - Sp 6 Z 2). Für diesen Fall sieht die Klägerin auch hier eine Zwischenraumvergrößerung als verwirklicht an, wenn man die Fase am Ringflanschende berücksichtigt. Eine derartige Zwischenraumvergrößerung verliefe aber quer zu der beim Streitpatent und würde daher eine vom Streitpatent abweichende Lösung darstellen. Soweit es um das Sammeln von Haaren, Fäden und dgl geht, zielt die D3 überdies in eine andere gedankliche Richtung. Das Sammeln der Fäden oder Haare erfolgt hier schon vor Eintritt in die stufenartigen Spaltbereiche, indem die feststehende Endkappe (190) als Aufwickeleinrichtung für diese ausgebildet ist, nämlich mit einer zylindrischen Wickelfläche (spool portion 197) und einem seitlichen Kragen oder Flansch (198) im Eintrittsbereich des ersten Spaltabschnittes (Fig 5 u 6 iVm Sp 9 Z 43-55).
Das an Hand von Fotos (D4) und einer Skizze (D4 NK8) dokumentierte Büstengerät einer geltend gemachten Vorbenutzung lässt nur in der Skizze einen Zwischenraum zwischen einem drehbaren Bürstenteil (1) und einer Führungshülse (J) eines Lagers erkennen. Diese Hülse ist am vordersten Ende eingezogen, vermutlich zur leichteren Einführung in den Ringflansch des Bürstenteiles (Fig 4). Der Fachmann konnte ohne Kenntnis der Erfindung aus den Unterlagen von D4 nicht die erfindungsgemäße Maßnahme herleiten, einen langgestreckten Zwischenraum zwischen einem Bürstenteil und einem von diesem umschlossenen Getriebekasten gezielt von innen nach außen zu vergrößern, um darin ein Sammeln der Haare und Fäden zu bewirken und gleichzeitig das Weiterwandern derselben in die nachfolgenden und zu schützenden Antriebsteile zu unterbinden. Entgegenstehendes hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr geltend gemacht.
Die deutsche Gebrauchsmusterschrift 7 018 880 beschreibt eine Teppichkehrmaschine mit einer über einen Riementrieb elektromotorisch angetriebenen Bürstenwalze (10) (S 1), die zweifach gelagert ist (Fig 6). Die Lager (30) sind in Platten (31) am Gehäuse verstellbar gehalten (S 9 leAbs u Fig 6). Sie sind zwischen zwei, durch einen im Lager drehbar aufgenommenen Schaft verbundenen Bürstenwalzenteilen angeordnet. Die durch die Lager gebildeten Radialspalte zwischen den Stirnseiten der Walzenteile und den Lagerplatten (31) sind durch am Umfang der Mantelfläche der Bürstenwalze verlaufende Ringflansche abgedeckt, so dass ein gewisser Schutz gegen Eindringen von Schmutz in die Lager gewährleistet ist (Fig 7). Der Fachmann erkennt aus der gezeigten Anordnung (Fig 7), dass von den Bürsten aufgenommene Fäden oder Haare auch hier mehrere Spaltumlenkungen durchlaufen müssen, ehe sie in die Lager gelangen und Störungen verursachen können. Eine Zwischenraumgestaltung im Sinne der Lehre des Anspruchs 4 des Streitpatents kann er dieser Darstellung aber nicht entnehmen, denn jeder Spaltabschnitt vor dem Lager besitzt entlang seiner Erstreckungs- bzw Durchdringungsrichtung einen gleichbleibenden Querschnitt.
Die übrigen Entgegenhaltungen (D6 bis D10) kommen dem Gegenstand des Anspruchs 4 nach Streitpatent nicht näher als die vorstehend gewürdigten Entgegenhaltungen. Die Klägerin hatte sie auch nur zum Nachweis des Bekanntseins von Spalte abdeckenden Bodenblechen bei Bodenpflegegeräten genannt.
Nachdem die Entgegenhaltungen weder einzeln noch in Zusammenschau dem Fachmann die Lehre des auf zumindest Anspruch 2 rückbezogenen Anspruchs 4 nach Streitpatent am Prioritätstag nahezulegen vermochten und diese Lehre sich auch nicht ohne weiteres aus dem Fachwissen und routinemäßigen Könnens des Fachmannes ergibt, ist sie als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend zu werten.
6. Die Patentansprüche 5 und 8, soweit angegriffen und auf den rechtsbeständigen Patentanspruch 4 direkt oder indirekt zurückbezogen, sind ebenfalls rechtsbeständig, da die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände von jener des Gegenstandes des rechtsbeständigen Patentanspruchs 4 mitgetragen wird. Dagegen sind die Gegenstände der Patentansprüche 5 und 8, soweit nicht zumindest mittelbar auf Anspruch 2 rückbezogen, mangels Nacharbeitbarkeit ihrer Lehren nicht schutzfähig, wie unter 5.a) erläutert ist.
7. Die nach den Hilfsanträge Ia und II bis IV beanspruchten Gegenstände bleiben hinsichtlich ihres Schutzumfanges hinter dem der patentfähigen Gegenstände nach Hauptantrag zurück, so dass sich ein Eingehen auf sie erübrigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 PatG iVm § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 21.01.2003
Az: 3 Ni 51/01
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