Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. November 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 202/04
(BPatG: Beschluss v. 28.11.2007, Az.: 29 W (pat) 202/04)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts für Klasse 9 vom 12. Mai 2004 sowie für Klasse 38 vom 29. Juli 2004 werden aufgehoben soweit die Anmeldung für die folgenden Dienstleistungen in Klasse 42 zurückgewiesen worden ist:
"Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Erstellen technischer Gutachten, technische Beratung, Vermietung von Computer-Software, Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten, Vermittlung und Vermietung von Zugriffsseiten auf Datenbanken."
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke 303 38 268.6 track your kidwurde am 29. Juli 2003 zur Eintragung in das Markenregister für die folgenden Waren und Dienstleistungen angemeldet:
Klasse 9:
"Elektrische, optische, Film-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger;
Klasse 38:
Telekommunikation, Funkdienst, Bereitstellen des Zugriffs auf ein weltweites Computernetzwerk, Bereitstellen von Telekommunikationsverbindungen zu einem weltweiten Computernetzwerk, Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, Bereitstellen des Zugriffs auf Telekommunikationsnetzwerke, elektrische Nachrichtenübermittlung, E-Mail-Dienste, Leitung-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen für die Telekommunikation, Mobil- und Funktelefondienst, Personenrufdienste, Sammeln und Liefern von Nachrichten, Vermietung von Telekommunikationsgeräten;
Klasse 42:
Beratung für die Telekommunikationstechnik, Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen, Computerberatungsdienste, Datensicherung und -speicherung, Datenverwaltung auf Servern, Dienstleistungen einer Datenbank, Dienstleistungen eines EDV-Programmierers, Dienstleistungen von Ingenieuren, EDV-Beratung, elektrische Datenverarbeitung für Dritte, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Erstellen technischer Gutachten, technische Beratung, Vermietung von Computer-Software, Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten, Vermittlung und Vermietung von Zugriffsseiten auf Datenbanken.
Die Anmeldung wurde mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2004 sowie auf die Erinnerung der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 29. Juli 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Deutsche Patent- und Markenamt im Wesentlichen an, bei der angemeldeten Wortfolge handle es sich um die (imperativartige) Aussage "Spüre Dein Kind auf" und stelle damit hinsichtlich sämtlicher verfahrensgegenständlicher Waren und Dienstleistungen mit ihren Schwerpunkten der Elektronik, der Video-, Mess-, Signal-, Ortungs-, Alarm- und Kontrolltechnik sowie des IT- und TK-Sektors lediglich eine plakativsloganartige thematisch im Vordergrund stehende Sachaussage im Hinblick auf die betroffenen Waren und Dienstleistungen dar. Der Aussage "Spüre Dein Kind auf" müsse in der konkret angemeldeten englischen Entsprechung "track your kid" die Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Mai 2004 sowie 29. Juli 2004 aufzuheben.
Zur Begründung weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass dem angemeldeten Zeichen keinerlei beschreibende Bedeutung im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen zukomme. Vielmehr werde die Wortfolge "track your kid" als Herkunftshinweis im Hinblick auf die Beschwerdeführer bzw. deren Firmen am Markt wahrgenommen. Betroffen sei die Ortung von Mobiltelefonen durch technische Auswertung von GSM-Daten, was durch die Wortfolge des angemeldeten Zeichens nicht beschrieben werde.
