Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Mai 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 7/99

(BPatG: Beschluss v. 03.05.2000, Az.: 7 W (pat) 7/99)

Tenor

Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Beschwerde der Patentinhaberin ist gegen den auf einen Einspruch erfolgten Beschluß der Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Dezember 1998 gerichtet, mit dem das am 25. Januar 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung in Japan vom 27. Januar 1984 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldete und am 14. März 1996 veröffentlichte Patent 35 02 538 mit der Begründung widerrufen worden ist, daß sein Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik keine patentfähige Erfindung darstelle. Der Beschluß nimmt Bezug auf den Stand der Technik nach US-Patentschrift 4 055 107.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 17. April 2000 neue Patentansprüche 1 bis 4 nach Hauptantrag, neue Ansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag 1, neue Ansprüche 1 bis 3 nach Hilfsantrag 2 und einen neuen Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 eingereicht. Sie vertritt in der mündlichen Verhandlung die Ansicht, der aufgezeigte Stand der Technik lege den Patentgegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 (Hauptantrag) nicht nahe, weil insbesondere die von der Einsprechenden als nächstkommend angesehenen Druckschriften US-PS 4 055 107 und DE 31 25 642 C2 nicht sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 aufwiesen und im übrigen ihre Gegenstände auf gänzlich anderen Anwendungsgebieten lägen, so daß ein Fachmann auch eine Zusammenschau dieser Entgegenhaltungen nicht in Betracht gezogen hätte. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 4 nach Hauptantrag, hilfsweise gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3, jeweils vom 17. April 2000.

Die Einsprechende widerspricht der Auffassung der Beschwerdeführerin. Sie stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

1 "Zylinder mit Lecksicherungsanordnung, zur Verwendung in einem von Verschmutzung freizuhaltenden Raum, mit:

2 einem Rohrkörper, 3 einem Endstück, das ein Ende des Rohrkörpers verschließt, 4 einem hin- und herbeweglichen, im Rohrkörper geführten Kolben, der mit einer Kolbenstange verbunden ist, die das Endstück gleitverschieblich durchsetzt, 5 einer in dem Endstück angeordneten ersten Ringnut, zum Sammeln eines aus dem Rohrkörper austretenden und auf der Umfangsfläche der Kolbenstange mitgeführten Druckmittels, 6 wobei das Endstück zweiteilig ausgebildet ist, mit einem festen Teil, das mit dem Rohrkörper verbunden ist, und einem Deckel, der abnehmbar an dem festen Teil befestigt ist, 7 die erste Ringnut von einer in der inneren Stirnwand des Deckels eingeformten Ausnehmung gebildet ist, 8 eine zweite Ringnut in dem festen Teil des Endstücks ausgebildet ist und ein Dichtring in der zweiten Ringnut angeordnet ist, der die Kolbenstange dichtend umgibt, und 9 die erste Ringnut mit einer Unterdruckquelle verbunden ist, zum Absaugen des Druckmittels."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 enthält zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag (eingefügt zwischen die Merkmale 6 und 7 ) die Merkmale 10 wobei das feste Teil mit einem Außengewinde und der Deckel mit einem Innengewinde versehen ist, und über dieses auf das Außengewinde des festen Teils aufgeschraubt ist, 11 und das feste Teil des Endstücks ein Innengewinde aufweist, und auf ein Außengewinde des Endes des Rohrkörpers aufgeschraubt ist, Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 enthält zusätzlich zu den Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag (eingefügt zwischen die Merkmale 8 und 9) die Merkmale 12 in dem Deckel eine dritte Ringnut ausgebildet ist, in der ein Dichtring angeordnet ist, der die Kolbenstange dichtend umgibt Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 enthält die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und die zusätzlichen Merkmale der Ansprüche 1 nach Hilfsanträgen 1 und 2, mithin sämtliche Merkmale 1 bis 12.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist durch Merkmale gemäß Ansprüchen 2 bis 4 nach Hauptantrag, der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 durch Merkmale gemäß Anspruch 2 nach Hilfsantrag 1, der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 durch Merkmale gemäß Ansprüchen 2 und 3 nach Hilfsantrag 2 weiter ausgebildet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg.

Der Patentgegenstand stellt, wie die Patentabteilung zutreffend beurteilt hat, keine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die Gegenstände nach den Patentansprüchen 1 gemäß den geltenden Anträgen mögen zwar neu und gewerblich anwendbar sein, doch beruhen sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1. Im Schriftsatz vom 17. April 2000 ist als dem Patent zugrundeliegende Aufgabe angegeben, eine Zylinderanordnung mit einer Lecksicherungsanordnung zur Verwendung in einem von Verschmutzung freizuhaltenden Raum bereitzustellen, die einfach aufgebaut ist, die sich an vorhandene Zylinder anpassen läßt und die auf zuverlässige Weise die Ausbreitung etwaiger Verunreinigungen verhindert (S 3 le Abs).

