Oberlandesgericht Karlsruhe:
Urteil vom 13. Mai 2009
Aktenzeichen: 6 U 50/08

(OLG Karlsruhe: Urteil v. 13.05.2009, Az.: 6 U 50/08)

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 01.04.2008 € 2 O 231/07 € wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer Anweisung der beklagten Universität, mit der Werbung für juristische Repetitorien im Bereich der Universität verhindert werden soll.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt in Freiburg ein juristisches Repetitorium. In den von ihm angebotenen Veranstaltungen werden Studenten der Rechtswissenschaft auf juristische Prüfungen vorbereitet. Kunden des Klägers sind fast ausschließlich Studenten, die an der juristischen Fakultät der Beklagten eingeschrieben sind.

Mit dem Management der Gebäude der beklagten Universität wie des Studentenwerks Freiburg, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die u.a. die Mensa betreibt, ist die T. GmbH & Co. KG (T.) beauftragt. Diese ist u.a. zuständig für die Vermietung von Wechselrahmen für Plakate, die in der Mensa €Rempartstraße€ angebracht sind. Der Kläger hatte seit Juni 2006 drei solcher Wechselrahmen gemietet und dort Plakate angebracht, mit denen er für sein Repetitorium warb.

Im April 2007 wies die Beklagte die T. an, Werbung von juristischen Repetitorien auch in Räumen des Studentenwerks künftig zu unterbinden. Die T. kündigte daraufhin den Vertrag mit dem Kläger über die Anmietung der Werbeflächen und entfernte die Plakate des Klägers am 11.05.2007.

Der Kläger beanstandete diese Weisung gegenüber der Beklagten erfolglos. Auf den vorgelegten Schriftwechsel (Anlagen 1 bis 3) wird verwiesen.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Beklagte auf die Zurücknahme ihrer entsprechenden Anweisung an die T. und auf Unterlassung solcher Weisungen in Anspruch genommen. Entsprechende Ansprüche ergäben sich aus §§ 21, 33 GWB, aus §§ 826, 1004 BGB sowie aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB.

Für die Klage sei der ordentliche Rechtsweg gegeben, da die im Streit stehende Weisung keinen hoheitlichen Charakter habe. Das Verhalten der Beklagte verstoße gegen das Boykott-Verbot des § 21 Abs. 1 GWB. Die Beklagte sei insoweit als Unternehmen anzusehen. Sie sei auch insoweit in Anspruch zu nehmen, als es um Werbung in Räumen des Studentenwerks gehe, weil sie die T. unmittelbar, ohne Einschaltung des Studentenwerks, angewiesen habe, Werbung juristischer Repetitorien nicht mehr zu dulden. In der Weisung liege die Aufforderung an T., den Kläger von bestimmten Dienstleistungen auszuschließen. Auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien komme es ebenso wenig an wie darauf, ob die Beklagte wirtschaftliche Zwecke verfolge. Die Beklagte habe bei ihrer Anweisung in der Absicht unbilliger Beeinträchtigung gegenüber juristischen Repetitorien gehandelt. Es gebe keinen sachlichen Grund, gerade juristische Repetitorien von der Werbung in den Räumen des Studentenwerks auszuschließen, zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig. Anhaltspunkte für die Annahme, die Anbringung von Werbung in Gebäuden der Beklagten oder des Studentenwerks könne bei Studenten den Eindruck erwecken, die Beklagte empfehle den Besuch des Repetitoriums des Klägers, gebe es nicht. Der Kläger könne nach § 33 GWB wegen Bestehens von Wiederholungsgefahr Unterlassung, ferner Beseitigung in der Form der Zurücknahme der Anweisung verlangen. Die gleichen Ansprüche stünden ihm auch nach §§ 826, 1004 BGB sowie, wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu.

