Landgericht München I:
Beschluss vom 28. Mai 2010
Aktenzeichen: 5 HK O 14307/07, 5 HK O 14307/07
(LG München I: Beschluss v. 28.05.2010, Az.: 5 HK O 14307/07, 5 HK O 14307/07)
Tenor
I. Der Vorstand der Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu erteilen:
1. Wie hoch sind die der M... AG durch die Aufnahme des Tagesordnungspunkts 8 (Ausgliederung des operativen Geschäfts in zwei Tochter-GmbHs) in die Tagesordnung deren Hauptversammlung am 25.8.2006 entstandenen Kosten aufgrund der hiergegen erhobenen Anfechtungsklagen€
2. Welche Umsätze und welche Jahresergebnisse werden bei der E... GmbH aus der Nutzung des Kundenstamms der M... AG in den Jahren 2007 bis 2011 erwartet€ Welche Umsätze und welche Jahresergebnisse werden bei der E... GmbH aus der Nutzung des Kundenstamms der E... M... in den Jahren 2007 bis 2011 erwartet€
3. Wie sind die Planungen für die Jahre 2007 bis 2011 für die M... AG (Einzelgesellschaft), die E... GmbH, die E... S... GmbH, die M... U... und die M...I... in Bezug auf EBITDA, Abschreibungen, EBIT und Ergebnis nach Steuern€ Wie sollen die geplanten Investitionen in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... AG (Einzelgesellschaft), die E... GmbH, die E... S... GmbH, die M... U... und die M...I... finanziert werden€
4. Warum sind die bei der Bewertung der M... AG im Rahmen der Bestimmung des Betafaktors berücksichtigten Vergleichsunternehmen vergleichbar€
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten trägt der Antragsteller 1/5, die Antragsgegnerin 4/5.
IV. Der Geschäftswert wird auf Euro 10.000,-- festgesetzt.
V. Die sofortige Beschwerde wird zugelassen in Bezug auf Ziffer I. 1 des Tenors.
Gründe
A.
1. Der Antragsteller verfügte über 10.000 Aktien der Antragsgegnerin € einem internationalen Anbieter von Genomik-Produkten und Dienstleistungen der beiden Unternehmensbereiche DNA/siRNA Synthese und DNA-Sequenzierung €, deren Hauptversammlung am 17.7.2007 in Hamburg stattfand. Der Antragsteller nahm an dieser Hauptversammlung teil. Gegenstand der Tagesordnung waren unter anderem die Entlastung des Vorstands (TOP 2), Entlastung des Aufsichtsrats (TOP 3), Abschluss eines Beherrschungsvertrags mit der E... B.V. (TOP 7) und der Antrag eines regulären Delistings (TOP 8).
Im Vorfeld der Hauptversammlung übermittelte der Antragsteller am 13.7.2007 eine E-Mail an die E-Mail-Adresse "ir@...com" (Anlage zum Schriftsatz B. 13/ 18 d.A.), in der er im Betreff "Fragen an die Hauptversammlung der G... am 18.7.2007" formulierte und sodann insgesamt 54 Fragen in der Hauptversammlung der M... ankündigte, von denen er im Verlaufe der Hauptversammlung unter anderem folgende mündlich stellte:
"9. Wer hat die Aufnahme des Tagesordnungspunkts 8, die Ausgliederung des operativen Geschäfts in GmbHs, in der Hauptversammlung der M... am 25.8.2006 veranlasst€ Wurde der Vorstand beraten, wenn ja von wem€ Wie hoch sind die der M... durch den Tagesordnungspunkt 8 der Hauptversammlung am 25.8.2006 entstandenen Kosten und wer trägt die€ Macht die M... Schadensersatzforderungen geltend, wenn ja, gegen wen€
10. Gab es von Aktionären Zeichnungswünsche zur Wandelanleihe 2006/07, die über das im Vergleich auf jeden Fall zugesagte Bezugsverhältnis von 1:8 hinausgingen€ Wenn ja, in welcher Höhe und wie wurden die bedient€ Wie lautet die Begründung, falls die nicht bedient wurden€
11. Gab es Investoren, die ein höheres Angebot für den Bezug der Wandelanleihe 2006/07 abgegeben hatten als den Bezugskurs von einem Euro€ Wenn ja, wie hoch waren die gebotenen Preise und die zugehörigen Stückzahlen€ Wie lautet die Begründung des Vorstands, falls nicht zugeteilt wurde€
14. Welcher Anteil der Wandelanleihe 2006/2007 wurde Unternehmen aus der E...-Gruppe bei der Placierung zugeteilt€
15. Hat der Aufsichtsrat die tatsächliche Placierung der Wandelanleihen 2006/07 genehmigt€ Wenn ja, wann und in welcher Besetzung€
24. Welche Zahlungen von der E... an die M... sind in den Jahren 2007 bis 2011 für die Nutzung des Kundenstamms der M... geplant€ Welche Umsätze und welche Jahresergebnisse werden bei der E... GmbH aus der Nutzung des Kundenstamms der M... in den Jahren 2007 bis 2011 erwartet€
25. Welche Zahlungen von der E... an die E... M... sind in den Jahren 2007 bis 2011 für die Nutzung des Kundenstamms der M... geplant€ Welche Umsätze und welche Jahresergebnisse werden bei der E... GmbH aus der Nutzung des Kundenstamms der E... M... in den Jahren 2007 bis 2011 erwartet€
34. Welches EBITDA ist in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... Einzelgesellschaft, die E..., die M... S..., die M... U... und die M...I... geplant€
35. Welche Abschreibungen sind in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... Einzelgesellschaft, die E..., die M... S..., die M... U... und die M...I... geplant€
36. Welches EBIT ist in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... Einzelgesellschaft, die E..., die M... S..., die M... U... und die M...I... geplant€
39. Welches Ergebnis nach Steuern wird in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... Einzelgesellschaft, die E..., die M... S..., die M... U... und die M...I... erwartet€
41. Welche Investitionen sind in den Jahren 2007 bis 2011 für die M... Einzelgesellschaft, die E..., die M... S..., die M... U... und die M...I... geplant und wie sollen sie finanziert werden€
42. In welcher prozentualen Höhe sind in den Jahren 2007 bis 2011 Effizienzsteigerungen bei der E..., der M... S..., der M... U... und der M...I... geplant€
51. Welche Vergleichsunternehmen gingen in die Bestimmung des Betafaktors ein€ Warum sind diese Unternehmen vergleichbar€
52. Wie hoch ist der ermittelte Betafaktor für die M... und die einzelnen Vergleichsunternehmen€"
Zu den Fragen mit Bezug zur Wandelanleihe 2006/2007 führte der Vorstand aus, alle Zeichnungswünsche bis zu einem Bezugsverhältnis von 8 : 1 seien erfüllt worden, wobei die Zuteilung von der V... ...bank gemacht worden sei. Auf Frage 41 erteilte der Vorstand die Auskunft, dass die Investitionen in Höhe der Abschreibungen geplant seien.