Die Ausbreitung von Verunreinigungen wird gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag im wesentlichen verhindert durch die Abdichtung der Kolbenstangenführung (Merkmal 8), das Sammeln des die Abdichtung passierenden Druckmittels in einer Ringnut (Merkmal 5) und das Verbinden dieser Ring- bzw Sammelnut mit einer Unterdruckquelle bzw Absaugvorrichtung (Merkmal 9). Der einfache Aufbau und die einfache Anpassbarkeit an vorhandene Zylinder wird gemäß weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 durch die zweiteilige Ausbildung des Zylinder-Endstücks mit einem mit dem Zylindermantel bzw Rohrkörper zu verbindenden, sog. festen Teil und einem, an diesem abnehmbar befestigten, als Deckel bezeichneten Teil erreicht (Merkmal 6), wobei in einer inneren Stirnwand des Deckelteils die ringförmige Sammelnut (Merkmal 7) und im festen Teil des Endstücks die Ringnut für die Kolbenstangenabdichtung (Merkmal 8) eingeformt sind.

Für den Fachmann, als zuständig wird hier ein auf dem Gebiet der Hydraulik und Pneumatik tätiger Fachhochschul-Ingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus angesehen, war aber vor dem Prioritätszeitpunkt des Patents die Merkmalskombination gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag aufgrund des aufgezeigten Standes der Technik auffindbar, ohne daß er auf der Suche einer Lösung der zugrundegelegten Aufgabe den Bereich seiner fachlichen Routine hätte verlassen müssen.

Die US-Patentschrift 4 055 107 offenbart nicht nur eine weitgehend mit dem angefochtenen Patent übereinstimmende Aufgabenstellung, sie schlägt auch bereits eine Vielzahl der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Merkmale zur Lösung dieser Aufgabe vor.

So lehrt sie zum Zwecke der Schaffung einer sauberen und sicheren Arbeitsumgebung (Sp 1 Z 31 bis 35), also eines von Verschmutzung freizuhaltenden Raumes, eine Anordnung zur Sammlung und Rückführung von Druckmittel, beispielsweise Öl, das von einer Kolbenstange durch die Kolbenstangenbohrung des Zylinders während der Kolbenbewegung aus dem Zylinderraum mitgeführt wird (Merkmale 1 bis 4 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag). Im einzelnen schlägt sie vor (vgl. Fig. 2 und zugehörige Beschreibung, insb. Sp 2, Z 2 bis 45), das Öl, das die die Kolbenstange umschließenden Abstreifringe, die auch handelsübliche Dichtringe sein können (Sp 2 Z 42 bis 45), passiert, in einer Ringnut (recess portion 49) im Endstück des Zylinders zu sammeln (Merkmal 5) und über Rohrleitungen unter Ausnutzung der Schwerkraft einem an einem anderen Ort aufgestellten Öl-Sammelbehälter (siehe Fig. 1) zuzuführen, von dem aus es nach entsprechender Aufbereitung wieder dem Hydraulikkreis beigegeben wird. Die Schrift erwähnt desweiteren, daß das die Kolbenstangendurchführung umfassende Endstück des Zylinders leicht an bestehende wie auch an neu herzustellende Zylinder montierbar sein soll (Sp 2 Z 39 bis 42). Dazu ist das Endstück zweiteilig ausgebildet (plates 19,21). Das eine Teil (21) ist am Zylinderrohr, das andere (19) am erstgenannten Teil (21) lösbar befestigt (Merkmal 6) und die Ölsammelnut ist in die innere Stirnwand des Teils (19) (Merkmal 7), die Ausnehmung für die Aufnahme der zylindernahen Dichtung der Kolbenstange in das Teil (21) eingeformt (Merkmal 8).

Nachdem bei der bekannten Vorrichtung das Öl aus der Sammelnut mit Hilfe der Schwerkraft abgeleitet wird, fehlt das Merkmal 9 des Anspruchs 1, wonach die erste Ringnut bzw die Sammelnut für das Druckmittel zum Absaugen desselben mit einer Unterdruckquelle verbunden ist. Doch rechtfertigt dieses Unterschiedsmerkmal nicht die Zuerkennung einer erfinderischen Tätigkeit beim geltenden Patentgegenstand, weil das Absaugen von Druckmittel, zB durch eine einen Unterdruck erzeugende Saugpumpe, eine dem Fachmann geläufige Alternative zur Ableitung von Leckmedium durch Schwerkraft darstellt, von der der Fachmann im Bemühen um die funktionsnotwendige Aufrechterhaltung eines hinreichend hohen Druckgefälles zur Abführung des Leckmediums aus der Sammelnut bedarfsweise Gebrauch macht, wenn die Vorraussetzungen für den - wegen seiner geringen Betriebskosten und seines einfachen Systems vorteilhaften - Schwerkraftbetrieb infolge zB eines nicht verfügbaren geodätischen Gefälles entfallen sind.