Der Kläger hat dem Studentenwerk den Streit verkündet. Er hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Anweisung an die mit dem Gebäudemanagement der Beklagten sowie des Studentenwerks Freiburg beauftragte Firma T. GmbH & Co. KG zurückzunehmen, Werbung juristischer Repetitorien von dem Werbeangebot in den Räumen der Beklagten sowie des Studentenwerkes Freiburg auszunehmen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, durch Einwirkung auf die mit dem Gebäudemanagement der Beklagten sowie des Studentenwerks Freiburg beauftragten Unternehmen - insbesondere durch Aufnahme juristischer Repetitorien in eine diesen Unternehmen vorliegende Liste der in den Räumen der Universität und des Studentenwerks unerwünschten Werbung - Werbung des Klägers auf den für Werbung vorgesehenen Plakatflächen in den Räumen der Beklagten sowie des Studentenwerks Freiburg zu verhindern.

Die beklagte Universität hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, die von ihr erteilte Anweisung stelle weder einen Boykottaufruf gemäß § 21 Abs. 1 GWB noch einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb des Klägers dar. Der Ausschluss von Werbung für juristische Repetitorien sei sachlich gerechtfertigt und deshalb weder unbillig i.S. von § 21 GWB noch rechtswidrig im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte verfolge mit ihrer Anweisung das Ziel, das Vertrauen der Studierenden in die Erfüllung der ihr originär und ausschließlich übertragenen Aufgabe der juristischen Ausbildung und Examensvorbereitung zu wahren. Dieses Vertrauen werde erschüttert, wenn die Universität in ihren Gebäuden oder den Einrichtungen des Studentenwerks Werbung für gewerbliche Repetitorien zulassen, denn das erwecke den Eindruck, die Beklagte halte ihre eigenen Veranstaltungen für unzureichend. Ihr legitimes Ziel könne die Beklagte nur durch die getroffene Anweisung erreichen. Insbesondere sei es geboten, diese Anweisung auf die Gebäude auch des Studentenwerks zu beziehen, da die Studenten auch diese dem Herrschaftsbereich der Beklagten zurechneten. Der Kläger habe hinreichende Möglichkeiten, außerhalb des Campus zu werben

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der beklagten Universität könne kein Boykott i.S. von § 21 GWB vorgeworfen werden. Die Anwendung dieser Norm scheide aus, wenn der Adressat gegenüber dem Verrufer weisungsgebunden sei. Die T. sei als Auftragnehmerin der Beklagten aber deren Weisungen unterworfen. Auch auf das UWG könne sich der Kläger nicht mit Erfolg stützen. Dabei könne offenbleiben, ob ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, denn jedenfalls müsse ein Mitbewerber nicht die Werbung eines Konkurrenten in den eigenen Räumen hinnehmen. Aus dem gleichen Grund schieden auch Ansprüche wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Anträge erster Instanz weiter verfolgt.

Das Landgericht gehe unzutreffend davon aus, dass die T. auch hinsichtlich der Gebäude des Studentenwerks den Weisungen der Beklagten unterworfen sei. Aber auch hinsichtlich der Gebäude der Universität lege es zu Unrecht eine Weisungsgebundenheit der T. zugrunde. Im ersten Rechtszug sei ein solches Weisungsrecht von den Parteien auch nicht behauptet worden. Zudem unterliege ein Weisungsrecht der Beklagten jedenfalls den sich aus den Grundrechten ergebenden Beschränkungen, insbesondere dem Willkürverbot.

Das Landgericht habe die Räume der Beklagten und des Studentenwerks zu Unrecht mit Geschäftsräumen gleichgestellt und damit die Bindungen, denen die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts unterliege, außer Acht gelassen. Jedenfalls außerhalb der Gebäude der juristischen Fakultät sei sie gehalten, Werbung von juristischen Repetitorien zu dulden. Auch sei es nicht zutreffend, die Räume des Studentenwerks einem Geschäftslokal der Beklagten gleichzustellen.

Die Heranziehung der Maßstäbe des Wettbewerbsrechts durch das Landgericht sei verfehlt, weil die Beklagte nicht zu Zwecken des Wettbewerbs handele. Zudem unterliege die Beklagte als Teil der öffentlichen Gewalt besonderen Beschränkungen.

Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Zu Recht habe das Landgericht eine Weisungsunterworfenheit der T. zu Grunde gelegt. Dieses Unternehmen sei auch hinsichtlich der Räume des Studentenwerks den Weisungen der Beklagten unterworfen. Zudem habe das Studentenwerk eine gleiche Weisung erteilt, zwischen diesem und der beklagten Universität bestehe insoweit volles Einvernehmen. Die Beklagte handele auch nicht willkürlich, denn sie habe alle kommerziellen Repetitorien auf dem gesamten Campus von der Werbung ausgeschlossen.

Gründe

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

1. Der Kläger verfolgt mit seiner Klage einen Beseitigungsanspruch (Klageantrag zu 1) und einen Unterlassungsanspruch (Klageantrag zu 2). Seine Auffassung, diese Ansprüche seien nach §§ 21 Abs. 1, 33 Abs. 1 GWB begründet, trifft nicht zu.

Nach § 21 Abs. 1 GWB ist es Unternehmen verboten, ein anderes Unternehmen in der Absicht, bestimmte Unternehmen unbillig zu beeinträchtigen, zu Liefersperren oder Bezugssperren auffordern. Bei einem Verstoß gegen das Boykott-Verbot in § 21 Abs. 1 GWB ist das verrufende Unternehmen nach § 33 Abs. 1 GWB dem betroffenen Unternehmen zur Beseitigung und, bei Begehungsgefahr, zur Unterlassung verpflichtet.

a) Die beklagte Universität ist im hier in Rede stehenden Zusammenhang als Unternehmen anzusehen.

aa) Der Begriff des Unternehmens i.S. von § 21 Abs. 1 GWB entspricht demjenigen, wie er im Kartellrecht allgemein gilt (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 21 Rn. 8). Danach ist der Begriff des Unternehmens einheitlich und weit auszulegen und schließt jedwede wirtschaftliche Tätigkeit ein, unabhängig davon, welche Rechtsform der so tätig werdende hat, wie er sich finanziert und ob er daneben noch in anderer Weise, etwa hoheitlich, handelt. Unter wirtschaftlicher Tätigkeit wird dabei das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt oder eine entsprechende Nachfrage verstanden (EuGH, Slg. 1991, I 1979 € Höfner und Elser; Slg. 1999, I 5751 € Albany; EuGH WuW/E EU-R 71, 72 € Zollrat; EU-R 1213, 1214 € FENIN; BGHZ 67, 81, 84 € Auto-Analyzer; BGHZ 110, 371, 380 € Sportübertragungen; Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 27ff. m.w.N.). Dem Kartellrecht liegt damit ein funktionaler und relativer Unternehmensbegriff zugrunde, dessen Inhalt aus dem Gesetzeszusammenhang und dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu bestimmen ist. Eine organisatorische Einheit kann im Hinblick auf bestimmte Tätigkeiten als Unternehmen, im Hinblick auf andere nicht als Unternehmen angesehen werden (vgl. BGH WuW/E DE-R 17 € Europapokalheimspiele, zu Lizenzfußballvereinen; EuGH Slg. 1997, I 1547 € Diego Calì, Rz. 16ff.).

bb) Nach dieser Maßgabe ist die beklagte Universität als Unternehmen anzusehen. Dabei kann offen bleiben, ob sie in Bezug auf das von ihr zur Verfügung gestellte Ausbildungsangebot als Unternehmen anzusehen ist (verneinend Säcker/Herrmann, MünchKomm-Kartellrecht, Einl. J Rn. 1612a, vgl. auch EuGH Slg. 1998, I-5365 € Humbel, zum Bildungsangebot einer Schule). Die Beklagte ist jedenfalls insoweit als Unternehmen anzusehen, als sie sich mit der Vermietung von Wechselrahmen für kommerzielle Plakatwerbung befasst. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sowohl in den Gebäuden der Beklagten als auch in den Gebäuden der Einrichtungen des Studentenwerks Wechselrahmen gibt, die als Flächen für kommerzielle Werbung von Unternehmen angemietet werden können. Insoweit ist nicht ausschlaggebend, dass die T. entsprechende Mietverträge im eigenen Namen schließt, die beklagte Universität also nicht Partei entsprechender Verträge wird. Denn die beklagte Universität partizipiert an dieser Tätigkeit der T. nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers in der Weise, dass sie aus den so erzielten Einnahmen einen bestimmten, festen Betrag erhält. Mit der Bereitstellung solcher Werbeflächen ermöglicht die Beklagte kommerzielle Werbung in ihren Räumen, eröffnet damit ein Dienstleistungsangebot und zieht hieraus wirtschaftlich einen Vorteil.

