Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juli 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 324/04

(BPatG: Beschluss v. 20.07.2006, Az.: 23 W (pat) 324/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Das angegriffene Patent 100 19 408 (Streitpatent) wurde unter der Bezeichnung "Feldeffekttransistor, insbesondere zur Verwendung als Sensorelement oder Beschleunigungssensor, und Verfahren zu dessen Herstellung" am 19. April 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und am 13. November 2003 veröffentlicht.

Gegen das Patent hat die A... AG mit Schriftsatz vom 13. Februar 2004 - beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen am selben Tag - Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit zu widerrufen, wobei der Einspruch u. a. auf die Druckschriften E1 EP 0 990 911 A1 und E3 DE 44 31 478 A1 gestützt wird.

Mit Schriftsatz vom 16. September 2004 hat die Patentinhaberin neue Patentansprüche 1 bis 12 eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2006 hat die Patentinhaberin zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents einen neuen Patentanspruch 1 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass dessen Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2006, Patentansprüche 2 bis 12, eingegangen am 16. September 2004, Beschreibung, Spalten 1 bis 11 in der erteilten Fassung mit der Maßgabe, dass die Abschnitte <0007> bis <0011> durch die Beschreibungsseiten 2a und 2b, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2006, ersetzt werden, Zeichnung, Figuren 1 bis 4g in der erteilten Fassung.

Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Feldeffekttransistor, insbesondere zur Verwendung als Sensorelement oder in einem Beschleunigungssensor, mit mindestens einem Drainbereich (12) und mindestens einem Sourcebereich (13); die über mindestens einen Kanalbereich (21) voneinander getrennt sind und sich innerhalb eines zumindest bereichsweise planaren Substrates (10) befinden, sowie mit mindestens einer Gateelektrode (16), die zumindest weitgehend freitragend oberhalb des Substrates (10) über zumindest einem Bereich des Kanalbereiches (21) angeordnet ist, wobei die Gateelektrode (16) über zwei einander gegenüberliegende, auf einer gemeinsamen Achse angeordneten Federn (18) mit insgesamt vier Verankerungen (19) mit dem Substrat (10) verbunden ist, wobei jeweils zwischen der Feder (18) und den beiden zugeordneten Verankerungen (19) eine Temperaturschwankungen kompensierende Federstruktur (20) angeordnet ist, und die Gateelektrode (16) derart federnd gelagert ist, dass eine auf die Gateelektrode (16) einwirkende äußere Kraft, die eine parallel zu der Oberfläche des Substrates (10) gerichtete Komponente hat, eine zumindest näherungsweise parallel zu der Oberfläche des Substrates (10) gerichtete Auslenkung der Gateelektrode (16) aus der Ruhelage bewirkt."

Hinsichtlich der geltenden Patentansprüche 2-12 weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt wurde.

III.

Der form und fristgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet, denn der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig.

1) Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen keine Bedenken. Die Einsprechende hat innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patent den Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht und den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 und dem Stand der Technik nach von ihr genannten Schriften im Einzelnen hergestellt.

2) Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche bestehen keine Bedenken.

3) Beim Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 ist bei einem Feldeffekttransistor, der als Sensorelement verwendet wird, die federnde Lagerung der Gateelektrode realisiert, indem sie über zwei einander gegenüberliegende, auf einer gemeinsamen Achse angeordnete Federn mit insgesamt vier Verankerungen mit dem entsprechenden Substrat verbunden ist, wobei jeweils zwischen der Feder und den beiden zugeordneten Verankerungen eine Temperaturschwankungen kompensierende Federstruktur angeordnet ist. Durch diese Federstruktur kann eine deutliche Verringerung der Temperaturabhängigkeit des Messignals des linearen Sensorelementes erreicht werden, vgl. Spalte 7, Zeilen 21 bis 23 der Streitpatentschrift.

4) Der zweifelsohne gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 ist zwar neu, jedoch beruht er gegenüber dem Stand der Technik nach den Druckschriften E1 und E3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Als zuständiger Fachmann ist dabei ein auf dem Gebiet der Sensortechnik berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik mit Kenntnissen der Halbleiterfertigungstechnik anzusehen.

Aus der Druckschrift E3, vgl. dort insb. die Figur 1 mit Text sowie die in Spalte 1, Zeilen 46 bis 49 genannte Zielsetzung, ist ein temperaturkompensierter kapazitiver Sensor bekannt, wobei bereits die bewegte Elektrode (3) des Beschleunigungssensors über zwei einander gegenüberliegende, auf einer gemeinsamen Achse angeordnete Federn (Bezugszeichen 5 in Fig. 1) der mit insgesamt vier Verankerungen (7, die mittlere Verankerung ist dabei beiden Federn gemeinsam) mit dem Substrat verbunden ist und wobei jeweils zwischen der Feder und den beiden zugehörigen Verankerungen eine Temperaturschwankungen kompensierende Federstruktur mit Ausgleichsbalken 8 angeordnet ist.

Wie in der Streitpatentschrift zutreffend dargestellt ist, weisen kapazitive Sensoren den Nachteil der Nichtlinearität auf, vgl. den Abschnitt <0013> der Streitpatentschrift. Demgegenüber haben ausweislich der Druckschrift E1 Sensoren, die auf dem Feldeffektprinzip beruhen, eine lineare Charakteristik, vgl. dort den Abschnitt <0027>.

Folglich bietet es sich dem Fachmann an, den aus der Druckschrift E3 bekannten Sensor dadurch zu einen linearen Sensor zu machen, dass er entsprechend der Anregung durch die Druckschrift E1 als Feldeffekttransistor mit mindestens einem Drainbereich (D) und mindestens einem Sourcebereich (5) ausgebildet wird, die über mindestens einen Kanalbereich (K) voneinander getrennt sind und sich innerhalb eines zumindest bereichsweise planaren Substrats (5) befinden, sowie mit mindestens einer Gateelektrode (G), die zumindest weitgehend freitragend oberhalb des Substrates (5) über zumindest einem Bereich des Kanalbereiches (K) angeordnet ist, wobei die Gateelektrode (G) mit mindestens einer Verankerung mit dem Substrat verbunden und derart federnd gelagert ist, dass eine auf die Gateelektrode einwirkende äußere Kraft, die eine parallel zu der Oberfläche des Substrates gerichtete Komponente hat, eine zumindest näherungsweise parallel zu der Oberfläche des Substrates (5) gerichtete Auslenkung (P) der Gateelektrode (G) aus der Ruhelage bewirkt (vgl. Druckschrift E1, Anspruch 1 und Figuren 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung).

Damit gelangt der Fachmann ohne erfinderisches Zutun aber schon zum Gegenstand des Patentanspruches 1 des Streitpatents.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher nicht patentfähig.

5) Mit dem Patentanspruch 1 fallen aufgrund der Antragsbindung die Ansprüche 2 bis 12.

6) Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.






BPatG:
Beschluss v. 20.07.2006
Az: 23 W (pat) 324/04


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