Soweit die Patentinhaberin die Abstreifringe bei der US-Patentschrift nicht als Dichtungen im Sinne des Patents anerkennt, kann der Senat dem nicht beitreten, weil Abstreifringe idR auch mit Dichtungsaufgaben kombiniert sind (wie schon aus der US-Patentschrift Sp. 2 Z 42 bis 45 hervorgeht) und im übrigen im angefochtenen Patent nur allgemein von einem Dichtring die Rede ist, der besonderen Ausführung der Dichtung mithin keine erfindungswesentliche Bedeutung beigemessen ist. Auch der Einwand der Patentinhaberin, bei der Vorrichtung nach der US-Patentschrift seien keine dreiseitig geschlossenen Ringnuten für die Dichtungen vorhanden, vielmehr gäbe es nur eine abgestufte Ringnut, die sowohl den ringförmigen Sammelkanal als auch eine zu ihm offene Ausnehmung für den Dichtring aufweist, vermag die Einschätzung der erfinderischen Bedeutung des Patentgegenstandes durch den Senat nicht zu ändern. Zum einen wird der Begriff der Ringnut auch im geltenden Anspruch 1 verallgemeinernd sowohl für zweiseitig begrenzte (Merkmal 7 iVm Pos. 44 der Figuren) als auch für dreiseitig begrenzte Ausnehmungen (Merkmal 8 iVm Pos.42 der Figuren) verwendet. Zum anderen berührt dieser Unterschied nicht die für die Funktionsweise der beiden einander gegenübergestellten Vorrichtungen maßgebliche Folge der Anordnung von Dichtung und Sammelnut im zweiteiligen Endstück des Zylinders, sondern die Frage des zuverlässigen Halts der Dichtung in einer ggf zur Unterdruckseite hin offenen Ausnehmung. Sieht der Fachmann aber den Halt eines derartig angeordneten Dichtrings bei Unterdruck gefährdet, wird er nach Überzeugung des Senats ohne weiteres unter Inkaufnahme eines erhöhten Herstellungsaufwandes auf die ihm geläufige dreiseitig begrenzte Ringnutgestaltung zurückgreifen.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist nach alledem nicht rechtsbeständig.

2. Der Zylinder nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag ergänzt und beschränkt durch Angaben zur gegenseitigen Verbindung der beiden, ein Außen- bzw ein dazu passendes Innengewinde aufweisenden Teile des Zylinder-Endstücks (Merkmale 10) und zur Verbindung des einen Teils mit Innengewinde auf dem mit Außengewinde versehenen Rohrkörper des Zylinders (Merkmale 11). Nachdem die Lösbarkeit der Verbindung der beiden Teile des Zylinderendstücks an einem Ende des Zylindermantels mittels Schraubenbolzen aus der US-Patentschrift bekannt ist, verbleibt - neben der fehlenden Unterdruckverbindung zur Sammelnut - als weiterer Unterschied gegenüber dem Bekannten, daß die zu verbindenden Teile selbst Träger der miteinander in Verbindung tretenden Gewinde sind. Dadurch entfallen zwar die zusätzlichen Schraubenbolzen der bekannten Vorrichtung. Dem Fachmann sind jedoch beide Befestigungsvarianten und ihre Vor- und Nachteile geläufig, so daß er - ohne erfinderisch tätig werden zu müssen - sich im Rahmen seines Wissens und Könnens fallweise für die eine oder andere Befestigungsart entscheiden wird.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist somit ebenfalls nicht bestandsfähig.

3. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 sieht gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag eine weitere Ringnut mit Dichtring im sog. Deckelteil des Zylinder-Endstücks vor (Merkmal 12). Da auch die Vorrichtung nach der US-Patentschrift schon von diesem Merkmal Gebrauch macht (Fig. 2 Pos 41,43,45), vermag es zur Begründung einer erfinderischen Leistung nichts mehr beizutragen.

Auch der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 kann keinen Bestand haben.

4. Schließlich kann auch der Zylinder gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3, der die vorstehend beurteilten Merkmale 10 bis 12 mit den Merkmalen 1 bis 9 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag vereint, nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden, weil gegenüber dem Stand der Technik nach der US-Patentschrift nur noch die Unterschiede vorhanden sind, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 gegenüber dem Bekannten schon als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend festgestellt worden sind.

Der einzige Patentanspruch nach Hilfsantrag 3 ist ebenfalls nicht rechtsbeständig.

5. Aus Vorstehendem folgt, daß auch den Merkmalen der Unteransprüche zum Hauptantrag und zu den Hilfsanträgen 1 und 2, die sämtlich im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 enthalten sind, keine selbständige erfinderische Bedeutung zukommt. Sie fallen daher mit ihren Bezugsansprüchen.

Dr. Schnegg Eberhardzugleich für den wegen Urlaub an der Unterschrift verhinderten Vorsitzenden Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Cl






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Beschluss v. 03.05.2000
Az: 7 W (pat) 7/99


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