b) Sowohl der Kläger, der ein kommerzielles Repetitorium betreibt, als auch die T. sind unzweifelhaft als Unternehmen anzusehen.

c) Auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen der beklagten Universität und dem Kläger kommt es für die Anwendung von § 21 Abs. 1 GWB nicht an (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 21 Rn. 16).

d) Die für einen Boykottaufruf kennzeichnende Konstellation, dass ein Verrufer einen Adressaten auffordert, bestimmte Geschäfte mit dem Verrufenen zu unterlassen, liegt im Streitfall vor. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat die beklagte Universität € als Verruferin € die T. € als Adressatin € aufgefordert, mit kommerziellen Repetitorien € als Verrufenen € keine Geschäfte mehr über die Vermietung von Werbeflächen in den Räumen der Beklagten und des Studentenwerks abzuschließen bzw. bestehende geschäftliche Verbindungen zu beenden. Der Annahme eines Boykottaufrufs steht nicht entgegen, dass sich die Aufforderung der Beklagten an die T. nicht allein gegen den Kläger richtet, sondern dahin formuliert wurde, dass generell nicht mehr an gewerbliche Repetitorien vermietet werden solle. Eine Boykottaufforderung i.S. von § 21 Abs. 1 GWB muss sich zwar gegen bestimmte Betroffene richten. Es genügt jedoch, dass es sich um eine abgrenzbare Gruppe von Unternehmen handelt (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 21 Rn. 17; Neef, in: MünchKomm.GWB, § 21 Rn. 13). Diese Voraussetzung ist im Falle eines gegen gewerbliche Repetitorien gerichteten Aufrufs erfüllt.

e) Eine Aufforderung zur Liefer- oder Bezugssperre ist als Versuch des Verrufers zu verstehen, auf die freie Willensbildung des Adressaten Einfluss zu nehmen (BGH WuW/DE-R 352, 354 € Kartenlesegerät m.w.N.). Ein Boykottaufruf i.S. von § 21 Abs. 1 GWB scheidet daher aus, wenn der Adressat nicht über einen eigenen Entscheidungsspielraum verfügt, insbesondere weil er gesetzlich oder vertraglich ohnehin zu der ihm angesonnenen Verhaltensweise verpflichtet ist.

aa) Ein Boykottaufruf käme daher nicht in Betracht, wenn die Beklagte bereits in dem mit T. geschlossenen Vertrag eine Regelung getroffen hätte, die eine Vermietung der Werbeflächen an kommerzielle Repetitorien untersagte. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Der Kläger konnte bislang entsprechende Werbeflächen bei T. anmieten. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass T. sich dadurch ihr gegenüber vertragswidrig verhalten hätte.

bb) Es bedarf keiner näheren Untersuchung der Frage, in welchem Umfang T. als das von der Beklagten mit dem Gebäudemanagement betraute Unternehmen nach Weisungen der Beklagten zu handeln hat. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers handelte T. bis zu der hier in Rede stehenden Anweisung bei der Vermietung der Flächen für kommerzielle Werbung in den Gebäuden der Beklagten und des Studentenwerks nicht im Auftrag der Beklagten, sondern im eigenen Namen, und war grundsätzlich frei in der Entscheidung, mit welchen Unternehmen sie einen entsprechenden Vertrag über die Anmietung von Werbeflächen schloss, fortführte oder beendete. Das rechtfertigt die Annahme, dass T. im Hinblick auf die Vermietung dieser Werbeflächen Adressatin eines Boykottaufrufs sein konnte.

