Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. November 2002
Aktenzeichen: 20 W (pat) 26/01
(BPatG: Beschluss v. 18.11.2002, Az.: 20 W (pat) 26/01)
Tenor
Der Beschluss des Patentamts vom 9. März 2001 wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung des Volumenstromes oder der Strömungsgeschwindigkeit und/oder der Temperatur eines durch ein Rohr strömenden Mediums.
Anmeldetag: 17. Dezember 1998 Der Erteilung liegen die folgenden Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1-15 (Seiten 12-18), überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Beschreibung (Seiten 2-4), überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 und 2) eingegangen am 17. Dezember 1998.
Gründe
I.
Die Patentanmeldung wurde vom Patentamt mit der Begründung zurückgewiesen, die Gegenstände der damals geltenden Patentansprüche 1, 2, 7 und 8 seien nicht neu.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen und der ursprünglichen Zeichnung zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"1. Verfahren zur Bestimmung des Volumenstromes oder der Strömungsgeschwindigkeit eines durch ein Rohr strömenden Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens ein an der äußeren Rohroberfläche angeordneter Wärmestromsensor den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine Umgebung misst, die Temperatur des Mediums und die Temperatur der Umgebung durch entsprechend angeordnete Temperatursensoren erfasst werden und der Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit aus dem Wärmestrommesswert und den Temperaturmesswerten gemäß den Formelnundbei w < 100¡C mitq1 = Wärmestromw = Temperatur des strömenden Mediumsu = Temperatur der Umgebung RS = Wärmeleitwiderstand des Sensors Rw = Wärmeleitwiderstand der Rohrwand 1/u =Wärmeübergangswiderstand Sensor/Umgebung 1/w =Wärmeübergangswiderstand Medium/Rohr DR =Rohrdurchmesserrechnerisch ermittelt wird."
Der Patentanspruch 2 hat folgende Fassung:
"2. Verfahren zur Bestimmung des Volumenstromes oder der Strömungsgeschwindigkeit eines durch ein Rohr strömenden Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens zwei an der äußeren Rohroberfläche angeordnete Wärmestromsensoren (2) den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine für alle Wärmestromsensoren (2) hinsichtlich der Temperatur einheitliche Umgebung (3), wie z. B. die umgebende Raumluft, einen Kühlkörper, ein die Wärmestromsensoren (2) verbindendes Element, messen, die Temperatur des Mediums von einem entsprechend angeordneten Temperatursensor erfasst wird und der Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit aus den verschiedenen Wärmestrommesswerten und dem Temperaturmesswert rechnerisch ermittelt wird, wobei wenigstens ein Wärmestromsensor (2) jeweils unmittelbaren Kontakt mit der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung (3) hat und bei zumindest einem anderen Wärmestromsensor (2) zwischen der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung (3) wenigstens ein zusätzlicher Wärmeleitwiderstand (4) angeordnet ist."
Der Patentanspruch 3 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 2 dadurch, dass an zwei Stellen nach "Strömungsgeschwindigkeit" "und/oder der Temperatur" eingefügt ist und außerdem "Temperatur des Mediums" durch "Temperatur der Umgebung" ersetzt ist. Er hat demnach folgende Fassung:
"3. Verfahren zur Bestimmung des Volumenstromes oder der Strömungsgeschwindigkeit und/oder der Temperatur eines durch ein Rohr strömenden Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens zwei an der äußeren Rohroberfläche angeordnete Wärmestromsensoren (2) den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine für alle Wärmestromsensoren (2) hinsichtlich der Temperatur einheitliche Umgebung (3), wie z. B. die umgebende Raumluft, einen Kühlkörper, ein die Wärmestromsensoren (2) verbindendes Element, messen, die Temperatur der Umgebung von einem entsprechend angeordneten Temperatursensor erfasst wird und der Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit und/oder die Temperatur des Mediums aus den verschiedenen Wärmestrommesswerten und dem Temperaturmesswert rechnerisch ermittelt werden wird, wobei wenigstens ein Wärmestromsensor (2) jeweils unmittelbaren Kontakt mit der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung (3) hat und bei zumindest einem anderen Wärmestromsensor (2) zwischen der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung (3) wenigstens ein zusätzlicher Wärmeleitwiderstand (4) angeordnet ist."
