Bundesgerichtshof:
Urteil vom 16. Dezember 2010
Aktenzeichen: I ZR 149/08
(BGH: Urteil v. 16.12.2010, Az.: I ZR 149/08)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Anschlussrevision des Beklagten das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 31. Juli 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht auch den Klageantrag 5 (Kundenmagazin mit dem Werktitel "Spiel mit") abgewiesen hat.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I, 4. Kammer für Handelssachen, vom 29. März 2007 auch insoweit abgeändert, als der Klageantrag 5 (Kundenmagazin mit dem Werktitel "Spiel mit") abgewiesen worden ist.
Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Bereich des Lotteriewesens ein Kundenmagazin mit Informationen zu Gewinnzahlen und/oder Gewinnquoten bzw. Gewinnrängen und/oder Spielsystemen und/oder Spielregeln zu seinen Lotterien unter dem Werktitel "Spiel mit" in Annahmestellen, insbesondere kostenlos, zur Mitnahme und/oder Einsicht bereitzuhalten und/oder bereithalten zu lassen und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr mit Verbrauchern zu bringen und/oder diese Handlungen durch Dritte durchführen zu lassen.
Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte zu 15/19 und die Klägerin zu 4/19.
Die Kosten des landgerichtlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zu 2/3 und der Klägerin zu 1/3 zur Last.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin vermittelt gegen Provision Glücksspielangebote. Der beklagte Freistaat veranstaltet in Bayern die Lotterien LOTTO 6 aus 49 sowie KENO.
Die Klägerin macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche im Hinblick auf die Werbung des Beklagten für seine Lotterien geltend. Soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, hat die Klägerin beantragt, I. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, 1. Verbraucher zur Teilnahme an seinen Lotterien zu ermuntern bzw. anzureizen und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen durch Werbung bzw. Ankündigung für eine Jackpotausspielung beim LOTTO 6 aus 49
- mit einem den Betrag von 9.999.999,99 € übersteigenden Wert;
hilfsweise:
- wie beispielhaft nachstehend wiedergegeben:
An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.
2. Verbraucher zur Teilnahme an ihren Lotterien zu ermuntern bzw. anzureizen mit Aussagen wie:
- "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN";
- ...
...
5. ein "Kundenmagazin" mit Informationen zu Gewinnzahlen und/oder Gewinnquoten bzw. Gewinnrängen und/oder Spielsystemen und/oder Spielregeln zu seinen Lotterien unter dem Werktitel "Spiel mit" in Annahmestellen, insbesondere kostenlos, zur Mitnahme und/oder Einsicht bereitzuhalten und/oder bereithalten zu lassen und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr mit Verbrauchern zu bringen und/oder diese Handlungen durch Dritte durchführen zu lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Hilfsantrag zu I 1 sowie dem Antrag zu I 2 hinsichtlich der Aussage "TÄG-LICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" stattgegeben und die Berufung der Klägerin im Übrigen zurückgewiesen (OLG München, ZfWG 2008, 248).
Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage mit dem Hauptantrag zu I 1 (Ankündigung von Jackpotausspielungen mit einem Wert ab 10 Millionen €) und dem Antrag I 5 (Kundenmagazin mit dem Werktitel "Spiel mit"). Der Beklagte verfolgt mit seiner Anschlussrevision sein auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Die Klägerin beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.
Gründe
A. Das Berufungsgericht hat die Klage aus § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 LottStV und § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV als teilweise begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Vorschriften des § 4 Abs. 3 Satz 1 LottStV und des seit 1. Januar 2008 an dessen Stelle getretenen § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV, die die Werbung für Glücksspiele beschränken, seien Marktverhaltensregelungen. Der Hauptantrag zu I 1, der gegen jede Nennung einer Jackpot-Gewinnhöhe in der Werbung gerichtet sei, gehe jedoch zu weit. Nicht jede Art der werbenden Erwähnung der Gewinnhöhe sei eine übermäßige gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 LottStV oder § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV verstoßende Werbemaßnahme. Hingegen sei der Hilfsantrag zu I 1 begründet, weil die beiden damit konkret beanstandeten Internetauftritte wegen blickfangmäßiger Herausstellung des bei der jeweiligen Ausspielung möglichen Jackpot-Gewinns (26 Millionen € oder 29 Millionen €) und ihrer sonstigen Gestaltung eine unzulässige, übermäßige Werbung darstellten. Auch der Antrag I 2 habe Erfolg, soweit er sich gegen die Werbeaussage "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" wende. Mit dieser Aufforderung werde ein übermäßiger und damit unzulässiger Spielanreiz gesetzt. Keinen Unterlassungsanspruch habe die Klägerin aber gegen das Kundenmagazin des Beklagten mit dem Werktitel "Spiel mit". Dieser seit über 30 Jahren verwendete Titel für das lediglich Informationen über Gewinne und Spielregeln enthaltende Kundenmagazin sei mit den Bestimmungen des Lottostaatsvertrages und des Glücksspielstaatsvertrages vereinbar.
B. Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Unterlassungsantrags wegen des Kundenmagazins unter dem Werktitel "Spiel mit" richtet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Anschlussrevision erweist sich als insgesamt unbegründet.
I. Revision der Klägerin Es ist unstreitig, dass der Beklagte nach dem 1. Januar 2008 weiterhin Jackpot-Gewinne ab 10 Millionen € ankündigt und das Kundenmagazin unter dem Werktitel "Spiel mit" in Annahmestellen zur kostenlosen Verteilung bereitstellt. Infolgedessen kommt es für den in die Zukunft gerichteten, auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch allein auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 an (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 - I ZR 207/05, BGHZ 175, 238 Rn. 14 - ODDSET).
1. Das Berufungsgericht hat den auf Unterlassung jeder Werbung für und Ankündigung von Jackpotausspielungen ab 10 Millionen € gerichteten Hauptantrag I 1 zu Recht abgewiesen.
a) Nach § 5 Abs. 1 GlüStV hat sich Werbung für öffentliches Glücksspiel zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken. Die als Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag veröffentlichten Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht sehen unter Nummer 2 vor, dass eine Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden ist. Nach diesen Regelungen kann nicht jede Ankündigung einer Jackpotausspielung mit einem möglichen Höchstgewinn ab 10 Millionen € als unzulässig angesehen werden. Vielmehr stellt die sachliche Information über Art und Höhe der ausgelobten Preise eine zulässige Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel im Sinne von § 5 Abs. 1 GlüStV dar (aA Heermann, WRP 2008, 479, 486). Zur Information über ein legales Glücksspiel gehört auch die Bekanntgabe seiner Chancen und Risiken.
b) Die Jackpotlotterie ist eine legale Glücksspielmöglichkeit, für die in den durch § 5 Abs. 1 GlüStV gesetzten Grenzen geworben werden darf. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Hauptantrag I 1 auch nicht gegen die Zulässigkeit von Jackpotausspielungen an sich, sondern nur gegen die Ankündigung eines dabei erzielbaren Höchstgewinns von und über 10 Millionen €. Deshalb ist es im vorliegenden Zusammenhang auch ohne Belang, dass gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b GlüStV (bisher § 7 Abs. 2 Nr. 1 b LottStV) für private Lotterieausspielungen keine Erlaubnis erteilt werden darf, wenn der Höchstgewinn 1 Million € übersteigt. Sinn dieser Bestimmung ist, den Ländern die Veranstaltung von Glücksspielen mit einem besonderen Gefährdungspotential im Interesse der nach § 1 Nr. 2 GlüStV bezweckten Kanalisierung des Glücksspielangebots vorzubehalten. Daraus lässt sich kein Verbot der schlichten Information über Höchstgewinne, die eine bestimmte Höhe überschreiten, bei zulässigerweise vom Staat durchgeführten Lotterien ableiten.
c) Es ist zwar grundsätzlich möglich, an einem Glücksspiel auch ohne Kenntnis des Höchstgewinns teilzunehmen. Der Höchstgewinn ist aber ein wesentliches Merkmal des angebotenen Glücksspiels, das bei der Entscheidung für oder gegen eine Spielteilnahme typischerweise von erheblicher Bedeutung ist. Die Information über den Höchstgewinn muss deshalb den Spielinteressierten in transparenter Form bereitgestellt werden. Da der Höchstgewinn ein wesentliches Merkmal des angebotenen Glücksspiels ist, kommt in Betracht, dass der Beklagte sich dem Vorwurf aussetzt, er handele unlauter im Sinne von § 5a Abs. 2, 3 Nr. 1 UWG, wenn er Spielteilnehmer nicht vor Abgabe des Spielscheins von sich aus auf die Jackpothöhe hinweist.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass auch eine schlichte Information über einen Jackpot in zweistelliger Millionenhöhe eine Anlockwirkung zur Spielteilnahme entfalten kann. Eine solche Anlockwirkung ist jedoch im Hinblick auf das legitime Ziel des Glücksspielstaatsvertrages hinzunehmen, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (§ 1 Nr. 2 GlüStV). Im Hinblick auf dieses Ziel lässt § 5 Abs. 1 GlüStV die Werbung für legale Glücksspielmöglichkeiten ausdrücklich zu. Jeder Werbung ist aber natur- und definitionsgemäß eine gewisse Anlockwirkung eigen.
