Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2005
Aktenzeichen: 14 W (pat) 306/04
(BPatG: Beschluss v. 22.11.2005, Az.: 14 W (pat) 306/04)
Tenor
Das Patent 198 22 289 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 und 2 sowie Beschreibung Spalten 1 bis 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2005, Zeichnung, 1 Seite gemäß Patentschrift.
Gründe
I Die Erteilung des Patents 198 22 289 mit der Bezeichnung
"Verfahren zum Entfernen von Klärschlamm aus einer Abwasserteichanlage"
ist am 2. Oktober 2003 veröffentlicht worden.
Gegen dieses Patent ist mit dem am 30. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsatz Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht neu sei bzw nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Dazu verweist die Einsprechende insbesondere auf die Druckschriften D1: DE 34 12 149 A1 D2: AT 189 133 D3: FR 682 517 D4: DE 32 19 963 A1 und die in der mündlichen Verhandlung überreichte Druckschrift D11: DE 26 05 924 A1, sowie auf vor dem Zeitrang des Patents maßgeblichen Zeitpunkt liegende, offenkundige Vorbenutzungen. Sie erklärt, dass sie die schriftlich angebotenen Zeugenangebote hierzu zurücknimmt.
Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den aus dem Tenor ersichtlichen Unterlagen.
Sie tritt dem Vorbringen des Einsprechenden in allen Punkten entgegen und macht im wesentlichen geltend, dass der nunmehr beanspruchte Gegenstand gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie bestreitet die Offenkundigkeit der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen und trägt vor, dass die von der Einsprechenden mit ihrem Einspruchsschriftsatz zu den offenkundigen Vorbenutzungen vorgelegten Dokumente die Patentfähigkeit des Streitpatents nicht in Frage stellen könnten.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
Verfahren zum Entfernen von Klärschlamm aus einem Klärteich einer Abwasserteichanlage, bei dem der Klärschlamm durch Pumpen aus dem Teich herausgefördert und anschließend entwässert wird, gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:
a) Absperren der Zu- und Abflussöffnungen und gegebenenfalls der Belüftungseinrichtung des zu entleerenden Klärteichs (1), b) Absenken des Spiegels des überstehenden Wassers in dem abgesperrten Klärteich (1) bis auf das Niveau (5) des abgesetzten Klärschlamms (KS) durch Ableiten oder Abpumpen des überstehenden Wassers in einen anderen Klärteich (2) der Kläranlage, c) Abpumpen einer oberen, flüssigen Phase des Klärschlamms (KS), Entwässern des abgepumpten Klärschlamms und Auffangen des Trennwassers in einem Pufferbehälter (10), d) Verflüssigen der tieferen, festeren Phase des Klärschlamms (KS) durch Einspritzen von Trennwasser aus dem Pufferbehälter (10) in die festere Phase unde) Abpumpen und Entwässern der verflüssigten festeren Phase des Klärschlamms (KS) und Zurückführen des Trennwassers in den Pufferbehälter (10), wobei bei den Verfahrensschritten c), d), e) das anfallende Trennwasser kontinuierlich im Kreis geführt wird und nicht an die Kläranlage abgegeben wird.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut des Anspruchs 2 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
2. Die Patentansprüche 1 und 2 sind zulässig. Der Anspruch 1 ist aus dem erteilten Anspruch 1 und Sp 2 Z 62 bis 68 der Streitpatentschrift ableitbar und basiert auf dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie S 4 Z 33 bis S 5 Z 4 der Erstunterlagen. Der Anspruch 2 entspricht dem erteilten und ursprünglichen Anspruch 2 im Wortlaut.
