Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 16. November 1998
Aktenzeichen: 2 Wx 45/98
(OLG Köln: Beschluss v. 16.11.1998, Az.: 2 Wx 45/98)
1) Hat sich ein Beteiligter im Erstbeschwerdeverfahren darauf berufen, der Kostenansatz für die Eintragung der Niederlassung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister überschreite den kostendeckenden Betrag und stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, ist das Beschwerdegericht im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 2. Dezember 1997 (ZIP 1998, 206 ff.) verpflichtet, Feststellungen zu dem tatsächlichen Aufwand bei der Eintragung zu treffen.
2) § 26 Abs. 6 KostO (in der ab dem 1. Januar 1997 geltenden Fassung) ist auch auf die Eintragung von Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen anzuwenden.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 6. Juli 1998 wird der Beschluß der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 18. Juni 1998 - 87 T 7/98 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 3. Dezember 1997 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 12. November 1997 - 42 HR B 1836 - an das Landgericht Köln zurückverwiesen.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist statthaft, da sie vom Landgericht in
dem angefochtenen Beschluß zugelassen worden ist (§ 14 Abs. 3 Satz
2 KostO). Sie ist auch im übrigen zulässig.
In der Sache führt sie zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht. Dessen
Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 14 Abs. 3
Satz 3 KostO, 550, 551 ZPO). Ihm ist ein Verfahrensfehler
unterlaufen, auf dem seine Entscheidung möglicherweise beruht.
Das Landgericht hat im Erstbeschwerdeverfahren wesentlichen
Tatsachenvortrag der Beteiligten zu 1) übergangen. In dem
Schriftsatz vom 20. April 1998 hatte die Beteiligte zu 1)
vorgetragen, das "Kostendeckungsprinzip" werde im Streitfall "um
ein Vielfaches überschritten" und stehe deshalb im Widerspruch zu
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dieses
Vorbringen hätte das Landgericht zu Ermittlungen veranlassen müssen
(§ 12 FGG). Es ist nämlich im Streitfall nicht auszuschließen, daß
der Kostenansatz der Höhe nach gegen Vorschriften des Rechts der
europäischen Gemeinschaft verstößt und deswegen reduziert werden
muß.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v.
2. Dezember 1997, ZIP 1998, 206, 210) können sich auch einzelne
Personen vor den nationalen Gerichten auf Art. 10 in Verbindung mit
Art. 12 Abs. 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom
17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung
von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom
10. Juni 1985 berufen. Dies gilt ungeachtet dessen, daß sich diese
Richtlinie an die Mitgliedsstaaten richtet und diese verpflichtet,
das innerstaatliche Recht entsprechend anzupassen. Nach jener
Entscheidung des EuGH ist Art. 12 der Richtlinie dahin auszulegen,
daß die bei der Eintragung von Aktiengesellschaften und
Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie bei der Erhöhung des
Kapitals dieser Gesellschaften erhobenen Abgaben, um
Gebührencharakter zu haben, allein auf der Grundlage der Kosten der
betreffenden Förmlichkeiten berechnet werden müssen (a.a.O. 210,
33. Erwägungsgrund). Sind unter Verstoß gegen das
Gemeinschaftsrecht höhere Gebühren erhoben worden, d.h. solche, die
die bei der Eintragungsförmlichkeit entstandenen Kosten
übersteigen, ist der Mehrbetrag von den Mitgliedstaaten
grundsätzlich zu erstatten (a.a.O. 210, 37. Erwägungsgrund).
Hieraus folgt, daß Kosten nicht erhoben werden dürfen, soweit ihre
Höhe gegen Gemeinschaftsrecht verstößt (vgl. Gustavus, ZIP 1998,
502, 504; Lappe NJW 1998, 1112,1115; Schuck, DStR 1998, 820,
821).
