Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. April 2012
Aktenzeichen: 4a O 275/10

(LG Düsseldorf: Urteil v. 24.04.2012, Az.: 4a O 275/10)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

a) ein Paar identischer Reibklötze, wobei jeder Reibklotz die folgenden Merkmale aufweist:

(1) Reibklotz hat jeweils einen Belag aus Reibmaterial an einer Seite

(2) Reibklotz hat identische Außenprofile, die Außenprofile sind asymmetrisch

(3) Reibklotz hat äußere Flächenabschnitte und Flächenabschnitte

für Gleitsattelscheibenbremsen mit folgenden Merkmalen:

(1) Gleitsattelscheibenbremse weist auf

(a) einen Träger, der bei Verwendung zur Befestigung an einem Fahrzeug gedacht ist, mit Trägeröffnungen, in denen die Reibklötze angebracht werden können,

(b) einen Sattel, der zur Gleitbewegung relativ zum Träger befestigt ist

(2) Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen der entsprechenden Trägeröffnungen sind derart angeordnet, dass ihre Positionen in dem Träger einander entsprechen, wenn die entsprechenden Öffnungen von gegenüberliegenden Seiten des Trägers aus gesehen werden

(3) die Reibklötze werden innerhalb des Trägers gestützt durch Angriff von äußeren Flächenabschnitten an Stützflächen des Trägers

(4) Flächenabschnitte der Reibklötze dienen dazu, an Drehmomentreaktionsflächen des Trägers anzugreifen

(5) die Flächen des Trägers, die die Öffnungen definieren, sind starr und asymmetrisch angeordnet, so dass sie dem Außenprofil jeden Reibklotzes nur in einer speziellen Klotzorientierung entsprechen, wodurch jeder Reibklotz in die Trägeröffnung nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial einwärts des Trägers gewandt ist, damit es im Betrieb einer Bremsscheibe des Fahrzeugs zugewandt ist;

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern

und /oder

b) ein Paar identischer Reibklötze, wobei jeder Reibklotz die folgenden Merkmale aufweist

(1) der Reibklotz

(a) hat einen Belag aus Reibmaterial an einer Seite

(b) wird gestützt durch Kontakt von äußeren Flächenabschnitten des Klotzes mit Stützflächen des Trägers, bei Verwendung in einer ausgewählten von zwei vorgeschlagenen Öffnungen eines Trägerabschnitts des Sattels

(c) wird gestützt durch Flächenabschnitte des Klotzes, die an wenigstens einer Drehmomentreaktionsfläche des Trägers angreifen

(2) die äußeren Flächenabschnitte des Klotzes definieren ein äußeres Profil

(3) das äußere Profil des Klotzes ist asymmetrisch, so dass es in einer speziellen Klotzorientierung einer asymmetrischen Anordnung der die Öffnung definierenden Fläche entspricht, wodurch jeder Reibklotz in die Trägeröffnung nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial einwärts des Trägers gewandt ist, damit es bei Verwendung einer Bremsscheibe zugewandt ist,

zur Verwendung bei einer Gleitsattelscheibenbremse anzubieten und zu liefern;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.04.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;

wobei die Verkaufsstellen anzugeben sind, Einkaufspreise und Verkaufspreise sowie Verkaufsstellen nur für die Zeit seit dem 30.04.2006 anzugeben sind und

zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.04.2003 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der A. durch die zu I.1. seit dem 12.04.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter oben I.1.b) fallenden Paare identischer Reibklötze auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre — der Beklagten — Kosten herauszugeben.

IV. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die vorstehend zu Ziffer I.1.b) bezeichneten, seit dem 01.09.2008 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

V. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist Lizenznehmerin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents (B, im Folgenden: Klagepatent) betreffend eine Gleitsattelscheibenbremse. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch. Das Klagepatent steht in Kraft. Mit Schriftsatz vom 22.06.2011 reichte der VRI € Verband der Reibbelagindustrie e.V. Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht ein. Über die Nichtigkeitsklage ist noch nicht entschieden.

Die A ist ausweislich des Registerauszuges seit dem 11.03.2003 eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des Klagepatents. Die im Companies House unter der Registernummer 03640941 eingetragenen Direktoren C und D bestätigten mit Schreiben vom 01.02.2012 die Einräumung einer Lizenz gemäß Lizenzvertrag vom 17.12.2009 für die Klägerin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Ferner ermächtigte die Lizenzgeberin die Klägerin mit Ermächtigungs- und Abtretungserklärung vom 29.11.2011 und 1./2.03.2012, den Unterlassungsanspruch aus dem Klagepatent gegen die Beklagten geltend zu machen. Zudem trat die Lizenzgeberin sämtliche Ansprüche aus dem Klagepatent gegen die Beklagten ab. Die Abtretung nahm die Klägerin an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen PBP 11 und 13 inhaltlich Bezug genommen.

Die dem Klagepatent zu Grunde liegende Anmeldung ist am 05.07.1996 eingereicht worden und am 12.03.2003 der Hinweis auf die Patenterteilung bekannt gemacht worden.

