Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 3. März 1999
Aktenzeichen: 34 O 156/98

(LG Düsseldorf: Urteil v. 03.03.1999, Az.: 34 O 156/98)

Tenor

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorstand der Antragsgegnerin zu vollstrecken ist, untersagt,

a)

ihre Mitglieder, soweit sie von Pflegediensten betreut werden, die dem Antragsteller angehören, aufzufordern, Pflegeverhältnisse zur Erbringung von Leistungen nach den SGB V zu beenden und neue Pflegeverhältnisse nur mit von ihr empfohlenen Pflegediensten abzuschließen,

b)

gegenüber ihren Mitgliedern, soweit sie von Pflegediensten betreut werden, die dem Antragsteller angehören, zu behaupten,

bei den in der Anlage 2 zum Vertrag über häusliche Krankenpflege, die nachstehend wiedergegeben wird, genannten Beträge handelt es sich um marktübliche Preise und daß Pflegedienste, soweit sie Mitglieder des Antragstellers sind, keine Zuzahlungen nehmen dürfen für den Fall, daß die Vergütungssätze der Antragsgegnerin nicht akzeptiert werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verein zur Förderung der gewerblichen Interessen seiner 470 angeschlossenen selbständigen privaten Krankenpflegedienste in Nordrhein-Westfalen.

Die Antragsgegnerin ist ein Zusammenschluß ehemaliger selbständiger Betriebskrankenkassen mit rund 32.000 Mitgliedern.

Zwischen den Parteien ist ein Vertrag gem. § 132 SGB V zustandegekommen, auf Grund dessen Krankenpflegedienste, die dem Antragsteller angeschlossen sind, Mitgliedern der Antragsgegnerin Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege erbracht haben. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden Rahmenvertrag zum 31.12.1997 gekündigt. In § 20 Abs. 4 dieses Vertrages ist festgelegt, daß bis zum Abschluß einer neuen Vereinbarung die bisherigen Preise weitergelten.

Mit den übrigen an dem Rahmenvertrag beteiligten Krankenkassen ist es entweder zu Neuabschlüssen gekommen oder es ist vereinbart worden, daß der bisherige Rahmenvertrag weiterhin Gültigkeit besitzt; ergänzt worden ist dann lediglich eine neue Vergütungsvereinbarung, wie dies zum Beispiel mit der geschehen ist.

Nach Wirksam erden der Kündigung hat die Antragsgegnerin sich mit Schreiben vom 27.2.1998 an Mitglieder gewandt, die von Pflegediensten betreut wurden, die dem Antragsteller angehören. In diesem Schreiben heißt es:

"Sehr geehrte Frau ...,

wir hatten Sie vor einiger Zeit informiert, daß zwischen dem von Ihnen gewählten Pflegedienst und unserer kein gültiger Vertrag mehr besteht.

Leider konnten wir mit dem Pflegedienst keine Einigung über einen neuen Vertrag erzielen. Wie in unserem damaligen Schreiben schon angekündigt, bedeutet dies, daß Sie einen anderen Pflegedienst in Anspruch nehmen müssen. Um Ihnen die Mühe zu ersparen, selbst einen Pflegedienst suchen zu müssen, mit dem wir einen Vertrag haben, schlagen wir vor, daß Sie sich telefonisch mit uns in Verbindung setzen. Wir benennen gerne Pflegedienste, mit denen wir gültige Verträge haben. ... Bevor Sie Vereinbarungen mit einem Pflegedienst schließen, die Sie unter Umständen finanziell belasten, sollten Sie sich in jedem Fall mit uns in Verbindung setzen.”

In einem weiteren Schreiben der Antragsgegnerin vom 9.4.1998 an Mitglieder, die ebenfalls von Pflegediensten betreut werden, die dem Antragsteller angehören, hat die Antragsgegnerin ausgeführt:

"Für die Zeit vom 1.4.1998 bis 30.6.1998 übernehmen wir die Kosten der medizinisch erforderlichen Behandlungspflege für folgende Leistungen: Medikamentengabe 1 x täglich, 7 x wöchentlich.

