Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. Oktober 2014
Aktenzeichen: I ZR 37/14
(BGH: Beschluss v. 23.10.2014, Az.: I ZR 37/14)
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 470.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, die Deutsche Post AG, ist Inhaberin der mit Priorität vom 22. Februar 2000 auf Grund Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Wortmarke Nr. 30012966 "POST", die für die Dienstleistungen Briefdienst-, Frachtdienst-, Expressdienst-, Paketdienst- und Kurierdienstleistungen; Beförderung und Zustellung von Gütern, Briefen, Paketen, Päckchen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Drucksachen, Warensendungen, adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften Schutz genießt (Klagemarke 1). Der gegen die Eintragung dieser Marke gerichtete Löschungsantrag ist rechtskräftig zurückgewiesen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - I ZB 48/07, GRUR 2009, 669 = WRP 2009, 815 - POST II; BPatG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 26 W (pat) 29/06, juris; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - I ZB 91/10, juris). Die Klägerin ist außerdem Inhaberin der am 22. Oktober 1996 unter anderem für Transportwesen-, Briefdienst-, Frachtdienst- und Kurierdienstleistungen eingetragenen Wortmarke Nr. 39636412.8 "Deutsche Post" (Klagemarke 2).
Die Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft des niederländischen Konzerns TNT N.V., der aus der früheren niederländischen Post hervorgegangen ist. Sie ist Konzernholding verschiedener deutscher Tochtergesellschaften, die wie die Klägerin im Bereich der Brief-, Paket- und Transportdienstleistungen tätig sind. Die Beklagte zu 1 ist Inhaberin der mit Priorität vom 9. Oktober 2003 eingetragenen deutschen Wortmarke Nr. 30351486 "TNT Post Deutschland", die unter anderem für die Dienstleistungen Transport- und Lagerwesen; Post- und Versandwesen, nämlich Zustellung und Auslieferung von Briefen und Paketen; Verpackung von Waren; Anmietung im Auftrag für Rechnung Dritter sowie Vermietung von Transportmitteln; Auskünfte in Bezug auf den Transport, die Beförderung, die Lagerung und die Verpackung von Waren; Kurierdienste Schutz genießt. Sie ist ferner Inhaberin der Gemeinschaftswortmarke "TNT POST" und weiterer Gemeinschaftsmarken mit dem Wortbestandteil "TNT post".
Die Beklagte zu 2 bietet deutschlandweit auf Internetseiten, deren für sie registrierte Domainnamen jeweils die Bestandteile "tntpost" oder "tntpost" enthalten, den deutschlandweiten Vertrieb von Briefen, Infopost, Katalogen und Presseerzeugnissen an.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung und auf Auskunftserteilung, die Beklagte zu 1 auf Einwilligung in die Löschung ihrer Marken und die Beklagte zu 2 auf Unterlassung der Benutzung der Domainnamen in Anspruch genommen. Ferner hat die Klägerin Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten beantragt. Die Klägerin hat ihre Klage vorrangig auf die Klagemarke 1 "Post" und hilfsweise auf die Klagemarke 2, auf ihr Unternehmenskennzeichen und auf Wettbewerbsrecht (§ 5 Abs. 2 UWG) gestützt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat - ausgehend von einer Dienstleistungsidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Klagemarke 1 - eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die beanstandeten Bezeichnungen "TNT Post" und "TNT Post Deutschland" wegen fehlender Zeichenähnlichkeit verneint. Das Berufungsgericht hat angenommen, zugunsten der Beklagten greife zudem die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ein. Ansprüche aus § 5 Abs. 2 UWG hat es ebenfalls abgelehnt. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Mit der angestrebten Revision will die Klägerin ihre Klageanträge weiter verfolgen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1. Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Revision müsse wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, weil dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden müsse:
Gelten die Grundsätze der Entscheidung THOMSON LIFE, wonach sich die Zeichenähnlichkeit aus der Übereinstimmung eines im jüngeren Zeichen enthaltenen, selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit der älteren Marke ergeben kann, auch dann, wenn die ältere Marke ursprünglich beschreibend und nur aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen ist und wenn nicht auszuschließen ist, dass ein Teil des Verkehrs die ältere Marke in dem jüngeren Zeichen weiterhin beschreibend versteht€
a) Die von der Beschwerde geltend gemachte Frage ist nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung markenrechtlicher Ansprüche der Klägerin nicht nur auf die Verneinung einer Verwechslungsgefahr, sondern - selbständig tragend - zusätzlich auf das Eingreifen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG gestützt. Die insoweit von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.
b) Darüber hinaus fehlt es auch im Übrigen an der Klärungsbedürftigkeit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage. Sie ist nicht Gegenstand eines Meinungsstreits. Eine Klärungsbedürftigkeit ergibt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Abweichung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Eine solche Abweichung liegt nicht vor.
aa) Die Beschwerde macht geltend, nach Verkündung der Entscheidung OSTSEE-POST des Senats (Urteil vom 2. April 2009 - I ZR 78/06, GRUR 2009, 672 = WRP 2009, 824), auf die sich das Berufungsgericht maßgeblich gestützt hat, seien mehrere Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen, die zeigten, dass der Gerichtshof bei der Kollisionsprüfung im Hinblick auf kennzeichnungsschwache Elemente tendenziell andere Maßstäbe anlege als der Bundesgerichtshof. Insbesondere habe der Gerichtshof der Europäischen Union erkennen lassen, dass er die Bejahung der Zeichenähnlichkeit auch aufgrund einer Übereinstimmung in beschreibenden Komponenten für möglich halte. Damit hat die Beschwerde keinen Zulassungsgrund dargelegt.