Die für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Ansprüche 1, 7 und 8 des Klagepatents lauten wie folgt:

1. Gleitsattelscheibenbremse (1), die aufweist:

einen Träger (1A), der bei Verwendung zur Befestigung an einem Fahrzeug gedacht ist, einen Sattel (1B), der zur Gleitbewegung relativ zum Träger (1A) befestigt ist, und zwei Reibklötze (2, 3), die jeweils einen Belag aus Reibmaterial (2A, 3A) an einer Seite und identische Außenprofile haben, und die in Öffnungen (4, 5) in dem Träger (1A) angebracht sind,

wobei die Klötze (2, 3) innerhalb des Trägers (1A) durch Angriff von äußeren Flächenabschnitten (10, 11, 12,13; 100, 110, 120,130) an Stützflächen (6,7, 8, 9; 60, 70, 80, 90) des Trägers (1A) gestützt werden und Flächenabschnitte (2C; 120C) der Klötze (2, 3) dazu dienen, an Drehmomentreaktionsflächen (4C, 5C; 150C) des Trägers (1A) anzugreifen,

wobei das Außenprofil der Klötze (2, 3) asymmetrisch ist und die Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen (6, 7, 8, 9, 4C, 5C; 60, 70, 80, 90) der entsprechenden Trägeröffnungen (4, 5) derart angeordnet sind, dass ihre Positionen in dem Träger (1A) einander entsprechen, wenn die entsprechenden Öffnungen (4, 5) von gegenüberliegenden Seiten des Trägers (1A) aus gesehen werden,

wobei die Flächen (6, 7, 8, 9, 4C, 5C; 60, 70, 80, 90; 150C) des Trägers (1A), die die Öffnungen (4, 5) definieren, starr sind und asymmetrisch angeordnet sind, so dass sie dem Außenprofil jedes Klotzes (2, 3) nur in einer speziellen Klotzorientierung entsprechen, wodurch jeder Reibklotz (2, 3) in die Trägeröffnung (4, 5) nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial (2A, 3A) einwärts des Trägers (1A) gewandt ist, damit es im Betrieb einer Bremsscheibe des Fahrzeugs zugewandt ist.

7. Reibklotz (2, 3) zur Verwendung bei einer Gleitsattelscheibenbremse (1),

wobei der Klotz einen Belag aus Reibmaterial (2A, 3A) an einer Seite hat und bei Verwendung in einer ausgewählten von zwei vorgeschlagenen Öffnungen (4, 5) eines Trägerabschnitts des Sattels durch Kontakt von äußeren Flächenabschnitten (10, 11, 12, 13; 100, 110, 120, 130) des Klotzes mit Stützflächen (6, 7, 8, 9; 60, 70, 80, 90) des Trägers und durch Flächenabschnitte (2C; 120C) des Klotzes gestützt wird, die an wenigstens einer Drehmomentreaktionsfläche (4C, 5C; 150C) des Trägers angreifen,

wobei die äußeren Flächenabschnitte des Klotzes ein äußeres Profil definieren und wobei das Profil asymmetrisch ist, so dass es in einer speziellen Klotzorientierung einer asymmetrischen Anordnung der die Öffnungen definierenden Flächen entspricht, wodurch jeder Reibklotz in die Trägeröffnung nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial einwärts des Trägers gewandt ist, damit es bei Verwendung einer Bremsscheibe zugewandt ist.

8. Paar identischer Reibklötze, wobei jeder Reibklotz ein Klotz gemäß Anspruch 7 ist.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen, einschließlich Anmerkungen seitens der Kammer.

Die Figur 1 zeigt eine Gleitsattelscheibenbremse im zusammengebauten Zustand in einer bevorzugten Ausführungsform.

[Anmerkung: An dieser Stelle ist in der Entscheidung eine Grafik die nicht übermittelt wurde.]

Reibklotz

Der Bremsträger einschließlich der beiden Reibklötze ist in den Figuren 2 und 4 näher gezeigt.

[Anmerkung: An dieser Stelle ist in der Entscheidung eine Grafik die nicht übermittelt wurde.]

Die Klägerin ist auf die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb von Bremsen und deren Teile für Nutzfahrzeuge spezialisiert. Die Firma E ist ein weltweit führender Hersteller von Achsen für Nutzfahrzeuge, Busse und Anhänger. Pneumatisch betätigte Scheibenbremsen bezog die Firma E von der Klägerin. Die Firma E rüstete ihre Achsen mit diesen Bremsen aus. Zudem belieferte die Klägerin die Firma E auch mit Bremsbelägen als Ersatzteile. Inzwischen bietet die Firma E Bremsbeläge für Bremsen der Klägerin, mit denen Achsen der Firma E ausgerüstet sind, als Ersatzteile an, wobei sie diese Bremsbeläge von der Beklagten bezieht.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Bremsbeläge. Sie beliefert die Firma E inzwischen direkt mit Bremsbelägen und bietet an und verkauft Bremsbeläge auch als Ersatzteile für im Markt befindliche Bremsen der Klägerin. In jeder Packung befinden sich zwei identische Paare von Reibklötzen. Die Beklagte weiß, dass die von ihr angebotenen und gelieferten Reibklötze von der Firma E im Nachmarkt für Ersatzteile für Gleitsattelscheibenbremsen verkauft werden sollen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte verletze durch die Lieferung von Bremsbelägen an die Firma E und an Dritte den Anspruch 1 des Klagepatents mittelbar und die Ansprüche 7 und 8 unmittelbar. Dies ergebe ein augenscheinlicher Vergleich mit einem Bremsträger der Klägerin, welcher nachfolgend abgebildet ist und der Anlage PBP 9 entnommen worden ist.

