Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 17. Juli 2013
Aktenzeichen: 7 U 58/11
(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 17.07.2013, Az.: 7 U 58/11)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. März 2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 287.686,58 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2010 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Streithelferin, trägt die Klägerin 32 %. Der Beklagte trägt 68 % seiner Kosten sowie der Kosten der Klägerin und der Gerichtskosten. Die Streithelferin trägt 68 % ihrer Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckende Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren früheren Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist Teil der A€-Gruppe, die u. a. mit Sekundärrohstoffen (Schrott) handelt. Für den Inlandshandel war die Tochtergesellschaft M€ GmbH (fortan: M€) zuständig. Für den Export nach Asien wurde die Klägerin gegründet. Sie war zunächst 100 %ige Tochtergesellschaft der A€ AG, später der T€ GmbH. Geschäftsführer der Klägerin wie der M€ war der Beklagte. Über eigene Mitarbeiter verfügte die Klägerin nicht. Arbeiten wie Buchhaltung und Verschiffung wurden von Mitarbeitern der M€ übernommen. Geschäftsführer der Komplementärin der R€ GmbH & Co. KG (fortan: R€) und Prokurist der A€ AG war ein Herr M€, den der Vorstand der A€ AG beauftragt hatte, den Handel mit Asien zu organisieren und der später in den Vorstand der A€ AG aufsteigen sollte (K 8).
Der Beklagte stellte am 17. April 2008 der Zentralressortleiterrunde zusammen mit Herrn M€ ein Konzept für den Asienhandel vor (K 11). Der Vorstand der A€ AG griff den Vorschlag auf und beschloss €in Abstimmung mit Herrn M€€ durch Beschluss vom 30. April 2008, dass Geschäfte mit Asien nur gegen Vorkasse oder Akkreditiv abgeschlossen werden dürfen (K 15). Die Klägerin sollte von der M€ jeweils soviel Schrott ankaufen, wie sie zur Vertragserfüllung benötigte.
Im Laufe des Jahres 2008 verfielen die Schrottpreise (Bl. 509 d.A.). In dieser Zeit wurden Lieferungen teilweise ohne schriftlichen Vertrag und/oder ohne Akkreditiv nach Asien verschifft und konnten dort nur zu einem geringeren Kaufpreis veräußert werden.
Die Klägerin macht den Beklagten dafür verantwortlich und beansprucht im Wege der Teilklage Ersatz in Höhe von 55 % des ursprünglichen Kaufpreises aus folgenden Verkäufen von Sekundärrohstoffen 3410 im Streckengeschäft an die Firma L€:
Nr. urspr. PreisKaufpreis Differenz 55 % LieferantAnlage90 179.87475.927 103.947 98.930,70R€ K 110, 17891 182.80777.165 105.642 100.543,85R€ K 111, 17992 144.45260.975 83.477 79.448,60L€ K 112, 18093 122.64451.770 70.875 67.454,20R€ K 113 94 135.95257.387 78.565 74.773,60L€ K114 765.729 € 442.506 € 421.150,95 Sämtliche Lieferungen wurden am 21. August 2008 verschifft. Die Lieferungen der R€ waren mangelhaft. Verkauft wurde Schredderschrott der Sorte 4, dem abweichend von dem Qualitätsstandard 50 % bis 100 % Weißblech beigemengt war.
Ab dem 25. September 2008 durfte der Beklagte auf Weisung der A€ AG nicht mehr eigenständig als Geschäftsführer handeln. Am 15. Dezember 2008 legte er sein Amt nieder. Als Nachfolger wurde Herr M€ berufen, den der Vorstand der A€ AG bereits an dem 19. September 2008 beauftragt hatte, Außenstände der Klägerin zu ermitteln und beizutreiben (Bl. 100 d.A.).
Die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschloss am 8. Januar 2010, gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche auch gerichtlich geltend zu machen, und sich in dem Verfahren von Herrn U€ G€ vertreten zu lassen (K 1).