d) Wird die Information über den Höchstgewinn gemäß Nummer 2 der im Anhang des Glücksspielstaatsvertrages veröffentlichten Richtlinien mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust verbunden, wird zudem die Anlockwirkung des Höchstgewinns begrenzt. Ob die erforderliche Aufklärung über Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust im Vergleich zu der Information über den Höchstgewinn etwa im Hinblick auf Schriftgröße oder sonstige Gestaltung ausreichend ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Ein Anspruch, dem Beklagten jede Ankündigung für eine Jackpotausspielung ab einem Wert von 10 Millionen € zu untersagen, steht der Klägerin aber jedenfalls nicht zu.
e) Die Klägerin hat ihren Antrag auch nicht gegen die Ankündigung der Jackpothöhe ohne gleichzeitige Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust gerichtet, so dass dahinstehen kann, ob der Beklagte ohne eine solche Aufklärung geworben hat.
f) Die sachliche Information über Jackpotausspielungen ab 10 Millionen € unter gleichzeitiger Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust verstößt nicht gegen § 5 Abs. 2 GlüStV, dessen Anforderungen neben denjenigen des § 5 Abs. 1 GlüStV bei Werbung für öffentliches Glücksspiel zu beachten sind. Nach § 5 Abs. 2 GlüStV darf - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Interesse - Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 GlüStV stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Wie bereits im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 GlüStV dargelegt, ist es möglich, Jackpotausspielungen ab 10 Millionen € in einer Weise anzukündigen, die nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert. Die sachliche Information über die Gewinnhöhe steht auch nicht im Widerspruch zu den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages gemäß § 1 GlüStV. Sie dient vielmehr durch Information über die Gewinnmöglichkeit bei legalem Glücksspiel dazu, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern (§ 1 Nr. 2 GlüStV).
g) Ein allgemeines Verbot der Ankündigung von Jackpotausspielungen ab 10 Millionen € ergibt sich auch nicht aus einer unmittelbaren Anwendung des § 3 UWG. Die Zulässigkeit einer solchen Werbung beurteilt sich im Streitfall abschließend nach § 4 Nr. 11 UWG, § 5 GlüStV.
2. Die Revision hat dagegen Erfolg, soweit sie sich gegen das Kundenmagazin des Beklagten mit dem Werktitel "Spiel mit" richtet.
a) Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass es wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Beklagte ein Kundenmagazin mit bloßen Informationen zu Gewinnen und Spielregeln ohne Aufforderungscharakter verbreitet. Die Klägerin wendet sich aber nicht allgemein gegen ein solches Kundenmagazin. Vielmehr beanstandet sie, dass es unter dem Werktitel "Spiel mit" verbreitet wird. Der Imperativ "Spiel mit" enthält eine eindeutige Aufforderung zur Spielteilnahme. Damit handelt es sich um eine gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV unzulässige Werbung mit Aufforderungscharakter (vgl. auch OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67, 68).
Der Beklagte lässt sein Kundenmagazin nach dem 1. Januar 2008 weiter unter dem bisherigen Titel verteilen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Titel nach § 4 Abs. 3 LottStV zuvor nicht zu beanstanden war.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der Umstand keine entscheidende Bedeutung, dass der Beklagte den Titel seines Kundenmagazins seit mehr als 30 Jahren verwendet. Die Anforderungen an den Werbeauftritt staatlicher Lottogesellschaften haben sich im Anschluss an das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) und das Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 wesentlich verschärft. Anders als die Revisionserwiderung meint, kann aus der langjährigen Verwendung des Titels und einem fehlenden Bezug zu einem konkreten Glücksspiel auch nicht darauf geschlossen werden, das Publikum habe sich an den Werktitel gewöhnt, so dass ihm keine Aufforderung zum Lottospiel mehr zu entnehmen sei. Auf eine Gewöhnung des Publikums kann im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht abgestellt werden, weil laufend neue potentielle Lottospieler heranwachsen, die erstmals durch die Aufforderung "Spiel mit" auf der Kundenzeitschrift angesprochen werden.
c) Der Beklagte hat im Übrigen eine Vielzahl von Möglichkeiten, einen Titel für sein Kundenmagazin zu wählen, der keinen Aufforderungscharakter im Sinne von § 5 Abs. 1 GlüStV hat. Er kann dem anerkennenswerten Informationsbedürfnis seiner Kunden hinsichtlich Gewinnen und Spielregeln damit weiterhin Rechnung tragen.
