Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: NotZ 20/08

(BGH: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: NotZ 20/08)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin und des weiteren Beteiligten zu 2 wird der nach mündlicher Verhandlung vom 5. September 2008 ergangene Beschluss des Senats für Notarsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig - Not 5/08 - aufgehoben.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten beider Rechtszüge zu tragen und die der Antragsgegnerin und dem weiteren Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 €

festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragsgegnerin schrieb im Juni 2007 in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen für den Amtsgerichtsbezirk N. zwei Stellen für Anwaltsnotare aus, auf die sich neben einem weiteren Rechtsanwalt der Antragsteller und die weiteren Beteiligten bewarben. Der Ablauf der Bewerbungsfrist war am 31. Juli 2007. Das Auswahlverfahren führte die Antragsgegnerin gemäß § 6 der Allgemeinen Verfügung über die Angelegenheiten der Notarinnen und der Notare (im Folgenden: AVNot) in der Fassung vom 21. August 2006 (SchlHA S. 307) durch. Für den weiteren Beteiligten zu 2 ermittelte sie eine Gesamtpunktzahl von 243,95 und für den Antragsteller von 238,35, der damit den dritten Rang einnahm. Punktestärkster Bewerber war der weitere Beteiligte zu 1. Mit Bescheid vom 7. Februar 2008, zugestellt am 13. Februar 2008, teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie beabsichtige, die ausgeschriebenen Notarstellen mit den weiteren Beteiligten zu besetzen.

Dagegen hat der Antragsteller unter Beifügung des angefochtenen Bescheides beim Oberlandesgericht zunächst beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegnerin die Besetzung der beiden Stellen mit den weiteren Beteiligten zu untersagen, solange über seinen Antrag "auf Unterlassen und erneute Bescheidung" nicht entschieden sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 13. März 2008, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tage, hat er "den Antrag" insoweit ergänzt, als die Antragsgegnerin zugleich verpflichtet werden sollte, ihn in Bezug auf die Zuweisung einer Notarstelle neu zu bescheiden.

Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat er seinen Antrag zurückgenommen, soweit er die zugunsten des weiteren Beteiligten zu 1 ergangene Besetzungsentscheidung betraf; eine der Notarstellen ist mittlerweile mit diesem Bewerber besetzt. Das Oberlandesgericht hat den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Februar 2008 aufgehoben, soweit diese beabsichtigt, die verbliebene Stelle mit dem weiteren Beteiligten zu 2 zu besetzen, und diese verpflichtet, den Antragsteller unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Hiergegen wenden sich sowohl die Antragsgegnerin als auch der weitere Beteiligte zu 2 mit ihrer sofortigen Beschwerde.

II. Die Rechtsmittel sind gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Auch die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO, § 42 Abs. 6 Satz 2 BRAO, § 20 Abs. 1 FGG erforderliche materielle Beschwer des weiteren Beteiligten zu 2 ist gegeben. Durch den Erfolg des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vor dem Oberlandesgericht und die dadurch begründete Verpflichtung der Antragsgegnerin, über die Bewerbung des Antragstellers neu zu entscheiden, wird nicht nur die ursprünglich mit dem weiteren Beteiligten zu 2 vorgesehene Besetzung der ausgeschriebenen Notarstelle zu seinen Ungunsten verzögert, vielmehr ist damit unmittelbar auch die Gefahr begründet worden, dass diese Stelle mit dem konkurrierenden Antragsteller besetzt wird, denn die - die Antragsgegnerin bindende - Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts ermöglicht eine Neubescheidung zum Nachteil des weiteren Beteiligten zu 2. Er kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts daher überprüfen lassen, ohne zunächst einen - ihn belastenden - neuen Bescheid der Antragsgegnerin abwarten zu müssen (Senat, Beschlüsse vom 14. April 2008 - NotZ 123/07 - Rn. 3 bei juris abrufbar; vom 28. November 2005 - NotZ 26/05 - DNotZ 2006, 228, 229; vom 11. Juli 2005 - NotZ 29/04 - ZNotP 2005, 431; vom 16. Juli 2001 - NotZ 1/01 - ZNotP 2001, 443, 444; vom 16. März 1998 - NotZ 26/97 - NJW-RR 1998, 1598).