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe die Waren ohne schriftlichen Vertrag und/oder Vorkasse bzw. Akkreditiv nach Asien, insbesondere Indien, verschifft. Jedenfalls hätte er als Geschäftsführer eine entsprechende Praxis unterbinden müssen. Stattdessen habe er spätestens mit der Rechnungsstellung die Geschäfte genehmigt. Ihr sei durch das Verhalten des Beklagten ein Schaden aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem tatsächlich erzielten Kaufpreis in der geltend gemachten Höhe entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie € 421.150,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat eingewandt, der Vorstandsbeschluss der A€ AG vom 30. April 2008 sei ihm nicht bekannt gewesen. Er habe ungeachtet dessen nur Waren nach Asien gegen Vorkasse oder Akkreditiv veräußert und nur unter diesen Voraussetzungen deren Verschiffung angeordnet. Die Verschiffung der streitgegenständlichen Warenlieferungen habe Herr M€ veranlasst, der für die Gesellschafterin, die A€ AG, weisungsbefugt gewesen sei. Er selbst habe von der Lieferung erst erfahren, als sie sich bereits auf See befunden habe. Abgesehen davon habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Weisungen des Herrn M€ mit dem Vorstand der A€ AG abgestimmt seien. Die A€ AG sei €cc€ über alle Auslieferungen unterrichtet worden.
Der Schaden sei zudem nicht bei der Klägerin, sondern bei der M€ entstanden. Außerdem liege der Absatzpreis noch immer über dem Inlandspreis, so dass insgesamt kein Schaden eingetreten sei. Ferner habe die L€ den Kaufpreis deshalb verringert, weil die Ware mangelhaft gewesen sei, und die Klägerin habe ihren Schaden teilweise doppelt berechnet. Die Anlagen K 110 und 111 wiesen dieselbe Wiegenummer auf, die Anlagen K 112 und 114 dieselbe Referenznummer. Außerdem hätte die Klägerin den Schaden ganz vermeiden können, indem sie die Waren erst Zug um Zug gegen die Kaufpreiszahlung herausgegeben hätte.
Die Streithelferin des Beklagten ist die Haftpflichtversicherung der A€ AG, deren Tochtergesellschaften mit ihren Führungskräften in den Versicherungsumfang einbezogen sind.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dem Beklagten sei eine Verletzung der ihm obliegenden Pflichten nicht vorzuwerfen. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Beklagte eine Weisung zum Einkauf und zur Verschiffung der streitgegenständlichen Waren erteilt habe.
Gegen das am 23. März 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. April 2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 22. Juni 2011 begründet.
Die Parteien vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.
Die Klägerin berechnet ihren Schaden hilfsweise mit € 318.036,95 nach dem Einkaufspreis abzüglich des Erlöses (Bl. 451 d.A.).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. März 2011 (Az. 31 O 68/10) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 421.150,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2010 zu zahlen.
Der Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P€ M€, M€ L€, I€ Hi€ und F€ S€.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das erstinstanzliche Urteil sowie das Protokoll der Beweisaufnahme Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten Zahlung von € 287.686,58 verlangen.
Die Klage ist zulässig. Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten und die Vertretung im gerichtlichen Verfahren liegt vor (K 1).
Der Beklagte ist verpflichtet, den der Klägerin durch die Verschiffung der streitgegenständlichen Lieferungen an die Firma L€ ohne eine Absicherung des Kaufpreises durch Vorkasse oder Akkreditiv entstandenen Schaden zu ersetzen.
Geschäftsführer einer GmbH, die ihre Obliegenheiten verletzen, haften aus § 43 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft für den ihr daraus entstehenden Schaden. Dem Geschäftsführer obliegt insbesondere nach § 43 Abs. 1 GmbHG, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden und den Gesellschaftszweck bestmöglich zu fördern. Ihm steht hierbei ein Ermessensspielraum zu, der nach § 37 Abs. 1 GmbHG durch das Gesetz, die Satzung, aber auch Weisungen der Gesellschafter begrenzt wird (vgl. Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43, Rn. 8, 16). Gegenüber dem Vorwurf einer Pflichtverletzung muss der Geschäftsführer entsprechend § 93 Abs. 2 S. 2 AktG beweisen, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewandt oder auf Weisung der Gesellschafter gehandelt hat (vgl. BGH vom 04.11.2002, II ZR 224/00, Juris Rn. 6 ff.; vom 18.02.2008, II ZR 62/07, Juris Rn. 5, 8).
