Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 4. Februar 2009
Aktenzeichen: 1 BvR 3365/08

(BVerfG: Beschluss v. 04.02.2009, Az.: 1 BvR 3365/08)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in einem markenrechtlichen Rechtsstreit.

1. Die Beschwerdeführerin war Inhaberin einer dreidimensionalen Marke in der Form einer achteckig gestalteten Zigarettenschachtel. Ein anderer Zigarettenhersteller beantragte die Löschung dieser Marke.

In der Beschwerdeinstanz ordnete das Bundespatentgericht die Löschung an. Die Marke sei nach § 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz (MarkenG) löschungsreif, da ihr jegliche Unterscheidungskraft fehle. Unterscheidungskraft besitze eine Marke nur dann, wenn sie geeignet sei, die Waren und Dienstleistungen, für die Schutz begehrt wird, als von einem bestimmten Unternehmen kommend zu kennzeichnen. Zwar dürfe die Prüfung bei dreidimensionalen Marken nicht strenger als bei den anderen Markenkategorien ausfallen. Da aber davon auszugehen sei, dass der Verkehr aus der Form der Ware oder aus der Verpackung gewöhnlich nicht auf die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke schließen werde, besitze eine Marke nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nur dann Unterscheidungskraft, wenn sie erheblich (Hervorhebung i.O.) von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweiche und deshalb vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als Herkunftshinweis aufgenommen werde. Eine erhebliche Abweichung der angemeldeten Form von den branchenüblichen Grundformen werde allein durch die achteckige Gestaltung nicht erreicht, da sie sich von der viereckigen Packungsform nur geringfügig abhebe und als modernisierte, verschönerte und gefälligere Form des bereits bekannten Verpackungsdesigns präsentiere, die dem Durchschnittsverbraucher mangels augenfälliger Abweichungen vom bekannten Formenschatz nicht als Herkunftshinweis gegenübertrete.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde beruhe auf einer grundsätzlichen Verkennung der grundrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Prozessrechts über den Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz. Die Rechtsbeschwerde hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden müssen (§ 83 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG). Entgegen dem Bundespatentgericht vertrete der Bundesgerichtshof die Auffassung, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei ein großzügiger Maßstab anzulegen, das heißt jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Im Hinblick auf diese Rechtsprechungsdivergenz ließen auch die vom Bundespatentgericht angeführten Entscheidungen des EuGH die Notwendigkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht entfallen. Darüber hinaus beträfen die Entscheidungen des EuGH eine andere Fallkonstellation, nämlich dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware selbst bestünden, oder solche, die aus der Verpackung bestünden, dabei allerdings aus mit der Art der Ware selbst zusammenhängenden Gründen verpackt Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs seien. Es sei keineswegs zwingend, diese Rechtsprechung auf Fälle der vorliegenden Art zu übertragen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde jedenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Es ist weder eine Verletzung des - hinsichtlich des Verfahrens der Markenanmeldung oder -löschung aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden - Gebots wirkungsvollen Rechtsschutzes noch des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erkennbar.

1. Effektiver Rechtsschutz umfasst nicht nur das Recht auf Zugang zu den Gerichten sowie auf eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes (vgl. BVerfGE 85, 337 <345>; 97, 169 <185>). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind, hier des § 83 Abs. 2 MarkenG. Hat der Gesetzgeber sich für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 <385>; 74, 228 <234>; 77, 275 <284>; BVerfGK 5, 189 <193>; 5, 364 <373>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 -, DVBl 2009, S. 41 <41 f.>).

a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liegt vor, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Ströbele, in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 83 Rn. 19 m.w.N.; Donle, in: v. Schultz, Markenrecht, 2002, § 83 MarkenG Rn. 8 m.w.N.). Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zuzulassen, a) wenn das Bundespatentgericht in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von einer Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs, eines anderen Senats des Bundespatentgerichts oder eines vergleichbaren Instanzgerichts abweicht, b) wenn schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, die nicht den Charakter einer Divergenz im herkömmlichen Sinn haben, oder c) wenn im Interesse der Fortbildung des Rechts eine weitere höchstrichterliche Differenzierung der Rechtsprechung für geboten gehalten wird (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZR 328/03 -, NJW 2005, S. 153; Donle, a.a.O., § 83 MarkenG Rn. 9 m.w.N.). Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht berührt, wenn unter Zugrundelegung des gleichen Rechtssatzes lediglich dessen tatsächliche Voraussetzungen im Einzelfall abweichend bewertet werden (vgl. Ströbele, a.a.O., § 83 Rn. 25 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es jedenfalls von Verfassungs wegen vertretbar, die entscheidungserhebliche Frage, welche Kriterien für die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anzulegen sind, für höchstrichterlich geklärt zu halten, ohne einen Widerspruch zwischen den Maßstäben des EuGH und denen des Bundesgerichtshofs anzunehmen. Ebenso ist es vertretbar und nicht sachfremd, die bislang ergangene Rechtsprechung des EuGH zur Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken auf den Streitfall zu übertragen. Divergenzen ergeben sich nur in der Anwendung auf den Einzelfall; sie erfordern nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

2. Aus denselben Gründen ist auch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 04.02.2009
Az: 1 BvR 3365/08


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