Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 9. November 2010
Aktenzeichen: 10 O 54/10

(LG Bielefeld: Urteil v. 09.11.2010, Az.: 10 O 54/10)

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.178,-- € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2010 zu zahlen.

Die Widerklage und die Drittwiderklage werden abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die zunächst erhobene negative Feststellungsklage des Klägers haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Nunmehr macht der Beklagte gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten Ansprüche aus einer vermeintlichen Verletzung seiner eingetragenen Wort-/Bildmarke geltend.

Der Beklagte betreibt ein Traditionsunternehmen (Conditorei, Café, Confiserie) in W., das seit mehr als 100 Jahren von der Familie I. geführt wird. Seit dem 25.02.2003 ist der Beklagte Inhaber der seit dem 29.11.1976 unter der Registernummer 951807 für Waren der Klasse 3, namentlich für Vollmilchschokoladen-Trüffel eingetragenen Wort-/Bildmarke "Warendorfer Pferdeäppel",

Er erwarb die Marke, die früher mit dem Café Menge in W. verknüpft war, vor sieben Jahren von der Schwester des Drittwiderbeklagten.

Der Beklagte vertreibt die Pralinen über sein Café in W. und seinen Internetshop (www.warendorferpferdeaeppel.de).

Der Kläger betreibt in T. eine traditionsreiche Bäckerei und ein renommiertes Café. Gemeinsam mit dem Drittwiderbeklagten stellt er seit Spätsommer letzten Jahres eine Vollmilchschokoladen-Trüffel-Spezialität unter der Bezeichnung "Warendorfer Pferdeleckerli" her, die er vor allem in der "Pferdestadt" Warendorf und über den Produktkatalog unter www.xxx.de/downloads/pralinenkatalog.pdf vertreibt. Der Drittwiderbeklagte ist Inhaber des sich seit 1692 in Familienbesitz befindlichen, in W. gelegenen Hotels "Im Engel".

Über die mitwirkenden Patentanwälte I. & I. hat der Kläger die Wortmarke "Pferdeleckerli" Nr. 302009002050.7 für die Klasse 30 angemeldet und nutzt für den Vertrieb folgendes Logo:

Mit Beschluss vom 08.03.2010 wies die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamtes in München die Markenanmeldung des Klägers teilweise, nämlich für die Waren "Feine Backwaren und Konditorwaren; Bonbons; Gebäck; Konfekt; Zuckerwaren; Petit fours (Gebäck); Kuchen; Schokolade; Süßwaren; Torten; Waffeln" zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, die Marke bezeichne insoweit lediglich die Beschaffenheit der Waren der Klasse 30 bei der Anmeldung, nämlich für Pferde als eine leckere Zugabe bestimmt und geeignet zu sein. Insoweit fehle der Marke auch die Unterscheidungskraft. Gegen diesen Beschluß ist Erinnerung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Mit anwaltlicher Abmahnung vom 29.09.2009 machte der Beklagte gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten umfassende Unterlassungs-, Auskunfts-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche geltend und forderte den Kläger auf die Markenanmeldung zurückzunehmen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.10.2009 gaben der Kläger und der Drittwiderbeklagte jeweils eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinsichtlich der Verwendung des Zeichen ® im Zusammenhang mit der Benutzung des Kennzeichens "Warendorfer Pferdeleckerli" ab. Ansonsten wiesen der Kläger und der Drittwiderbeklagte die geltend gemachten Ansprüche mit anwaltlicher Stellungnahme vom 08.10.2009 und gegen Abmahnung vom 18.01.2010 unter Beteiligung der Patentanwälte I. & I. zurück.

Der Beklagte teilte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2010 mit, daß er weder die mit Abmahnung vom 29.09. geltend gemachten Ansprüche fallenlassen noch Kosten erstatten werde.

Die Parteien haben die ursprünglich von dem Kläger erhobene negative Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit der noch anhängigen Klage verfolgt der Kläger lediglich die ihm durch die vorgerichtliche Gegenabmahnung entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 3.178,-- € nebst Zinsen.