Für denjenigen Teil des inländischen Verkehrs, der mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht in der Lage sei, die Wortfolge zu übersetzen, stelle sich die Marke als reine Fantasiebezeichnung dar. Der - auch nach Einschätzung der Beschwerdeführer - überwiegende Teil des inländischen Verkehrs, dem die deutsche Bedeutung der englischen Wortfolge "track your kid" bekannt sei, werde aufgrund der bewusst gewählten Imperativform des Zeichens in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen diesem keinen ausschließlich produktbeschreibenden, sondern lediglich einen anpreisenden Charakter entnehmen. Der Bedeutungsinhalt bleibe in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen vage und verschwommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Eintragung der angemeldeten Wortfolge steht für die über die im Tenor aufgeführten Dienstleistungen hinausgehenden Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Von der Eintragung in das Register sind nach dieser Vorschrift Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Diese Vorschrift verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass beschreibende Zeichen oder Angaben von Jedermann, insbesondere den Mitbewerbern des Anmelders frei verwendet werden können, da ihrer Monopolisierung ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit an der ungehinderten Verwendbarkeit entgegen steht (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8, Rn. 176). Dabei erstreckt sich das Schutzhindernis auf alle unmittelbar beschreibenden Zeichen und Angaben und zwar nicht nur auf solche, für die im Verkehr keine alternative Verwendungsmöglichkeit besteht; vielmehr muss den Mitbewerbern die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben und Zeichen erhalten bleiben, unabhängig davon, ob es sich bei der beanspruchten Wortfolge um eine weniger geläufige Bezeichnung oder um die Bezeichnung einer nebensächlichen Eigenschaft einer Ware oder Dienstleistung handelt (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rn. 192). Bei der Beurteilung eines beschreibenden Charakters des Zeichens ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen regelmäßig in der Gesamtform aufnimmt, in der sie ihm entgegen treten und erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, sie begrifflich auf einen beschreibenden Charakter zu analysieren (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rn. 196; EuGH GRUR 2003, 58, Rn. 24 - Companyline; GRUR Int. 2004, 639, Rn. 44 - Dreidimensionale Tablettenform III; BGH GRUR 1995, 269 - U-KEY). Für die Beurteilung des beschreibenden Charakters einer angemeldeten Marke ist in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse im Bereich der betroffenen Waren und Dienstleistungen abzustellen; unerheblich ist hierbei allerdings, ob die fraglichen Zeichen bereits als beschreibende Angabe verwendet werden, was zwar regelmäßig einen Hinweis auf ein entsprechendes Freihaltebedürfnis darstellt, jedoch nicht Voraussetzung für das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rn. 199). Ein Schutzhindernis besteht bereits dann, wenn die Zeichen oder Angaben zur beschreibenden Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen dienen können. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist damit nicht nur die Eintragung von Bezeichnungen als Marke, die im maßgeblichen Verkehr aktuell für die betreffenden Waren und Dienstleistungen als beschreibende Angabe verstanden wird, sondern auch solcher Bezeichnungen verboten, die zukünftig von den Betroffenen als beschreibende Angabe verwendet werden können (EuGH GRUR 1999, 721, Rn. 37 - Chiemsee). Damit setzt das Schutzhindernis lediglich voraus, dass das Zeichen für eine solche Verwendung geeignet ist (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rn. 199). Erforderlich ist jedoch, dass eine entsprechende beschreibende Verwendung vernünftigerweise in der Zukunft erwartet werden kann (EuGH GRUR 1999, 721, Rn. 37 - Chiemsee; GRUR 2004, 675, Rn. 56 - Postkantoor). Die bloße abstrakte Eignung zur Eigenschaftsangabe reicht demgegenüber nicht aus, um ein Freihaltebedürfnis anzunehmen (BGH GRUR 2002, 64 - Individuelle; GRUR 2000, 323 - Partner with the Best).
Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Wortfolge "track your kid" um eine aus drei englischen Wörtern bestehende Wortfolge, die die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts zutreffend mit der Bedeutung "Spüre Dein Kind auf" ins Deutsche übertragen hat. Der Begriff "track" bedeutet im Englischen "Weg, Pfad", bei einem "tracker" handelt es sich um einen Fährtenleser, das Verb "track down" bedeutet "etwas oder jemanden aufspüren, aufstöbern, ausfindig machen" (PONS Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch, Neubearbeitung 2005 zum Stichwort "track"). Das Wort "track" hat in dem dokumentierten deutschen Wortschatz im Sinne von "Reiseroute eines Schiffes, Titel, Stück auf einer CD sowie Spur", letztere Bedeutung allerdings beschränkt auf die Bedeutung im Bereich der EDV Eingang gefunden (Warwick, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl., sowie Leipziger Wortschatz http://wortschatz.unileipzig.de, jeweils zum Stichwort "track").
Hinsichtlich des weiteren Zeichenbestandteils "kid" kann festgestellt werden, dass dieser Begriff Eingang in die deutsche Sprache mit seiner, dem Englischen entsprechenden Bedeutung "Kind, Jugendlicher" gefunden hat (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl.; Leipziger Wortschatz, a. a. O., jeweils zum Stichwort "kid"). Bei dem verbleibenden Zeichenbestandteil "your" für "dein, ihr" handelt es sich um ein bekanntes Wort des englischen Grundwortschatzes, das in den betroffenen Verkehrskreisen als bekannt vorausgesetzt werden kann.