Die Vorrichtungsansprüche 8, 9 und 10 enthalten jeweils zu den Verfahrensmerkmalen der Patentansprüche 1, 2 und 3 die korrespondierenden Vorrichtungsmerkmale. Zu deren Wortlaut und zum Wortlaut der Patentansprüche 4 bis 7 und 11 bis 15 wird auf die Akte verwiesen.
Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:
(1) DE 29 06 186 C2
(2) DE 42 15 342 A1
(3) EP 0 669 524 A1
(4) DE 81 22 617 U1
(5) EP 0 019 106 A1.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und führt mit dem beschränkten Patentbegehren auch zum Erfolg.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale der Patentansprüche 1 und 8 ergeben sich aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 7 sowie aus der ursprünglichen Beschreibung (S 4 - 6). Die Merkmale der Patentansprüche 2, 3, 9 und 10 sind in den ursprünglichen Patentansprüchen 2 und 8 offenbart.
2. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) ist ein Verfahren zum Messen des Wärmeflusses in geschlossenen Wärmetransportsystemen bekannt, bei dem sich zwischen einem Vorlaufrohr und einem Rücklaufrohr eine Wärmeleitstrecke 5 befindet. An dem Vorlaufrohr und dem Rücklaufrohr sind jeweils vor und nach der Wärmeleitstrecke an der äußeren Rohroberfläche Temperatursensoren T1, T2, T3, T4 angeordnet, die die Temperatur eines durch das Rohr strömenden Mediums bestimmen. Aus den Differenzen der gemessenen Temperaturwerte kann die über die Wärmeleitstrecke übertragene Wärmemenge (Gleichung (I)), die an ein Gebäude abgegebene Wärmemenge (Gleichungen (II), (V)) und der Massenfluss des strömenden Mediums im Rohr (Gleichung (IV)) berechnet werden. Die Temperatursensoren bilden somit einen Wärmestromsensor, weil mit ihnen Wärmestromwerte bestimmt werden.
Die Strömungsgeschwindigkeit oder der Volumenstrom des strömenden Mediums wird jedoch nicht ermittelt. In weiterem Unterschied zu den Gegenständen der Patentansprüche 1, 3, 8 und 10 wird die Temperatur der Umgebung nicht durch entsprechend angeordnete Temperatursensoren erfasst. Außerdem wird bei dem bekannten Verfahren abweichend von den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 8 der Wärmeübergangswiderstand zwischen dem Medium und dem Rohr nicht berücksichtigt. Stattdessen wird durch geeignete Wahl der Materialien erreicht, dass der Einfluss des Oberflächenwärmeübergangs vernachlässigt werden kann (Sp 3 Z 4 - 14). Schließlich ist abweichend von den Gegenständen der Patentansprüche 2, 3, 9 und 10 auch kein zweiter Wärmestromsensor vorgesehen.
Die Druckschriften (2) bis (5) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt und bringen hinsichtlich der Beurteilung der Patentfähigkeit keine neuen Gesichtspunkte.
3. Neuheit Die zweifelsfrei gewerblich anwendbaren Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 3, 8, 9 und 10 sind neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle ihre Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.
4. Erfinderische Tätigkeit Die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 3, 8, 9 und 10 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Entwicklung eines Verfahrens oder einer Vorrichtung zur Bestimmung des Volumenstroms oder der Strömungsgeschwindigkeit eines durch ein Rohr strömenden Mediums zieht der Fachmann, ein Diplomphysiker mit Spezialkenntnissen auf dem Gebiet der Thermodynamik, auch die Druckschrift (1) in Betracht, die die Messung des Wärmeflusses an einem durch ein Rohr strömenden Medium betrifft. Dort ist nämlich angegeben, dass der Massenfluss eines durch ein Rohr strömenden Mediums aus den gemessenen Temperaturdifferenzen berechnet werden kann (Gleichung (IV)). Der Fachmann erkennt, dass damit grundsätzlich auch der Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit bestimmt werden kann, denn die formelmäßigen Beziehungen zur Berechnung des Volumenstroms oder der Strömungsgeschwindigkeit aus dem Massenfluss gehören zu seinem physikalischen Fachwissen. Möglicherweise erkennt er auch noch, dass der über die Wärmeleitstrecke an das Rücklaufrohr fließende Wärmestrom von dem Massefluss des durch das Rohr strömenden Mediums abhängt (Kombination der Gleichungen (I) und (IV)). Es mag daher für ihn nahe liegen, zur Bestimmung des Volumenstroms oder der Strömungsgeschwindigkeit an der äußeren Rohroberfläche einen Wärmestromsensor vorzusehen, der den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine Umgebung misst.
