Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 7/05

(BPatG: Beschluss v. 30.08.2005, Az.: 27 W (pat) 7/05)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. Oktober 2004 aufgehoben, soweit die Anmeldung für "Strumpfwaren" zurückgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 27. Oktober 2004 die Anmeldung der für Waren der Klassen 18, 25 und 28 beanspruchten Kennzeichnung SchuheXXL nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe teilweise für die Waren

"Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen; Schuhwaren, einschließlich Sportschuhe; Strumpfwaren, Sportgeräte"

zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die angemeldete Bezeichnung sei auf jeden Fall für Schuhwaren rein beschreibend; auch wenn der Bestandteil "XXL" für diese Waren als Größenangabe nicht gebräuchlich sei, signalisiere die Gesamtmarke als schlagwortartiger werblicher Hinweis dem Verkehr ohne weiteres, dass es sich bei den gekennzeichneten Waren um Schuhe in großen Größen handele. Gleiches gelte auch für die beanspruchten Sportgeräte, unter welche u.a. Schlittschuhe, Inline-Skater oder Rollschuhe fielen, sowie für Taschen, zu denen auch Schuhtaschen zählten, sowie für Strümpfe; denn auch diese Waren könnten in Spezialgeschäften für extrem große Schuhgrößen angeboten werden. Auch führe die Verbindung der Bestandteile "Schuhe" und "XXL" zu keiner phantasievollen Eigenart der angemeldeten Kennzeichnung. An der fehlenden Schutzfähigkeit ändere sich auch nichts durch die vom Anmelder genannten eingetragenen Zeichen wie "XXL-LIMO", "Radio XXL" oder "GamesXXL", da diese Marken die von ihnen beanspruchten Waren nicht so eindeutig wie die Anmeldemarke beschreibe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hält die Anmeldemarke auch für die zurückgewiesenen Waren für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Eine Beschreibung von möglichen Merkmalen von Schuhwaren scheide schon deshalb aus, weil der Bestandteil "XXL" keine Schuhgrößen bezeichne, zumal er sich hierfür wegen seiner Ungenauigkeit ohnehin nicht eigne. Käme die als Bezeichnung von Bekleidungsgrößen bekannte Angabe hierfür in Betracht, hätte sie sich schon längst durchgesetzt, was aber gerade nicht der Fall sei. Selbst wenn man dies anders sähe, könne die Anmeldemarke allenfalls das Geschäft bezeichnen, in welchem solche Schuhe zu erwerben seien, nicht aber die hier beanspruchten Waren selbst. Aber selbst dann sei die Anmeldemarke mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Ob die Anmeldemarke werbemäßig sei, sei im Rahmen der Schutzfähigkeit nicht zu prüfen und hierfür auch irrelevant. Die Verbindung der Elemente "Schuhe" und "XXL" sei als solche bereits phantasievoll, wobei die Frage der Originalität für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ohnehin nicht von Bedeutung sei. Aus den dargelegten Gründen stelle die Anmeldemarke auch für die weiter zurückgewiesenen Waren keine Bestimmungsangabe dar, zumal der Verkehr die von der Markenstelle genannte Bedeutung nicht unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erfasse. Bei der Anmeldemarke handele es sich zwar um ein sprechendes Zeichen, dem die Schutzfähigkeit aber nicht abgesprochen werden könne. Hierfür sprächen schließlich auch die Voreintragungen vergleichbarer Zeichen.

Auf die entsprechende Anfrage des Senats hat der Anmelder mitgeteilt, dass er sein Warenverzeichnis nicht einschränken wolle und gleichzeitig seinen Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II Die nach den §§ 64, 66 MarkenG sowie nach § 165 Abs.4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde ist nur hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren "Strumpfwaren" begründet, während die Markenstelle hinsichtlich der weiteren Waren, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat. Denn mit Ausnahme der Strumpfwaren fehlt der Anmeldemarke jedenfalls die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. (BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] - PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH) fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 - marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 - City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m.w.N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 - Unter uns; WRP 2000, 298, 299 - Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 - Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - "Test it."; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Werden rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, ohne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff handelt (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD).