Dies ist dem Beklagten nicht gelungen. Die streitgegenständlichen Lieferungen wurden abweichend von den Vorgaben der Gesellschafterin ohne schriftlichen Vertrag und/oder Vorkasse bzw. Akkreditiv versandt. Unabhängig davon, ob der Beschluss des Vorstandes der A€ AG dem Beklagten vorlag, wusste er, dass die Waren nach Asien nur abgesichert, d.h. gegen Akkreditiv oder Vorkasse verschifft werden sollten. Nach seiner Weisung für den Ablauf der Geschäfte mit Indien vom 25. Mai 2008 (K 16) sollte zunächst ein mündlicher Vertrag vereinbart werden, den die Klägerin durch eine schriftliche Vertragsausfertigung bestätigen sollte, damit der Kunde auf deren Grundlage das Akkreditiv (lc) übersenden würde.
Der Beklagte selbst hat sich im Wesentlichen an die Vorgabe der Gesellschafterin gehalten, wie die von ihm abgeschlossenen Verträge zeigen (B 7, Bl. 102 ff., K 181, Bl. 232). Er hätte jedoch dafür sorgen müssen, dass die Waren generell nur gegen Vorkasse oder Akkreditiv verschifft werden. Der Senat geht davon aus, dass teilweise der Zeuge M€ die Verschiffung veranlasst hat, was sich aus den schriftlichen Unterlagen wie der E-Mail-Korrespondenz vom 11. und 15. Juli 2008 (K 173 und 175) sowie 15. August 2008 (B 10, Bl. 288 d.A.) ergibt. Die Zeugin Hi€, insbesondere der Zeuge S€ bestätigten das Eingreifen des Herrn M€ in die Abläufe bei der Klägerin und Streitigkeiten wegen der Verschiffung zwischen ihm und dem Beklagten. Beide Zeugen erklärten aber zugleich, sie hätten sich bei Weisungen des Herrn M€ jeweils bei dem Beklagten rückversichert. Der Beklagte hat den Zeugen M€ zwar am 15. Juli 2008 zurechtgewiesen (kein Versand ohne lc), als dieser von den Vorgaben der A€ AG abweichen wollte (K 174) und für den Beklagten nicht immer ersichtlich wurde, an wen die Ware verkauft war. Als Geschäftsführer hätte er darüber hinaus unterbinden müssen, dass von den Vorgaben abgewichen wird und die Waren ohne Absicherung des Kaufpreises verschifft werden.
Weisungen des Herrn M€ entlasten den Beklagten nicht, da sie nicht nach § 164 Abs. 1 BGB der Gesellschafterin zuzurechnen sind. Allerdings können Gesellschafter dem Geschäftsführer nach Belieben generell oder im Einzelfall Weisungen erteilen oder die Weisungsbefugnis auf Dritte übertragen. Der Geschäftsführer ist grundsätzlich verpflichtet, den Weisungen Folge zu leisten, sofern sie nicht rechtswidrig sind oder treuwidrig oder die Gesellschaft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in die Insolvenz führen. Unzweckmäßige Anweisungen muss der Geschäftsführer grundsätzlich ausführen, er hat jedoch den Gesellschaftern seine Bedenken vorzutragen (vgl. Kleindiek a.a.O., § 37, Rn. 17 ff. 20, 22, 23).
