Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 27. März 2014
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 57/13
(BGH: Beschluss v. 27.03.2014, Az.: AnwZ (Brfg) 57/13)
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Mecklenburg-Vorpommern vom 5. Juli 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 9. Mai 2012 wurde ihm aufgegeben, ein Gutachten von Prof. Dr. med. H. J. F. , E. -Universität G. , über seinen Gesundheitszustand beizubringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die bei den Akten befindliche Ablichtung des Bescheides Bezug genommen. Widerspruch und Klage des Klägers, der aufgrund einer vorläufigen Anordnung des Amtsgerichts W.
vom 29. April 2012 bis zum 10. Mai 2012 in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht war, sind erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Kläger hat nicht einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet. Erforderlichenfalls gibt die Rechtsanwaltskammer dem Betroffenen auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden angemessenen Frist das Gutachten eines von ihr zu bestimmenden Arztes über seinen Gesundheitszustand vorzulegen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BRAO).
b) Die vom Anwaltsgerichtshof festgestellten, als solche unstreitigen Umstände begründen hinreichende Zweifel an der zur Ausübung des Anwaltsberufs erforderlichen Gesundheit des Klägers. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang beanstandete Verweisung auf Aktenbestandteile ist in der Verwaltungsgerichtsordnung ausdrücklich vorgesehen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Die Begründung des Zulassungsantrags ist auch nicht geeignet, den Subsumtionsschluss des Anwaltsgerichtshofs in Frage zu stellen, was an zwei Beispielen näher dargestellt werden soll:
(1) Der Anwaltsgerichtshof hat ein Schreiben des Klägers an den Präsidenten des Landgerichts N. vom 29. September 2011 ausgewertet, in welchem es heißt: "Das als fehlerhaft gerügte Verhalten dieses Rechtsanwaltes mag ungewöhnlich sein, es entspricht aber seiner Gewohnheit und ist daher sein Recht." Der Kläger beanstandet nunmehr, dass dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Aus dem in der Begründung des Zulassungsantrags mitgeteilten Schreiben des Klägers ergibt sich, dass der Kläger gegenüber dem Landgerichtspräsidenten die Ansicht vertreten hat, er sei berechtigt, in den ihm zur Einsicht überlassenen Gerichtsakten mit dem Kürzel "Vfg." überschriebene Vermerke niederzulegen, die vom Gericht zur Kenntnis zu nehmen seien.
(2) Gegenüber dem Vorwurf der "Förmelei" als Rechtfertigung für die verweigerte Entgegennahme von Zustellungen erläutert der Kläger, aus welchen Gründen er bei Datumsangaben unterschiedlicher "Notation" ("17.09.2013", "17.9.2013" und "17. September 2013") auf eine Vereinheitlichung habe dringen dürfen.
c) Die weiteren Einwände des Klägers, der medizinische Sachverständige könne seine (des Klägers) juristische Argumente nicht bewerten und er, der Kläger, müsse im Rahmen der Begutachtung gegen seine anwaltliche Schweigepflicht verstoßen, treffen ebenfalls nicht zu. Begutachtet werden sollen nicht die Rechtsansichten des Klägers, sondern sein nach außen in Erscheinung getretenes Verhalten. Anlass der Anordnung nach § 15 BRAO ist gerade, dass der Kläger einfache, zum Alltag jedes Rechtsanwalts gehörende Vorgänge wie das Unterzeichnen eines Empfangsbekenntnisses, den Schriftverkehr mit dem Gericht und die Einsicht in Gerichtsakten zu komplexen, rechtlich und tatsächlich kaum zu bewältigenden Problemen erhebt.
d) Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof die Bedeutung einer Anordnung nach § 15 BRAO für einen auf § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO gestützten Widerruf nicht verkannt. Die Anordnung nach § 15 BRAO dient der Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen eines Widerrufs nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO erfüllt sind. Die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, die Voraussetzungen einer Anordnung nach § 15 BRAO entsprächen nicht den Voraussetzungen eines Widerrufs (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO), trifft daher zu. Mit dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1 VwGO) hat das nichts zu tun. Aus diesem Grund liegt auch der Zulassungsgrund einer Divergenz nicht vor.