Der Vertreter der S... e.V., der Zeuge M... N..., stellte wie andere Aktionäre auch, ebenfalls eine Reihe von Fragen. Der Antragsteller erklärte Widerspruch zur Niederschrift des Notars zu allen Tagesordnungspunkten.
Herr Notar Dr. M... erstellte das Protokoll der Hauptversammlung (Anlage AG 1) und nahm den Fragenkatalog des Antragstellers als Anlage 7 zu Protokoll. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Protokolls wird in vollem Umfang auf Anlage AG 1 Bezug genommen.
Der Antragssteller und eine weiterer Aktionär führten im Jahr 2006 einen Anfechtungsprozess gegen die Antragsgegnerin, bei dem es um den Beschluss der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 25.8.2006 ging, durch den der Auslagerung der Geschäftsbereiche Produktion und Vertrieb auf zwei Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin zugestimmt wurde. Der Anfechtungsprozess endete mit einem obsiegenden Urteil, das auch zu einer Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin führte.
2. Zur Begründung seines am 31.7.2007 per Telefax bei Gericht eingegangenen Antrags auf Erteilung von Auskunft zu insgesamt 5 Komplexen (Kosten der Anfechtungsklagen und Beratung in Bezug auf die Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 25.8.2006; Wandelanleihe 2006/2007; erwartete Umsätze und Jahresergebnisse bei der E... GmbH aus der Nutzung von Kundenstämmen der Antragsgegnerin und der E... M...; Planungen und Investitionen für die Antragsgegnerin und weitere Konzerngesellschaften; einzelne Faktoren des Kapitalisierungszinssatzes) macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die vom Vorstand gegebenen Antworten seien unzureichend gewesen und es gebe auch kein Recht zur Informationsverweigerung. Bezüglich des ersten Fragenkomplexes habe der Vorstand weder einen Euro-Betrag genannt noch habe er erwähnt, externe Rechtsberatung in Anspruch genommen zu haben. Die vom Vorstand zum Komplex der Wandelanleihe gegebene Antwort, ihm lägen keine weiteren Informationen der V... ...bank vor, stelle sich als nicht ausreichend und nicht glaubhaft dar. Die vom Antragsteller gestellte Frage nach den geplanten Umsätzen und den geplanten Ergebnissen der E... GmbH für die Jahre 2007 bis 2009 habe der Vorstand nicht beantwortet; der Hinweis auf Betriebsgeheimnisse sei nicht näher erläutert worden. Ähnliches gelte auch für die Fragen 34 bis 36, 39, 41 und 42, die der Vorstand ebenfalls nicht hinreichend beantwortet habe. Der Hinweis auf die Höhe der Abschreibungen genüge nicht. Bezüglich des Beta-Faktors habe der Vorstand weder den für die Antragsgegnerin ermittelten Beta-Faktor genannt noch erläutert, warum die berücksichtigten Vergleichsunternehmen in die Betrachtung einbezogen worden seien.
3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung des Antrags. Zur Begründung beruft sie sich schriftsätzlich im Wesentlichen darauf, sämtliche vom Antragsteller aufgeführten Fragen seien hinreichend beantwortet worden, wobei auch die Vielzahl von mehreren 100 Fragen von Aktionären bei der Tiefe der Antworten berücksichtigt werden müsse. Der Vorstand habe die Frage nach den Kosten der Anfechtungsklage dahingehend beantwortet, dass Prozesskosten in Höhe von Euro 3.000,-- bis Euro 4.000,-- angefallen seien und dass die Gesellschaft zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt externe Rechtsberatung in Anspruch genommen habe. Bezüglich der Wandelanleihe habe der Vorstand auch die Zahl der an die E...-Gruppe zugeteilten Schuldverschreibungen genannt. Ebenso habe er darauf hingewiesen, dass der Aufsichtsrat durch Beschluss der Ausgabe der Wandelanleihe 2006/2007 zugestimmt habe, während es über die Platzierung der Wandelanleihe keinen Aufsichtsratsbeschluss gegeben habe. Bei der Frage nach den geplanten Umsätzen sowie den geplanten Ergebnissen der E... GmbH für die Jahre 2007 bis 2009 habe der Vorstand die Zahlen genannt und erläutert, dass für spätere Zeiträume keine bezifferten Planungen erstellt worden seien. Beim vierten Fragenkomplex habe der Vorstand die Planumsätze und -ergebnis, aufgeteilt nach EBITDA; EBIT und Ergebnis nach Steuern sowie die Abschreibungen jeweils für die angefragten Gesellschaften für die Jahre 2007, 2008 und 2009 angegeben. Zu Fragen nach Effizienzsteigerungen habe der Vorstand erklärt, es lägen insoweit keine bezifferten Planzahlen vor, grundsätzlich werde aber mit Effizienzsteigerungen aufgrund von Größenvorteilen im Zuge der Ausweitung der Geschäftstätigkeit gerechnet. Im Rahmen der Bewertung habe der Vorstand den für die Antragsgegnerin im Rahmen der Bewertung ermittelten Beta-Faktor genannt und erläutert, dass die berücksichtigten Vergleichsunternehmen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Biotechnologie-Branche einbezogen worden seien.
4. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 7.1.2010 (Bl. 36/38 d.A.) durch uneidliche Vernehmung der Zeugen M... N..., K... K... und M...-D... B... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung von 4.3.2010 (Bl. 48/57 d.A.). Das Gericht hat ferner gemäß Verfügung vom 25.4.2008 (Bl. 25/30 d.A.) die Akten des Verfahrens 5HK O 16114/06 beigezogen. Ziffer II. dieses Beweisbeschlusses hat das Gericht nicht ausgeführt und den Notar Dr. F... M... nicht als Zeugen vernommen.
5. Zur Ergänzung des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die jeweiligen Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.3.2010 (Bl. 48/57 d.A.).
B.
I.
Der Antrag ist im tenorierten Umfang zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist in diesem Umfang zulässig.
a. Da der Antragsteller Widerspruch zur Niederschrift gegen alle gefassten Beschlüsse erklärt hat, bestehen an der Antragsberechtigung gem. § 132 Abs. 2 Satz 1 AktG keinerlei Zweifel.
b. Der Antrag wurde fristgerecht gem. § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG gestellt. Nachdem die Hauptversammlung am 17.7.2007 stattfand, endete die Zweiwochenfrist des § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG am 31.7.2007. An diesem Tag ist der Antrag per Telefax und damit formgerecht und fristwahrend beim sachlich und örtlich zuständigen Landgericht München I eingegangen.
2. Der Antrag ist insoweit auch begründet, weil dem Antragsteller ein entsprechender Anspruch auf Auskunft aus § 131 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AktG zusteht und dieser von der Antragsgegnerin nicht erfüllt wurde. Nach dieser Vorschrift ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Dabei erstreckt sich die Auskunftspflicht auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen.
a. Soweit es um die Auskunft nach der Höhe der im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung aus dem Jahr 2006 geht, hat der Antragsgegnerin die Frage nicht hinreichend beantwortet, weshalb keine Erfüllung eingetreten ist.
(1) Bei der Frage nach den im Zusammenhang mit einer gegen die Antragsgegnerin entstanden Prozesskosten handelt es sich ohne jeden Zweifel um eine Angelegenheit der Gesellschaft, weil dieser Begriff weit auszulegen ist und alles umfasst, was sich auf die Gesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht. Danach sind Angelegenheiten der Gesellschaft alle Tatsachen und Umstände, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft, ihre rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, ihre Geschäftspolitik und Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit oder ihre Beziehungen zu Dritten, insbesondere Vertragspartnern betreffen (vgl. BayObLG ZIP 1996, 1945, 1949; Decher in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 114 zu § 131). Da Kostenerstattungsansprüche von klagenden Aktionären sich sowohl auf die Vermögens- und Ertragslage auswirken und es dabei als Folge einer Anfechtungsklage insbesondere auch um die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft zu ihren Aktionären geht, muss dieses Tatbestandsmerkmal als erfüllt angesehen werden. Da die Entlastung des Vorstands wie auch des Aufsichtsrats auf der Tagesordnung standen, ist es für die Beurteilung dieser Gegenstände auch erforderlich zu wissen, in welchem Umfang sich Fehler der Organe einer Aktiengesellschaft bei einer Hauptversammlung auf die finanzielle Lage der Gesellschaft auswirken.
(2) Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, während der Hauptversammlung mitgeteilt zu haben, die Prozesskosten beliefen sich auf einen Betrag zwischen Euro 3.000,-- und Euro 4.000,--. Hierdurch konnte keine Erfüllung in Bezug auf den Auskunftsanspruch eintreten. Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse in diesem Anfechtungsprozess ergaben in der Summe einen Betrag von Euro 8.119,--, der sich ausweislich der beigezogenen Akte 5HK O 16114/06 aus einem Erstattungsanspruch der S... e.V. über Euro 4.805,20 sowie des hiesigen Antragstellers über Euro 3.313,20 errechnet. Dieser Betrag übersteigt den in der Hauptversammlung nach dem Vortrag der Antragsgegnerin genannten Betrag um mehr als das Doppelte, ohne die Kosten für die Prozessbevollmächtigten der hiesigen Antragsgegnerin als Beklagte des Anfechtungsprozesses zu berücksichtigen, und ist daher nicht geeignet, die Erfüllungswirkung des § 362 Abs. 1 BGB herbeizuführen.
34Soweit zum Teil in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, dem Aktionär stehe das Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ 132, 131 AktG nicht zur Verfügung, wenn die Aktiengesellschaft ihm auf der Hauptversammlung eine falsche Auskunft erteilt hat (vgl. KG AG 2010, 254 f. = WM 2010, 324, 325 f. = ZIP 2010, 698 f.; OLG Dresden AG 1999, 274, 275; LG Dortmund AG 1999, 133; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 1. Aufl., Rdn. 5 zu § 132), vermag sich die Kammer dieser Auffassung nicht anzuschließen, weil die hierfür vorgetragenen Gründe insbesondere auch in der jüngsten Entscheidung des Kammergerichts nicht zu überzeugen vermögen. Ausschlaggebend müssen vielmehr folgende Aspekte sein. Für die hier vertretene Ansicht spricht bereits der Gesetzeswortlaut als Ausgangspunkt jeder Gesetzesauslegung. Eine Falschinformation ist nichts anderes als die Verweigerung der verlangten richtigen Auskunft. Besteht ein Auskunftsanspruch, so muss die Auskunft aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 132 Abs. 2 Satz 1 AktG den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft entsprechen. Dies bedeutet, dass die Auskunft vollständig, zutreffend und sachgemäß sein muss. Bei einer unrichtigen Auskunftserteilung wird also dem Auskunftsanspruch des Aktionärs nicht Genüge getan. Weiterhin muss beachtet werden, dass das Recht des Aktionärs, Rechenschaft über die Verwaltung seines im Unternehmen investierten Kapitals zu verlangen, den verfassungsrechtlichen Schutz aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG genießt (vgl. BVerfG NJW 2000, 349 ff. = NZG 2000, 192, 193 = ZIP 1999, 1798, 1799 = AG 2000, 74 = WM 1999, 2160, 2161 = DB 1999, 2201 f. - Wenger/Daimler-Benz; ZIP 1999, 1801, 1802 - Scheidenmandel II). Die gegenteilige Auffassung wird damit auch dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gerade in einem grundrechtlich relevanten Bereich nicht gerecht, weil dieser Weg die einzige Möglichkeit für den Aktionär bedeutet, eine wahrheitsgemäße Auskunft zu erhalten. Zwar kann ein Aktionär auch Anfechtungsklage als Sanktions- und Kontrollinstrument erheben; diese hat zwar im Erfolgsfall kassatorische Wirkung in Bezug auf den angefochtenen Beschluss der Hauptversammlung, gibt dem Aktionär aber keinen Anspruch auf Erteilung der wahrheitsgemäßen Auskunft. Weiterhin ist zu beachten, dass € anders als im streitigen Zivilprozess € das Verfahren nach § 132 AktG nicht die Möglichkeiten der Versicherung der Richtigkeit der gegebenen Auskunft an Eides Statt gem. §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB als Mittel zur Überprüfung der Richtigkeit einer gegebenen Antwort kennt (vgl. BayObLGZ 2002, 227, 230 f. = NZG 2002, 1020, 1022 = AG 2003, 499 f.). Der Hinweis des KG auf den Willen des Gesetzgebers vermag gleichfalls nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat sich erkennbar die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) zu eigen gemacht, wenn dort aufgeführt wird, dass die "Verweigerung einer Auskunft nichts anderes bedeute als eine "unrichtige, unvollständige oder verweigerte Erteilung von Informationen (vgl. BT-Drucks. 