Dass das Zeichen lediglich eine Aufforderung enthält, sich der Waren und Dienstleistungen zu bedienen, um den Aufenthaltsort des eigenen Kindes aufzuspüren, führt nicht dazu, dass der beschreibende Charakter des Zeichens, dessen freie Verwendung sichergestellt werden soll, entfällt. Für den Verkehr, der regelmäßig keine Analyse des Zeichen vornimmt, bleibt die Wortfolge - wenn auch sprachlich in imperative Form gekleidet - ohne Weiteres als Beschreibung der betroffenen Dienstleistung in der Klasse 38, nämlich den Aufenthaltsort eines Kindes zu bestimmen verständlich. Was die in Klasse 9 beanspruchten Waren anbetrifft, die im Rahmen der Erbringung der Dienstleistungen zum Einsatz kommen und mittels derer der Aufenthalt eines Kindes tatsächlich ermittelt wird, kann nichts anderes gelten. Auch für die hier betroffenen Geräte bleibt das Zeichen beschreibend, da insofern ihre Anwendungsfunktion, nämlich das Aufspüren des Aufenthaltsortes des Kindes, betroffen ist. In der Klasse 42 kommt der Wortfolge ebenfalls beschreibende Bedeutung zu, mit Ausnahme der Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Erstellen technischer Gutachten, technische Beratung, Vermietung von Computer-Software, Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten, Vermittlung und Vermietung von Zugriffsseiten auf Datenbanken". Letztere Dienstleistungen werden nicht zweckgebunden erbracht, so dass der Verkehr hier in dem Zeichen keinen beschreibenden Gehalt für die betroffenen Dienstleistungen erkennt und daher auch ein Freihaltebedürfnis nicht besteht.
Die Beschwerdeführer haben unter Vorlage entsprechender Ergebnisse einer Internetrecherche dargelegt, dass die zum Stichwort "track your kid" gefundenen Treffer im Verkehr nicht beschreibend verwendet werden, sondern auf Dienste der Beschwerdeführer hinweisen. Auch eine Recherche des Senats hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das angemeldete Zeichen bereits heute im Verkehr beschreibend für die Möglichkeit verwendet wird, ein Kind über sein Mobiltelefon oder ein anderes elektronisches Gerät ausfindig zu machen. Gleichwohl kann das Zeichen inhaltsbeschreibend verwendet werden, so dass nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ein Freihaltebedürfnis besteht. Eine Internetrecherche, auf deren Ergebnis Bezug genommen wird (Bl. 41-53 der Akten), hat ergeben, dass in der Umgangssprache bereits heute das Wort "tracken" beschreibende Verwendung, u. a. auch im Bereich der EDV und Telekommunikation findet. So wird der englische Begriff für die deutsche Bedeutung "aufspüren, z. B. zum Zurückverfolgen von emails, verwendet "Fragemailstracken", "Güter und Personen tracken", "Systeme zum Tracken von Gütern und Behältern in Lagern und Warenhäusern, zum Verfolgen von Gütern, Behältern ...", "WP-plug in: Kommentare tracken auf Datenschutz.net"; "link klicks mit Google Analytics tracken", "via Mausbewegungen den Leser tracken". Schließlich ist in einem Fall bereits heute im Zusammenhang mit der Überwachung von Kindern das Wort "tracken" in einer beschreibenden Verwendung nachweisbar: "trotz Kameraüberwachung: Kinder tracken per Schuluniform ...".
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das angemeldete Zeichen im Übrigen den inländischen Verkehrskreisen ohne Weiteres verständlich ist, geht der Senat von einem bestehenden Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die genannten Waren und Dienstleistungen aus. Bei diesem bestehenden Freihaltebedürfnis geht der Senat ebenfalls davon aus, dass das Zeichen insoweit vom Verkehr beschreibend i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verstanden wird und diesem daher jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Grabrucker Dr. Mittenberger-Huber Karcher Ko
BPatG:
Beschluss v. 28.11.2007
Az: 29 W (pat) 202/04
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