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt. Im Verwaltungsverfahren hat der Kläger ihm angebotene Gesprächstermine mit dem Präsidium der Beklagten nicht wahrgenommen. Eine schriftliche Widerspruchsbegründung hat er nicht vorgelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof, der ausweislich des Protokolls etwa eineinhalb Stunden lang gedauert hat, hat der Kläger seiner eigenen Darstellung nach Gelegenheit zum mündlichen Vortrag erhalten. Der Anwaltsgerichtshof hat schließlich auch die Ausführungen des Klägers zur Besetzung des Vorstands der Beklagten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Auflage zur Kenntnis genommen und im angefochtenen Urteil beschieden.
b) Die Ausführungen des Klägers dazu, ein Gutachten könne nicht "durch" einen Gutachter vorgelegt werden; richtig sei die Formulierung, es müsse "ein Gutachten des Gutachters" durch ihn, den Kläger, vorgelegt werden, stellen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht in Frage.
c) Die Rüge, der Anwaltsgerichtshof sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil Rechtsanwältin Ho. nicht mitgewirkt habe, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Besetzungsrüge nur dann zulässig vorgebracht, wenn der Rechtsmittelkläger die seiner Ansicht nach den Mangel begründenden Tatsachen in einer Weise vorträgt, die dem Rechtsmittelgericht eine abschließende Beurteilung ermöglicht. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der Geschäftsverteilung sowie gegebenenfalls die Einholung von Auskünften des Gerichts und notfalls eigenen Ermittlungen, um sich über das Vorgehen des Gerichts hinreichende Gewissheit zu verschaffen. Mutmaßungen über die Gründe für die Mitwirkung der an dem angegriffenen Urteil beteiligten Richter können die erforderlichen Darlegungen nicht ersetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2013 - 4 B 25/12, juris Rn. 7 m.w.N.). Der Kläger beanstandet, dass statt der von ihm als Sozia des Präsidenten der Beklagten abgelehnten Rechtsanwältin Ho. Rechtsanwalt Ha. als anwaltlicher Beisitzer mitgewirkt hat, ohne dass ihm, dem Kläger, ein Gerichtsbeschluss hinsichtlich der Ablehnung übermittelt worden sei. Einzelheiten zur Geschäftsverteilung hat er jedoch nicht dargelegt. Der Beschluss vom 19. April 2013, mit welchem das Ablehnungsgesuch gegen die Rechtsanwältin Ho. zurückgewiesen worden ist, ist dem Kläger ausweislich der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 15. Mai 2013 durch Übergabe an eine Kanzleiangestellte zugestellt worden.
3. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Weder geht es hier um ein anwaltsgerichtliches Verfahren nach §§ 116 ff. BRAO, noch sind Feststellungen nach Maßgabe der Verfahrensvorschriften der §§ 116 ff. BRAO zu treffen.
4. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs enthält keine Aussagen, die alle im Staatsdienst oder als Anwälte tätigen Juristen der Gefahr einer Anordnung nach § 15 BRAO aussetzen. Die anwaltliche Schweigepflicht steht der Anordnung nach § 15 BRAO nicht entgegen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hinsichtlich der Vorschrift des § 15 BRAO teilt der Senat nicht. Er wendet sie in ständiger Rechtsprechung an, wie sich auch aus der vom Kläger selbst zitierten Entscheidung vom 28. März 2013 (AnwZ (Brfg) 70/12, juris Rn. 6 f.) ergibt. Die Vorschrift des § 15 BRAO mutet dem betroffenen Anwalt zu, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Die darin liegenden Beeinträchtigungen, die der Kläger auf den Seiten 23 bis 32 der Begründung des Zulassungsantrags in völlig überzogener Weise darstellt, finden ihre Rechtfertigung im Schutz des Rechtsverkehrs vor Anwälten, die ihrer Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht gewachsen sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
Kayser Lohmann Fetzer Braeuer Schäfer Vorinstanz:
AGH Rostock, Entscheidung vom 05.07.2013 - AGH 9/12 (I/5) -
BGH:
Beschluss v. 27.03.2014
Az: AnwZ (Brfg) 57/13
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