Der Fachmann entnimmt aus (1) aber auch, dass die angegebenen Beziehungen nur gelten, wenn der Einfluss der Wärmeleitung über die Wärmeleitstrecke größer ist als der Einfluss des Oberflächenwärmeübergangs (Sp 3 Z 4 - 14). Um dies zu erreichen, ist es notwendig, bei dem Gegenstand nach (1) die Materialien und die Form von Rohrwand und Wärmeleitstrecke entsprechend zu wählen. Der Fachmann erhält aus (1) keinen Hinweis darauf, wie er die Bestimmung des Volumenstroms oder der Strömungsgeschwindigkeit ohne das Rohrmaterial betreffende Einschränkungen durchführen kann. Er gelangt daher auch unter Berücksichtigung seines Fachkönnens und Fachwissens nur durch erfinderisches Zutun dazu, nicht nur den Wärmestrom, sondern durch entsprechend angeordnete Temperatursensoren auch die Temperatur des Mediums und der Umgebung zu erfassen, um dann mit Hilfe der ersten in den Patentansprüchen 1 und 8 angegebenen Formel den Wärmeübergangswiderstand w zwischen dem Medium und dem Rohr berücksichtigen zu können, wobei dann die zweite in den Patentansprüchen 1 und 8 angegebene Formel die Ermittlung des Volumenstroms und der Strömungsgeschwindigkeit ermöglicht.
Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 8 ergeben sich damit für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Die Druckschrift (1) gibt dem Fachmann auch keinen Hinweis darauf, wie er den Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit durch Messung des Wärmestroms bestimmen kann, ohne dabei das Rohrmaterial betreffende Einschränkungen beachten und zwei Temperaturen, nämlich des Mediums und der Umgebung, durch entsprechend angeordnete Temperatursensoren messen zu müssen. Hierzu ist es erforderlich, an zwei verschiedenen Stellen den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine hinsichtlich der Temperatur einheitliche Umgebung zu messen, wobei der Wärmeleitwiderstand zwischen der Rohroberfläche und der Umgebung für die beiden Stellen unterschiedlich ist, so dass sich ein unterschiedlich hoher Wärmestrom für die beiden Stellen ergibt. Dann ist es nämlich möglich, entweder die Temperatur der Umgebung oder des Mediums aus dem jeweils anderen Temperaturwert und den gemessenen Wärmeströmen zu bestimmen, so dass die Messung eines Temperaturwertes ausreicht.
Derartige Überlegungen übersteigen jedoch das, was vom Fachmann auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens zu erwarten ist. Es bedurfte vielmehr erfinderischer Tätigkeit, an der äußeren Rohroberfläche mindestens zwei Wärmestromsensoren anzuordnen, die den Wärmestrom von der äußeren Rohroberfläche an eine hinsichtlich der Temperatur einheitliche Umgebung messen, wobei wenigstens ein Wärmestromsensor jeweils unmittelbaren Kontakt mit der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung hat und bei zumindest einem anderen Wärmestromsensor zwischen der äußeren Rohroberfläche und der Umgebung wenigstens ein zusätzlicher Wärmeleitwiderstand angeordnet ist, entweder die Temperatur des Mediums oder die Temperatur der Umgebung durch einen entsprechend angeordneten Temperatursensor zu erfassen und aus den gemessenen Werten den Volumenstrom oder die Strömungsgeschwindigkeit rechnerisch zu ermitteln.
Die Gegenstände der Patentansprüche 2, 3, 9 und 10 ergeben sich daher für den Fachmann ebenfalls nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
5. Die auf die Patentansprüche 1, 2, 3, 8, 9 und 10 rückbezogenen Patentansprüche 4 bis 7 und 11 bis 15 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen der Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 3, 8, 9 und 10 und sind daher ebenfalls gewährbar.
6. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
Dr. Anders Dr. Hartung Martens Dr. Zehendner Ko
BPatG:
Beschluss v. 18.11.2002
Az: 20 W (pat) 26/01
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