Das Landgericht hätte daher auf den Einwand, die in Ansatz
gebrachten Kosten überstiegen den zur Kostendeckung erforderlichen
Betrag um ein Vielfaches, Feststellungen zu dem mit der Eintragung
der Anmeldungen verbundenen Aufwand und zu den Kosten der
Eintragung im Sinn des 33. Erwägungsgrundes des genannten Urteils
treffen müssen, insbesondere dazu, welche "Kosten allein auf der
Grundlage der Kosten der entsprechenden Förmlichkeiten berechnet
werden" dürfen (vgl. EuGH a.a.O. Tz. 19) und ab welcher Grenze die
hiernach angemessene Gebührenhöhe überschritten würde. Im Verfahren
der weiteren Beschwerde können solche Feststellungen tatsächlicher
Art nicht nachgeholt werden. Die weitere Beschwerde nach § 14 Abs.
3 Satz 1 KostO ist eine bloße Rechtsbeschwerde (vgl. Lappe in
Korintenberg u.a., Kostenordnung, § 14, Rn. 183, 190;
Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 27, Rn. 42 m.w.N.).
Die Sache ist daher an das Landgericht zurückzuverweisen, um
diesem Gelegenheit zu geben, die entsprechenden Feststellungen
nunmehr zu treffen. Hierbei wird es auch den Inhalt der
Stellungnahmen beider Beteiligter im Verfahren der weiteren
Beschwerde einzubeziehen haben. Es wird zu erwägen sein, ob und
gegebenenfalls inwieweit die Anregung des Präsidenten des
Oberlandesgerichts Köln vom 30. Juni 1998, bei Gebühren, die an die
Höhe des Kapitalbetrags geknüpft sind und die 600.-- DM
übersteigen, vorläufig nur diesen Betrag zu erheben,
Auswirkungen auch auf die im Streitfall bereits erstellte
Kostenrechnung haben kann.
Für die erneut zu treffende Entscheidung wird weiterhin auf
folgendes hingewiesen:
Das Landgericht hat gemeint, § 26 Abs. 6 KostO sei auf die
vorgenommenen Eintragungen betreffend die Zweigniederlassung der
Beteiligten zu 1) nicht anzuwenden. Bei der Eintragung der
Kapitalerhöhung sei nicht auf den Wert des Betriebsvermögens,
sondern auf den zur Eintragung gelangenden Geldbetrag abzustellen.
Das begegnet rechtlichen Bedenken. Die Entscheidung läßt
unberücksichtigt, daß die Zweigniederlassung regelmäßig nur mit
einem "Anteil" an dem ausländischen Gesamtunternehmen "beteiligt"
ist.
Nach Ansicht des Senats ist § 26 Abs. 6 KostO (in der ab dem 1.
Januar 1997 geltenden Fassung - im folgenden: n.F.) auch auf
Eintragungen betreffend die Zweigniederlassung eines ausländischen
Unternehmens anwendbar.
Betrifft die Eintragung eine Zweigniederlassung, so beträgt der
Geschäftswert nach § 26 Abs. 6 KostO n.F. die Hälfte des "nach den
vorstehenden Absätzen bestimmten Wertes". Das ist bereits nach dem
Wortlaut dahin zu verstehen, daß hiermit auf sämtliche vorstehenden
Absätze von § 26 KostO Bezug genommen werden soll. Entgegen der
Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (SchlHA
1997, 292) werden von Absatz 6 mithin nicht nur Eintragungen nach §
26 Abs. 3 bis 5 KostO n.F., sondern auch solche mit bestimmtem
Geldbetrag nach § 26 Abs. 1 KostO n.F. erfaßt (vgl. Otto, JurBüro
1997, 61, 63; Rohs/Wedewer, § 26 Rn. 52; wohl auch LG Karlsruhe,
Rpfleger 1998, 217). Der Begründung des Bundesrates für die erneute
Novellierung des § 26 Abs. 6 KostO durch das
Handelsrechtsreformgesetz vom 22. Juni 1998 (BGBl. I 1474) - in
Kraft ab dem 1. Juli 1998 - ist zu entnehmen, daß der Gesetzgeber
ohne weiteres davon ausgeht, § 26 Abs. 6 KostO n.F. beziehe sich
auf die Absätze 1 bis 5 (BT.-Drs. 13/8444 vom 29. August 1997, S.