III. Die sofortigen Beschwerden haben überdies in der Sache Erfolg. Entgegen dem vom Oberlandesgericht eingenommenen Standpunkt erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin als ermessensfehlerfrei. Sie hat den ihr dabei zustehenden Beurteilungsspielraum (BGHZ 124, 327, 330 ff.) auf der Grundlage von § 6 AVNot zutreffend und erschöpfend angewandt.

1. Das Oberlandesgericht ist im Ergebnis richtig davon ausgegangen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als zulässig zu betrachten ist. Der sofortigen Beschwerde ist demnach nicht schon deshalb stattzugeben, weil binnen der Monatsfrist des § 111 Abs. 2 Satz 1 BNotO kein formgerechter Antrag eingegangen ist.

a) Allerdings ist der Antrag, wie er im Hauptsacheverfahren eingereicht worden ist, aus sich heraus nicht verständlich. Er nennt - entgegen den Erfordernissen des insoweit entsprechend anwendbaren § 37 Abs. 3 BRAO - weder Datum oder Aktenzeichen noch den näheren Inhalt des Verwaltungsaktes, gegen den sich der Antrag wenden soll. Er macht zudem nicht deutlich, in welchem Umfang der Verwaltungsakt angegriffen werden soll, so dass das Rechtsschutzziel auch nicht allein aus der Tatsache der Erhebung des Rechtsbehelfs deutlich geworden ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Dezember 1991 - NotZ 14/91 - BGHR BNotO § 111 Abs. 1, Antragsvoraussetzungen 1; vom 30. Juli 1990 - NotZ 25/89 - Rn. 13 bei juris; Schippel/Bracker/Lemke, BNotO 8. Aufl. § 111 Rn. 36, jeweils zu § 39 Abs. 2 BRAO a. F., der § 37 Abs. 3 BRAO n.F. entspricht). Der Antrag beschränkt sich vielmehr auf die Angabe des Aktiv- und Passivrubrums, den Hinweis, dass es sich um einen Antrag nach § 111 BNotO handeln und die Antragsgegnerin "zugleich" zur Neubescheidung verpflichtet werden soll. Er erschließt sich der Sache nach lediglich durch eine Zusammenschau mit dem bereits anhängigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dessen Aktenzeichen Not 3/08 indes - entgegen der Darstellung des Oberlandesgerichts in seiner gerichtlichen Verfügung vom 23. Juni 2008 - nicht angegeben war; der Antrag im Hauptsacheverfahren weist lediglich ein bürointernes Aktenzeichen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aus.

b) Unbeschadet dessen war der Antrag auf einstweilige Anordnung, dem der beanstandete Verwaltungsakt beigefügt war und in dem die Einleitung des Hauptsacheverfahrens angekündigt wurde, dem erkennenden Oberlandesgericht bereits bekannt und damit auch das Bestreben des Antragstellers, die zu seinem Nachteil ergangene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin in ihrer Gesamtheit anzufechten. Entsprechend ist sein Begehren, als dessen Ergebnis er eine der beiden ausgeschriebenen Notarstellen erhalten wollte, vom Oberlandesgericht in einer übergreifenden Betrachtung der beiden vor ihm anhängigen Verfahren aufgefasst worden. Das vermag im konkreten Fall für einen formgerechten Antrag (noch) auszureichen.

2. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats bestehen unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 2004 (BVerfGE 110, 304) und 8. Oktober 2004 (NJW 2005, 50) keine Bedenken dagegen, dass die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung auf der Grundlage eines Punktesystems getroffen hat, wie es in § 6 AVNot näher geregelt ist (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109, 110 ff.; vom 26. März 2007 - NotZ 38/06 - NJW-RR 2007, 1130, 1131 und NotZ 39/06 - ZNotP 2007, 234, 235 f. jeweils Rn. 9 ff.). Dagegen werden auch im vorliegenden Fall keine Einwendungen erhoben.

a) Das Oberlandesgericht hat nach Maßgabe des § 6 AVNot die fachliche Eignung des weiteren Beteiligten zu 2 bejaht und ist davon ausgegangen, dass die für ihn in Ansatz gebrachten 243,95 Punkte durch die Antragsgegnerin ebenso zutreffend ermittelt worden sind wie die für den Antragsteller errechneten 238,35 Punkte. Das ergibt einen rechnerischen Vorsprung von 5,6 Punkten zugunsten des weiteren Beteiligten zu 2. Das nehmen die Beteiligten grundsätzlich hin.