15/ 5092, S. 26). Ebenso wenig lässt sich die Beachtlichkeit auch einer inhaltlich unzutreffenden Aussage mit dem Argument einer beabsichtigten Verfahrensbeschleunigung im Rahmen des § 132 AktG rechtfertigen. Das Ziel, ein Verfahren möglichst rasch abzuschließen, kann kein Selbstzweck sein. Wenn der Gesetzgeber dem Aktionär ein Verfahren zur Verfügung stellt, das möglicherweise zu einem schnelleren Abschluss führt als ein Streitiges Verfahren nach den Grundsätzen der ZPO, so kann dem dieses Verfahren nutzenden Aktionär nicht entgegengehalten werden, der Anspruch bestehe nicht, nur weil die Durchsetzung seines Anspruchs einen höheren Ermittlungs- und Zeitaufwand benötige (vgl. Theusinger/Schilha EWiR 2010, 237 f.; Hüffer, AktG; 9. Aufl., Rdn. 4 a zu § 132; Dreher in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 7 zu § 132; Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 15 zu § 132; Reger in: Bürgers/Körber, AktG, Rdn. 3 zu § 132; Siems in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 10 zu § 132; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 9 zu § 132). Die Verweisung des Antragstellers auf die eventuelle Möglichkeit der Erhebung einer auf Auskunft gerichteten Leistungsklage erscheint gerade mit Blick auf die Möglichkeit des Verfahrens nach § 132 AktG nicht sachgerecht.
Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 25.5.2010 ableiten, mit dem sie nunmehr die Anwaltskosten beider Anfechtungskläger mitteilt. Denn dadurch bleibt immer noch unbeantwortet die Frage nach der Höhe der Kosten, die der Antragsgegnerin selbst in diesem Anfechtungsverfahren entstanden sind.
b. Soweit es um die Fragen des Antragstellers im Zusammenhang mit den Umsätzen und Jahresergebnissen bei der E... GmbH aus der Nutzung des Kundenstamms der Antragsgegnerin und der E... M... geht, steht dem Antragsteller ebenfalls ein Anspruch aus § 131 Abs. 1 AktG zu, weil die Fragen vom Vorstand nicht hinreichend beantwortet wurden.
(1) Aus den Aussagen der vernommenen Zeugen ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass diese Fragen nicht beantwortet wurden. Der Zeuge N... übergab dem Gericht den von ihm als Vertreter der S... erstellten Bericht, aus dem sich ergibt, dass die Fragen nicht beantwortet wurden, die sich auf die Nutzung des Kundenstamms beziehen, weil auch dies eine Frage nach der Planung ist. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage von Herrn N... Er erläuterte dem Gericht nachvollziehbar, wie es zu dem Bericht an die S... kam, den er als Gedächtnisstütze zulässigerweise herangezogen hat. Auch der Zeuge B... hat ausgeführt, dass es zu der ersten Frage des Beweisbeschlusses keine Zahlenangaben gab. Die Kammer hat an der Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Zweifel. Die Aussagen selbst sind glaubhaft; sie stimmen vor allem in ihrem wesentlichen Kern überein, dass der Vorstand hier keine hinreichenden Angaben machte. Die Aussage des Zeugen K... ist nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer in Frage zu stellen, nachdem er angesichts der Entfernung des Back Office zum Saal der Hauptversammlung trotz der Übertragung angesichts der Konzentration auf die zu beantwortenden Fragen nachvollziehbar zu den genauen Antworten des Vorstandes, die die einzelnen Punkte des Beweisbeschlusses betrafen, keine Angaben machen konnte und er nicht wusste, in welchem Detaillierungsgrad dann in der Hauptversammlung Fragen beantwortet wurden.
Eine weitere Beweisaufnahme durch Einvernahme des Notars Dr. F... M... als Zeuge ist nicht geboten, auch wenn im Rahmen des Verfahrens nach § 132 AktG die Grundsätze der Amtsermittlung nach § 12 FGG zur Anwendung gelangen, nachdem aufgrund der Überleitungsregelung in Art. 111 FGG-RG die Vorschriften des FamFG noch keine Anwendung finden, weil dieses Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde. Der Zeuge hat sich zu Recht in einem Anschreiben an das Gericht auf seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit berufen, nachdem er nur von der Antragsgegnerin hiervon befreit wurde. Die Befreiung muss indes von allen Beteiligten erklärt werden, was vorliegend nicht geschehen ist, nachdem bereits der Antragsteller keine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Abzustellen ist bei der Auslegung des Begriffs der Beteiligten auf einen materiellen Beteiligtenbegriff. Damit indes werden letztlich sogar alle Teilnehmer der Hauptversammlung die Befreiung zu erklären haben, was sich aus der Aufgabe des Notars im Rahmen einer Hauptversammlung ergibt. Der Notar ist aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 1 BNotO unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes. Im Rahmen seiner Amtstätigkeit ist er gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 BNotO insbesondere auch für die Beurkundung von Versammlungsbeschlüssen zuständig. Zwar wird er in einem solchen Fall regelmäßig auf Ansuchen und auf Kosten der Gesellschaft tätig wird; dies ändert jedoch nichts daran, dass er die Beurkundung im Rahmen seiner Amtstätigkeit vornimmt. Dabei ist er nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten, was sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO ergibt. Demgemäß haftet er bei Verletzung seiner Amtspflichten nach § 19 Abs. 1 BNotO allen Beteiligten, bei der Beurkundung von Gesellschafterbeschlüssen also sowohl der Gesellschaft als auch den Anteilsinhabern (vgl. OLG München NZG 2010, 397, 399 = ZIP 2010, 326, 328 f.). Mangels Befreiung des Notars durch alle Beteiligten und wegen des Fehlens einer Befreiung durch die Aufsichtsbehörde konnte der Notar folglich nicht als Zeuge vernommen werden.