96). Auch für die Eintragung der Kapitalerhöhung bei einer
Zweigniederlassung ist daher grundsätzlich § 26 Abs. 6 KostO n.F.
anzuwenden.
§ 26 Abs. 6 KostO n.F. ist nach Auffassung des Senats auch für
Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften maßgeblich.
Aus den §§ 13 e, 13 f HGB folgt zwar, daß im Grundsatz eine
inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft
registerrechtlich wie eine inländische Hauptniederlassung zu
behandeln ist, weil ein inländisches Hauptregister nicht vorhanden
ist. In Bezug auf die frühere - vergleichbare - Rechtslage (§§ 13 b
HGB, 44 Abs. 5 AktG a.F.) hat die Rechtsprechung hieraus den Schluß
gezogen, dies müsse sich kostenrechtlich dahin auswirken, daß die
für Verrichtungen des Hauptregistergerichts geltenden
Wertvorschriften heranzuziehen seien und eine Anwendung des § 26
Abs. 8 KostO a.F. ausscheide (vgl. BayObLG Rpfleger 1986, 111, 112;
OLG Frankfurt Rpfleger 1987, 507, 508). Gleichwohl bedeutete dies
nicht, daß bei einer Kapitalerhöhung der einzutragende Geldbetrag
als Geschäftswert für die die Zweigniederlassung betreffende
Gebührenberechnung zugrunde zu legen war. Nach der Rechtsprechung
sollte vielmehr der Teilwert maßgeblich sein, der sich ergeben
hätte, wenn allein für die Zweigniederlassung eine Kapitalerhöhung
beschlossen worden wäre (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Frankfurt
a.a.O.). Hierfür mußte festgestellt werden, mit welchem "Anteil"
die Zweigniederlassung "am Gesamtunternehmen beteiligt" war.
Solcher Feststellungen bedarf es indes nach Inkrafttreten des §
26 Abs. 6 KostO n.F. nicht mehr (so aber Rohs/Wedewer a.a.O., Rn.
57). Zweck der Neuregelung des Kostenrechts ist eine Vereinfachung
der Kostenberechnung (vgl. Otto a.a.O., 62). Für Eintragungen
betreffend Zweigniederlassungen ist mit § 26 Abs. 6 KostO n.F. eine
rein schematische Wertermäßigung eingeführt worden. Der Umfang der
Wertermäßigung soll nach neuem Recht unabhängig von der Bedeutung
der einzelnen Niederlassung sein (Otto a.a.O., 63). Die Neuregelung
soll daher die mitunter im Einzelfall umfangreichen Ermittlungen
zur Bedeutung und zum Betriebskapital der Zweigniederlassung im
Vergleich zu demjenigen der Hauptniederlassung entbehrlich machen.
Sie beruht auf der Erwägung, durch Gesetz pauschal einen Wert
festzulegen, mit dem die Bedeutung und der Anteil der
Zweigniederlassung am Gesamtunternehmen ausgedrückt werden. Diesen
Zweck kann die Regelung auch in Bezug auf die nach der bisherigen
Rechtsprechung (a.a.O.) notwendige Festlegung des "Anteils" der
Zweigniederlassung an einem ausländischen "Gesamtunternehmen"
erfüllen. Die mit der Neuregelung eingeführte rein schematische
Wertberechnung für Zweigniederlassungen betreffende Eintragungen
ergreift daher nach ihrer Zweckbestimmung nicht nur inländische
Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen, sondern auch solche
ausländischer Gesellschaften unabhängig davon, ob diese
registerrechtlich wie Hauptniederlassungen anzusehen sind. Mit
diesem Verständnis des § 26 Abs. 6 KostO n.F. wird nicht nur die
bezweckte Vereinfachung der Kostenberechnung auch in Bezug auf
Unternehmen mit Sitz im Ausland erreicht, sondern vor allem auch
eine kostenrechtliche Gleichbehandlung ausländischer und
inländischer Unternehmen mit Zweigniederlassungen im Inland
sichergestellt.