b) Der Punkteabstand zwischen dem weiteren Beteiligten zu 2 und dem Antragsteller erklärt sich zu seinem wesentlichen Teil aus der Zahl der bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist beurkundeten und nachgewiesenen Niederschriften, die gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot zu berücksichtigen sind. Der weitere Beteiligte zu 2 hat insoweit 62 Punkte erzielt, während der Antragsteller auf eine Punktzahl von 56 kommt. Das Oberlandesgericht hat keine Zweifel erkennen lassen, für die auch sonst nichts ersichtlich ist, dass diese Leistungen zur praktischen Vorbereitung auf das angestrebte Amt als Notar im Zweitberuf tatsächlich erbracht worden sind, denn anderenfalls hätte es die Beurkundungen ihrer Zahl nach schon im Rahmen der fachlichen Eignung jedenfalls teilweise nicht berücksichtigen und in die Gesamtpunktzahl einfließen lassen dürfen.

c) Jedoch meint das Oberlandesgericht, dass die Antragsgegnerin nicht ohne weiteres auch von der persönlichen Eignung des weiteren Beteiligten zu 2 für das Amt des Anwaltsnotars habe ausgehen dürfen. Aus seiner Sicht sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der weitere Beteiligte zu 2 die Möglichkeiten "missbraucht" hat, die das an die reine Zahl der Niederschriften anknüpfende Punktesystem bietet. Dazu hat es ausgeführt, die persönliche Eignung eines Bewerbers stehe dann in Frage, wenn dieser Beurkundungen vornehme, von denen ein bereits bestellter Notar bei redlicher Amtsführung absehe. Während des Laufes der Bewerbungsfrist sei für den weiteren Beteiligten zu 2 eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Beurkundungen zu verzeichnen, die in einem Anwaltsnotariat an einem Tage kaum realisierbar erscheine und deshalb den Schluss nahe lege, "einheitliche Vorgänge seien gesplittet worden", und zwar allein im Hinblick auf die Bewerbung um eine Notarstelle und nicht aus in der Sache liegenden Gründen. In einer solchen Situation sei die Antragsgegnerin gehalten, der Plausibilität dieser Zahlen nachzugehen, indem sie die Zahl der Niederschriften im fraglichen Zeitraum mit der jährlichen Zahl der Beurkundungen vergleiche, den Bewerber gegebenenfalls um Erläuterung bitte und sich im Anschluss daran unter Umständen auch inhaltlich mit den Niederschriften befasse. Das werde durch die Antragsgegnerin nachzuholen sein.

3. Dem folgt der Senat nicht. Die Antragsgegnerin durfte als Ergebnis des Auswahlverfahrens davon ausgehen, dass der weitere Beteiligte zu 2 im selben Maße als persönlich geeignet einzustufen ist wie der Antragsteller. Sie hat ebenso wie die fachliche Eignung auch die persönliche Eignung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fehlerfrei bejaht.

a) Wie das Oberlandesgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO nur solche Bewerber zu Notaren zu bestellen, die auch nach ihrer Persönlichkeit für das Amt des Notars geeignet sind. Von dieser persönlichen Eignung ist auszugehen, wenn die inneren und äußeren Eigenschaften des Bewerbers, wie sie sich insbesondere in seinem äußeren Verhalten offenbaren, keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er den Aufgaben und Pflichten eines Notars gewissenhaft nachkommen werde. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Aufgaben, die der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen hat (§ 1 BNotO), darf der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers anzulegende Maßstab nicht zu milde sein. Als Träger eines öffentlichen Amtes, der auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege hoheitliche Funktionen wahrnimmt, ist der Notar in besonderem Maße zur Integrität verpflichtet. Die erhöhten Anforderungen rechtfertigen sich daraus, dass die Leistungsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege wesentlich von dem Vertrauen der Rechtsuchenden in die Rechtspflegeorgane abhängt und dafür unbedingte Integrität der Amtspersonen gefordert ist. In dem auf die Besetzung einer Notarstelle gerichteten Verwaltungsverfahren besteht zugunsten des Bewerbers keine "Eignungsvermutung"; vielmehr ist seine persönliche Eignung für das Notaramt positiv festzustellen. Hat die Justizverwaltung begründete Zweifel an der persönlichen Eignung, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen. Die persönliche Eignung für dieses Amt ist als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren, dessen Interpretation durch die Landesjustizverwaltung gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Landesjustizverwaltung verbleibt allerdings bei der Prognose, ob der Bewerber aufgrund seiner richtig festgestellten und rechtlich zutreffend bewerteten persönlichen Umstände für das Amt geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum (Senat, Beschlüsse vom 17. November 2008 - NotZ 10/08 - ZNotP 2009, 29, 30 Rn. 6 ff.; vom 12. Juli 2004 - NotZ 1/04 - DNotZ 2005, 146 f.; vom 31. Juli 2000 - NotZ 5/00 - DNotZ 2000, 943 f.; vom 10. März 1997 - NotZ 19/96 - DNotZ 1997, 891, 893).