Die nachfolgende zeichnerische Darstellung, die der Anlage PBP 10 entnommen worden ist, zeigt eine schematische Darstellung eines Reibklotzes der Beklagten, der in dem Bremsträger aufgenommen ist.

[Anmerkung: An dieser Stelle ist in der Entscheidung eine Grafik die nicht übermittelt wurde.]

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte liefere mit den Paaren identischer Reibklötze ein wesentliches Element der Erfindung an die Firma E und an Dritte. Die Bremsträger weisen unstreitig eine symmetrisch versetzte Gussnase auf. Damit sind nach Auffassung der Klägerin die Flächen des Trägers, die die Öffnungen des Trägers definieren, starr und asymmetrisch angeordnet, so dass sie dem Außenprofil jedes Reibklotzes nur in einer speziellen Klotzorientierung entsprechen würden.

Die Klägerin beantragt unter Erweiterung ihrer Anträge mit Schriftsatz vom 04.11.2011 nunmehr,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage über das Klagepatent auszusetzen.

Diesem Aussetzungsantrag ist die Klägerin entgegen getreten.

Eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents liege nicht vor. Die technische Lehre des Klagepatents beschränke sich nicht auf die Ausbildung asymmetrischer Reibklötze, sondern Anspruch 1 des Klagepatents setze ein konkretes Zusammenwirken zwischen den Reibklötzen und bestimmten die Öffnungen zur Aufnahme der Reibklötze definierenden Flächen der Träger voraus. Asymmetrien finden sich in den angegriffenen Reibklötzen unstreitig in den beiden Ausnehmungen oben und unten in den Reibklötzen. Auf sie komme es nach zutreffender Auslegung des Klagepatents nicht an. Sie hätten keine Auswirkungen auf das Zusammenspiel zwischen den Reibklötzen und den Trägern. Andere Flächen als die Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen seien nach der technischen Lehre des Klagepatents für die Asymmetrie des Außenprofils der Reibklötze nicht von Bedeutung.

Im Übrigen sei die technische Lehre zum Teil nicht neu und nicht erfinderisch. Zudem liege den Klagepatentansprüchen 1 und 7 eine unzulässige Erweiterung zu Grunde.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung nach Art.64 Abs.1 EPÜ, §§ 9, 10, 139 Abs.1, 2, 140a Abs.1, 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.

Die Klägerin ist befugt, die Ansprüche gegenüber der Beklagten gerichtlich zu verfolgen. Dies ergibt sich aus den Abtretungs- und Ermächtigungserklärung der Lizenzgeberin der Klägerin und der Klägerin selbst. Dem ergänzenden Sachvortrag der Klägerin ist die Beklagte zu Recht nicht weiter entgegen getreten.

II.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung €Scheibenbremse€ und betrifft eine Gleitsattelscheibenbremse. Die Bremsbeläge werden in dem Klagepatent €Reibklotz€ oder €Reibklötze€ genannt. Die Reibklötze sind in der Figur 2 mit den Bezugsziffern 2 und 3 gekennzeichnet.

Im Stand der Technik sind verschiedene Lösungen bekannt, mit denen vermieden werden soll, dass die Reibklötze nicht korrekt in den Bremsträger eingebaut werden. So ist der Klagepatentschrift zu entnehmen, dass es möglich ist, unterschiedliche Profile für Reibklötze zu verwenden oder unterschiedliche Befestigungen vorzusehen. Damit werde zwar das Problem gelöst, dass die Reibklötze unkorrekt eingebaut würden, führe aber zu relativ hohen Herstellungskosten. Wenigstens einer der Klötze könne an einem Stift befestigt werden, der als Sattelschieber dient, was nach der Klagepatentschrift eine ebenfalls komplizierte und kostspielige Anordnung darstellt.

Vor diesem Hintergrund hat das Klagepatent zur Aufgabe (das technische Problem), eine Gleitsattelscheibenbremse vorzusehen, die einfach und bequem angeordnet ist und bei der die Reibklötze einfach in die Bremse eingebaut werden können, wobei ausgeschlossen ist, dass sie unkorrekt eingebaut werden.

Der Klagepatentanspruch 1 sieht zur Lösung dieser Aufgabe folgende Anordnung vor, deren Merkmale - unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgetragenen Ergänzung der deutschen Übersetzung des europäischen Patents - wie folgt gegliedert werden können:

1. Gleitsattelscheibenbremse (1), die aufweist

1.1 einen Träger (1A), der bei Verwendung zur Befestigung an einem Fahrzeug gedacht ist,

1.2 einen Sattel (1B), der zur Gleitbewegung relativ zum Träger (1A) befestigt ist, und

1.3 zwei Reibklötze (2, 3).

