Landgericht Mönchengladbach:
Beschluss vom 17. Juni 2003
Aktenzeichen: 5 T 220/03
(LG Mönchengladbach: Beschluss v. 17.06.2003, Az.: 5 T 220/03)
1. Streitgenossen können sich grundsätzlich durch verschiedene Rechtsanwälte vertreten lassen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten sind notwendige Kosten im Sinne von § 91 ZPO.
2. Etwas anderes gilt nur in den Fällen einer rechtsmissbräuchlichen Mandatsaufspaltung. Eine rechtsmissbräuchliche Mandatsaufspaltung liegt vor, wenn Anhaltspunkte für eine Interessenkollision wegen vollständig gleichlaufender Interessen nicht erkennbar sind.
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.
Beschwerdewert: 933,11 EUR.
Gründe
I. Durch Urteil vom 28. Februar 2002 hat das Amtsgericht Viersen die Beklagten im Rahmen eines Rechtsanwaltshaftungsprozesses teilweise zur Zahlung verurteilt. In diesem Verfahren haben sich die Beklagten, die eine Rechtsanwaltssozietät betreiben, jeweils selbst vertreten. Nach Abschluss der ersten Instanz hat die Beklagte mit Schreiben vom 18. März 2002 eine Gebührenrechnung über 933,11 EUR zur Kostenausgleichung angemeldet. Der Beklagte behauptet, er habe ebenfalls unter diesem Datum eine Gebührenrechnung in gleicher Höhe an das Gericht abgesandt. Diese sei offensichtlich nicht zur Gerichtsakte gelangt. Die Gebührenrechnung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. September 2002 nachgereicht.
Beide Parteien haben gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Das Kostenfestsetzungsverfahren für die erste Instanz wurde aufgrund der eingelegten Berufungen zunächst nicht fortgeführt. Der Kläger hat seine Berufung später zurückgenommen. Durch Urteil vom 10. Juli 2002 wurde die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Unter dem 22. Juli 2002 beantragten die Kläger ihre Kosten für die zweite Instanz auszugleichen. Die Beklagten reichten mit Schreiben vom 15. Juni und 15. Juli 2002 ebenfalls Gebührenrechnungen über die Berufungsinstanz zur Kostenausgleichung ein.
Das Amtsgericht Mönchengladbach hat durch den angefochtenen Beschluss vom 4. September 2002 die von den Beklagten als Gesamtschuldnern auszugleichenden Kosten auf 463,04 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung hat das Amtsgericht auf Seiten der Beklagten für die erste Instanz nur einmal einen Betrag von 933,11 EUR an außergerichtlichen Kosten berücksichtigt. Für die zweite Instanz wurden beide von den Beklagten eingereichten Gebührenrechnungen berücksichtigt. Durch Schriftsatz vom 10. September 2002, bei Gericht eingegangen am 11. September 2002, haben die Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Dies mit der Begründung, dass an erstinstanzlichen Kosten nur ein Betrag in Höhe von 933,11 EUR berücksichtigt sei. Dabei sei nicht ausreichend beachtet worden, dass sich die Beklagten in der ersten Instanz jeweils selbst vertreten hätten. Darüber hinaus seien die zugunsten des Klägers berücksichtigen Postauslagen nicht nachvollziehbar. Das Amtsgericht hat der Beschwerde aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht bei der Kostenausgleichung nur einen Betrag von 933,11 EUR für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten erster Instanz berücksichtigt. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagten die zweite Kostenrechnung erst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Gerichtsakte gereicht haben, da im Beschwerdeverfahren auch neue Tatsachen Berücksichtigung finden können. Gleichwohl hat das Amtsgericht Viersen die angemeldeten Kosten zutreffend nur einmal berücksichtigt, da eine Einzelvertretung der Beklagten im Passivprozess treuwidrig gemäß § 242 BGB war.
Gemäß § 91 ZPO können die entstandenen Kosten zur Kostenausgleichung angemeldet werden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dabei ist im Grundsatz anerkannt, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertritt, seine Kosten zur Ausgleichung anmelden kann (Zöller, Kommentar zur ZPO, 21. Aufl., § 91, Rdzif. 13 Stichwort Rechtsanwalt). Im Rahmen der Kostenerstattung ist aber zusätzlich zu berücksichtigen, dass zweckentsprechend nur eine Maßnahme ist, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen würde. Notwendig sind dann alle Kosten, ohne die die zweckentsprechenden Maßnahmen nicht getroffen werden konnten. Zu beachten ist, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten hat, wie dies mit der vollen Wahrnehmung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Die aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei nicht als erforderlich erscheinenden Aufwendungen sind daher grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Die Pflicht, die Prozesskosten niedrig zu halten, beruht letztlich auf Treu und Glauben (Zöller, a.a.O., § 91 Rdzif. 12).