(2) Die Beantwortung der Frage ist wesentlich für die sachgerechte Beurteilung, inwieweit dem Beherrschungsvertrag mit der E... B.V. sowie den Antrag eines regulären Delisting zugestimmt werden kann. Aus dem als Anlage vorgelegten Vorstandsbericht ergibt sich, dass der Vorstand die geplanten Einnahmenüberschüsse sowohl der Antragsgegnerin als auch der Vertriebsgesellschaft, der E... GmbH in der vorgelegten Planungsrechnung berücksichtigte. Dann aber kann kein Zweifel bestehen, dass die Grundlagen einer Planung für die Beurteilung der Zustimmung zu dem Beherrschungsvertrag wie auch zum Delisting erforderlich sind.
Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 24.9.2007 darauf verweist, die geplanten Umsätze und die geplanten Ergebnisse der E... GmbH für die Jahre 2007 bis 2009 genannt zu haben, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung, weil der Antragsteller konkret nach den Umsätzen gefragt hatte, die aus der Nutzung des Kundenstamms der beiden Unternehmen erfolgen sollten.
Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht auf ihren Vortrag im Schriftsatz vom 24.9.2007 berufen, wenn sie dort ausführt, es gebe für die Jahre 2010 und 2011 keine Planzahlen. Dies steht nämlich im Widerspruch zu der von M... M... erstellten gutachterlichen Stellungnahme vom 16.5.2007, wenn es dort auf Seite 12 heißt, für die Jahre 2010 bis 2015 lägen Detailplanungen vor, die sich von der Planung 2009 ausschließlich durch die sich reduzierenden Zahlungen seitens der Vertriebsgesellschaft für die Nutzung der Kundenstämme der Antragsgegnerin sowie der E... M... unterschieden.
(3) Dem Vorstand stand kein Auskunftsverweigerungsrecht zur Seite. Zwar darf der Vorstand gem. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG die Auskunft verweigern, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Die Voraussetzungen des Auskunftsverweigerungsrechts sind indes nicht erfüllt. Bei der Frage nach Planzahlen kann ein solches Auskunftsverweigerungsrecht regelmäßig nur dann bejaht werden, wenn es um Einzelplanzahlen geht, weil daraus gegebenenfalls Rückschlüsse auf die interne Kalkulation gezogen werden können (vgl. Decher in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 305 zu § 131 "Planzahlen"). Vor allem aber ist nicht einmal in Ansätzen dargelegt, woraus sich der Nachteil im konkreten Fall für die Gesellschaft ergeben soll. Auch wenn der Vorstand nach der überwiegend vertretenen Auffassung dies nicht im Rahmen der Hauptversammlung erläutern muss, so muss die zur Auskunft verpflichtete Gesellschaft im Rahmen ihrer verfahrensrechtlichen Förderpflicht konkrete Tatsachen vortragen, die die Gefahr der Nachteilszufügung plausibel erscheinen lassen (vgl. BayObLG WM 1996, 1177, 1179; NZG 1999, 1218, 1219; OLG Köln ZIP 1998, 994, 997; Decher in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 306). Dies ist nicht geschehen, weshalb auch aus diesem Grund kein Verweigerungsgrund besteht.
c. Soweit es um die Beantwortung der Frage nach den Planungen für die Antragsgegnerin, die E... GmbH, die E... S... GmbH sowie die amerikanische und indische Tochtergesellschaften geht, greifen zur Begründung im Wesentlichen dieselben Erwägungen wie bei Ziffer B. I. 2. b. Auch hier hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Vorstand die gestellten Fragen nach den Planzahlen nicht hinreichend beantwortet hat. Soweit während der Hauptversammlung Planzahlen genannt wurden, hat der Zeuge B... darauf verwiesen, es seien Planzahlen für den Konzern genannt wurden. Da sich die Frage indes auf die Einzelgesellschaften bezog, hätte sich die Antwort dann auch auf die Einzelgesellschaften beziehen müssen, was jedoch nicht geschah. Gerade die Antworten auf diese Fragen sind maßgeblich für die sachgerechte Entscheidung, inwieweit dem Beherrschungsvertrag und dem Delisting zugestimmt werden kann, weil die Planzahlen und ihre Plausibilität von zentraler Bedeutung für die Ermittlung des Ertragswerts eines Unternehmens sind. Bezüglich des Auskunftsverweigerungsrechts gelten dieselben Erwägungen wie oben, weil es hier nicht um Details der Planungen geht. Es ist aus einer Vielzahl von anfechtungs- und Spruchverfahren gerichtsbekannt, dass die Gesellschaften bzw. die gerichtlich bestellten Prüfer in ihren Berichten die entsprechenden Planungen darstellen. Dann aber kann nicht von vornherein die Beantwortung der Fragen des Antragstellers unter Hinweis auf ein Betriebsgeheimnis verweigert werden.
