Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 4. März 2008
Aktenzeichen: 6 U 37/07
(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 04.03.2008, Az.: 6 U 37/07)
Tenor
1. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht Potsdam verwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Unterlassung, Auskunft und die Feststellung der Pflicht des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz aus dessen Verstößen, über die der Beklagte Auskunft erteilen soll.
Die Klägerin ist Versicherungsmaklerin. Der Beklagte baute ursprünglich ein Einzelunternehmen unter der Bezeichnung €Assekuranzbüro M.€ auf. Dieses veräußerte er durch Vertrag vom 18.12.2000 mit Wirkung zum 1.1.2001, 24.00 Uhr an die Klägerin.
Der Beklagte war ab dem 1.1.2001 zunächst als Geschäftsführer, dann auf Grund eines Anstellungsvertrages als leitender Angestellter für die Klägerin tätig. Der Anstellungsvertrag hätte am 30.9.2004 geendet, wurde von den Vertragsparteien jedoch einvernehmlich bereits zum 31.5.2004 vorzeitig beendet. Nach Behauptung der Klägerin begründete der Beklagte dies mit seiner Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe gezielt versucht, nahezu ihren gesamten Kundenkreis an sich bzw. die G. AG, mit der der Beklagte zusammenarbeite, zu ziehen. Mit den Abwerbeversuchen habe der Beklagte bereits vor dem 30.9.2004 begonnen. Insbesondere geht es um einen Kontakt des Beklagten mit dem Makler G. am 12.10.2004.
Der Beklagte hat dies bestritten und die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges gerügt.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung zahlreicher Zeugen den Beklagten durch das angefochtene Urteil unter teilweiser Abweisung der Klage im Übrigen den Beklagten verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, sich an Kunden der Klägerin zu wenden sowie Auskunft darüber zu erteilen, mit welchen Kunden der Klägerin er nach dem 31.5.2004 Kontakt hatte. Es hat außerdem festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus Verstößen gegen Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei überwiegend gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 UWG begründet. Zwar sei es grundsätzlich nicht unlauter, wenn ein ehemaliger Beschäftigter versuche, Kunden eines früheren Arbeitgebers abzuwerben, und zwar auch dann nicht, wenn er hierbei planmäßig und zielbewusst vorgehe. Etwas anderes könne allerdings dann gelten, wenn besondere Umstände hinzuträten. Insoweit berufe sich die Klägerin allerdings vergeblich darauf, dass der Beklagte schließlich mit der Veräußerung der Gesellschaft erhebliche Beträge vereinnahmt habe, da die Klägerin an diesem Vertrag nicht beteiligt sei und hieraus auch keine Verhaltenspflichten des Beklagten ableiten könne. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es jedoch als erwiesen anzusehen, dass der Beklagte die Absicht verfolge, die Klägerin in unlauterer Weise vom Markt zu verdrängen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er die vollständige Klageabweisung erreichen will.
Der Beklagte macht geltend, er sei bis zum 31.5.2004 Arbeitnehmer der Klägerin gewesen. Die streitgegenständlichen Ansprüche basierten auf dem Arbeitsverhältnis. Deshalb handele es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit, die vor ein Arbeitsgericht gehört habe. Die Klage sei deshalb schon unzulässig gewesen. Außerdem sei das Urteil auch in der Sache unrichtig.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 23.2.2007 zum Aktenzeichen 52 O 154/04 teilweise abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht eröffnet. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne von § 13 GVG liegt nicht vor. Vielmehr handelt es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit, so dass nur der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschritten werden kann. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten war deshalb für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht erster Instanz, das Arbeitsgericht Potsdam, zu verweisen.
1. Der Senat hatte auch in der Berufung noch über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu entscheiden.
a) Der Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges durch den Senat als Berufungsgericht steht § 17 a GVG nicht entgegen.