2. Die Reibklötze (2, 3)

2.1 haben jeweils einen Belag aus Reibmaterial (2A, 3A) an einer Seite,

2.2 haben äußere Flächenabschnitte (10, 11, 12, 13, 2C),

2.3 haben identische Außenprofile, wobei

2.3.1 das Außenprofil asymmetrisch ist.

3. Die Reibklötze (2, 3) sind in entsprechenden Öffnungen (4, 5) in dem Träger (1A) angebracht, wobei

3.1 die Klötze (2, 3) innerhalb des Träges (1A) durch Angriff der äußeren Flächenabschnitte (10, 11, 12, 13) an Stützflächen (6, 7, 8, 9) des Trägers (1A) gestützt werden und wobei

3.2 die Flächenabschnitte (2C) der Klötze (2, 3) dazu dienen, an Drehmomentreaktionsflächen (4C, C) des Trägers (1A) anzugreifen.

4. Die Flächen (6, 7, 8, 9, 4C, 5C) des Trägers (1A) definieren die Öffnungen (4, 5) und

4.1 sind starr sowie

4.2 asymmetrisch angeordnet,

4.3 so dass sie dem Außenprofil jedes Klotzes (2, 3) nur in einer speziellen Klotzorientierung entsprechen, wodurch jeder Reibklotz (2, 3) in die Trägeröffnungen (4, 5) nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial (2A, 3A) einwärts des Trägers (1A) gewandt ist, damit es im Betrieb einer Bremsscheibe des Fahrzeugs zugewandt ist.

5. Die Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen (6, 7, 8, 9, 4C, 5C) der entsprechenden Trägeröffnungen (4, 5) sind derart angeordnet, dass ihre Positionen in dem Träger (1A) einander entsprechen, wenn die entsprechenden Öffnungen (4, 5) von gegenüberliegenden Seiten des Trägers (1A) aus gesehen werden.

Ferner sieht die Klagepatentschrift die nachfolgenden - nach Merkmalen gegliederten - Ansprüche 7 und 8 vor:

A. Ein Paar identischer Reibklötze (2, 3) zur Verwendung bei einer Gleitsattelscheibenbremse (1).

B. Jeder Klotz (2, 3)

B.a) hat einen Belag aus Reibmaterial (2A, 3A) an einer Seite und

B.b) wird bei Verwendung in einer ausgewählten von zwei vorgeschlagenen Öffnungen (4, 5) eines Trägerabschnitts des Sattels gestützt

B.b.a) durch Kontakt von äußeren Flächen (20, 22, 12, 23) des Klotzes

B.b.b) mit Stützflächen (6, 7, 8, 9) des Trägers (1A) und

B.b.c) durch Flächenabschnitte (2G) des Klotzes,

B.b.d) die an wenigstens einer Drehmomentreaktionsfläche (4G, 5C) des Trägers (1A) angreifen.

C. Die äußeren Flächenabschnitte (10, 11, 12, 13, 4C, 5C) des Klotzes (2, 3) definieren ein äußeres Profil.

D. Das Profil ist asymmetrisch, so dass

D.a) es in einer speziellen Klotzorientierung

D.b) einer asymmetrischen Anordnung der die Öffnungen (4,5) definierenden Flächen (6, 7, 8, 9, 4G, 5C) entspricht,

D.c) wodurch jeder Reibklotz (2, 3) in die Trägeröffnung (4, 5) nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial (2A, 3A) einwärts des Trägers (1A) gewandt ist, damit es bei Verwendung einer Bremsscheibe zugewandt ist.

III.

Die Beklagte verletzt durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform die technische Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents mittelbar, Art.64 Abs.1 und 3 EPÜ i.V.m. § 10 PatG.

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich dieses Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund von Umständen offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht und das zur unmittelbaren Patentbenutzung unmittelbar geeignet ist. Wesentlich ist ein Element der Erfindung dabei bereits regelmäßig dann, wenn es Bestandteil des Patentanspruchs ist. Ein Mittel ist dann objektiv geeignet, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, wenn bei seinem Einsatz zusammen mit anderen Mitteln eine unmittelbare wortsinngemäße Patentverletzung möglich ist (vgl. BGH, GRUR 2005, 848 - Antriebsscheibenaufzug). Die angegriffene Ausführungsform macht von den zwischen den Parteien allein streitigen Merkmalen 2.3.1, 4.2 und 5 des Klagepatenanspruchs 1 Gebrauch und ist als Mittel objektiv geeignet für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

1.

Merkmal 2.3.1 ist verwirklicht, da das Außenprofil der Reibklötze asymmetrisch ausgestaltet ist. Entscheidend für die Auslegung ist das gelehrte Zusammenspiel zwischen Reibklotz und dem Träger.

a)

Der Wortlaut des Anspruchs 1 des Klagepatents verhält sich über das Außenprofil der Reibklötze (Merkmal 2.3. und 2.3.1) nicht genau. Er verlangt, dass die Reibklötze ein identisches Außenprofil haben und die Außenprofile selbst asymmetrisch sind. Weitergehendes kann der Fachmann diesbezüglich auch nicht der Patentbeschreibung entnehmen.