Herr M€ hat die Weisungen nicht namens und in Vollmacht der Alleingesellschafterin erteilt. Nach seiner Aussage war der Vorstand der A€ AG nicht von seinem Handeln unterrichtet. Ebenso wenig konnte der Beklagte von einer Duldungsvollmacht des Herrn M€ ausgehen, da er nicht wusste, ob Herr M€ mit dem Willen der Gesellschafterin von deren ursprünglichem Beschluss abweicht oder im Rahmen seiner Koordinierungsfunktion für den Asienhandel und ggfs. die ihm erteilten Machtbefugnisse überschreitet. Der Beklagte hätte sich angesichts der unklaren Situation bei dem Vorstand der A€ AG vergewissern müssen, ob die Weisungen des Herrn M€ dem Willen der Gesellschafterin entsprechen. Er hätte seine Bedenken gegen die Vorgehensweise vortragen und klären müssen, ob die ursprünglichen Vorgaben für das Asiengeschäft noch gelten oder im Hinblick auf den Preisverfall in Europa, die Abnahmeverpflichtungen anderer Tochtergesellschaften oder auf Grund fehlender Lagerkapazitäten (Zeuge M€, Anlage K 174) geringere Anforderungen für das Asiengeschäft gelten. Der Beklagte hätte eine Entscheidung des Vorstandes herbeiführen müssen. Dies hat er versäumt. Anhaltspunkte dafür, dass dies dem Beklagten nicht möglich gewesen wäre, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der Anlage K 15. Selbst wenn auch Herr M€ dem Vorstand über das Asiengeschäft berichtete, konnte der Beklagte allein schon auf Grund seiner Stellung als Geschäftsführer an den Vorstand herantreten. Nach Aussage der Zeugin L€ haben sowohl der Beklagte als auch Herr M€ dem Vorstand der A€ AG berichtet.
Der Beklagte hat der Klägerin den ihr aus der Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies ist der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass die Waren lediglich auf Grund eines mündlichen Vertrages und ohne Absicherung des vereinbarten Kaufpreises nach Asien verschifft wurden und dort die Höhe des Kaufpreises auf Grund dessen nicht mehr durchgesetzt werden konnte. Die Darlegungs- und Beweislast für ihren Schaden trifft die Gesellschaft (vgl. BGH vom 04.11.2002, II ZR 224/00, Juris Rn. 6 ff.; vom 18.02.2008, II ZR 62/07, Juris Rn. 5, 8). Die Klägerin hat nicht darzulegen und zu beweisen vermocht, dass ihr ein € 287.686,58 übersteigender Schaden entstanden ist.
Grundlage der Schadenberechnung ist die Differenz zwischen dem mündlich vereinbarten und dem später erzielten Kaufpreis. Auszugehen ist von dem in Rechnung gestellten Kaufpreis. Zunächst teilte Herr M€ mit E-Mail vom 8. Juli 2008 einen mündlichen Vertragsschluss mit L€ über 2000 t zu USD 730 je Tonne (damals € 470,00) dem Beklagten mit und bat um Übersendung der schriftlichen Vertragsausfertigungen (K 149). In Rechnung stellte die Klägerin einen Kaufpreis von € 464,00 je Tonne (K 110 bis K 114), den L€ auch noch bei den Verhandlungen des Herrn M€ im Februar 2009 in dieser Höhe bestätigte (Anlage B 13, Bl. 293 d.A.).
Die Differenz zwischen dem in Rechnung gestellten und dem später tatsächlich von der L€ gezahlten Kaufpreis beträgt € 442.506,00, von dem die Klägerin einen Teilbetrag von € 421.150,95 geltend macht.
Allerdings ist der von dem Beklagten zu ersetzende Schaden im Hinblick auf die Schlechtlieferung durch die R€ zu verringern. Die L€ hat den Kaufpreis wegen des Preisverfalls, durch den sie Abnehmer verloren hatte, sowie wegen Mängeln der Ware gemindert. Der im Streckengeschäft von der R€ gelieferte Schredderschrott entsprach nicht der vereinbarten Qualität Sorte 4 = shredded scrap 211 (BB2 und 3, Bl. 593, 596 d.A.) und enthielt zu viel Weißblech (K 170), was die Klägerin, vertreten durch Herrn M€, anerkennen musste (K 170, B 13, Bl. 293 d.A.). Die Klägerin hat die Mängelrüge an ihre Lieferantin, die R€ (vertreten durch Herrn M€), weitergereicht (K 184, Bl. 345 d.A.), die sie als verspätet zurückgewiesen hat (K 187, Bl. 354 d.A.). Dies ist dem Beklagten nicht anzulasten. Mit Kenntnis des Vorstandes der Gesellschafterin (Mitteilung des Herrn M€ an den Vorstand vom 11. November 2008, B 16, Bl. 510 d.A.) hat Herr M€ jedenfalls später versucht, die Verluste durch fallende Preise durch Schlechtlieferungen auszugleichen und den Verlust von Kunden dabei billigend in Kauf genommen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Gesellschafterin schon bei der Verschiffung im August 2008 von der Schlechtlieferung wusste und diese billigend in Kauf nahm. In jedem Fall aber muss sich die Gesellschafterin die von ihr geschaffene Unternehmensstruktur zurechnen lassen. Die Klägerin verfügte über kein eigenes Personal, das die Ware entsprechend § 377 HGB hätte untersuchen und rechtzeitig Mängel rügen können. Stattdessen wurde im Streckengeschäft von anderen Tochtergesellschaften wie der R€ geliefert. Etwaige Mängel waren damit innerhalb des Konzerns verursacht und von diesem zu tragen.