f) Die Beklagte hat nicht in der Absicht unbilliger Beeinträchtigung des Klägers gehandelt. Das Verhalten der beklagten Universität zielt allerdings auf eine Beeinträchtigung der Möglichkeiten aller gewerblicher Repetitorien € und damit auch des Klägers € ab, in den Gebäuden der Universität und des Studentenwerks zu werben. Sie handelt damit in der Absicht, den Kläger zu beeinträchtigen. Ihr Verhalten kann jedoch nicht als unbillig angesehen werden. Für die Beurteilung, ob die mit der Sperraufforderung beabsichtigte Beeinträchtigung unbillig ist, kommt es auf eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB an (BGH WuW/E BGH 2562 € markt-intern-Dienst, WuW/E DE-R 395, 397 € Beteiligungsverbot für Schilderpräger). Dabei sind auch Inhalt, Form und Begleitumstände der Aufforderung zu berücksichtigen (Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 21 Rn. 41). An der Absicht unbilliger Beeinträchtigung fehlt es etwa dann, wenn der Boykottaufruf der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient (BGH WuW/E BGH 2652, 2563f. € markt-intern-Dienst). So verhält es sich im Streitfall.

Die beklagte Universität ist als Körperschaft öffentlichen Rechts mit der Ausbildung der Studenten betraut. Sie nimmt für sich in Anspruch, ein umfassendes Angebot bereit zu halten, bei dessen Ausschöpfung es den Studenten möglich ist, sich auf die den Studiengang begleitenden oder abschließenden Prüfungen angemessen vorzubereiten. Zu diesem Lehrangebot gehören neben Vorlesungen etwa auch Klausurenkurse, Seminare, Übungen, Wiederholungs- und Vertiefungskurse und dergleichen mehr. Gewerbliche Repetitorien wenden sich an die gleiche Zielgruppe. Sie bieten Studenten entgeltlichen Unterricht an, in dem sie € einzeln oder in Gruppen € auf Prüfungen vorbereitet werden. Mag es auch an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen der Universität und gewerblichen Repetitorien im Sinne des Lauterkeitsrechts fehlen, ist doch nicht zu übersehen, dass das Angebot gewerblicher Repetitorien in einem gewissen Konkurrenzverhältnis zum Lehrangebot der Universität steht. Das Interesse der Universität ist darauf gerichtet, den Studenten ein Angebot zur Verfügung zu stellen, das es ihnen ermöglicht, bei entsprechender Eignung das Studium aus eigener Kraft, ohne zusätzliche finanzielle Aufwendungen zu bewältigen. Unter diesen Umständen hat sie ein berechtigtes Interesse daran, Werbung gewerblicher Repetitorien in ihren eigenen Räumen zu unterbinden (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 16.11.2000 - 5 U 2/00, NWVBl. 2001, 447). Nichts anderes gilt für die Räume des Studentenwerks, weil es sich dabei um Gebäude handelt, die typischerweise ganz überwiegend von Studenten besucht werden. Nähme es die Beklagte hin, dass in diesen Gebäuden für kommerzielle Werbung bereit gehaltene Flächen auch von gewerblichen Repetitorien genutzt wird, könnte dies den Eindruck erwecken, auch aus ihrer Sicht sei ein Bedürfnis für eine Ergänzung ihres eigenen Angebots durch solche Unternehmen nicht zu bestreiten. Daraus ergibt sich ein berechtigtes Interesse der beklagten Universität daran, Werbung von kommerziellen Repetitorien in ihrem Einflussbereich zu verhindern. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Kommune, die selbst den Verkauf von KfZ-Nummernschildern betreibt, gehalten ist, in ihren Räumen auf das konkurrierende Angebot privater Anbieter hinzuweisen (BGH GRUR 1974, 733; vgl. auch Senat, NJW-RR 1996, 231), ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. In den dort zu beurteilenden Fällen ging es um eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, die sich als bloßes Nebengeschäft zu ihrer eigentlichen Verwaltungstätigkeit - dem Betrieb der Kfz-Zulassungsstelle - darstellt. Im Streitfall ist dagegen die Lehrtätigkeit der Universität und damit ein Kernbereich ihrer Tätigkeit betroffen.