Nach diesen Grundsätzen ist der Anmeldemarke jedenfalls für Taschen, Schuhwaren und Sportgeräten die erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen. Wie auch der Anmelder nicht in Abrede stellt, ist sie aus dem Begriff "Schuhe", welcher die beanspruchten Schuhwaren unmittelbar benennt, und der Buchstabenfolge "XXL" zusammengesetzt, bei der es sich um die übliche Abkürzung für "extra extra large" handelt (vgl. http://www.acronymfinder.com/afquery.asp€String=exact&Acronym=xxl). Die Abkürzung "XXL" wird dabei auf einer Vielzahl von Warengebieten als Hinweis auf besonders große Größen verwendet und ist, wie auch der Anmelder selbst eingeräumt hat, insbesondere als Größenangabe im Bekleidungssektor gebräuchlich. Zwar wird sie zur Kennzeichnung von Schuhgrößen im allgemeinen nicht verwendet; dies bedeutet aber entgegen der Auffassung des Anmelders nicht, dass sie für den Verkehr nicht auch für Schuhe ohne weiteres Nachdenken verständlich wäre und er ihr eine andere Bedeutung als die im Modebereich übliche zumessen würde. Denn wegen der vielfältigen Berührungspunkte und der engen funktionalen Nähe zwischen Bekleidung und Schuhen als Mittel der Körperbedeckung, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass ihnen eine markenrechtlich im Hinblick auf eine Verwechslungsgefahr relevante Ähnlichkeit (§§ 9, 14 MarkenG) zumindest mittleren Grades nicht abgesprochen werden kann (vgl. 27 W (pat) 246/00 - BLUE BROTHERS/BLUES BROTHERS; 27 W (pat) 344/00 - UNICA/UNI CAT; 27 W (pat) 226/00 - MECCA/MELKA; 27 W (pat) 151/02 - Fimma/Fiamma; sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM; LG Düsseldorf, Mitt 2001, 456, 458), werden die angesprochenen Verkehrskreise, wenn sie ihr in Zusammenhang mit den Schuhen begegnen, ohne weiteres die ihnen aus dem Bekleidungssektor für Kleidergrößen geläufige Sachangabe "XXL" auf Schuhe ohne jeden Bedeutungswandel übertragen und als eine mögliche Größenangabe auffassen. Der Einwand des Anmelders, die Größenangabe "XXL" sei für Schuhe wegen ihrer Ungenauigkeit ungeeignet, steht dem nicht entgegen. Selbst wenn dies der Fall wäre, werden die angesprochenen Verbraucher, auf deren Sicht es in bezug auf die Unterscheidungskraft allein ankommt und welche Größenangaben so entgegennehmen wie sie ihnen von Herstellerseite entgegentreten, die Angabe "XXL" nur als Sach- und nicht als Herkunftshinweis auffassen; denn wenn sie der ihnen zur Bezeichnung übergroßer Größen von Bekleidungsstücken geläufigen Buchstabenfolge "XXL" in Zusammenhang mit Schuhen begegnen, wird es für sie geradezu auf der Hand liegen, diese Angabe spontan und unmittelbar allein in dem Sinne zu verstehen, dass es sich bei den mit ihr gekennzeichneten Produkten um übergroße Schuhe handelt, was durch die vorangestellte, diese Produkte unmittelbar benennende Angabe "Schuhe" noch zusätzlich verstärkt wird.

Ein solches Verständnis der Anmeldemarke liegt für die angesprochenen Verkehrskreise aber nicht nur bei Schuhwaren, sondern auch bei den ebenfalls beanspruchten Sportgeräten und Taschen nahe. Denn unter den Oberbegriff "Sportgeräte" fallen auch beispielsweise Rollschuhe, Inline-Skater, Schlittschuhe und Skischuhe. Da es sich bei diesen letztlich um besondere, auf bestimmte Sportarten zugeschnittene und hierfür mit zusätzlichen Ausstattungsmerkmalen versehene Schuhe handelt, werden bei ihnen Sachangaben aus dem Schuhbereich nicht anders als bei Schuhen selbst aufgefasst werden. In bezug auf diese Sportgeräte wird der Verkehr die Anmeldemarke daher nur in dem Sinn verstehen, dass es sich um extragroße Roll-, Ski- oder Schlittschuhe oder Inline-Skater handelt. Was schließlich die Taschen betrifft, so zählen zu ihnen - worauf die Markenstelle zutreffend hingewiesen und dem auch der Anmelder nicht widersprochen hat - auch Schuhtaschen, welche dem Schutz und dem Transport von Schuhen dienen; für solche stellt sich die Bezeichnung "SchuheXXL" aber ohne weiteres als Bestimmungsangabe dergestalt dar, dass diese Taschen zur Aufnahme übergroßer Schuhe bestimmt und geeignet sind.

