Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 31. Mai 2002
Aktenzeichen: AnwZ (B) 3/01

(BGH: Beschluss v. 31.05.2002, Az.: AnwZ (B) 3/01)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofes vom 3. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51.129,19 Euro (100.000,-- DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1980 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Verfügung vom 24. Februar 2000 hat die Antragsgegnerin die Zulassung wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, die er mit einem im mündlichen Termin überreichten Schriftsatz begründet hat. Dem Antragsteller ist daraufhin aufgegeben worden, a) eine aktuelle Vermögensübersicht (mit den aktuellen Belastungen des Grundvermögens) und einen Liquiditätsplan, b) die Überschußrechnungen für seine Mietshäuser sowie seiner sonstigen Einkünfte (Praxisgewinn, Zinseinkünfte) für die Jahre 1999 und 2000, c) die Titel des Finanzamts und etwaige Absprachen hinsichtlich des Erlasses der Säumniszuschläge (Schriftsatz vom 13.12.2001 zu 3.1.), vorzulegen und zu belegen. Mit einer anschließenden Entscheidung im schriftlichen Verfahren hat sich der Antragsteller einverstanden erklärt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete schlechte Vermögensverhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen.

1. Aufgrund der Vielzahl der gegen den Antragsteller -in der Widerrufsverfügung im einzelnen aufgeführten -titulierten Forderungen und Vollstrekkungsverfahren ist die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof mit Recht davon ausgegangen, daß der Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten war. Nachdem 1998 gegen den Antragsteller in 80 Verfahren die Zwangsvollstreckung betrieben, von dem Widerruf seiner Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO aber nach deren Erledigung abgesehen worden war, waren bei Erlaß der Widerrufsverfügung unter anderem 18 Vollstreckungsverfahren anhängig. Auch diese Verfahren waren zwar zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof weitgehend durch Zahlung erledigt. Vielfach hat der Antragsteller jedoch erst am 23. Mai 2000 gezahlt, ersichtlich - wie sich aus der Gleichzeitigkeit seines letzten schriftsätzlichen Sachvortrags vor dem Anwaltsgerichtshof ergibt unter dem Druck des Widerrufsverfahrens, so daß die Vermutung einer bloßen Umschuldung nahe liegt. Dafür spricht auch, daß während des laufenden Beschwerdeverfahrens weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller bekannt geworden sind, auf die unter 2) noch einzugehen ist. Nur beispielsweise ist anzuführen, daß der Antragsteller etwa durch Versäumnisurteil vom 5. Oktober 2000 ausgeurteilte Beträge über 8.550,--DM nebst Zinsen und durch Beschluß vom 22. November 2000 -im gleichen Verfahren - festgesetzte Kosten über 2.107,10 DM erst im März 2002 gezahlt hat. Die Volksbank O. eG hat mit Schreiben vom 7. August 2001 mitgeteilt, daß der Antragsteller nicht über pfändbare Kontenguthaben verfüge und Vorpfändungen vorlägen. Unter diesen Umständen wird die Annahme des Vermögensverfalls zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß er Eigentümer verschiedener allerdings belasteter Grundstücke war und -wie er vorgetragen hat -eine mit 12 % zu verzinsende Darlehnsforderung inne hatte. Daß gegen den Antragsteller seit Jahren immer wieder Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden mußten, läßt den Schluß zu, daß er dauerhaft nicht über die erforderlichen liquiden Mittel zur Bedienung seiner Verbindlichkeiten verfügte und eine Verwertung seiner Vermögenswerte nicht ohne weiteres möglich war und zur Deckung seiner Verbindlichkeiten geführt hätte.

Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall, in dem ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet gewesen wären, lagen nicht vor. Ob ein Rückgriff auf die Vermögenswerte des Antragstellers bei Pfändung eingehender Fremdgelder ohne weiteres möglich und erfolgversprechend gewesen wäre, erscheint nicht gesichert.

2. Obwohl grundsätzlich der Zeitpunkt der Widerrufsverfügung maßgeblich ist, kann im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch berücksichtigt werden, wenn der Widerrufsgrund zweifelsfrei weggefallen ist (BGHZ 75, 356; st. Rspr.). Eine solche zwischenzeitlich erfolgte zweifelsfreie Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht nachgewiesen. Die Auflagen des Senats hat er nur teilweise erfüllt:

So hat er zwar für seinen gegenwärtigen Grundbesitz in G.

