Verwaltungsgericht Gelsenkirchen:
Beschluss vom 16. April 2009
Aktenzeichen: 14 K 1725/09
(VG Gelsenkirchen: Beschluss v. 16.04.2009, Az.: 14 K 1725/09)
1. Óber die Anhörungsrüge entscheidet das Gericht in der Besetzung, in
der die angegriffene Entscheidung getroffen wurde (hier Berichterstatter).
2. Wird ein Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, stellt
es keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar, wenn der Berichterstatter die
Kostenenscheidung sechs Werktage nach der Verfügung trifft, mit der die sich
anschließende Erledigungserklärung des Beklagten dem Klägerbevollmächtigten zur
Kenntnis zugeleitet wurde.
Tenor
Die Anhörungsrüge wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Kläger hat am 20. Februar 2009 als sich in eigener Sache vertretender Rechtsanwalt Klage (14 K 812/09) gegen "alle nachgenannten Verwaltungsakte im Zusammenhang mit der Zwangsstillegung meines Pkw" erhoben und gleichzeitig als Folgenbeseitigungsanspruch die ihm entstandenen Kosten für die Wiederzulassung seines Pkw geltend gemacht. Mit der Klage solle allein der Eintritt der Bestandskraft der Verfügungen verhindert werden. Der Beklagte habe den Anspruch bis heute nicht anerkannt, vielmehr den Vorgang dem Rechtsamt vorgelegt. Die Zulassungsstelle weise den eingeforderten Betrag nicht an und erwarte von ihm, dass er das Geld bei der Zulassungsstelle abhole. Der Klageschrift fügte er als Anlage den zwischen ihm und dem Beklagten entstandenen Schriftwechsel bei.
Er erklärte mit Schriftsatz vom 3. März 2009 den Rechtsstreit unter Hinweis darauf, dass der Beklagte nach Klageerhebung angekündigt habe den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch zu erfüllen und den geltend gemachten Betrag inzwischen auch gezahlt habe, für in der Hauptsache erledigt und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.
Der Beklagte schloss sich mit Schriftsatz vom 13. März 2009, bei Gericht am 19. März 2009 eingegangen, der Erledigungserklärung an und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, hilfsweise, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Zur Begründung des Antrags legte er dar, dass die Klage nach seiner Auffassung unzulässig sei und trat der Sachverhaltsdarstellung des Klägers in der Klageschrift entgegen. Gleichzeitig fügte er den Verwaltungsvorgang bei.
Dieser Schriftsatz wurde dem Kläger durch Verfügung des Gerichts vom 19. März 2009 zur Kenntnis zugeleitet.
Durch Beschluss vom 30. März 2009 entschied das erkennende Gericht durch den Berichterstatter, die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den den Beteiligten bekannten Beschluss Bezug genommen.
Am 14. April 2009 hat der Kläger Anhörungsrüge erhoben.
Zur Begründung macht er geltend, der Beschluss vom 30. März 2009 sei überraschend gewesen und unter Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör zustandegekommen, weil die Kammer vor der Entscheidung nicht seine zu erwartende Rückäußerung zu dem Schriftsatz des Beklagten vom 13. März 2009 abgewartet habe. Die Notwendigkeit seiner Anhörung habe sich der Kammer aufgrund des Inhalts des Beklagtenschriftsatzes aufdrängen müssen. Er habe sich vom 14. bis 28. März in Urlaub befunden. Der zusätzliche, nunmehr im Rahmen der Anhörungsrüge dargestellte Sachvortrag habe wegen Arbeitsüberlastung in den ersten beiden Diensttagen nach seinem Urlaub nicht früher erfolgen können.
Er bittet um eine erneute Beschlussfassung über die Kosten, und zwar durch die Kammer und nicht erneut durch den Einzelrichter (Richter am Verwaltungsgericht C.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, auch des Verfahrens 14 K 812/09 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
Nach § 152a Abs. 1 VwGO ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten (wie hier des Klägers) das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Über die Anhörungsrüge befindet der iudex a quo. Dies folgt einerseits daraus, dass der Gesetzgeber in § 152a VwGO keine von den generellen Vorschriften der VwGO zur Besetzung des Gerichts abweichenden Bestimmungen getroffen hat. Des weiteren dient die Entscheidung nach § 152a VwGO der Selbstkorrektur des Gerichts. Es liegt daher nahe, dass das Gericht in der gleichen Besetzung über die Anhörungsrüge entscheidet, wie bei der beanstandeten Entscheidung.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17/07 -, Juris; Guckelberger in Sodan / Ziekow, VwGO § 152a Rdnr. 30, m.w.N.; Kaufmann in Posser / Wolff, VwGO § 152a Rdnr. 15; Bader in Bader / Funke-Kaiser / Kuntze / von Albedyll, VwGO § 152a Rdnr. 11.