Beurteilungsgrundlage sind die Erkenntnisse, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Bewerbung zur Verfügung stehen. Kommt es zum Verfahren nach § 111 BNotO, hat das Gericht die persönliche Eignung und damit die Frage, ob bei Fristablauf an ihr Zweifel bestanden, nach dem Inbegriff des Verhandlungsergebnisses zu entscheiden, wobei selbstverständlich die persönliche Eignung noch im Zeitpunkt der Bestellung gegeben sein muss (Senat, Beschluss vom 12. Juli 2004 aaO S. 147).

b) Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich für den sachlichrechtlichen Stichtag, den Ablauf der Bewerbungsfrist, begründete Zweifel an der persönlichen Eignung des weiteren Beteiligten zu 2 nicht ergeben haben; diese Beurteilung hat auch unter Berücksichtigung des Verhandlungsergebnisses Bestand. Die Antragsgegnerin konnte allein auf der Grundlage der Bewerbung, der ihr beigefügten Nachweise und der Stellungnahme der zur Bewerbung angehörten zuständigen Notarkammer über die persönliche Eignung des weiteren Beteiligten zu 2 entscheiden. Für weitere Erhebungen bestand kein Erfordernis; dieses hat sich auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht gezeigt.

(1) Das Oberlandesgericht hegt - wie ausgeführt - am Umfang der in das Bewerbungsverfahren eingebrachten Beurkundungstätigkeit jedenfalls grundsätzlich keine Zweifel, die sich auch für den Senat nicht ergeben. Das gleiche gilt für die Richtigkeit der seitens der vertretenen Notare darüber ausgestellten Bescheinigungen. Die Verpflichtung, gegenüber der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der Vertreterbestellung wahrheitsgemäße Angaben zu machen, trifft ohnedies den vertretenen Notar und nicht seinen Vertreter; ein dienstwidriges Verhalten des Notars in diesem Punkt wäre daher in erster Linie ihm und nicht seinem Vertreter anzulasten. Zweifel an der persönlichen Eignung des Vertreters, der sich nachfolgend auf eine Stellenausschreibung bewirbt, wären nur dann angebracht, wenn er sich selbst im Zusammenhang mit der Vertreterbestellung oder der Erstellung der Urkunden rechtsmissbräuchlich verhalten hätte (Senat, Beschluss vom 28. Juli 2008 - NotZ 9/08 - Rn. 8), wofür indes nichts ersichtlich ist.

Somit ist davon auszugehen, dass der weitere Beteiligte zu 2 bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 31. Juli 2007 864 Niederschriften gefertigt hat, die die Antragsgegnerin entsprechend § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot bewertet hat.