3. Das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu.
Der Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zum Entfernen von Klärschlamm aus einem Klärteich einer Abwasserteichanlage, bei dem der Klärschlamm durch Pumpen aus dem Teich herausgefördert und anschließend entwässert wird, mit den Verfahrensschritten:
a) Absperren der Zu- und Abflussöffnungen und ggf der Belüftungseinrichtung des zu entleerenden Klärteichs (1), b) Absenken des Spiegels des überstehenden Wassers in dem abgesperrten Klärteich (1) bis auf das Niveau (5) des abgesetzten Klärschlamms (KS) durch Ableiten oder Abpumpen des überstehenden Wassers in einen anderen Klärteich (2) der Kläranlage, c) Abpumpen einer oberen, flüssigen Phase des Klärschlamms (KS), Entwässern des abgepumpten Klärschlamms und Auffangen des Trennwassers in einem Pufferbehälter (10), d) Verflüssigen der tieferen, festeren Phase des Klärschlamms (KS) durch Einspritzen von Trennwasser aus dem Pufferbehälter (10) in die festere Phase unde) Abpumpen und Entwässern der verflüssigten festeren Phase des Klärschlamms und Zurückführen des Trennwassers in den Pufferbehälter (10), f) wobei bei den Verfahrensschritten c), d), e) das anfallende Trennwasser kontinuierlich im Kreis geführt wird und nicht an die Kläranlage abgegeben wird.
Aus keiner der Entgegenhaltungen ist ein gattungsgemäßes Verfahren bekannt, bei dem zum Entfernen von Klärschlamm aus einem Klärteich einer Abwasserteichanlage die Kombination der Verfahrensmaßnahmen gemäß Anspruch 1 beschrieben ist. Lediglich einzelne dieser Verfahrensmaßnahmen gehen aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik hervor, wie auch die Einsprechende einräumt. So betrifft D1 ein Verfahren zur Entschlammung von Teichen, bei dem während der Schlammentnahme mittels eines Baggers eine Homogenisierung von Sedimenten mit Überstandswasser und/oder zugesetztem Verdünnungswasser, wie rückgeführtem Zentratwasser vorgenommen wird (Anspruch 1). Die Homogenisierung erfolgt dabei durch Rühren und/oder Umwälzen ggf unter Druckeinführung eines flüssigen Mediums in den Schlamm (S 3 Z 9 bis 12). Danach wird der verflüssigte Schlamm mit einer am Bagger angebrachten Schlammpumpe abgepumpt (S 3 Abs 4, S 4 Abs 4). Aus D1 geht aber nicht hervor, woher das angesprochene Zentratwasser stammt. In D1 sind also lediglich die Merkmale d) und e) des Verfahrens gemäß Anspruch 1 zum Teil beschrieben. Aus D11, der Offenlegungsschrift zu der im Prüfungsverfahren berücksichtigten DE 26 05 924 B2, die neben D1 dem Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 noch am nächsten kommt, geht ein Verfahren zum Beseitigen von Schlämmen aus Klärgruben hervor, bei dem fließfähiges Material aus der Klärgrube entnommen, das Material durch Filtrieren in Wasser und Dickschlamm separiert, weiteres Material mittels des separierten Wassers zu fließfähigem Material in akkumulierendem stetigem Kreislauf aufgeschlämmt, das beim Filtrieren anfallende Wasser im Kreislauf zum Aufbereiten weiteren verfestigten Schlammmaterials wieder verwendet und das nach dem Filtrieren gewonnene Schlammmaterial getrocknet wird (Anspruch 1). Weiter Angaben in Hinblick auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents fehlen in D11. Aus D2 ist eine Einrichtung zur Beförderung von abgesetztem Schlick aus Sickergruben bekannt, bei der eine unter Wasser arbeitende, auf einen Einlaufkasten für den Schlick aufgesetzte Kreiselpumpe den Schlamm über Flur fördert, wobei zur Auflockerung von festem Schlick Druckwasser dem Einlaufkasten zugeführt wird (Anspruch 1 iVm S 2 Z 3 bis 41). D3 betrifft eine ähnliche Einrichtung (Fig iVm Resume). D2 und D3 beschreiben daher lediglich Teile der Verfahrensmaßnahmen d) und e) des Anspruchs 1 des Streitpatents. D4 beschreibt eine mobile Entwässerungseinrichtung für Klärschlamm, bei der zwischen der Schlammzuführpumpe und der Dekantereinheit eine Einrichtung zur Abscheidung von Grobstoffen aus dem angesaugten Klärschlamm vorgesehen ist (Anspruch 1 iVm S 5 Abs 2).
