Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 9. Oktober 1996
Aktenzeichen: A 14 S 1399/96

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 09.10.1996, Az.: A 14 S 1399/96)

1. Die Kenntnisnahme und die Erörterung des Inhalts vorgelegter ausländischer Urkunden in der mündlichen Verhandlung in Asylsachen stellt keine Beweisaufnahme dar. Zur Frage, inwieweit bei der Prüfung der Echtheit ausländischer Urkunden eine Beweisgebühr entsteht.

Gründe

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht die geltend gemachte Beweisgebühr (vgl § 31 Abs 1 Nr 3 iVm § 121 BRAGO) abgesetzt. Entgegen der Auffassung der Kläger ließen die Vorlage der angeblich vom Amtsgericht Vitina ausgestellten Ladung vom 07.10.1994 sowie einer Urkunde vom 13.03.1994, deren Kenntnisnahme durch den Senat und die Erörterung des Inhalts der Urkunden in der mündlichen Verhandlung keine Beweisgebühr nach § 31 Abs 1 Nr 3 BRAGO entstehen. Insbesondere kann darin keine Augenscheineinnahme iSv § 371 ZPO gesehen werden (vgl Zöller, Kommentar zu ZPO, 19. Aufl, § 371 RdNr 2). Die Entstehung einer Beweisgebühr hinsichtlich Urkunden ist in § 34 BRAGO geregelt. Nach § 34 Abs 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Beweisgebühr nicht, wenn die Beweisaufnahme lediglich in der Vorlegung der in den Händen des Beweisführers oder des Gegners befindlichen Urkunden besteht. Nach allgemeiner Meinung entsteht eine Beweisgebühr insbesondere auch nicht dadurch, daß das Gericht in die Urkunden Einsicht nimmt oder daß die Urkunden in der mündlichen Verhandlung vorgetragen werden. Denn ohne Kenntnis ihres Inhalts kann das Gericht die Urkunden nicht zu Beweiszwecken verwerten (vgl Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 12. Aufl, § 34, RdNr 2; Riedel/Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 7. Aufl, § 31 RdNr 121 f; OLG Frankfurt, Beschluß vom 10.05.1979 - JurBüro 1979, 1832). Andernfalls ergäbe sich für § 34 BRAGO kein sinnvoller Geltungsbereich (vgl OLG Frankfurt, Beschluß vom 10.05.1979, aaO). Eine Beweisaufnahme kann vorliegend auch nicht darin gesehen werden, daß der Senat die Urkunden in der mündlichen Verhandlung hat übersetzen lassen. Denn auch diese Übersetzung hat nur dazu gedient, sich Kenntnis vom Inhalt der Urkunden zu verschaffen (vgl hierzu Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO, § 34 RdNr 10). Soweit in Literatur und Rechtsprechung (vgl Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO, § 34 RdNr 2; Riedel/Sußbauer, aaO, § 31 RdNr 108, 122; OLG Frankfurt, Beschluß vom 10.05.1979, aaO) zum Teil die Einschränkung gemacht wird, § 34 Abs 1 BRAGO gelte für den Vorgang der Einsichtnahme und Verwertung zu Beweiszwecken dann nicht, wenn über die Echtheit der Urkunde gestritten wird, hat dies nach Auffassung des Senats nicht zur Folge, daß in jedem Falle, in dem die Echtheit einer Urkunde in Frage steht, eine Beweisgebühr entsteht. Aus § 34 Abs 1 BRAGO ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine derart einschränkende Auslegung. Es muß vielmehr zwischen dem Vorgang der Kenntnisnahme des Inhalts, die im Regelfall visuell, dh durch "Inaugenscheinnahme" erfolgen wird, und der Erörterung dieses Inhalts mit den Beteiligten einerseits sowie dem unter Umständen erforderlichen Vorgang der Prüfung der Echtheit der Urkunde andererseits unterschieden werden. Hierbei gilt, daß das Gericht die Frage der Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden nach den Umständen des Falles zu ermessen hat (§ 438 Abs 1 ZPO). Zur Frage der Echtheit kann eine Beweiserhebung mit allen nach der Prozeßordnung zugelassenen Beweismitteln in Betracht kommen, wie dem Augenschein, der Vernehmung von Zeugen, der Einschaltung eines Sachverständigen oder der Einholung einer amtlichen Auskunft (vgl Riedel/Sußbauer, aaO, § 31 RdNr 122; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO, § 34 RdNr 10). Nur wenn eine solche Beweiserhebung stattgefunden hat, entsteht die Beweisgebühr auch im Falle des § 34 Abs 1 BRAGO. Eine Beweisaufnahme durch Augenschein kann in diesem Zusammenhang etwa dann vorliegen, wenn sich die Betrachtung der Urkunde durch das Gericht über die Kenntnisnahme des Inhalts hinausgehend auf den spezifischen Zustand der Urkunde bezieht und hieraus zu Beweiszwecken Schlußfolgerungen gezogen werden. Dies ist jedoch vorliegend ersichtlich nicht geschehen. Vielmehr wurde lediglich - unter Verwertung der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel - auf der Grundlage des § 438 Abs 1 ZPO entschieden, daß die Urkunden nicht als echt angesehen werden können. Die Verwertung dieser Erkenntnismittel löst jedoch, wie bereits im Vergütungsfestsetzungsbeschluß zutreffend ausgeführt wurde, keine Beweisgebühr aus (vgl hierzu Senatsbeschluß vom 05.03.1996 - A 14 S 2458/94).






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 09.10.1996
Az: A 14 S 1399/96


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