Entscheidend für den technischen Sinngehalt dieses Merkmals ist es, welchen Begriffsinhalt das Patent bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln einem vorgeschlagenen Merkmal zuweist. Das Verständnis des Fachmanns wird sich dabei entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck dieses Merkmals orientieren (BGH, GRUR 2011, 232 € Brieflocher). Die Patentschreibung enthält den Hinweis, dass es bei der der Patentschrift zugrunde liegenden Erfindung gerade um die Art und Weise geht, wie die Reibklötze in dem Träger befestigt werden (Abs. 0018). Das Außenprofil eines Reibklotzes ist nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 asymmetrisch ausgestaltet. Dieses Außenprofil eines Reibklotzes steht wiederum - so wie es der Anspruchswortlaut (Merkmalsgruppe 3) weiter vorsieht - zum Träger in einem konkreten Zusammenhang. Aufgrund dieses Zusammenhanges, den der Fachmann bei der Auslegung in seinen Blick nimmt (BGH GRUR 2004, 845, 846 € Drehzahlermittlung; Benkard / Scharen, PatG, 10. Aufl., § 14 Rn. 13), zieht der Fachmann zwecks Erfassung des Sinngehalts auch das Merkmal 4 heran. Die Form der Reibklötze (im Sinne des Außenprofils) und der Träger stehen in einem unmittelbaren technisch funktionalen Zusammenhang in der Weise, dass jede Klotzbaugruppe nur in einer speziellen Orientierung in eine der Aussparungen des Trägers eingebaut werden kann (Abs. 19). Die Flächen des Trägers - so wie es Merkmal 4 beschreibt - sind starr und asymmetrisch angeordnet, so dass sie dem Außenprofil jeden Klotzes nur in einer speziellen Klotzorientierung entsprechen. Dieser Zusammenhang steht allerdings unter der gerade angedeuteten Bedingung, dass die Reibklötze - entsprechend der technischen Aufgabe - nur korrekt eingebaut werden dürfen. Deshalb sieht die technische Lehre des Klagepatents als bevorzugte Ausführungsformen zwei alternative zweckmäßige Anordnungen vor. Zum einen sind die Stützflächen des Trägers (als Teil des Trägers) für jeden Klotz relativ abgestuft ausgestaltet (Abs.0007). Zum anderen - bei koplanar angeordneten Stützflächen des Trägers - ist eine weitere Fläche der Trägeröffnung in einer Ebene, die sich von den Stützflächen unterscheidet, aber an eine komplementäre Fläche des zugehörigen Klotzes angrenzt, erforderlich (Abs. 0008). Damit wird sichergestellt, dass die Außenprofile dem Trägerprofil entsprechen.

b)

Merkmal 4 verhält sich primär zur Ausgestaltung - des Gegenstücks des Reibklotzes - der Form des Trägers. Der Anspruchswortlaut sieht vor, dass die Flächen des Trägers, die die Öffnungen definieren, starr und asymmetrisch angeordnet sind, so dass sie dem Außenprofil der beiden Klötze nur in einer speziellen Klotzrichtung entsprechen und demgemäß nur so eingebaut werden können, dass das Reibmaterial einwärts des Trägers gewandt ist. Dieser Teil des Wortlauts des Klagepatentanspruchs 1 verhält sich über den Begriff der Flächen nicht. Eine eigene Definition enthält die Patentbeschreibung nicht. Allerdings erkennt der Fachmann die unterschiedliche Wortwahl, die z. B. dem Merkmal 3 zu entnehmen ist. Während die Patentschrift unterschiedliche Flächen wie Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen enthält und ihnen unterschiedliche Funktionen zuweist, verhält sich Merkmal 4 gerade nicht derart spezifisch. Vielmehr enthält Merkmal 4 den Begriff €Die Flächen€. Somit kann dem Anspruchswortlaut des Klagepatentanspruchs 1 keine einschränkende Ergänzung entnommen werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in Merkmal 3 von €entsprechenden Öffnungen€ die Rede ist. Dies besagt nicht mehr, als dass die Öffnungen in allgemeiner Weise auf die räumlich-körperliche Gestalt der Reibklötze abgestimmt sein müssen, also so, dass ein Reibklotz in die Öffnung eingebracht werden und dort seiner Funktion nachkommen kann.

Eine Einschränkung des Begriffs €Die Flächen€ auf die Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen ist auch bei der gebotenen funktionsorientierten Auslegung des Klagepatents, also der Deutung der Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs dahingehend, wie dies angesichts der ihnen nach der offenbarten Erfindung zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH GRUR 2001, 232, 233 € Brieflocher; OLG Düsseldorf GRUR 2000, 599, 601 € Staubsaugerfilter), nicht veranlasst. Die Funktion eines komplementär ausgebildeten Trägers zum entsprechenden Reibklotz, um einen korrekten Einbau erzielen zu können, erfordert keine Beschränkung des Begriffs der Flächen. Der Fachmann erkennt an den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 4 und 5 und der dazugehörenden Patentbeschreibung, dass auch weitere - vorzugsweise zwischen einer Stützfläche und einer Drehmomentreaktionsfläche angeordnete - Flächen zu der erfindungsgemäß erforderlichen Asymmetrie beitragen können (vgl. Abs.0008 und 0009 sowie Unteransprüche 3 und 4). Dann spricht bei der gebotenen technischen Betrachtung aber auch nichts dagegen, dass eine solche asymmetrische weitere Fläche der Trägeröffnung mit einem korrespondierenden asymmetrischen Profilabschnitt des Reibklotzes auch allein die richtige Passung des Klotzes im Sinne von Merkmal 4.3 gewährleisten kann.