Auch aus den mit dem Einspruchsschriftsatz eingereichten Vorbenutzungsunterlagen lässt sich das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht entnehmen. Dies gilt sowohl für die Bilddokumentationen als auch für die Ausschreibungsunterlagen zu den Klärteichräumungen in Hofgeismar. Die Bilddokumentationen zeigen nur Räumgeräte und geleerte Klärteiche nicht aber ein Verfahren zum Entfernen von Klärschlämmen. Aus den Ausschreibungsunterlagen ergibt sich jedenfalls, dass entgegen Merkmal f) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents Trennwasser an die Kläranlage abgegeben werden muss. Eine weitere Sachaufklärung der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen sowohl im Hinblick auf deren Offenkundigkeit als auch hinsichtlich der tatsächlichen Durchführung der vorbenutzten Teichräumungen ist dem Senat nicht möglich, da die Einsprechende durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung ihre Zeugenangebote zurückgenommen hat, ohne ihre Mitwirkung der genaue Sachverhalt nur noch unzureichend ermittelt werden kann, und eine Beweisaufnahme nicht mehr durchzuführen ist. Die sich dadurch ergebende Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht zu Lasten des Einsprechenden (vgl Schulte PatG 7. Aufl § 46 Rdn 21, § 59 Rdn 114 und Einl Rdn 125 mwN).
4. Das Verfahren zum Entfernen von Klärschlamm aus einer Abwasserteichanlage nach dem geltenden Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Entfernen von Klärschlamm aus einem Klärteich einer Abwasserteichanlage anzugeben, das einfach und wirtschaftlich durchführbar ist und das die während der Klärschlammentfernung weiterhin betriebenen Bereiche der Kläranlage nicht zusätzlich belastet (DE 198 22 289 C2 Sp 1 Abs [0004]). Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorträgt, soll mit dem Verfahren dabei insbesondere die bisher übliche und geforderte Einleitung von belastetem Trennwasser in die Kläranlage vermieden werden.
Die Aufgabe wird durch das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 gelöst. Wie vorstehend erläutert, sind aus den diesem Verfahren am nächsten kommenden Entgegenhaltungen D1 und D11 nur Teile der Maßnahmen des Verfahrens des Anspruch 1 des Streitpatents bekannt. Die Merkmale a), b), c) und f) werden dort und auch bei D2 bis D4 nicht angesprochen. Der Fachmann erhält damit aus dem Stand der Technik keine Anregung, die Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 mit der Kombination der Verfahrenschritte a) bis f) zu lösen. Auch aus seinem allgemeinen Fachwissen wird dem Fachmann, einem Ingenieur der Abwasser- und Umwelttechnik, dieses Verfahren in Kombination mit den Druckschriften D1 bis D4 und D11 nicht nahegelegt. Der Fachmann wird zwar noch in naheliegender Weise die Zu- und Abflussöffnungen des zu entleerenden Klärteichs zu Beginn der Klärschlammentnahme entsprechend Merkmal a) absperren, um Störungen bei der Verfahrensdurchführung zu vermeiden. Der Auffassung der Einsprechenden, dass sich dann die weitere Vorgehensweise mit der Kombination der Merkmale b) bis f) für den Fachmann zwangsläufig ergebe, kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn anstelle der Maßnahmen b) bis f) standen dem Fachmann eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten der Verfahrensdurchführung offen, wie Homogenisieren des Schlamms im Teich durch Rühren (D1), Abpumpen des überstehenden Wassers in die Kläranlage, gemeinsames Abpumpen des überstehenden Wassers und der oberen flüssigen Phase, Abpumpen des Trennwassers in die Kläranlage oder Abtransportieren des Trennwassers usw Der Fachmann musste also erfinderisch tätig werden, um die Aufgabe durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 zu lösen.
Da die Einsprechende nicht mehr an der Ermittlung des Sachverhalts in Bezug auf die offenkundigen Vorbenutzungen durch Zurücknahme der Zeugenangebote mitwirkt und der Sachverhalt ohne Zeugeneinvernahme nicht zu ermitteln ist, können die behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit keine Berücksichtigung finden. Die von der Einsprechenden vorgelegten Dokumente zu den Vorbenutzungen können jedenfalls, wie vorstehend erläutert, auch die erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen.
5. Nach alledem weist der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Dieser Anspruch ist daher rechtsbeständig, mit ihm hat der eine besondere Ausführungsform des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffende Unteranspruch 2 Bestand.
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BPatG:
Beschluss v. 22.11.2005
Az: 14 W (pat) 306/04
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