Werden mehrere Streitgenossen durch verschiedene Prozessbevollmächtigte vertreten, so gelten für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten nach § 91 ZPO folgenden Grundsätze: Streitgenossen können sich grundsätzlich durch verschiedene Rechtsanwälte vertreten lassen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten sind notwendige Kosten im Sinne von § 91 ZPO. Etwas anderes gilt nur in den Fällen einer rechtsmissbräuchlichen Mandatsaufspaltung. Eine rechtsmissbräuchliche Mandatsaufspaltung liegt vor, wenn Anhaltspunkte für eine Interessenkollision wegen vollständig gleichlaufender Interessen nicht erkennbar sind (OLG Naumburg, zitiert nach Juris, Dokumenten-Nr.: KORE416382002; OLG München, zitiert nach Juris, Dokumenten-Nr.: KORE540912000; OLG Düsseldorf, MDR 1988, 203; OLG Celle ZfSch 2001, 423; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1994, 41; LG Aachen Rpfleger 1991, 389; LG Hannover; JurBüro 1987, 430).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es vorliegend nicht sachgerecht und notwendig gewesen, dass sich die Beklagten im Erkenntnisverfahren jeweils selbst vertreten haben. Es hätte ausgereicht, dass sich die Beklagten nur als Rechtsanwaltsgemeinschaft für sich bestellen. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich die Klage gegen die Beklagten als Gesamtschuldner richtete. Die Verteidigung gegen den Klageanspruch war für beide Beklagten gleichlautend. Dies zeigt sich auch daran, dass die Beklagten sich mit gemeinsamen Argumenten gegen die Forderung des Klägers verteidigt haben. Etwaige Besonderheiten, die es notwendig machten, dass sich die Beklagten jeweils einzeln durch externe Anwälte oder einzeln durch sich selbst vertreten lassen, sind nicht ersichtlich.
Aus diesem Grunde hat das Amtsgericht zutreffend für die außergerichtlichen Kosten der Beklagten nur einmal einen Betrag von 933, 11 EUR in Ansatz gebracht werden.
Grundsätzlich könnten die Beklagten auf der Grundlage der vorstehenden Rechtsauffassung zusätzlich zu der von ihnen angemeldeten Prozessgebühr eine 3/10 Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 BRAGO verlangen. Denn nach der zwischenzeitlich ganz überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte können Rechtsanwälte, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anspruch genommen werden, eine nach § 6 Abs. 1 BRAGO erhöhte Prozessgebühr abrechnen (OLG Koblenz, MDR 2002, 721; OLG Saarbrücken, zitiert nach JURIS Dokumenten-Nr.: KORE525042002; OLG Nürnberg, NJW 2001, 3483; OLG München, zitiert nach JURIS Dokumenten-Nr.: KORE5000182002; a.A. für den Aktivprozess OLG Düsseldorf, NJW-RR 2002, 645). Eine fiktive Abrechnung auf der Grundlage der vorstehenden Grundsätze würde aber zu einer Verschlechterung der Position der Beklagten führen und ist deshalb unter Berücksichtigung des auch im Beschwerdeverfahren geltenden Grundsatzes der Reformatio in peius nicht zulässig. Denn bei einer gesetzeskonformen Abrechnung würden sich zwar die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die erste Instanz um 3/10, mithin um 90,30 EUR, erhöhen. Gleichzeitig dürften für die zweite Instanz aber nur einmal außergerichtliche Kosten der Beklagten bei der Anmeldung berücksichtigt werden, so dass sich die auszugleichenden Kosten der Beklagten gleichzeitig um 802,60 EUR vermindern würden. Da aber nur die Beklagten Beschwerde eingelegt haben, ist die Kammer an einer Erhöhung des von Seiten der Beklagten auszugleichenden Betrages gehindert.
2.
Zutreffend hat das Amtsgericht auch die von Seiten des Klägers angemeldeten Postauslagen bei der Kostenausgleichung berücksichtigt. Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach § 26 BRAGO sind grundsätzlich in die Kostenausgleichung einzubeziehen (Zöller, a.a.O., § 91 Rdnr. 13, Stichwort Post- und Telekommunikationsdienstleistungen). Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die geltend gemachten Beträge auch nachvollziehbar. Der Kläger-Vertreter hat insoweit die Abkürzungen im Schriftsatz vom 11. Oktober 2002 nochmals erklärt. Dass die einzelnen Kosten tatsächlich angefallen sind, wird von Seiten der Beklagten nicht gerügt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
4.
Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.
LG Mönchengladbach:
Beschluss v. 17.06.2003
Az: 5 T 220/03
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