(2) Der Senat hat es gebilligt, dass die Urkundsgeschäfte entsprechend ihrer Anzahl, ihrer zeitlichen Vornahme und ihrer Bewältigung während einer Notarvertretung von mehr oder weniger als zwei Wochen gewichtet werden. Die höhere Bewertung von Urkundsgeschäften, die innerhalb der letzten drei Jahre vor der Bewerbung vorgenommen sind, ist insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass sie den aktuellen Anforderungen von Rechtsprechung und Rechtslehre entsprechen müssen. Die dagegen - im Rahmen des Kriteriums der fachlichen Eignung - vorgebrachten Einwendungen hat der Senat nicht gelten lassen, insbesondere nicht eine mögliche Missbrauchsgefahr, die darin bestehen kann, dass einzelnen Bewerbern Notarvertretungen allein zur Verbesserung ihrer Erfolgschancen für eine absehbare Ausschreibung "zugeschanzt" werden könnten. Er hat dies für ebenso wenig stichhaltig erachtet wie die vermisste Einbeziehung des Arbeitsumfanges der einzelnen Urkundsgeschäfte. Denn angesichts des gestaffelten Punktesystems sind bei einer großen Zahl von Niederschriften "tendenziell" sämtliche Schwierigkeitsgrade vertreten. Richtig ist zwar, dass allein der Anzahl der Urkundsgeschäfte nur eine beschränkte Aussagekraft für die fachliche Qualifikation eines Bewerbers zukommt, weil der Lern- und Vorbereitungseffekt bei der Beurkundung mit der Zahl der Urkundsgeschäfte abnimmt; überdies ist mit steigender Zahl der Urkundsgeschäfte mit einer Wiederholung der Art der Beurkundungsvorgänge zu rechnen. Es ist ferner ohne weiteres nachzuvollziehen, dass bei Notarvertretungen von längerer Dauer die Bewältigung aller - auch schwieriger - notarieller Tätigkeiten abverlangt wird, weil sich diese nicht bis zur Rückkehr des Amtsinhabers aufschieben lassen. Die mit einem gestaffelten Punktesystem verbundene Generalisierung und Schematisierung ist indes unvermeidlich und von den Mitbewerbern hinzunehmen. Eine weitergehende vergleichende Sichtung der einzelnen Urkundsgeschäfte nach Vorbereitung, Ausarbeitung und Vollzug hat der Senat der Landesjustizverwaltung ausdrücklich nicht abverlangt; im Einzelfall auftretendes einseitiges Beurkundungsverhalten - wie etwa die Beurkundung zahlreicher standardisierter Immobilienkaufverträge - ist angesichts der gebotenen Schematisierung und Generalisierung ebenfalls hinzunehmen (Senat, Beschluss vom 20. November 2006 - NotZ 4/06 - ZNotP 2007, 109, 112 Rn. 19).

(3) Eine vergleichende Sichtung der einzelnen Urkundsgeschäfte aller Bewerber nach Vorbereitung, Ausarbeitung und Vollzug überschritte zudem ersichtlich die Leistungsgrenzen der Justizverwaltung und böte - nicht zuletzt angesichts nie auszuschließender Hilfestellungen von dritter fachkundiger Seite - gegenüber der in § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot festgelegten Punktestaffelung nicht einmal eine wirklich verlässlichere Qualifizierungsprognose; ohnehin ist absolute Chancengleichheit und Sicherstellung der Bestenauslese mit keinem Auswahlsystem zu garantieren (Senat, Beschluss vom 26. März 2007 - NotZ 43/06 - Rn. 16).

c) Ist die Landesjustizverwaltung mithin zu einer Sichtung und individuellen Bewertung der beurkundeten Niederschriften prinzipiell nicht verpflichtet, um die fachliche Eignung der konkurrierenden Bewerber beurteilen zu können, so müssen sich für sie auch bei Prüfung der persönlichen Eignung aus der Anzahl der beurkundeten und nachgewiesenen Niederschriften allein noch keine Anhaltspunkte und begründeten Zweifel ergeben, dass ein Bewerber gegen das notarielle Redlichkeitsgebot verstoßen haben könnte.

(1) Dies gilt umso mehr, als das Oberlandesgericht die seitens des weiteren Beteiligten zu 2 geltend gemachten Beurkundungen unter zeitlichen Aspekten für plausibel hält. Das zeigt sein Vergleich mit den beiden tageweisen Vertretungen für Notare im Hauptberuf mit Amtssitz in H. . Der weitere Beteiligte zu 2 hat dort ca. 25 Niederschriften täglich (am 6. und 12. Februar sowie am 14. Mai 2007) gefertigt. Dem stehen für den Zeitraum vom 4. Juni bis zum 6. Juli 2007 264 Beurkundungen gegenüber, an denen das Oberlandesgericht vor allem Anstoß genommen hat. Das macht bei 19 Werktagen (25 Werktage von Montag bis Freitag abzüglich 6 Werktage, an denen der weitere Beteiligte zu 2 Fortbildungen besucht hat) im Durchschnitt 13,9 Beurkundungen täglich aus. Werden die 170 Urkunden, die dem weiteren Beteiligten zu 2 zufolge aus einem "Großauftrag" mit standardisierten - und daher wenig zeitaufwendigen - Grundschuldabtretungen resultieren, von den 264 Urkunden abgezogen, verbleiben lediglich 94 Niederschriften und damit binnen der 19 maßgeblichen Werktage im Durchschnitt 4,95 Urkunden täglich; damit ergibt sich eine Urkundenzahl, die sich in den üblichen Rahmen eines anwaltlichen Notariats einfügen lässt. Vom 9. bis zum 29. Juli waren es sodann 67 Beurkundungen, also bei 15 Werktagen im Durchschnitt 4,46 Beurkundungen täglich. Lediglich der 30. bzw. 31. Juli 2007 weist mit 41 Beurkundungen eine signifikant erhöhte Zahl von Niederschriften aus. Ein Vergleich mit dem Gesamtaufkommen der Beurkundungen aus den zurückliegenden Jahren, wie vom Oberlandesgericht gefordert, hat in diesem Zusammenhang nur nachgeordnete Bedeutung, da Beurkundungszahlen Schwankungen unterliegen, gerade durch den Erhalt oder das Ausbleiben von "Großaufträgen" beeinflusst werden und verlässliche Rückschlüsse auf das Beurkundungsaufkommen daher nur eingeschränkt zulassen.