(H. straße 13, 15, 15a, 17 und 19) ein Wertgutachten aus dem Jahre 1995 über 2.560.000,-- DM vorgelegt und dinglich gesicherte Darlehnsverbindlichkeiten bei der Volksbank O. eG in Höhe von 383.683,44 Euro und der Allgemeinen Hypothekenbank R. in Höhe von 136.880,86 Euro (Stand jeweils 28. Februar 2002) nachgewiesen. Für die eingetragenen Zwangssicherungshypotheken des Finanzamts hat er Steuerschulden (u. a. Einkommensteuer 1998, 2000, 2001, Umsatzsteuer 2000 und 2001, Lohnsteuer November und Dezember 2001, Januar und Februar 2002) in Höhe von 39.292,15 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 6.850,90 Euro), die laut Stundungsverfügung des Finanzamts vom 27. März 2002 beginnend ab 15. April 2002 bis zum 15. Dezember 2002 zu tilgen sind, belegt. Soweit eingetragene Belastungen nach den Angaben des Antragstellers nicht mehr valutieren, sind aber Grundschuldbriefe nur teilweise vorgelegt worden. Auch Nachweise für Zusagen über den Erlaß der Säumniszuschläge hat der Antragsteller nicht erbracht.

Die vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszüge für seine Konten bei den Volksbanken O. eG und M. eG vom 14. März 2002 bzw.

23. März 2002 weisen zwar Guthaben auf, dabei bleibt aber offen, ob die Konten dauerhaft im Haben geführt werden.

Nach den vorgelegten Steuerbescheiden für 1999 und 2000 hat der Antragsteller über Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung verfügt. Dabei ist aber zu bedenken, daß der Antragsteller neben den allein steuerlich zu berücksichtigenden Schuldzinsen auch Tilgungsleistungen zu erbringen haben wird. Für die anwaltliche Tätigkeit ist jeweils ein Verlust errechnet worden. Soweit der Antragsteller für 2001 insoweit einen Überschuß von ca. 77.000 DM ermittelt hat, ist die von ihm selbst erstellte EinnahmeÜberschußrechnung nicht in allen Punkten nachvollziehbar (beispielsweise hinsichtlich der betrieblichen Aufwendungen für die D. -Bank).

Für die von der Antragsgegnerin während des Beschwerdeverfahrens aufgeführten weiteren Verbindlichkeiten, die wiederum zu Vollstreckungsmaßnahmen geführt haben, hat der Antragsteller zwar zum größten Teil Zahlungen belegt, es fehlt aber u. a. an Nachweisen für Zahlungen auf Forderungen in Sachen K. , W. und V. aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts W. vom 12. November 2001 in Höhe von 1.766,52 Euro (VU Amtsgericht W. vom 11.1.2002

) -die eingereichten Quittungen beziehen sich auf andere Titel -, auf Forderungen in Sachen B. aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts K. vom 20. März 2001 über 510,25 DM und 2.345,20 DM (64 M und 64 M ) und auf Forderungen der Krankenversicherung AG aufgrund des Vollstrekkungsbescheids des Amtsgerichts E. vom 31. Juli 2001 über 5.221,82 DM (AZ. 01548582308). Unklarheiten bestehen auch hinsichtlich der Zahlungen in Sachen Dr. P. . Die vorgelegte Quittung bezieht sich auf ein Urteilsaktenzeichen (14 O ), das nicht mit dem von der Antragsgegnerin angegebenen Aktenzeichen (14 O ) übereinstimmt.

Da die Berücksichtigung des nachträglichen Wegfalls des Vermögensverfalls im Beschwerdevefahren nur dazu dienen soll, eine Verdoppelung des Verfahrens bei ansonsten zweifelsfrei gegebenen Voraussetzungen für eine sofortige neue Zulassung zu vermeiden, kommen weitere Ermittlungen im Beschwerdeverfahren nicht in Betracht. Der Antragsteller wird ggfs. im Zulassungsverfahren die verbleibenden Zweifel und Unsicherheiten im Hinblick auf seine Vermögensverhältnisse auszuräumen haben.

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BGH:
Beschluss v. 31.05.2002
Az: AnwZ (B) 3/01


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