Die Frage nach der Art der Finanzierung der geplanten Investitionen wurde gleichfalls nicht beantwortet. Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass auch insoweit der Vorstand diese Frage nicht beantwortet hat. Konkrete Angaben zu diesem Beweisthema machte nur der Zeuge B... Er verwies darauf, dass zwar gesagt wurde, dass eine Wandel- oder Optionsschuldverschreibung geplant sei. Er verwies aber weiterhin darauf, dass nicht ausdrücklich erklärt wurde, ob diese zur Finanzierung von Investitionen eingesetzt werde. Ein derartiger ausdrücklicher Hinweis auf den Einsatz zu Investitionen wäre indes notwendig gewesen nach dem klaren Inhalt der Frage. Das Gericht ist von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen überzeugt. Gerade an dieser Aussage € wie auch an der Aussage zu den Planzahlen in Bezug auf den Konzernabschluss € zeigt sich, dass Herr B... nicht einseitig zu Gunsten einer Seite aussagt, sondern ersichtlich bestrebt war, den Ablauf der Hauptversammlung mit den dort gegebenen Antworten wahrheitsgemäß zu schildern. Auch die Finanzierungsart in Bezug auf künftige Investitionen € mit Hilfe von Eigen- oder Fremdkapital hat Einfluss auf den Ertragswert und ist daher zur sachgerechten Beurteilung der zu den Tagesordnungspunkten 7 und 8 zu fassenden Beschlüssen erforderlich.
d. Soweit es um die Gründe für die Vergleichbarkeit der in die Peer Group zur Ermittlung des Beta-Faktors aufgenommenen Unternehmen geht, steht dem Antragsteller ebenso wie in Bezug auf das unternehmenseigene Beta ein Anspruch aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zu.
(1) Der Antragsteller kann Auskunft über die Gründe für die Vergleichbarkeit der in die Peer Group aufgenommenen Unternehmen verlangen.
(a) Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Gründe für die Vergleichbarkeit nicht genannt wurden. Die Zeugen N... und B... berichteten übereinstimmend, dass im Zusammenhang mit der Peer Group lediglich eine Peer Group genannt wurde. Ihren Aussagen ist indes übereinstimmend nicht zu entnehmen, dass die Gründe für die Vergleichbarkeit der einzelnen in die Peer Group aufgenommenen Unternehmen vom Vorstand dargestellt wurden. Dies zeigt sich namentlich aus dem Bericht des Zeugen N..., in dem ausgeführt ist, die Ermittelung des Peer Group-Betas sei unklar € es seien lediglich die Vergleichsunternehmen nebst "adjusted beta" genannt; inwieweit diese dem Bewertungsobjekt warum vergleichbar seien, sei unbeantwortet geblieben. Gerade wenn zu einzelnen Punkten, die für die Ermittlung des Beta-Faktors relevant sind, Angaben auch in dem Bericht vermerkt sind, so ist kein Grund erkennbar, warum der an die S... erstattete Bericht in Richtung auf die Gründe für die Vergleichbarkeit unrichtig sein sollte, zumal die Aussage des Zeugen B... genau dasselbe bestätigte.
(b) Die Vergleichbarkeit der in die Peer Group einbezogenen Unternehmen mit der zu bewertenden Gesellschaft ist zur sachgerechten Beurteilung der Angemessenheit der angebotenen Kompensation € Ausgleich und Abfindung beim Beherrschungsvertrag, Kaufpreis beim Delisting € erforderlich, weil der mit Hilfe einer Peer Group ermittelte Beta-Faktor entscheidenden Einfluss auf die Höhe des unter Einsatz des (Tax-)CAPM ermittelten Risikozuschlags und damit auch des Kapitalisierungszinssatzes hat, mit dem der ermittelte Ertragswert auf den Bewertungsstichtag der Hauptversammlung abgezinst wird. Nach dem (Tax-)CAPM setzt sich der Risikozuschlag zusammen aus dem Produkt von Beta-Faktor und Marktrisikoprämie, wobei der Beta-Faktor dazu dient, den allgemeinen Risikozuschlag an das konkrete Risiko des zu bewertenden Unternehmens anzupassen. Da die Auswahl der Peer Group von ausschlaggebender Bedeutung für die Höhe des Beta-Faktors und damit auch für die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ist, sind die Fragen nach der Vergleichbarkeit der Unternehmen der Peer Group wesentlich.
e. Der Vorstand der Antragsgegnerin durfte die Auskunft auch nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Antragsstellers verweigern, weil ein solcher Rechtsmissbrauch nicht vorliegt.
(1) Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann zum einen darin bestehen, dass ausschließlich oder überwiegend selbstsüchtige, nicht auf sachliche Aufklärung gerichtete Zwecke verfolgt werden (vgl. BayObLG AG 2001, 424, 425; KG AG 1996, 131, 134). Daran gemessen kann hier kein Rechtsmissbrauch des Antragsstellers gesehen werden. Die gestellten Fragen standen im Zusammenhang mit bedeutsamen Tagesordnungspunkten und wurden zum großen Teil auch von anderen Aktionären in ähnlicher Form gestellt. Dies spricht bereits entscheidend dafür, dass es sich hier nicht um eigennützige, unsachliche Zwecke des Antragsstellers handelte, sondern um Fragen, die für die Gesellschaft und insbesondere die Aktionäre von einigem Belang waren. Gerade die Fragen nach der Unternehmensbewertung sind bei dem Zustimmungsbeschluss zu einem Beherrschungsvertrag und zu einem Delisting von ausschlaggebender Bedeutung, um sachgerecht seine Entscheidung in der Hauptversammlung treffen zu können. Auch bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Antragssteller seine Fragen nur gestellt hat, um etwa ein Auskunftserzwingungsverfahren zu provozieren.
(2) Ein Rechtsmissbrauch liegt auch nicht unter dem Aspekt einer übermäßigen Rechtsausübung vor. Dabei ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass jeden Aktionär die Treuepflicht trifft, den zügigen Fortgang der Hauptversammlung nicht zu stören und insbesondere eine zeitgerechte Beendigung der Hauptversammlung nicht zu verhindern (vgl. BGHZ 32, 159, 166). Der ordnungsgemäße Ablauf darf nicht dadurch vereitelt werden, dass ein Aktionär die Redezeit für individuelle Informationsbedürfnisse monopolisiert.
