Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 23. September 1992
Aktenzeichen: 17 W 314/92
(OLG Köln: Beschluss v. 23.09.1992, Az.: 17 W 314/92)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Kosten des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Gründe
Das zulässige Rechtsmittel der
Beklagten hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Rechtspflegerin die
vom Kläger geltend gemachte Vergütung seiner M.er Anwälte - eine
10/10-Gebühr zum Betrage von 1.109,00 DM nebst einer
Auslagenpauschale von 40,00 DM, außerdem Fotokopiekosten in Höhe
von 28,00 DM - gegen die Beklagte festgesetzt. Die M.er Anwälte
sind für den Kläger als Verkehrsanwälte tätig geworden. Die ihnen
dadurch erwachsene Vergütung ist - dies sei im Hinblick auf die
entgegenstehende Feststellung der Rechtspflegerin in ihrem
Nichtabhilfebeschluß vom 18. August 1992 klargestellt - als
Verkehrsanwaltsvergütung erstattungsfähig (§ 91 ZPO). Soweit die
obsiegende Partei durch die Tätigkeit ihres Verkehrsanwalts
anderweitige notwendige, durch den Prozeß bedingte Aufwendungen
erspart hat, kommt deren Erstattung nur aus dem Gesichtspunkt einer
tatsächlich erwachsenen Verkehrsanwaltsvergütung in Betracht. Die
Kosten eines Verkehrsanwalts, den die obsiegende Partei
eingeschaltet hat, sind in vollem Umfang unter anderem dann den
notwendigen Kosten des Rechtsstreits zuzuordnen, wenn der Partei
durch die Verkehrsanwaltstätigkeit anderweitige notwendige
Aufwendungen in Höhe mindestens des Betrages der
Verkehrsanwaltsvergütung tatsächlich erspart worden sind. So liegt
der Fall hier. Zu Recht geht die Rechtspflegerin in dem
angefochtenen Beschluß davon aus, daß der Kläger durch die
Mitwirkung seiner M.er Verkehrsanwälte sowohl die Kosten einer
vorprozessualen anwaltlichen Beratung als auch die Aufwendungen
für drei Informationsreisen von seinem Wohnsitz bzw. Betriebssitz
zu seinem B.er Prozeßbevollmächtigten sowie für eine zusätzliche
schriftliche bzw. fernmündliche Unterrichtung erspart hat, deren
Gesamtbetrag die Höhe der Verkehrsanwaltsvergütung übersteigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des
Senats ist - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen
abgesehen - grundsätzlich jeder - auch der geschäftsgewandten und
kaufmännisch eingerichteten - Partei, die sich anschickt Klage zu
erheben, die erstattungsrechtliche Möglichkeit zuzubilligen, sich
durch einen ortsnahen Anwalt über die Erfolgsaussichten und Risiken
der beabsichtigten Rechtsverfolgung sowie die einzuleitenden
Schritte eines gerichtlichen Vorgehens gegen die Gegenpartei
beraten zu lassen sowie den Streitstoff mit dem auswärtigen
Prozeßbevollmächtigten wenigstens einmal - soweit aufgrund des
Verfahrensablaufs notwendig auch mehrfach - persönlich zu
besprechen.
Im Hinblick darauf, daß sich die
anwaltliche Beratung auch auf die tatsächliche und rechtliche
Beurteilung der von der Beklagten bereits vorprozessual erhobenen
Einwendungen, insbesondere die Reklamation von Mängeln, hätte
erstrecken müssen, wäre sie nach Umfang und Schwierigkeit nicht
ganz einfach gelagert gewesen und hätte - unter Berücksichtigung
aller für die Bemessung einer Rahmengebühr nach § 12 BRAGO
maßgeblichen Umstände - den Ansatz einer 5/10-Gebühr nach § 20
BRAGO rechtfertigt. Diese Gebühr würde sich auf 554,50 DM belaufen
haben. Außerdem wäre eine Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) in Höhe
von 40,00 DM angefallen. Ob auch 14 % Mehrwertsteuer (§ 25 BRAGO)
zum Betrage von 83,23 DM zu berücksichtigen ist, kann dahinstehen.
Dies könnte zweifelhaft sein, weil die M.er Anwälte in ihrer
Kostenberechnung keine Mehrwertsteuer berücksichtigt haben. Hierin
könnte ein Hinweis liegen, daß der Kläger zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist. Er hat allerdings die Vergütung seiner
Prozeßbevollmächtigten einschließlich darauf entfallender
Mehrwertsteuer zur Festsetzung angemeldet, ohne daß dies von der
Beklagten beanstandet worden ist. Der Senat vertritt in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung, daß die in die Kosten des
Rechtsstreits verurteilte Partei grundsätzlich die auf die
erstattungsfähigen Anwaltskosten der obsiegenden Partei
entfallende Umsatzsteuer unabhängig davon zu erstatten hat, ob der
Erstattungsgläubiger im Einzelfall zum Vorsteuerabzug berechtigt
ist oder nicht. Die Organe des Kostenfestsetzungsverfahrens haben
nicht in eine sachliche Prüfung und Entscheidung der
Vorsteuerabzugsberechtigung einzutreten. Lediglich dann, wenn die
Vorsteuerabzugsberechtigung unstreitig ist und daher von den
Festsetzungsorganen ohne Notwendigkeit einer tatsächlichen oder
rechtlichen Prüfung zugrundegelegt werden kann, ist sie aus dem
Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung - wie sonstige
materiellrechtliche Einwendungen - bei der Kostenfestsetzung zu
beachten. Wegen der Einzelheiten der Begründung dieser Auffassung
nimmt der Senat auf seinen in JurBüro 1991, 1137 und NJW 1991, 3156
veröffentlichten Beschluß vom 8. Juli 1991 - 17 W 51/91 - Bezug.