Einer Anwendung des § 26 Abs. 6 KostO n.F. auf die Eintragung
der Kapitalerhöhung steht auch nicht entgegen, daß diese sowohl die
Hauptniederlassung als auch die Zweigniederlassung betrifft. Der
neugefaßte Wortlaut dieser Vorschrift enthält - wie schon § 26 Abs.
8 KostO a.F. - keinen Hinweis darauf, daß die Wertreduzierung davon
abhängen soll, daß die Eintragung ausschließlich die
Zweigniederlassung betrifft. Ob und inwieweit die Auffassungen, die
in Bezug auf § 26 Abs. 8 KostO a.F. zu dieser Frage vertreten
worden sind (vgl. Korintenberg/Reimann, Kostenordnung, 13. Aufl., §
26, Rn. 115, m.w.N.), auch auf § 26 Abs. 6 KostO n.F. zu übertragen
sind (vgl. dazu etwa Busch, Rpfleger 1997, 89, 92), braucht nicht
abschließend entschieden zu werden. Jedenfalls ist für die
Eintragung in dem Register der jeweiligen Zweigniederlassung -
nicht für diejenige im Register der Hauptniederlassung - nach
Ansicht des Senats der Wert nach § 26 Abs. 6 KostO n.F. zu
ermäßigen (vgl. Otto a.a.O. Beispiel 2; Rohs/Wedewer a.a.O., § 26
Rn. 51, 55; Mathias JurBüro 1997, 455). Dieses Verständnis
entspricht dem Zweck der Neuregelung. Ersichtlich war es das Ziel
des Gesetzgebers, wie bei der erneuten Novellierung des § 26 Abs. 6
KostO durch das Handelsrechtsreformgesetz nochmals verdeutlicht
worden ist (vgl. BT.-Drs. 13/8444 a.a.O.), hohe Gebühren für
Zweigniederlassungen dadurch zu vermeiden, daß die Gebühren für
Eintragungen im Register der Zweigniederlassung im Vergleich zu
denjenigen im Register der Hauptniederlassung reduziert wurden.
Dies zeigen insbesondere die Regelungen bei Vorhandensein mehrerer
Zweigniederlassungen (§ 26 Abs. 6 Satz 2 KostO n.F., insbesondere
in der ab dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung).
Auf die Eintragung der Kapitalerhöhung ist - anders als auf die
weiteren Eintragungen, die hier Gegenstand der Kostenrechnung sind,
- die Regelung über die Begrenzung des Geschäftswertes (§ 26 Abs. 4
Nr. 1 KostO) nicht anwendbar. Unerheblich ist, daß es sich um eine
"spätere Eintragung" im Sinn der genannten Vorschrift handelt.
Vielmehr betrifft die genannte Vorschrift nur Eintragungen, die
nicht von § 26 Abs. 1 KostO n.F. erfaßt werden (§ 26 Abs. 2 KostO
n.F.). Die Kapitalerhöhung bei einer Aktiengesellschaft ist jedoch
in § 26 Abs. 1 Nr.4 lit. a) n.F. geregelt.
Im Hinblick auf § 14 Abs. 5 KostO ist eine Kostenentscheidung
entbehrlich.
OLG Köln:
Beschluss v. 16.11.1998
Az: 2 Wx 45/98
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fb9ca3d4a707/OLG-Koeln_Beschluss_vom_16-November-1998_Az_2-Wx-45-98