Da für die angegriffene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3, 1. Halbsatz VwGO der Berichterstatter zuständig ist, hat nicht die Kammer über die Anhörungsrüge zu entscheiden, sondern der für die Kostenentscheidung kraft Gesetzes allein zuständige Berichterstatter.
Da die Anhörungsrüge - wie bereits ausgeführt - der Selbstkorrektur des Gerichts dient, ist seine Befassung mit der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern sogar ausdrücklich vorgesehen.
Unabhängig davon, dass eine Richterablehnung in diesem Verfahrensstadium unzulässig ist,
Vgl. die oben genannten Kommentarstellen,
kann vorliegend offen gelassen werden, ob die Bitte des Klägers, nicht erneut durch den namentlich benannten Einzelrichter zu entscheiden, sich auch auf die Entscheidung über die Anhörungsrüge beziehen soll und darüber hinaus als Befangenheitsantrag auszulegen sein könnte, da der zuständige Berichterstatter, Richter am Verwaltungsgericht C., urlaubsbedingt an einer Entscheidung gehindert ist.
Der mit der Anhörungsrüge angegriffene Beschluss der Kammer vom 30. März 2009 ist gemäß § 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar, so dass die Voraussetzungen des § 152a Abs. 1 Nr. 1 VwGO insoweit erfüllt sind.
Jedoch fehlt es bereits daran, dass die Kammer in dem angegriffenen Beschluss den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör im Sinne der Nr. 2 des § 152 a Abs. 1 VwGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Auf die Prüfung eines derartigen Fehlers ist die Entscheidung über die Anhörungsrüge beschränkt.
Soweit sich die Argumentation des Klägers inhaltlich mit der Begründung des Beschlusses vom 30. März 2009 auseinandersetzt und er die Auffassung vertritt, der Beklagte habe die Forderung nicht vor Klageerhebung wirksam anerkannt und damit Anlass zur Klage gegeben, führt dies nicht zum Erfolg der Anhörungsrüge.
Mit diesem Vortrag vertieft und wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein bereits in der Klagebegründung und seiner Erledigungserklärung enthaltenes Vorbringen. Damit sind die Voraussetzungen des § 152a VwGO nicht hinreichend dargelegt, denn er setzt hier lediglich seine rechtliche Bewertung der bereits vor Eintritt der Erledigung vorgetragenen Tatsachen der Wertung des Gerichts in dem Beschluss vom 30. März 2009 entgegen. Der darin enthaltene Vorwurf, die Kostenentscheidung der Kammer durch den zuständigen Berichterstatter sei unzutreffend, ist im Verfahren nach § 152a VwGO jedoch unbeachtlich. Gegenstand der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht allein die Behauptung sein, das Gericht habe aus dem Vortrag der Beteiligten die falschen Schlüsse gezogen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1997 - 6 B 55.96 -, Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 52.
Genau dies macht der Kläger aber mit seiner Argumentation geltend, indem er die Schlussfolgerungen des Berichterstatters angreift. Er wendet sich damit gegen die richterliche Überzeugungsbildung, dies vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kostenentscheidung bereits am 30. März 2009 getroffen wurde.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob sich dem Gericht, wie der Kläger meint, hätte aufdrängen müssen, dass er noch eine Stellungnahme abgeben möchte. Aus der Vorgehensweise des Berichterstatters ist zu entnehmen, dass er die Möglichkeit eines solchen Bedürfnisses des Klägers in Betracht gezogen hat, denn der Berichterstatter hat dem durch sich selbst als Anwalt vertretenen Kläger den Schriftsatz des Beklagten vom 13. März 2009 umgehend am Tage des Eingangs bei Gericht zugeleitet. Diese Übersendung erfolgte zwar nicht mit der ausdrücklichen Bitte um Stellungnahme und unter Fristsetzung. Eine solche Aufforderung ist aber jedenfalls bei einem Rechtsanwalt entbehrlich, da es zu den allgemeinen anwaltlichen Sorgfaltspflichten gehört, gegnerischen Vortrag auf seine Erheblichkeit zu prüfen und gegebenenfalls umgehend darauf zu erwidern.
Zwischen der Verfügung des Berichterstatters vom Donnerstag dem 19. März 2009 und der Kostenentscheidung vom Montag dem 30. März 2009 lagen sechs Arbeitstage und zwei Wochenenden.