II. Anschlussrevision des Beklagten Die Anschlussrevision des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Anschlussrevision wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht dem Beklagten die Werbung für Jackpotausspielungen in den beiden im Hilfsantrag I 1 konkret beanstandeten Verletzungsformen untersagt hat.
a) Die gegen die Verurteilung aus dem Hilfsantrag gerichtete Anschlussrevision ist zulässig. Nach § 554 ZPO ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Anschlussrevision, dass sie einen Lebenssachverhalt betrifft, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 40; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 554 Rn. 4; MünchKomm.ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 554 Rn. 5). Davon ist vorliegend schon deshalb auszugehen, weil die Anschlussrevision denselben Lebenssachverhalt wie die Revision der Klägerin betrifft. Für ihren Revisionsantrag hinsichtlich der Jackpotankündigungen ab 10 Millionen € (Hauptantrag I 1) hat sich die Klägerin auf die Internetwerbung des Beklagten als Verletzungshandlung bezogen, die auch Gegenstand ihres Hilfsantrags ist.
b) Das Berufungsgericht hat dem Hilfsantrag I 1 der Klägerin jedoch zu Recht stattgegeben.
aa) Die Wiederholungsgefahr für den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch ist nicht weggefallen. Zwar erfolgten die von der Klägerin konkret beanstandeten Verletzungshandlungen im Internet und damit in einem Medium, in dem seit 1. Januar 2008 nach § 5 Abs. 3 GlüStV jede Werbung für öffentliches Glücksspiel verboten ist. Das mit dem Hilfsantrag begehrte Verbot ist aber allgemein gefasst; weder Antrag noch Begründung sind auf eine Begehung im Internet beschränkt. Vielmehr kann ohne weiteres auch in anderen Medien wie Plakaten, Anzeigen oder Werbebroschüren in der beanstandeten Weise geworben werden. Das gewählte Medium ist für den charakteristischen Kern der von der Klägerin angegriffenen Werbung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1989 - I ZR 76/87, GRUR 1989, 445, 447 = WRP 1989, 491 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 42 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswerbung im Internet; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., 6. Kap., Rn. 9).
bb) Die mit dem Hilfsantrag der Klägerin beanstandeten Internetauftritte des Beklagten stellen jeweils die Höhe des bei der angekündigten Ausspielung möglichen Gewinns (26 Millionen € oder 29 Millionen €) blickfangmäßig heraus. Diese Angaben sind zudem unter der Abbildung freudig gestikulierender Personen platziert. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Durchschnittsverbraucher diese Abbildungen im Zusammenhang mit der Gewinnangabe dahingehend versteht, dass sich die abgebildeten Personen über einen Jackpotgewinn freuen. Eine solche Werbung geht über eine sachliche Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel hinaus und hat Aufforderungscharakter. Sie ist deshalb gemäß § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV unzulässig.
cc) Ohne Erfolg macht die Anschlussrevision geltend, das Berufungsgericht habe die notwendige Gesamtbetrachtung der beanstandeten Werbung unterlassen, weil es nicht berücksichtigt habe, dass in die Klageschrift lediglich ein kleiner Ausschnitt der vollständigen Internetseite aufgenommen und die Seite deshalb nicht so wiedergegeben worden sei, wie sie sich bei Aufruf tatsächlich dargestellt habe. Unabhängig davon, dass ein Ausschnitt einer Internetseite der hier in Rede stehenden Größe ausreichende Grundlage tatrichterlicher Würdigung sein kann, hat der Beklagte eine solche Unvollständigkeit in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. In dem von der Anschlussrevision für ihren gegenteiligen Standpunkt in Bezug genommenen Vortrag hat er lediglich ausgeführt, dass die konkreten Informationen auf den im Hilfsantrag der Klägerin wiedergegebenen Internetseiten den Anforderungen des Lotteriestaatsvertrages entsprochen hätten und dass er nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages entsprechende Änderungen seiner Werbepraxis vorgenommen hätte. Auf der Grundlage dieses Vortrags hatte das Berufungsgericht keinen Anlass, von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr für unzulässige Jackpotwerbung auszugehen.
dd) Die vom Beklagten im Anschluss an das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts veranlassten Werbeeinschränkungen sind im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, weil sie sich nicht auf die Gestaltung der Ankündigung von Jackpot-Ausspielungen beziehen. Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages seien Informationen über die Jackpothöhe auf der Internetseite www.lottobayern.de nur noch im Zusammenhang mit den gesetzlich gebotenen Hinweisen auf die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust sowie in Verbindung mit der gebotenen Aufklärung zur Suchtprävention erfolgt, schließt dies eine unzulässige blickfangmäßige Werbung mit der Gewinnhöhe nicht aus.