Damit in Einklag steht, dass die Lehre des Klagepatents die räumliche Anordnung der weiteren Fläche nicht vorgibt, sondern in das Belieben des Fachmanns stellt. Ausweislich Abs.0022 können die Stützflächen des Trägers und die Angriffsflächen der Klötze auf jede geeignete Weise angeordnet sein, solange die vorrangigen Kriterien beachtet werden, dass die Klötze identisch aber asymmetrisch sind und dem übergeordneten Kriterium eines verwechslungssicheren Einbaus entsprechen (Merkmal 4.3). Dieses Verständnis setzt sich im weiteren Halbsatz des Abschnittes 22 fort, in welchem es heißt, dass er (der Klotz) quer zu seiner eigenen Ebene um 180 Grad bezüglich seiner Position in der anderen Öffnung gedreht ist, aber nicht anders. Damit wird nicht ausgedrückt, dass nur Stützflächen und Drehmomentreaktionsflächen gemeint sein könnten, also dieser Abschnitt inhaltlich abschließend gelesen werden muss. Insoweit ergibt sich auch aus der Anlage B 11 kein anderes Verständnis, weil in dieser Abbildung das übergeordnete Kriterium eines verwechslungssicheren Einbaus augenscheinlich nicht erfüllt ist.

2.

Damit ist die angegriffene Ausführungsform geeignet, die technische Lehre des Klagepatents nach Anspruch 1 zu verwirklichen. Wie sich aus den nachfolgenden Abbildungen sowie aus den Bildern der Anlage PBP 8 ergibt, weisen die Reibklötze einen Reibbelag an einer Seite auf und haben identische, aber asymmetrische Außenprofile in Form von einer Ausnehmung an der Unterseite des Reibklotzes. Der Bremsträger besitzt - neben einem Sattel und zwei Reibklötzen - eine Fläche, die die Öffnung definiert, sowie eine Gussnase, die so ausgestaltet ist, dass der einzusetzende Reibklotz über eine korrespondiere Ausnehmung verfügt, so dass ein unkorrekter Einbau des Reibklotzes ausgeschlossen ist. Dieser Teil der Fläche mit der Gussnase ist starr und asymmetrisch angeordnet. Die Reibklötze haben äußere Flächenabschnitte, die an Stützflächen des Trägers gestützt werden können und Flächenabschnitte, die dazu dienen, an Drehmomentreaktionsflächen des Trägers anzugreifen. Die Stütz- und Drehmomentreaktinsflächen der entsprechenden Trägeröffnung sind derart angeordnet, dass ihre Positionen in dem Bremsträger, von gegenüberliegender Seite des Bremsträgers gesehen, einander entsprechen.

X

3.

Die Beklagte hat die angegriffene Ausführungsform zur Verwendung im Inland angeboten und vertrieben ohne hierzu berechtigt zu sein.

4.

Darüber hinaus wusste die Beklagte, dass sich die angegriffenen Reibklötze zur erfindungsgemäßen Benutzung eignen und sie von den Abnehmern hierzu bestimmt waren. Die Bremsklötze können nur in die Gleitsattelscheibenbremsen der Firma E eingesetzt werden. Seitens der Abnehmer war diese Verwendung beabsichtigt. Das Mittel konnte ausschließlich erfindungsgemäß verwendet werden.

IV.

Eine unmittelbare Patentverletzung nach § 9 S.1 Nr.1 PatG liegt vor, da die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre der Klagepatentansprüche 7 und 8, insbesondere auch die zwischen den Parteien streitigen Merkmale D und B.b. verwirklicht.

Der Auslegung des Patentanspruchs 1 folgend, verlangt Merkmal D ein asymmetrisches äußeres Profil eines Klotzes, so dass das äußere Profil in einer speziellen Klotzorientierung einer asymmetrischen Anordnung der die Öffnung definierenden Fläche entspricht.

Auch dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 7 ist nicht zu entnehmen, dass die asymmetrisch ausgestaltete Fläche des Trägers, die die Öffnung definieren, auf Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen begrenzt wäre. Eine dahingehende Beschränkung findet weder Rückhalt im Anspruchswortlaut noch ist eine solche der Patentbeschreibung zu entnehmen. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 7 geht von dem Begriff €Fläche€ aus. Die gebotene funktionsorientierte Auslegung führt ebenfalls nicht dazu, eine Einschränkung des Anspruchswortlauts vorzunehmen. Die asymmetrische Ausgestaltung des äußeren Profils des Reibklotzes, welches einer ebenfalls asymmetrischen Anordnung der die Öffnung definierenden Fläche entspricht, dient dem Zweck, dass jeder Reibklotz in die Trägeröffnung nur so eingebaut werden kann, dass das Reibmaterial einwärts zum Träger hin gewandt ist und damit der Aufgabe des Patents gerecht wird.