Der Kläger und der Drittwiderbeklagte meinen, die sich gegenüberstehenden Zeichen - nämlich "Warendorfer Pferdeäppel" auf der einen und "Warendorfer Pferdeleckerli" bzw. "Pferdeleckerli" auf der anderen Seite - für Pralinen etc. seien nicht verwechselungsfähig im Sinne von § 14 II Nr. 2 UWG. Die Marke des Beklagten werde durch den Bestandteil "Äppel" (mit-) geprägt. Zu dem Bestandteil "Leckerli" in dem angegriffenen Zeichen des Klägers bestehe kein bisschen Zeichenähnlichkeit, und zwar weder unter klanglichen noch schriftlichen Gesichtspunkten und schon gar nicht vom Sinngehalt her. Wegen des Nichtbestehens des Hauptanspruches auf Unterlassung bestünden auch die streitgegenständlichen Annexbegehren des Beklagten nicht. Vielmehr habe dieser dem Kläger die Kosten der Gegenabmahnung zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.178,-- € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt darüber hinaus,

den Kläger und den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, im geschäftlichen Verkehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnungen - "Pferdeleckerli" und/oder - "Warendorfer Pferdeleckerli" und/oder für die Waren "Vollmilchschokoladen-Trüffel und sonstige Pralinen" zu nutzen, insbesondere Pralinen unter der vorgenannten Bezeichnung herzustellen, zu besitzen, zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder herzustellen, besitzen, bewerben und/oder vertreiben zu lassen;

den Kläger und den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, dem Beklagten unverzüglich Auskunft zu erteilen über sämtliche von Ziffer 3. umfaßten Verletzungshandlungen, insbesondere unter Angabe der Abnehmer, Lieferanten und Hersteller sowie unter Auflistung der erfolgten Bewerbungen und Verkäufe sowie unter Angabe der Anschaffungskosten, Gewinnmargen und Verkaufspreise;

den Kläger zu verurteilen, die Anmeldung der unter der Registernummer 302009002050.7 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes für die Klasse 30 angemeldete Wortmarke "Pferdeleckerli" zurückzunehmen;

den Kläger und den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, sämtliche unter Verstoß gegen die Ziffer 3. mit den dort genannten Bezeichnungen gekennzeichneten Pralinen zu vernichten und dem Beklagten die Gelegenheit zu geben, die Vernichtung zu überwachen sowie ihm die Vernichtung lückenlos nachzuweisen;

festzustellen, daß der Kläger und der Drittwiderbeklagte verpflichtet sind, dem Beklagten sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die diesem aus den von Ziffer 3. umfaßten Verletzungshandlungen entstanden sind und noch entstehen werden;

den Kläger und den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, dem Beklagten die durch die Einschaltung der B. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in M. entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von jeweils 1.379,80 € netto zu zahlen.

Der Kläger und der Drittwiderbeklagte beantragen,

die Widerklage und die Drittwiderklage abzuweisen.

Der Beklagte meint, zwischen seiner Marke und dem von dem Kläger und dem Drittwiderbeklagten benutzten Zeichen "Warendorfer Pferdeleckerli" bzw. dem Zeichen bestehe unmittelbare Verwechselungsgefahr, zumindest aber mittelbare Verwechselungsgefahr. Dies bestimme sich nach der Auffassung eines durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen Endverbrauchers der Pralinen. Dabei verfüge seine Marke über eine überdurchschnittlich starke Kennzeichnungskraft; der ungewöhnliche Zusammenhang zwischen den geschützten Waren der Klasse 30 Vollmilchschokoladen-Trüffel und der Bezeichnung "Pferdeäppel" mache die Marke besonders einprägsam und unterscheidungskräftig. Neben der Warenidentität seien die Zeichen überdurchschnittlich ähnlich sowohl in klanglicher, schriftbildlicher als auch in begrifflicher Hinsicht. Dabei sei der Gesamteindruck des Zeichens entscheidend. So liege in dem Wortbestanteil "Warendorfer" ein gewisses Qualitätsversprechen und auch ein Hinweis auf die besonderen Eigenschaften der Ware. Die geltend gemachten Ansprüche seien daher begründet. Der Kläger und der Drittwiderbeklagte hätten die dem Beklagten durch die Abmahnung entstandenen Kosten zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, begründet. Dagegen sind die Widerklage und die Drittwiderklage zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

Dem Beklagten steht gegen den Kläger und den Drittwiderbeklagten ein Unterlassungsanspruch aus § 14 II Nr. 2 MarkenG nicht zu. Nach dieser Vorschrift ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Ähnlichkeit der hiervon erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechselungen besteht.

Zugunsten des Beklagten besteht Markenschutz. Er ist Inhaber der deutschen Wort-/Bildmarke 951807 "Warendorfer Pferdeäppel" . Eine irgendwie geartete Erlaubnis zur Nutzung der Marke durch den Kläger und/oder den Widerbeklagten besteht nicht.

Das Vorliegen einer Verwechselungsgefahr vermag die Kammer indes nicht festzustellen. Die Beurteilung der Verwechselungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2008, 258 ff., -Interconnect/T-Interconnect; NJW-RR 2009, 536-Schuhpark). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechselungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EUGH GRUR 2007, 700 Limoncello).