52(a) Wann von einem derartigen Rechtsmissbrauch ausgegangen werden muss, wird nicht völlig einheitlich beantwortet. Die Literatur zieht dabei teilweise strenge Grenzen. So wird vertreten, dass jedenfalls ein mehrere DIN A4-Seiten umfassender Fragenkatalog (vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl., Rdn. 35 zu § 131) oder sogar schon regelmäßig das Stellen von über 50 Fragen (vgl. Kubis in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 59 zu § 131) unzulässig sein soll. Dem kann angesichts der Tatsache, dass gerade die Frage des Rechtsmissbrauchs stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist, nicht gefolgt werden, weshalb mit der Rechtsprechung keine derart starren und engen Grenzen gezogen werden können, sondern vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden muss. So wurde ein Missbrauch des Fragerechts beispielsweise bei Umfassen von 3.000 Einzelvorgängen oder 25.000 Einzelangaben bejaht (vgl. OLG Frankfurt WM 1983, 1071 f.). Jedenfalls ist die Beantwortung sofort mit der entsprechenden Begründung abzulehnen, um dem Aktionär Gelegenheit zur Beschränkung zu geben (vgl. LG München I AG 1987, 185, 189).
53(b) Daran gemessen liegt im vorliegenden Fall kein Rechtsmissbrauch vor. Es kann nicht pauschal aufgrund der Anzahl von 54 Fragen, die der Antragsteller gestellt hat, von einer Beeinträchtigung des Ablaufs der Hauptversammlung ausgegangen werden. Es ist namentlich zu berücksichtigen, dass der Antragssteller der Antragsgegnerin seinen Fragenkatalog bereits vier Tage vor der Hauptversammlung per E-Mail hatte zukommen lassen. Zwar lautete die Betreffzeile "Fragen in der Hauptversammlung der G... am 18.7.2007", aber ausweislich der an die Abteilung "Investor Relation" der Antragsgegnerin adressierten E-Mail, des ersten Satzes auf der ersten Seite nach der Anrede und des Inhalts der Fragen, bezog sich der Katalog eindeutig auf die Hauptversammlung der Antragsgegnerin. Dies gab deren Vorstand genügend Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Zudem ist es nachvollziehbar, dass angesichts der Bedeutung einzelner Tagesordnungspunkte, insbesondere der Nummern 7 und 8, ein Bedürfnis auch für eine größere Zahl von Fragen bestand. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Tiefe der Berichte gerade auch zu den Planungen des Unternehmens nicht dem entspricht, was die Kammer aus anderen Verfahren kennt, in denen der Hauptversammlung Berichte über die Unternehmensbewertung vorgelegt werden müssen. Es wäre widersprüchlich, einerseits die Aktionäre in den beiden vorzulegenden Berichten nur oberflächlich mit Informationen zu versorgen, andererseits ihnen dann aber vorzuhalten, sie würden von ihrem Fragerecht in unverhältnismäßigem und rechtsmissbräuchlichem Umfang Gebrauch machen, wenn sie nunmehr eine Vielzahl von Fragen stellen, die sich gerade auch auf die Unternehmensbewertung und ihre Einzelheiten beziehen.
II.
541. Soweit es um die Frage nach der Beratung des Vorstands durch Dritte, die Fragen 15 und 42 aus Anlage 7 zum notariellen Protokoll geht, ist der Antrag unzulässig, weil der Antragsteller die Antworten nach Einleitung des Verfahrens durch die entsprechenden Ausführungen in der Antragserwiderung erhalten hat und ihm damit im Zeitpunkt der Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
55a. Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ist Verfahrensvoraussetzung, die auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt, insbesondere in echten Streitsachen. Sein Fehlen ist in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten. Im Auskunftsverfahren fehlt einem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Aktionär die in der Hauptversammlung geforderte Auskunft vor der Entscheidung über seinen Antrag auf andere Weise erhalten hat (vgl. BayObLG AG 2001, 424, 426; ZIP 1996, 1743, 1744; Siems in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 15 zu § 132; Decher in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 38 zu § 132; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 14 zu § 132).
b. Von einem derartigen Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses muss in Bezug auf diese Fragen ausgegangen werden.
(1) Der Teil der beantragten Auskunft, der sich auf die Frage bezieht, ob Vorstand bzw. Versammlungsleitung im Rahmen der Hauptversammlung durch Dritte zur Aufnahme von Tagesordnungspunkt 8 beraten wurden, ist jedenfalls durch den Schriftsatz vom 24. September 2007 beantwortet worden, da die Antragsgegnerin hierin mitgeteilt hat, dass sie externe Rechtsberatung in Anspruch genommen hatte. Diese Antwort ist ausreichend. Denn das Auskunftsverlangen zielte von seinem Wortlaut her lediglich auf die Tatsache, ob überhaupt eine Beratung erfolgte. Wenn es dem Antragssteller darum ging, die konkrete Person des Beratenden in Erfahrung zu bringen, dann hätte er seinen Antrag diesbezüglich präziser formulieren müssen. Der Antragssteller muss im Auskunftsverfahren schon aus vollstreckungsrechtlichen Gründen den Antrag so genau wie möglich stellen. Eine Auskunft, die nicht ausdrücklich verlangt wird, muss nicht erteilt werden.
(2) Soweit es um die Frage nach der Genehmigung der tatsächlichen Platzierung der Wandelanleihen 2006/2007 durch den Aufsichtsrat geht, hat die Antragsgegnerin diese Frage im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 24.9.2007 hinreichend beantwortet, indem sie darauf verwies, dass der Aufsichtsrat lediglich über die Ausgabe der Wandelanleihe durch Beschluss zugestimmt habe, nicht aber über die Platzierung im Einzelnen. Wenn kein Beschluss des Aufsichtsrats gefasst wurde, ist die weitere Frage nach dem Datum obsolet.
(3) Die Fragen nach dem Investitionsverhalten und zu Effizienzsteigerungen wurden ebenfalls durch den Schriftsatz vom 24. September 2007 beantwortet.