Diese Frist ist angesichts des Umstandes, dass es sich vorliegend um eine Kostenentscheidung nach einer beiderseitigen Erklärung der Erledigung der Hauptsache handelt nicht zu kurz bemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht im Fall einer beiderseitigen Erledigungserklärung gemäß § 161 Abs. 2 nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und unter Berücksichtigung der besonderen Kostenregelungen, wie etwa § 155 Abs. 4 VwGO oder § 156 VwGO über die Kosten zu entscheiden hat. Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses. Nach Eingang der Erledigungserklärung vorgelegte weitere Urkunden können zwar berücksichtigt werden, nachdem die übrigen beteiligten Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen. Weitere Ermittlungen oder gar Beweiserhebungen finden jedoch nicht mehr statt.
Vgl. Kopp / Schenke, VwGO § 161 Rdnr. 15ff.
Daraus ist abzuleiten, dass ein in der Hauptsache erledigtes Verfahren, dessen Rechtshängigkeit ipso iure durch den Eintritt der Erledigung endet, nur für die noch ausstehende Kostenentscheidung keinen erheblichen weiteren Aufwand bereiten soll. Dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht.
Es war vorliegend bei der Beschlussfassung durch den Berichterstatter am 30. März 2009 davon auszugehen, dass der Schriftsatz des Beklagten vom 13. März 2009, der dann endgültig zum Eintritt des erledigenden Ereignisses führte, dem Kläger so rechtzeitig zugegangen ist, dass ihm eine Stellungnahme, zumindest aber die Ankündigung einer solchen möglich gewesen wäre. Insbesondere angesichts der nunmehr eingetretenen Erledigung des Rechtsstreits und der sich daraus ergebenden - oben dargestellten - Rechtsfolgen, bestand keine Veranlassung länger abzuwarten ob noch eine weitere Stellungnahme des Klägers eingehen würde.
Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht deshalb erforderlich, weil sich der Kläger in dieser Zeit in Urlaub befand. Dieser Umstand war zum einen für das Gericht nicht zu erkennen, da er dies nicht mitgeteilt hatte. Da der Urlaub des Klägers ausserhalb der Schulferien lag, musste das Gericht diese Möglichkeit auch nicht von vornherein als naheliegend in Betracht ziehen. Zum anderen wäre dies auch unerheblich, da der Kläger in seinem Klageschriftsatz ausdrücklich als Rechtsanwalt aufgetreten ist, der sich in eigener Sache vertritt. Das Gericht durfte daher davon ausgehen, dass er für den Fall einer Ortsabwesenheit Vorkehrungen trifft um gegebenenfalls kurzfristig reagieren zu können und für den Fall einer - wie hier - länger als eine Woche dauernden Urlaubsabwesenheit für eine Vertretung sorgt (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 BRAO).
Unabhängig davon, dass dem Kläger ausreichend Gelegenheit zur Wahrnehmung seines prozessualen Anspruchs auf rechtliches Gehör gegeben wurde, hat die Anhörungsrüge auch deshalb keinen Erfolg, weil sich eine etwaige Gehörsverletzung nicht entscheidungserheblich ausgewirkt hätte.
Wie bereits ausgeführt hat das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO auf der Grundlage des bisherigen Streitstandes, also auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zu entscheiden. Eine Notwendigkeit zur Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs besteht - wie oben bereits ausgeführt - nur dann, wenn nach Eingang der Erledigungserklärung vorgelegte weitere Urkunden oder Dokumente berücksichtigt werden sollen.
Hier hat der Kläger durch seine Erledigungserklärung vom 3. März 2009 den ersten Anlass zur Erledigung des Rechtsstreits gegeben. Angesichts der oben dargestellten Regelung des § 161 Abs. 2 VwGO wäre es dem Kläger als sorgfältig arbeitendem Rechtsanwalt unbenommen gewesen, bereits in diesem Schriftsatz alle seiner Ansicht nach relevanten Umstände vorzutragen, die der Begründung seines Kostenantrags dienen.
Darauf kommt es jedoch nicht an, denn der Kostenbeschluss stützt sich in seiner Begründung tragend auf Umstände, die sich aus den von dem Kläger bereits seinem Klageschriftsatz beigefügten Schriftwechsel ergeben und leitet aus dieser Tatsachengrundlage die Kostenfolge des § 156 VwGO ab. Die Begründung der Kostenentscheidung stellt nur ergänzend auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 13. März 2009 und den zusammen damit durch den Beklagten überreichten Verwaltungsvorgang ab, so dass eine weitere Anhörung des Klägers nicht einmal erforderlich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Gelsenkirchen:
Beschluss v. 16.04.2009
Az: 14 K 1725/09
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