Da die beiden Bestandteile "Schuhe" und "XXL" je für sich bereits die vorgenannten beanspruchten Waren beschreiben, könnte ihre Verbindung in der Anmeldemarke nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, a.a.O.- BIOMILD; EuGH GRUR 2004, 674, 678 [Rz. 100 f.] - POSTKANTOOR) nur dann ihre Funktion als Marke für die o.g. Waren erfüllen, wenn ihr ein über den beschreibenden Gehalt der Einzelbestandteile hinausgehender Sinngehalt zukäme. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere ergibt sich dies nicht daraus, dass die Größenangabe "XXL" in der Anmeldemarke der Produktangabe "Schuhe" nachgestellt und mit dieser ohne Zwischenraum unmittelbar verbunden ist, weil die Verbraucher an eine solche Wortbildung bei schlagwortartigen und abkürzenden Angaben allseits gewöhnt sind, wie sie insbesondere bei Werbeschlagworten häufig anzutreffen sind; sie werden die Anmeldemarke "SchuheXXL" daher ohne jedes Nachdenken in dem Sinne "Schuhe der Größe XXL" verstehen.

Soweit der Anmelder auf Voreintragungen hingewiesen hat, kommen diese nicht einmal als Indiz für eine Schutzfähigkeit der hier zu beurteilenden Anmeldemarke in Betracht. Denn diese Zeichen sind mit der hier zu beurteilenden Kennzeichnung nicht zu vergleichen; dies folgt schon daraus, dass sie für Waren und Dienstleistungen eingetragen sind, die mit den hier in Rede stehenden Produkten keinerlei Ähnlichkeit aufweisen. Darüber hinaus stehen die Waren, für welche die vom Anmelder genannten Vergleichszeichen geschützt sind, anders als die hier in Rede stehenden Schuhwaren in keinem so engen Verhältnis zu anderen Waren, bei denen der Bestandteil "XXL" eine gebräuchliche Größenangabe darstellt, wie dies für das Verhältnis von Schuhwaren zu Bekleidungsstücken der Fall ist.

Etwas anderes gilt allerdings entgegen der Ansicht der Markenstelle für die von ihr ebenfalls zurückgewiesenen Strumpfwaren. Insoweit wird der Verkehr zwar den Bestandteil "XXL" ebenfalls ohne weiteres als Größenangabe verstehen, wobei der für Schuhe erhobene Einwand des Anmelders, dass eine solche Größenangabe wegen der Besonderheit der Schuhgrößen ungeeignet sei, bei Strumpfwaren schon deshalb nicht greift, weil es heutzutage üblich ist, ein Strumpfprodukt für mehrere Schuhgrößen zu produzieren und anzubieten, was dem Verkehr durch entsprechende Kennzeichnungen wie "Größe 41-45" - die durchaus durch die Größenangaben "XL" oder "XXL" ersetzt werden könnten - bekannt ist. Die Markenstelle hat aber übersehen, dass die Anmeldemarke nicht nur aus diesem Bestandteil, sondern dem ihm vorausgehenden weiteren Wort "Schuhe" gebildet ist. Dieses kann aber mögliche Merkmale der Strumpfwaren nicht bezeichnen; insbesondere scheidet auch die Möglichkeit einer Bestimmungsangabe aus, weil Strümpfe nicht für Schuhe, sondern für (menschliche) Füsse gedacht sind. Auch wenn Strumpfgrößen sich üblicherweise an Schuhgrößen orientieren und der weitere Bestandteil "XXL" als Größenangabe in Betracht kommt, bedürfte es bei dieser zurückgewiesenen Ware doch mehrerer Gedankenschritte, bevor der Verkehr der angemeldeten Bezeichnung auch bei Strumpfwaren eine warenbeschreibende Bedeutung entnehmen kann; zu solchen analysierenden Betrachtungen neigt der Verkehr aber im allgemeinen nicht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 - PROTECH). Dass diese Gedankenschritte ohne großen intellektuellen Aufwand letztlich nahe liegen, mag bei der Beurteilung des Schutzumfangs der Anmeldemarke von Bedeutung sein, kann ihr aber das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft für diese Waren nicht zu nehmen.

Da die Anmeldung daher für Strumpfwaren nicht wegen mangelnder Unterscheidungskraft oder Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen werden kann, war auf die Beschwerde des Anmelders der entgegenstehende Beschluss der Markenstelle teilweise für diese Waren aufzuheben, während der weitergehenden Beschwerde der Erfolg zu versagen war.

van Raden Prietzel-Funk Schwarz Ju






BPatG:
Beschluss v. 30.08.2005
Az: 27 W (pat) 7/05


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