Nach § 17 a GVG prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, zwar nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Das setzt jedoch voraus, dass die Verfahrensgrundsätze des § 17 a GVG eingehalten worden sind. Danach ist auf eine € hier vom Beklagten erstinstanzlich erhobene - Rüge der Zulässigkeit des Rechtsweges vorab durch beschwerdefähigen Beschluss zu entscheiden (§ 17 a III 2 GVG). Hat das Landgericht jedoch € wie hier € entgegen § 17 a III 2 GVG nicht vorab durch Beschluss über die Zuständigkeit des Rechtsweges entschieden, ist § 17 a GVG nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 25.2.1993, III ZR 9/92, LS 1 € zitiert nach juris; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., Rn. 2.9 zu § 12 UWG).
b) Der Senat hatte deshalb wegen Versäumens des Vorabverfahrens nach § 17 a GVG in der ersten Instanz und weil der Beklagte auch in der zweiten Instanz die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges gerügt hat, selbst in das Vorabverfahren nach § 17 a GVG einzutreten. Er ist nicht an die Bejahung der Zulässigkeit des Rechtsweges durch das Landgericht im angefochtenen Urteil gebunden.
2. Die Arbeitsgerichte sind für diesen Rechtsstreit nach § 2 I Nr. 3 lit. d ArbGG ausschließlich zuständig.
a) Arbeitsgerichte sind unter anderem auch für unerlaubte Handlungen zuständig, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Auch Verstöße gegen das UWG, die ein Arbeitnehmer gegenüber seinem (früheren) Arbeitgeber begeht, stellen unerlaubte Handlungen in diesem Sinne dar (KG, Beschluss vom 7.12.2004, 5 W 153/04, Rn. 7 € zitiert nach juris; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.4 zu § 12 UWG).
b) Ob ein Wettbewerbsverstoß im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis steht, beurteilt sich nach objektiven Maßstäben (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.4 zu § 12 UWG unter Hinweis auf OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.7.2002, 20 W 55/02 € zitiert nach juris). Die unerlaubte Handlung muss zu dem Arbeitsverhältnis der Parteien in einer inneren Beziehung stehen, so dass sie in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und den ihm eigentümlichen Reibungen und Berührungspunkten wurzelt (BGH, Urteil vom 7.2.1958, VI ZR 49/57, LS 2 € zitiert nach juris). Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Verstoß zugleich eine Verletzung des Arbeitsvertrages (einschließlich nachwirkender Treuepflichten) darstellt. Es ist nicht Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis bereits begonnen hat oder noch besteht (KG, a.a.O., Rn. 7 € zitiert nach juris). Ob für die Beurteilung von Wettbewerbsverstößen ehemaliger Arbeitnehmer die Arbeitsgerichte zuständig sind, hängt daher davon ab, welchen Anteil das frühere Arbeitsverhältnis an der Ermöglichung des Wettbewerbsverstoßes hatte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.5.2006, 6 W 44/05, Rn. 5 € zitiert nach juris).
Der vorgeworfene Wettbewerbsverstoß steht hier in untrennbarem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Beklagten.
aa) Der vorgeworfene Verstoß wurzelt im früheren Arbeitsverhältnis der Parteien. Denn der Vorwurf der Klägerin geht dahin, dass der Beklagte die von ihm als Arbeitnehmer der Klägerin betreuten Kunden im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und bei der Klägerin abgeworben bzw. die Kunden der Klägerin abspenstig gemacht haben soll.
bb) An diesem Zusammenhang zwischen dem dem Beklagten vorgeworfenen unlauteren Handeln und dem früheren Arbeitsverhältnis der Parteien fehlt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb, weil der Schwerpunkt des vorgeworfenen unlauteren Handelns darin bestehe, dass der Beklagte sich an eben die Kunden der Klägerin gewandt habe, die er selbst als Kundenstamm aufgebaut und für deren Verkauf als Kundenstamm des Unternehmens er einen hohen Kaufpreis erzielt habe, so dass es nahezu ohne Belang gewesen sei, dass der Beklagte im Anschluss an die Veräußerung seines Unternehmens an die Klägerin deren Arbeitnehmer gewesen sei.