Im hier zu entscheidenden Fall braucht der Frage, ob die auf die
Beratungskosten entfallende Mehrwertsteuer erstattungsfähig ist,
schon deshalb nicht nachgegangen zu werden, weil die durch die
Verkehrsanwaltstätigkeit ersparten Aufwendungen auch ohne
Berücksichtigung der Mehrwertsteuer die Verkehrsanwaltsvergütung
übersteigen.
Mit der Rechtspflegerin ist davon
auszugehen, daß der Kläger durch die Tätigkeit seiner M.er
Verkehrsanwälte drei Reisen von seinem Wohn- bzw. Geschäftssitz zu
seinem B.er Prozeßbevollmächtigten zu dessen Unterrichtung erspart
hat. Zunächst wäre eine Informationsreise zur grundlegenden
Erörterung des Streitstoffs und Fertigung der Anspruchsbegründung
erforderlich gewesen. Eine weitere Reise hätte zur Abfassung einer
Stellungnahme zu den mit der Anspruchserwiderung erhobenen, nunmehr
substantiierten Einwendungen der Beklagten erfolgen müssen.
Schließlich wäre eine dritte Reise geboten gewesen, um anhand des
vom Gericht erlassenen Beweisbeschlusses die beabsichtigte
Vernehmung von Zeugen und eines Sachverständigen zu besprechen.
Jede dieser Reisen wäre mit einem erstattungsfähigen Aufwand (§ 91
Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit §§ 2, 9, 10 ZSEG, § 9 BRKG) von
mindestens 184,00 DM verbunden gewesen. Dabei geht der Senat von
den im Nichtabhilfebeschluß der Rechtspflegerin vom 18. August 1992
angegebenen Kosten einer Eisenbahnfahrt von Merzig nach Bonn und
zurück zum Gesamtbetrag von 110,00 DM (einschließlich
IC-Zuschlägen) aus. Für den Zu- und Abgang sind zusätzlich 30,00
DM zu berücksichtigen. Als Entschädigung für
Zeitversäumnis/Verdienstausfall kann ein Betrag in Höhe von 3,00 DM
je Stunde angesetzt werden und dabei dahingestellt bleiben, ob dem
Kläger als Betriebsinhaber tatsächlich - wie von der
Rechtspflegerin berücksichtigt - ein stündlicher Verdienstausfall
von 20,00 DM erwachsen wäre. Im Hinblick darauf, daß die Fahrtzeit
mit der Eisenbahn je Reise ca. 6 Stunden ausgemacht hätte und
hinreichend Zeit für Zu- und Abgang, für die Einnahme einer
Mahlzeit sowie für die anwaltliche Beratung zu berücksichtigen ist,
geht der Senat von einer Dauer je Reise von 10 Stunden aus.
Demgemäß ist die Zeitversäumnisentschädigung jedenfalls mit 30,00
DM zu bemessen. Die erstattungsfähige Entschädigung für
zusätzlichen Aufwand beträgt bei einer Reisedauer von 10 Stunden
14,00 DM. Bei drei Informationsreisen würde ein Gesamtaufwand von
552,00 DM angefallen sein. Im Hinblick auf den Prozeßablauf
erscheint es dem Senat unbedenklich im Rahmen der
Informationskosten für eine zusätzliche schriftliche/fernmündliche
Unterrichtung des Prozeßbevollmächtigten durch den Kläger eine
Kostenpauschale von 30,00 DM in Ansatz zu bringen.
Somit beläuft sich der vom Kläger durch
die Verkehrsanwaltstätigkeit seiner M.er Anwälte tatsächlich
ersparte Aufwand auf mindestens 1.176,50 DM. Dieser Betrag
übersteigt die vom Kläger zur Festsetzung angemeldete
Verkehrsanwaltsvergütung (1.149,00 DM ohne Fotokopiekosten). Die
Erstattungsfähigkeit der von den Verkehrsanwälten des Klägers
berechneten Fotokopiekosten als Schreibauslagen im Sinne von § 27
BRAGO in Höhe von 28,00 DM ist unbedenklich. Würde der
Verkehrsanwalt die Ablichtungen der Anlagen der Schriftsätze des
Klägers nicht gefertigt haben, hätte dies seitens des
Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit einem entsprechenden
Kostenaufwand geschehen müssen.
Demgemäß ist das Rechtsmittel der
Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Streitwert für das Erinnerungs- und
Beschwerdeverfahren: 1.177,00 DM.
OLG Köln:
Beschluss v. 23.09.1992
Az: 17 W 314/92
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