(2) Dabei ist es, wovon das Oberlandesgericht ebenfalls ausgeht, nicht zu beanstanden, wenn ein Bewerber versucht, um seine Chancen im anstehenden Auswahlverfahren zu verbessern, die Zahl der nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot anzuerkennenden Niederschriften zu erhöhen, indem etwa anstehende Beurkundungen aufgeschoben werden, damit sie in der Vertreterzeit getätigt werden können, oder außerhalb der Vertreterzeit Niederschriften bereits vorbereitet werden, während die eigentliche Beurkundung dann während des Vertretungszeitraums erfolgt. Das Oberlandesgericht sieht richtig, dass auch solche Vorgänge von der degressiven Punktestaffelung berücksichtigt und über diese ausgeglichen werden sollen.

d) Die in § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot angelegte und für die fachliche Eignung vorzunehmende generalisierende Bewertung der gefertigten Niederschriften, die insgesamt der Entlastung der Landesjustizverwaltung dienen und Bewerbungsverfahren - gerade für den Fall einer Vielzahl von Bewerbungen - praktikabel machen soll, darf über das Kriterium der persönlichen Eignung nicht in Frage gestellt werden. Ist also im Rahmen der fachlichen Eignung von einer bestimmten Anzahl (tatsächlich gefertigter und nachgewiesener) Niederschriften auszugehen, so hat dies als praktische Vorbereitung auf das angestrebte Notaramt in die Beurteilung der fachlichen Eignung einzufließen, für sich gesehen aber keine Aussagekraft für die seitens der Landesjustizverwaltung positiv festzustellende persönliche Eignung des Bewerbers.

e) Statt dessen hat sich die Landesjustizverwaltung bei Prüfung der persönlichen Eignung mit der Anzahl der Urkunden erst und nur dann zu befassen, wenn ihr konkrete Verstöße gegen notarielle Pflichten bekannt werden, die sich im Zusammenhang mit den Beurkundungen ereignet haben und geeignet sind, die persönliche Eignung in Zweifel zu ziehen. Das ist nicht notwenig schon dann der Fall, wenn die Landesjustizverwaltung eine hohe Zahl von Beurkundungen feststellt, sofern diese grundsätzlich damit zu erklären ist, dass ein Bewerber bestrebt gewesen ist, zusätzliche Punkte zu erreichen, um sie im Rahmen seiner Bewerbung zum Nachweis der fachlichen Eignung einbringen zu können. Sollte die Anzahl der beurkundeten Niederschriften eine Größenordnung erreichen, die es aus zeitlichen Gründen ausgeschlossen erscheinen lässt, dass der Bewerber die Niederschriften tatsächlich beurkundet hat, stellt dies zunächst einmal die inhaltliche Richtigkeit der über die Vertretung ausgestellten notariellen Bescheinigung in Frage. Dem wäre schon im Rahmen der Prüfung der fachlichen Eignung des Bewerbers nachzugehen und kann auf die Feststellung der persönlichen Eignung allenfalls Einfluss nehmen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bewerber wissentlich unrichtige Bescheinigungen vorgelegt und mit dem vertretenen Notar in rechtsmissbräuchlicher Weise zusammengewirkt hat, um seine Aussichten im Bewerbungsverfahren zu verbessern.