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien kommt im Zusammenhang mit dem dem Beklagten vorgeworfenen unlauteren Handeln entscheidende und prägende Bedeutung zu. Allein auf den Unternehmenskaufvertrag bezogen könnte die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Parteien kein Wettbewerbsverbot zur Absicherung der vertraglich vereinbarten Übertragung des Kundenstammes vereinbart haben. Das war allerdings im Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmenskaufvertrages auch entbehrlich, weil sich die Klägerin der Dienste des Beklagten dadurch versicherte, dass sie ihn beschäftigte, zunächst als Geschäftsführer und später als leitender Angestellter in einem Arbeitsverhältnis. Dadurch erhielt die Klägerin Zugriff auf den ihr durch den Unternehmenskaufvertrag übertragenen Kundenstamm. Seitdem war es ihr möglich, über einen Zeitraum von drei Jahren und fünf Monaten den Kundenstamm an sich dauerhaft zu binden. Dazu konnte sie den nunmehr in ihren Diensten stehenden und deshalb ihren Weisungen unterworfenen Beklagten einsetzen. War der Beklagte zunächst auf Grund seines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer, zuletzt jedoch auf Grund seines Arbeitsvertrages als leitender Angestellter und der sich aus diesen Verträgen ergebenden Treupflichten gegenüber der Klägerin verpflichtet, den von ihm auf Grund des Unternehmenskaufvertrages der Klägerin übertragenen Kundenstamm an die Klägerin zu binden und überzuleiten, so mag die Tatsache, dass der Beklagte der Klägerin auf Grund des Unternehmenskaufvertrages vom 18.12.2000 auch den Kundenstamm übertragen hat, diesen Pflichten durchaus eine besondere Prägung geben. Dies ändert jedoch nichts daran, dass diese Pflichten des Beklagten wesentlich auf Grund seines Arbeitsvertrages als leitender Angestellter bis zu seinem Ausscheiden bei der Klägerin arbeitsrechtlicher Natur sind. Dies hat im Übrigen die Klägerin zunächst selbst € richtig € auch so gesehen, wenn sie ihre Klage jedenfalls in erster Instanz auf ein konkludent vereinbartes arbeitsrechtliches Wettbewerbsverbot und die Verletzung nachwirkender arbeitsvertraglicher Treuepflichten gestützt hat. Die von den Kunden der Klägerin ausgesprochenen Vertragskündigungen sind nach deren Darstellung zudem auch mit dem Ausscheiden des Beklagten bei der Klägerin begründet worden. Zudem hat die Klägerin dem Beklagten vorgeworfen, entgegen seiner Bekundung, wegen Erwerbsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und in Rente zu gehen, weiterhin als Versicherungsmakler tätig zu sein und hierbei wettbewerbswidrig in ihren, der Klägerin, Kundenstamm einzudringen. Schließlich habe der Beklagte im Rahmen der vereinbarten Abwicklung seiner für die Klägerin angefangenen Arbeiten namens der Klägerin Termine mit den von ihm € für die Klägerin € betreuten Kunden vereinbart, ohne die Klägerin in Kenntnis zu setzen.
Die Vorwürfe gegen den Beklagten gehen auch dahin, sich nach seinem Ausscheiden nicht klar von der Klägerin abgegrenzt zu haben. Hat der Beklagte jedoch im Rahmen der in untrennbarem Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses stehenden Vereinbarung Abwicklungsarbeiten übernommen, dann stehen in Verbindung damit begangene unerlaubte (wettbewerbswidrige) Handlungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin warf dem Beklagten deshalb auch vor, dass er als ihr ehemaliger Mitarbeiter ihre, der Klägerin, Kunden unlauter ausgespannt habe. Zudem hat die Klägerin dem Beklagten als sittenwidrig vorgeworfen, er habe als Abwerbender sein Abwerben bereits während des Arbeitsverhältnisses vorbereitet.
3. Der Rechtsstreit war danach gemäß § 17 a II 1 GVG von Amts wegen an das Arbeitsgericht Potsdam zu verweisen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 II ZPO).
Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 04.03.2008
Az: 6 U 37/07
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