(a) Dies gilt zum einen für die Frage nach den geplanten Investitionen in den vom Antragssteller benannten Unternehmen. Hinsichtlich dieses Teils von Frage 41 führte die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung aus, dass der Vorstand in der Hauptversammlung erläutert habe, dass jeweils Investitionen in Höhe der Abschreibungen geplant seien, mit Ausnahme von Investitionen bei der E... S... GmbH, die im Jahr 2007 um 0,6 Mio. Euro über den Abschreibungen liegen würden. Für eine ausreichende Information der Aktionäre sogar während der Hauptversammlung spricht die handschriftliche Anmerkung von Herrn N... auf Anlage 6 zum notariellen Protokoll, wonach die Frage 41 über die Investitionen und die geplanten Effizienzsteigerungen nicht bei den aus seiner Sicht unbeantwortet gebliebenen Fragen aufgeführt wurde.
(b) Zum anderen gilt dies auch für die Frage nach der prozentualen Höhe der geplanten Effizienzsteigerungen bei den genannten Unternehmen, da die Antragsgegnerin ausführte, der Vorstand habe in der Hauptversammlung erklärt, dass zwar keine bezifferten Planzahlen vorlägen, aber grundsätzlich mit Effizienzsteigerungen zu rechnen sei und worauf diese Annahme basiere.
2. Die Fragen zu den Wandelanleihen und zum unternehmenseigenen Beta sind im Verlauf der Hauptversammlung ausreichend beantwortet worden, weshalb der Antrag insoweit unbegründet ist.
a. Bezüglich der Fragen zu den Wandelanleihen muss insbesondere unter Berücksichtigung des vom Zeugen N... vorgelegten Berichts davon ausgegangen werden, dass diese Fragen vom Vorstand bereits während der Hauptversammlung in ausreichendem Umfang beantwortet wurden, weshalb der Antrag unbegründet ist. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz vom 24.9.2007 im Wesentlichen die Antwort vorgetragen, die sich auch aus dem Bericht des Zeugen N... ergibt. Aus der Antwort, ein Überbezug wäre erfüllt worden, wenn es solche Zeichnungswünsche gegeben hätte, ist nach den Regeln der deutschen Grammatik hinreichend deutlich zu schließen, dass es keinen Überbezug gab, weil ansonsten die Antwort, so wie sie Herr N... zitierte, nicht im Konjunktiv formuliert worden wäre. Ebenso ergibt sich aus der im Bericht wiedergegebenen Antwort, dass der Vorstand keine Kenntnis von Investoren erlangt habe, die einen höheren Preis als Euro 1,-- pro Wandelschuldverschreibung gezahlt hätten.
b. Ebenso hat der Vorstand die Frage nach dem unternehmensindividuellen Beta hinreichend beantwortet. Die Kammer ist aufgrund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass er bekundete, ein solches sei nicht ermittelt worden. Der Zeuge N... bekundete, es sei gesagt worden, auf ein unternehmenseigenes Beta habe man verzichtet. Dies ist eine Antwort auf die gestellte Frage nach der Höhe des unternehmenseigenen Betas. Wenn ein solches nicht ermittelt wurde, kann es auch nicht in der Hauptversammlung genannt werden. Dabei muss dem Vorstand einer Aktiengesellschaft die Einschätzung zugebilligt werden, die er der Hauptversammlung ebenfalls kommunizierte, ein unternehmenseigenes Beta sei zur Ermittlung des Ertragswerts der Gesellschaft nicht erforderlich. Ein Anspruch auf Ermittlung des unternehmenseigenen Betas lässt sich der Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1AktG nicht entnehmen, wenn dies bei der Ermittlung des Unternehmenswertes unterblieben ist. Insoweit unterscheidet sich die hier gegebenen Konstellation erheblich von der Situation, in der den Vorstand einer Aktiengesellschaft die Obliegenheit trifft, sich auf eine Hauptversammlung angemessen vorzubereiten, nachdem insbesondere Fragen im Vorfeld übermittelt wurden, die aus dem Stegreif nicht beantwortet werden können (vgl. KG AG 1996, 131, 134; Siems in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 71 zu § 131; Decher in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 254 zu § 131; Kubis in. Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 84 zu § 131).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 132 Abs. 5 Satz 7 AktG. Da der Antrag überwiegend Erfolg hat, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten entsprechend der Quote des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu teilen, nachdem es sich dabei um ein echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt. Dieselben Erwägungen gelten auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aufgrund der Regelung des § 13 a Abs. 1 FGG.
2. Die Entscheidung über den Geschäftswert ergibt sich aus § 132 Abs. 5 Satz 6 AktG. Angesichts des Umfangs des Antrags erachtet es die Kammer als sachgerecht, den Geschäftswert im Vergleich zu dem regelmäßig festzusetzenden Geschäftswert angemessen auf Euro 10.000,-- zu erhöhen.
3. a. Die Voraussetzungen für die Zulassung der sofortigen Beschwerde gem. § 132 Abs. 3 AktG sind im Hinblick auf Ziffer I. 1 des Tenors erfüllt. Die Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil ist wie auch bei der Zulassung der Revision zulässig, weil die Zulassungsvoraussetzung des § 132 Abs. 3 Satz 3 AktG der des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entspricht (vgl. Siems in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 20 zu § 132) und auch dort eine Beschränkung zugelassen wird (vgl. Decher in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 47 zu § 132; zu § 543 ZPO vgl. BGH NJW 2004, 3264, 3265; VersR 2008, 788). Das Gericht weicht mit seiner Entscheidung zu der Frage, ob eine unrichtige Antwort den Anspruch aus §131 Abs. 1 Satz 1 AktG entfallen lässt, von einer Entscheidung des Kammergerichts sowie von maßgeblichen Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur ab. Bei einer einzelnen Frage von mehreren in der HV gestellten Fragen, die zum Gegenstand eines Antrags nach §§ 131, 132 AktG gemacht werden, handelt es sich auch um einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstandes.
b. Bezüglich der weiteren Fragen des Antragstellers aus seinem Antrag vom 31.7.2007 handelt es sich dagegen um einen Fall, dessen wesentlichen Fragestellungen in der Rechtsprechung und Literatur hinreichend geklärt sind, so dass insoweit von einer rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nicht ausgegangen werden kann.
LG München I:
Beschluss v. 28.05.2010
Az: 5 HK O 14307/07, 5 HK O 14307/07
Link zum Urteil:
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