bb) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs von dem das Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein können, den das Kennzeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Weiter ist nicht ausgeschlossen, dass ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung dominiert oder prägt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - C-120/04, GRUR 2005, 1042 Rn. 30 = WRP 2005, 1505 - THOMSON LIFE; BGH, Urteil vom 22. Juli 2004 - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = WRP 2004, 1281 - Mustang; Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 45 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B; Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 228/12, GRUR 2014, 1101 Rn. 54 = WRP 2014, 1314 - Gelbe Wörterbücher). Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr anhand des durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindrucks sind insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-252/12, GRUR 2013, 922 Rn. 35 = WRP 2013, 1314 - Specsavers/Asda; BGH, Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 93/12, GRUR 2013, 1150 Rn. 22 = WRP 2013, 1473 - Baumann, mwN).
cc) Diese Grundsätze hat auch das Berufungsgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ihre Geltung ist nicht durch die von der Beschwerde angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zweifelhaft geworden. Dementsprechend ist im Streitfall keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T.).
(1) Das Berufungsgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Mai 2012 (C-196/11 P, GRUR 2012, 825 - Formula One Licensing BV/HABM) entgegen der Ansicht der Klägerin nicht entnommen werden kann, dass der Klagemarke in einem komplexen Zeichen die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden darf. In dieser Entscheidung geht der Gerichtshof der Europäischen Union davon aus, dass in einem eine Gemeinschaftsmarke betreffenden Widerspruchsverfahren nicht angenommen werden könne, die gegen die Markeneintragung ins Feld geführte ältere IR-Marke werde als rein beschreibend wahrgenommen. Dies würde dem Grundsatz der Koexistenz der Gemeinschaftsmarke mit einer internationalen und nationalen Marke entgegenstehen. Aus diesem Grundsatz folge, dass die Gültigkeit nationaler Marken in einem Verfahren über einen Widerspruch gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung nicht in Frage gestellt werden dürfe. Nichts anderes geschehe aber der Sache nach, wenn das ältere Zeichen als beschreibend oder als Gattungsbegriff angesehen werde (EuGH, GRUR 2012, 825 Rn. 38 ff. - Formula One Licensing BV/HABM). Daraus ergibt sich, dass der Gerichtshof der Europäischen Union eine besondere Fallkonstellation entschieden hat. Dem Urteil sind keine über dieses Problem der Koexistenz der markenrechtlichen Schutzsysteme hinausreichenden Grundsätze zu entnehmen. Schon gar nicht hat der Gerichtshof der Europäischen Union darin die hergebrachten Grundsätze der Beurteilung komplexer Marken nach den Gesichtspunkten der Prägung und der Prüfung einer selbständig kennzeichnenden Stellung modifiziert oder gar (konkludent) aufgegeben.
(2) Entgegen der Ansicht der Beschwerde lassen sich neue Grundsätze der Prüfung der Verwechslungsgefahr auch nicht der Entscheidung "TofuTown.com/HABM" entnehmen (EuGH, Beschluss vom 28. Juni 2012 - C-599/11, MarkenR 2012, 482). Der Gerichtshof hat dort in Übereinstimmung mit den anerkannten Grundsätzen zur Zeichenähnlichkeit und Verwechslungsgefahr die Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks und die Bedeutung der tatrichterlichen Würdigung unterstrichen (MarkenR 2012, 482 Rn. 29 ff.). Gleiches gilt für die von der Beschwerde außerdem angeführten Entscheidungen "Alpine" (EuGH, Beschluss vom 29. November 2012 - C-42/12) und "nfon/fon" (EuGH, Beschluss vom 16. Januar 2014 - C-193/13, juris). Wenn der Gerichtshof der Europäischen Union in der letztgenannten Entscheidung ausführt, nach seiner ständigen Rechtsprechung stehe die geringe Unterscheidungskraft der älteren Marke als solche der Feststellung einer Verwechslungsgefahr nicht entgegen (aaO Rn. 30), wird - entgegen der Ansicht der Beschwerde - kein neuer Maßstab zur Beurteilung von glatt beschreibenden (als verkehrsdurchgesetzt eingetragenen) Zeichen angelegt, sondern auf hergebrachte Grundsätze der Prüfung der Verwechslungsgefahr und damit insbesondere auf die Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks und auf die Pflicht zur Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls Bezug genommen.
2. Von diesen Grundsätzen ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat im Anschluss an die Ausführungen des Senats in der Entscheidung "OSTSEE-POST" (GRUR 2009, 672 Rn. 34 ff.) unter zutreffender Würdigung der Umstände des Streitfalls angenommen, der Verkehr, welcher auch vorliegend keine zergliedernde Betrachtung anstelle, werde den Bestandteil "Post" in den angegriffenen Bezeichnungen "TNT Post" und "TNT Post Deutschland" als reine Sachangabe verstehen und darin nicht die Klagemarke oder ein Firmenschlagwort der Klägerin erkennen. Diese Beurteilung lässt keinen zulassungsrelevanten Rechtsfehler erkennen.
3. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 04.06.2013 - 17 O 691/05 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 06.02.2014 - 2 U 78/13 -
BGH:
Beschluss v. 23.10.2014
Az: I ZR 37/14
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