2. Die gegen die Untersagung der Werbung mit der Aussage "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" gerichtete Anschlussrevision ist zulässig, aber unbegründet.
a) Keine Bedenken bestehen allerdings insoweit gegen die Zulässigkeit der Anschlussrevision. Sie betrifft einen Lebenssachverhalt, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht. Dafür reicht es bei Unterlassungsanträgen aus, dass über Revision und Anschlussrevision aufgrund ähnlicher Verletzungshandlungen nach denselben rechtlichen Prüfungsmaßstäben und zwischen denselben Parteien zu entscheiden ist. Das ist hier der Fall. Mit der Aussage "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" wird ebenso für Glücksspiele der Beklagten geworben wie mit Jackpotwerbung oder der Kundenzeitschrift "Spiel mit". In allen Fällen richtet sich die Zulässigkeit der Werbung nach den Maßstäben des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GlüStV.
b) Das Berufungsgericht hat jedoch die Werbung mit der Aussage "TÄG-LICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" zu Recht untersagt.
aa) Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich diese Werbeaussage bei einem Besuch ihres Prozessbevollmächtigten in einer Annahmestelle des Beklagten Ende August 2006 auf einem Teilnahmeschein für die Lotterie KENO befunden habe. Spätere Verletzungshandlungen hat sie insoweit nicht geltend gemacht. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch nach diesem Antrag setzt deshalb voraus, dass die Werbeaussage nach dem Ende August 2006 geltenden Recht unzulässig war und sich daran auch nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung nichts geändert hat (vgl. BGHZ 175, 238 Rn. 14 - ODDSET).
Die Werbeaussage fordert zur täglichen Spielteilnahme auf und beschränkt sich insbesondere durch die Verknüpfung mit der verlockenden Ankündigung "täglich gewinnen" nicht darauf, über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu informieren oder darüber aufzuklären. Das Berufungsgericht hat darin zu Recht eine nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV unzulässige Werbung gesehen. Dagegen erhebt die Anschlussrevision auch keine Rügen. Sie meint allerdings, die Werbung sei unter Geltung des Lotteriestaatsvertrages nicht zu beanstanden gewesen. Damit hat die Anschlussrevision keinen Erfolg.
Nach § 4 Abs. 3 LottStV mussten Werbemaßnahmen für Glücksspiele angemessen sein und durften nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 LottStV stehen, zu denen unter anderem die Verhinderung übermäßiger Spielanreize gehörte. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, reizt die mit einer Betonung der täglichen Gewinnaussicht verknüpfte Aufforderung zum täglichen Spiel übermäßig zur Spielteilnahme an. Dieser Wirkung steht - anders als die Anschlussrevision meint - nicht entgegen, dass ein durchschnittlicher Lottospieler wissen mag, dass er selbst bei täglicher Spielteilnahme nicht täglich gewinnen wird. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Werbung nur Personen erreicht, die sich bereits mit den Spielscheinen befassen und daher ohnehin schon eine Spielteilnahme erwägen.
bb) Der Anschlussrevision kann auch nicht darin gefolgt werden, dass hinsichtlich der Werbeaussage "TÄGLICH SPIELEN TÄGLICH GEWINNEN" die Wiederholungsgefahr entfallen ist. Die Werbebeschränkungen für öffentliches Glücksspiel sind zwar deutlich verschärft worden. Der Beklagte hat auch behauptet, nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 nicht mehr mit dieser Aussage geworben zu haben. Die Klägerin hat zudem keine entsprechende weitere Verletzungshandlung vorgetragen. Diese Umstände könnten jedoch nur dann zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr führen, wenn die Unlauterkeit der beanstandeten Werbung im Zeitpunkt der Verletzungshandlung ernsthaft zweifelhaft gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - I ZR 29/99, GRUR 2002, 717, 719 = WRP 2002, 679 - Vertretung der Anwalts-GmbH, mwN). Daran fehlt es aus den soeben unter II 2 b) aa) dargelegten Gründen. Ende August 2006 - und damit nach dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) - konnte auch unter vorläufiger Weitergeltung des Lotteriestaatsvertrages nicht ernsthaft angenommen werden, dass es eine angemessene Lotteriewerbung darstellte, mit einer täglichen Gewinnchance für eine tägliche - und damit übermäßige - Spielteilnahme zu werben.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
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LG München I, Entscheidung vom 29.03.2007 - 4 HKO 18116/06 -
OLG München, Entscheidung vom 31.07.2008 - 29 U 3580/07 -
BGH:
Urteil v. 16.12.2010
Az: I ZR 149/08
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