Soweit in dem Merkmal B.b. die Wendung von €Öffnungen eines Trägerabschnitts des Sattels€ verwendet wird, ist diese sprachlich nicht ganz präzise Formulierung nicht dahingehend zu verstehen, dass damit der Sattel an sich gemeint sein muss. Vielmehr wird im Zusammenhang mit Merkmal B.b.b, welches auf Flächen des Trägers abstellt, deutlich, dass hierunter die Öffnungen des Trägers zu verstehen sind. Nur so kommt das funktionale Zusammenwirken von Bremsklotz und Bremsträger zum Tragen. Es entspricht auch dem allgemeinen Fachverständnis, dass eine Gleitsattelscheibenbremse der Gattung nach immer einen Bremsträger und einen dazu relativ verschieblichen (gleitenden) Sattel aufweist.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht diese Merkmale, da durch die Gussnase, die an einer Fläche des Trägers, die die Öffnung definiert, angeordnet ist, einer entsprechenden Aussparung am Reibklotz zugeordnet ist. Damit ist es ausgeschlossen, dass die Seite des Reibklotzes, an welcher das Reibmaterial angebracht ist, nicht an der dem Träger zugewandten Seite eingebaut werden kann.

V.

Aus der festgestellten Schutzrechtsverletzung ergeben sich die zuerkannten Klageansprüche.

1.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art.64 EPÜ, §§ 139 Abs.1, 9, 10 PatG im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet, da sie zu einer Nutzung des Klagepatents nicht berechtigt gewesen ist.

Da die angegriffene Ausführungsform mittelbar von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht und ausschließlich in der beschriebenen Weise, dass heißt nur für die Gleitsattelscheibenbremsen der Firma E verwendet werden kann, kommt vorliegend, wie auch von der Klägerin beantragt, ein Schlechthinverbot in Betracht.

2.

Des Weiteren hat die Beklagte der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus wird die Beklagte durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art.64 Abs.1 EPÜ i. V. m. § 140b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist der Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.

4.

Der Vernichtungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten hat seine Grundlage in Art.64 Abs.1 EPÜ, § 140a Abs.1 PatG.

5.

Der Rückrufanspruch beruht auf Art.64 Abs.1 EPÜ, § 140a Abs.3 PatG.

VI.

Zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO besteht kein Anlass. Ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche stellen noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen (BGH, GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe). Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist.

1.

Dies ist in Bezug auf die in Kombination geltend gemachten Klagepatentansprüche 7 und 8 nicht der Fall, da es nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass das Klagepatent wegen fehlender Neuheit vernichtet wird.

a.

Die europäische Patentanmeldung F(NK 4 (D1), in übersetzter Fassung Anlage B 8) nimmt die technische Lehre des Klagepatentanspruchs 7 nicht neuheitsschädlich vorweg. Diese Entgegenhaltung war bereits Gegenstand des Erteilungsverfahrens des Klagepatents. Merkmal 1 des kombinierten Klagepatentanspruchs, nämlich ein Paar identische Reibklötze zur Verwendung bei einer Gleitsattelscheibenbremse, kann weder dem Wortlaut noch der Patentbeschreibung der Entgegenhaltung entnommen werden.

b.

Auch die G(Anlage NK 16 (D 7), in übersetzter Fassung Anlage B 9) führt zu keiner neuheitsschädlichen Vorwegnahme, die den Klagepatentansprüchen 7 und 8 entgegengehalten werden könnte. Es lässt sich nicht feststellen, dass in der Entgegenhaltung eine asymmetrische Gestaltung im Träger offenbart ist (Merkmal D). Allein der Hinweis auf die Nichtigkeitsklage (dort Seite 13) reicht hierzu nicht aus. Dort wird nicht darauf eingegangen, dass der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 7 neben der Asymmetrie des Profils des Klotzes auch eine entsprechende asymmetrische Anordnung der die Öffnung definierenden Fläche verlangt. Welche Flächen die Öffnung definieren und wie diese asymmetrisch ausgestaltet und entsprechend dem Profil des Klotzes angepasst sind, wird aus dem Vortrag der Beklagten nicht deutlich. Insoweit ergibt sich nichts anderes aus dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung. Der Hinweis auf die Anlage B 10, Abbildung 4, verhält sich gerade nicht zu den die Öffnung des Trägers definierenden Flächen. Vielmehr ergibt sich aus der Abbildung 3 der Entgegenhaltung, dass der Träger (12) einschließlich des Arms (28) von dem Bremsträger (10) räumlich und funktionell zu unterscheiden ist. Die Bremsbeläge (40, 42) weisen Asymmetrien in Form von vorragenden Vorsprüngen (bei 60, 66, 68, 70) auf, die in korrespondierende Ausnehmungen des Bremssattels (10) eingreifen und nicht räumlich korrespondierend zum Träger (12) angeordnet sind. Insoweit ist nicht ersichtlich, in welchem funktionalen Zusammenhang die Vorsprünge zum Bremsträger stehen sollen.