Die auf die Mängel der Ware entfallende Minderung war nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Klägerin schätzt die Minderung auf 50 % der Kaufpreisreduzierung (Bl. 587 d.A.). Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Beide Parteien verfügen über Kenntnisse und Erfahrungen in der Branche, so dass der Senat sich deren Einschätzung anschließt.
Der Senat schätzt den von dem Beklagten zu ersetzenden Betrag gemäß § 287 Abs. 1 ZPO wie folgt:
Nr. urspr. PreisKaufpreis Differenz Preis 55 %LieferantSchaden90 179.87475.927 103.947 98.930,70R€ 49.465,3591 182.80777.165 105.642 100.543,85R€ 50.271,9392 144.45260.975 83.477 79.448,60L€ 79.448,6093 122.64451.770 70.875 67.454,20R€ 33.727,1094 135.95257.387 78.565 74.773,60L€ 74.773,60 € 765.729 € 442.506 € 421.150,95 € 287.686,58Der so errechnete Schaden ist nicht zusätzlich wegen einer Doppelberechnung zu verringern. Die Anlagen K 110 und K 111 (Lieferungen Nr. 90 und 91) enthalten zwar dieselbe Wiegenummer, die jedoch versehentlich händisch doppelt vergeben wurde (Bl. 145 d.A.). Durch die übrigen Angaben wird aus den Belegen sichtbar, dass es sich um zwei unterschiedliche Wiegevorgänge handelt. Bei der Anlage K 110 handelt es sich um eine Rechnung vom 16.10.2008 mit der Belegnummer 807090 und bezieht sich auf eine Schrottmenge von 387.660 kg. Die ursprüngliche Anlage K 111 datiert ebenfalls vom 16.10.2008, wobei die Belegnummer 807089 und die Schrottmenge von 393.980 kg abweichen. Dies gilt auch für die Rechnungslegung für die beiden Lieferungen in den Anlagen K 178 und K 179. Ebenso wenig sind die Anlagen K 112 und K 114 für die Lieferungen Nr. 92 und 94 identisch. Beide datieren zwar vom 30.09.2008, die Belegnummern mit 807053 und 807054 sowie die Schrottmengen von 311.320 kg bzw. 293.000 kg differieren jedoch.
Ebenso wenig war die Klägerin zur Schadenminderung gehalten, die Ware zurückzuhalten und nur gegen Vorkasse an L€ auszuliefern. Die Klägerin war vertraglich zur Lieferung verpflichtet. Vorkasse war nicht vereinbart. Außerdem verursachte die Zwischenlagerung zusätzliche Kosten. L€ machte am 05.09.2009 geltend, diese beliefen sich bereits auf 70 % des Warenwertes (K 170 Nr. 9). Damit bestand die Gefahr weiterer Schäden und einer zusätzlichen Belastung der Klägerin.
Der Zinsanspruch ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf € 421.150,95 festgesetzt.
Die Schriftsätze der Streithelferin vom 4. Juni 2013 und 12. Juli 2013, der Klägerin vom 26. Juni 2013 und des Beklagten vom 12. Juli 2013 geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 17.07.2013
Az: 7 U 58/11
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