Das genannte Interesse der beklagten Universität besteht nicht in gleichem Maße in Bezug auf Unternehmen, die andersartige Waren oder Leistungen bewerben. Das Vorgehen der Beklagten kann daher nicht als willkürlich angesehen werden. Das Verhalten der Beklagten ist auch der Form und den Begleitumständen nach nicht zu beanstanden. Sie hat sich darauf beschränkt, ihr Anliegen durch eine interne Aufforderung an T. zu verfolgen. Dass sie sich darüber hinaus € abgesehen von ihrer Rechtsverteidigung im vorliegenden Prozess € öffentlich geäußert hätte, insbesondere die fachliche Qualifikation des Klägers oder anderer gewerblich tätiger Repetitoren in Zweifel gezogen hätte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Auffassung des Klägers, die Beklagte sei gehalten, ja sogar darauf beschränkt, die Frage der Erforderlichkeit von gewerblichen Repetitorien mit den Studenten im Rahmen von Lehrveranstaltungen zu diskutieren, vermag nicht zu überzeugen.

Diesem berechtigten Anliegen der Beklagten stehen keine überwiegenden Interessen des Klägers entgegen. Er ist durch die in Rede stehende Weisung der beklagten Universität an T. lediglich an einer Werbung mit Plakaten in den Gebäuden der Universität und des Studentenwerks gehindert. Ihm verbleiben jedoch vielfältige andere Möglichkeiten, Studenten gezielt anzusprechen, etwa durch außerhalb dieser Gebäude verteilte Flugblätter oder Plakate, durch Anzeigen in Zeitungen oder im Internet und dergleichen mehr, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass dem Kläger durch die hier in Rede stehende Maßnahme der beklagten Universität eine besonders effektive Werbemöglichkeit entzogen wird.

2. Aus den gleichen Gründen kann in dem Verhalten der beklagten Universität auch kein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers i.S. von § 823 Abs. 1 BGB oder gar ein sittenwidriges Verhalten i.S. von § 826 BGB gesehen werden. Die mit der Klage verfolgten Ansprüche sind daher auch nach diesen Bestimmungen nicht begründet. Ohne Erfolg bleibt auch die Berufung des Klägers darauf, die beklagte Universität sei wegen des aus Art. 3 GG abzuleitenden Grundsatz der Bindung an früheres eigenes Verhalten daran gehindert, dem Kläger die zunächst geduldete Werbung für sein Repetitorium nunmehr zu versagen. Ein unbedingter Anspruch des Klägers darauf, dass ihm Werbung für seine gewerbliche Tätigkeit in den Räumen der Beklagten und des Studentenwerks gestattet wird, kommt nicht in Betracht. Bei der demnach erforderlichen Interessenabwägung müssen die Interessen des Klägers aus den bereits oben, unter II. 1 f dargelegten Gründen, aus denen eine unbillige Beeinträchtigung des Klägers durch die in Rede stehende Anweisung zu verneinen ist, zurücktreten. Die Beklagte war befugt, unter Hinweis darauf, dass sie in den letzten Jahren ihr Ausbildungsangebot für die Studenten erweitert und verbessert hat, ihre bisherige Praxis zu ändern und eine Werbung kommerzieller Repetitorien in ihren eigenen Räumen und denen des Studentenwerks zu unterbinden.

3. Die Berufung des Klägers ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es geht vorliegend lediglich um die Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärten Grundsätze der Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB in einem Einzelfall.






OLG Karlsruhe:
Urteil v. 13.05.2009
Az: 6 U 50/08


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