2.

Eine Aussetzung ist auch nicht im Hinblick auf den von der Beklagten vorgetragenen Einwand des fehlenden erfinderischen Schritts geboten. Eine Erfindung beruht auf einem erfinderischen Schritt, wenn sich diese nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Der Fachmann muss durch seine Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage gewesen sein, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Darüber hinaus muss der Fachmann einen konkreten Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten (BGH, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse).

a)

Der Einwand der Beklagten bleibt ohne Erfolg, soweit sie dies für die Klagepatentansprüche 1 und 7 mit 8 in Bezug auf eine Kombination der Entgegenhaltungen D 1 mit D 2 oder D 3 geltend macht.

Die Beklagte trägt vor, aus der Entgegenhaltung NK 6 (DE 3919179 A1; D 2) seien Gleitsattelscheibenbremsen bekannt, die bis auf die Merkmale D.b und 4 der asymmetrischen Form der Reibklötze und der Flächen des Klagepatents alle anderen Merkmale offenbarten. In Kombination mit der Entgegenhaltung NK 4 (EP FA 1, D 1) sei der erfinderische Schritt der beim Klagepatent zugrunde liegenden technischen Lehre zu verneinen. Die Entgegenhaltung D 1 erwähne das technische Problem einer fehlerhaften Anordnung der Reibklötze (S.2 Z.13-17). Hierzu schlage die Entgegenhaltung eine asymmetrische Ausbildung des Reibklotzprofils und eine entsprechende asymmetrische Ausbildung der Auflagenfläche vor. Die Beschreibung der Entgegenhaltung NK 6 verhält sich nicht zu dem technischen Problem der Gefahr eines unkorrekten Zusammensetzens der Gleitsattelscheibenbremse. Aufgabe der technischen Lehre der Entgegenhaltung ist die Weiterbildung der elastischen Manschetten und somit auch der Sattelführung, die sie zu schützen haben, um auch bei ungünstigen Bedingungen eine noch höhere Lebensdauer zu erreichen. Die Entgegenhaltung D 1 lehrt zwar die Verwendung von nicht identischen Reibklötzen, was aber für den Fachmann in Hinblick auf die Entgegenhaltungen D 2 und D 3 einen technischen Rückschritt darstellen dürfte.

Außerdem stellen die Entgegenhaltungen in sich abgeschlossene technische Lösungen dar, die jeweils vom Fachmann abstrahiert werden müssten, um dann in Kombination zur Lehre des Klagepatents gelangen zu können. Eine Kombination der technischen Lösungen von identischen Reibklötzen bei gleichzeitiger Asymmetrie des Außenprofils der Reibklötze entsprechend der die Öffnungen des Trägers definierenden Flächen zum Zwecke einer Verhinderung eines unzutreffenden Einbaus geht damit aber über eine einfache Kombination hinaus und rechtfertigt im Hinblick auf die hohen Anforderungen, die bei der Frage der Aussetzungsentscheidung wegen eines fehlenden erfinderischen Schritts zu stellen sind, eine Aussetzung nicht.

b)

Entsprechendes gilt für die Kombination mit der Entgegenhaltung der D 3 (EP 0 248 385 A 1, NK 7) sowie für die Kombination der Entgegenhaltung D 7 mit D 2 oder D 3.

3.

Schließlich rechtfertigt der von der Beklagten angeführte Einwand der unzulässigen Erweiterung keine Aussetzung des Rechtsstreits.

Nach Merkmal 4 sind die Flächen des Trägers, die die Öffnungen definieren, starr und asymmetrisch angeordnet. In diesem Zusammenhang offenbart Spalte 4 Zeilen 10-15 der ohnehin nicht in Übersetzung vorgelegten Anmeldeschrift (NK 2) neben der Stützfläche und der Drehmomentreaktionsfläche weitere Flächen, verhält sich zu der Eigenschaft der weiteren Flächen jedoch nicht ausdrücklich. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, dass der Fachmann an Hand der Funktion der Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen als mitoffenbart ansieht, dass diese starr ausgebildet sein müssen, zumal sie normalerweise maschinell produziert werden, damit die Reibklötze in der Öffnung gehalten und die im Betrieb auftretenden Kräfte weitergeleitet werden können.

Dass auch weitere Flächen der Trägeröffnung - neben den Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen - dem Asymmetrieerfordernis (insbesondere Merkmal 4) unterfallen, kann der Spalte 1 Zeilen 54 ff der Anmeldeschrift entnommen werden. Die allgemeine Patentbeschreibung besagt nicht, dass lediglich Stütz- und Drehmomentreaktionsflächen als Flächen im Sinne von Merkmal 4 zu verstehen sind. Vielmehr werden dort ausdrücklich €weitere Flächen€ erwähnt. Dagegen spricht auch nicht zwingend die Offenbarung in Spalte 4 Zeilen 16 ff.

VII.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 709 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 24.04.2012
Az: 4a O 275/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fa0f92feddbc/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_24-April-2012_Az_4a-O-275-10




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