4. Darum geht es hier nicht. Die - gemessen am jährlichen Urkundsaufkommen des vertretenen Notars in den zurückliegenden Jahren - hohe Zahl von Beurkundungen nimmt das Oberlandesgericht zum Anlass für die nicht näher belegte Vermutung, der weitere Beteiligte zu 2 könne Niederschriften angefertigt haben, von denen ein bereits bestellter Notar bei redlicher Amtsführung absehen würde. Es äußert in diesem Zusammenhang den bloßen Verdacht, der weitere Beteiligte zu 2 könne "einheitliche Vorgänge gesplittet haben", ohne dass es näher ausführt, was es darunter im Einzelnen versteht. Insoweit bewegt sich das Oberlandesgericht mit seinen Ausführungen, die durch zusätzliche Umstände oder Tatsachen nicht erhärtet werden, im erkennbar spekulativen Bereich. Derartige Umstände oder Tatsachen sind auch für den Senat nicht erkennbar; den vom Oberlandesgericht lediglich allgemein in den Raum gestellten Verdachtsmomenten musste die Antragsgegnerin daher nicht nachgehen. Es ist auch nicht Aufgabe eines Bewerbers, solche pauschalen, nicht näher substantiierten Verdachtsmomente zu entkräften. Schon gar nicht - jedenfalls nicht ohne gesicherte Tatsachengrundlage - muss sich die Landesjustizverwaltung veranlasst sehen, eine Aufarbeitung und Prüfung einzelner Beurkundungen vorzunehmen, von denen § 6 Abs. 2 Nr. 4 AVNot sie gerade entlasten möchte.

5. Unbeschadet dessen hat der weitere Beteiligte zu 2 sowohl in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht als auch in einem nachfolgenden Schriftsatz vom 23. September 2008 eine Erklärung für das erhöhte Urkundsaufkommen gegeben, ohne dass das Oberlandesgericht dies in seiner angegriffenen Entscheidung erwähnt oder sich im Einzelnen damit auseinandergesetzt hätte. Der weitere Beteiligte zu 2 hat geltend gemacht, es habe im fraglichen Zeitraum einen "Großauftrag" gegeben, der mehrere 100 Buchgrundschulden für verschiedene Objekte betroffen habe. Darunter hätten sich 170 - nicht im inneren Zusammenhang stehende - Abtretungen bereits eingetragener Buchgrundschulden befunden, für die zunächst eine Gesamturkunde vorbereitet worden sei, wobei die Unterschrift des Zedenten beglaubigt werden sollte. Auf ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers - und nach dessen Belehrung über die daraus resultierenden zusätzlichen Kosten - seien die Abtretungen nicht in einer Gesamturkunde, sondern in Einzelurkunden erfolgt, woraus sich eine entsprechende Anzahl von Niederschriften erkläre. Das Oberlandesgericht hat nicht erläutert, weshalb bei dieser Sachlage zusätzlicher Aufklärungsbedarf gerechtfertigt erscheint und die Erklärung des weiteren Beteiligten zu 2 der Antragsgegnerin Anlass geben müsste, begründete Zweifel an der persönlichen Eignung des weiteren Beteiligten zu 2 zu hegen und diesen im weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens nachzugehen.

Die Antragsgegnerin selbst hingegen hat sich - wie aus ihrem Schriftsatz vom 16. September 2008 ersichtlich wird - mit dem Vorbringen des weiteren Beteiligten zu 2 auseinandergesetzt und die Plausibilität der Angaben bejaht, ohne dass dies Beurteilungs- oder Ermessensfehler erkennen ließe. Auch darauf geht das Oberlandesgericht nicht ein, obwohl ihm der Schriftsatz rechtzeitig zur Kenntnis gelangt ist.

Die Antragsgegnerin hat damit noch im erstinstanzlichen Verfahren die Prüfung nachgeholt, die ihr das Oberlandesgericht in seinem späteren Beschluss aufgegeben hat. Auf weiteres kommt es nicht an. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin erweist sich danach als fehlerfrei, so dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen war.

Schlick Kessal-Wulf Appl Ebner Bauer Vorinstanz:

OLG Schleswig, Entscheidung vom 05.09.2008 - Not 5/08 -






BGH:
Beschluss v. 20.04.2009
Az: NotZ 20/08


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