Den beiden Zeichen innewohnenden Bestandteil "Warendorfer" kommt in Bezug auf die hergestellten und vertriebenen Vollmilch-Trüffel-Spezialitäten der Parteien eine lediglich geringe Unterscheidungskraft zu. Es wird schlicht der örtliche Bezug zum Kreis Warendorf hergestellt. Gleiches gilt für den Bestandteil "Pferde", den beide Zeichen aufweisen. Auch dieser Begriff weist eher einen örtlichen Bezug zur dortigen Pferdehaltung auf und spricht insbesondere auch die Freunde des Pferdesports, Teilnehmer und Besucher von Pferdesportveranstaltungen an. Erst durch die Kombination "Pferdeäppel" gewinnt die Marke des Beklagten eine ausreichende individuelle Unterscheidungskraft. Der Begriff der "Pferdeäppel" erweist sich in Bezug auf Vollmilch-Trüffel-Produkte durchaus als ungewöhnlich, originell und einprägsam. Die unter den Zeichen vertriebenen Waren sind nahezu identisch und gehören als Vollmilch-Trüffel-Produkte der Klasse 30 an. Die Zeichenähnlichkeit ist indes nur sehr gering. Zu beachten ist, dass der Begriff "Warendorfer Pferdeäppel" nicht als reine Wortmarke geschützt ist. Die beiden Wortbestandteile "Warendorfer" und "Pferde" sind lediglich beschreibend. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das Zeichen des Klägers und des Drittwiderbeklagten benutzt keine Schreibschrift. Das Etikett ist nicht achteckig mit abgeschrägten Ecken, sondern weist ein rundes Logo auf. Gegenüber der in schwarz/weiß gehaltenen Marke des Beklagten weist das Logo des Klägers und des Drittwiderbeklagten ein buntes Bild mit den Farben gelb, blau, weiß, rot auf. Optisch und gestalterisch sind die beiden Gestaltungen insoweit grundsätzlich verschieden. Auch die isolierten Bezeichnungen "Pferdeleckerli" bzw. "Warendorfer Pferdeleckerli" unterscheiden sich deutlich von dem geschützten Bestandteil "Pferdeäppel". Weder klanglich noch inhaltlich ist abgesehen von dem beschreibenden Bestandteil "Pferde" eine Übereinstimmung gegeben. Mangels Verwechselungsgefahr scheiden markenrechtliche Unterlassungsansprüche aus.

II.

Mangels Verletzung der Marke des Beklagten durch den Kläger und Widerbeklagten scheidet auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß § 19 I MarkenG aus.

III.

Mangels Verletzung der Marke des Beklagten ist darüber der geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der Anmeldung der Wortmarke "Pferdeleckerli" unter der Registernummer 302009002050.7 in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes für die Klasse 30 aus §§ 9 I Nr. 2, 39 I MarkenG nicht begründet.

IV.

Mangels Verletzung der Marke des Beklagten ist der geltend gemachte Vernichtungsanspruch aus § 18 I MarkenG nicht gegeben.

V.

Mangels Verletzung der Marke des Beklagten ist auch die begehrte Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung des Klägers und des Drittwiderbeklagten aus § 14 VI MarkenG nicht begründet.

VI.

Mangels berechtigter Abmahnung sind auch die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht begründet.

VII.

Dem Kläger steht vielmehr aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der anwaltlichen Gegenabmahnung vom 18.01.2010 (Anlage K 8) zu.

Die Gegenabmahnung vom 18.01.2010 war - vor Erhebung der negativen Feststellungsklage - durchaus geboten, da der Beklagte nach seiner Abmahnung vom 29.09.2009 auf die ausführliche anwaltliche Stellungnahme vom 08.10.2009 nicht reagiert hatte, indes selbst keine Klage erhoben hatte.

Die geltend gemachten Anwaltsgebühren sind auch der Höhe nach zutreffend berechnet. Zu den von dem Beklagten zu erstattenden Abmahnkosten gehören auch die Kosten des Patentanwaltes des Klägers entsprechend § 140 III MarkenG (vgl. BGH GRUR 2009, 888 (Thermoroll) für Abmahnkosten. Ein Gegenstandswert von 50.000,-- € ist für geltend gemachte Markenverletzung und deren Abwehr angemessen. Gleiches gilt für die Geschäftsgebühr von 1,5. Dabei sind vor allem der Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen. Ferner wirken sich auch Spezialkenntnisse in einer bestimmten Materie wie vorliegend im Markenrecht gebührenerhöhend aus.

VIII.

Die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten negativen Feststellungsklage des Klägers fallen dem Beklagten gemäß § 91 a I ZPO zur Last, da dieser voraussichtlich im Rechtsstreit unterlegen wäre.

Die weitere Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.






LG Bielefeld:
Urteil v. 09.11.2010
Az: 10 O 54/10


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