Anliegend erhalten Sie unsere Preisliste, aus der Sie entnehmen können, zu welchen marktüblichen Preisen wir die Leistungen übernehmen. Vorsorglich weisen wir darauf hin, daß der von Ihnen gewählte Pflegedienst keine Zuzahlungen von den von uns genehmigten Leistungen erheben darf. Sollte Ihr Pflegedienst nicht bereit sein, die Behandlungspflege zu diesen Konditionen zu erbringen, sind wir gern bereit, Ihnen Vertragspartner zu nennen, die eine qualitativ gleichwertige Leistung erbringen.”

Der Antragsteller sieht in diesen Aussagen der Antragsgegnerin eine sittenwidrige und die Freiheit des Wettbewerbs beeinträchtigende Handlungsweise gem. §§ 1, 3 UWG der Antragsgegnerin und begehrt insoweit Unterlassung. Außerdem ist der Antragsteller der Ansicht, die Handlungsweise der Antragsgegnerin verstoße auch gegen Kartellrecht gem. §§ 26, 35 GWB, so daß auch insoweit ein Unterlassungsanspruch gerechtfertigt sei.

Der Antragsteller beantragt,

wie geschehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin ist zunächst einmal der Ansicht, eine Irreführung sei nicht gegeben; im übrigen seien die Hinweise an ihre Mitglieder als Versicherte im Rahmen der öffentlichrechtlich gebotenen sozialversicherungsrechtlich vorgeschriebenen Beratungspflicht erfolgt und insoweit notwendig gewesen. Auch ein Verstoß gegen Kartellrecht sei nicht gegeben, zumal die Antragsgegnerin nicht als marktbeherrschend oder marktstark anzusehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.

Zunächst einmal ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig. Dies bedarf keiner weiteren Entscheidung, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf durch Beschluß vom 9.7.1998 (20 W 30/98 OLG Düsseldorf) eine entsprechende Entscheidung bezüglich des Rechtswegs bindend getroffen hat.

Die von dem Antragsteller geltend gemachten Unterlassungsansprüche ergeben sich aus §§ 13 Abs. 2 Nr. 2; 1, 3 UWG. Danach kann der Antragsteller von der Antragsgegnerin verlangen, daß diese es unterläßt, die sich aus dem Urteilsausspruch im einzelnen ergebenden Aussagen weiterhin zu treffen.

Soweit die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27.2.1998 ihren Mitgliedern bzw. Versicherten, soweit sie von Pflegediensten betreut werden, die dem Antragsteller angehören, die Aufforderung hat zukommen lassen, Pflegeverhältnisse zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB V zu beenden und neue Pflegeverhältnisse nur mit von ihr empfohlenen Pflegediensten abzuschließen, ist diese Aussage der Antragsgegnerin, insbesondere auch ihre Aussage, daß der Versicherte einen anderen Pflegedienst in Anspruch nehmen müsse, zunächst einmal irreführend im Sinne des § 3 UWG. Wie die Antragsgegnerin nämlich selbst in ihrem Schreiben vom 17.3.1998 an die anwaltlichen Bevollmächtigten des Antragstellers, die Rechtsanwälte in Schwelm, eingeräumt hat und sich aus den Regelungen im Sozialgesetzbuch Vergibt, besteht nämlich eine Wahlfreiheit zwischen den Leistungserbringern, so daß in keinem Falle lediglich von der Antragsgegnerin empfohlene Pflegedienste als Vertragspartner der Versicherten in Betracht kommen können. Insoweit ist die entsprechende Aussage der Antragsgegnerin irreführend im Sinne des § 3 UWG und damit wettbewerbswidrig, so daß ein entsprechender Unterlassungsanspruch gegeben ist. Mit ihrem wettbewerbswidrigen Verhalten tritt die Antragsgegnerin auch im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf, denn sie fördert den Wettbewerb der von ihr empfohlenen Pflegedienste, da mit diesen Pflegeverhältnisse zustande kommen sollen. Diese Absicht, fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers - hier der Mitglieder des Antragstellers - zu fördern, reicht aus, um von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auszugehen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Einleitung UWG Rdnr. 232). Daß die Antragsgegnerin, wie sie vorträgt, dabei keine Gewinnerzielungsabsicht haben mag, steht der Annahme eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs nicht entgegen. Insoweit genügt die - hier gegebene - konkrete Zielsetzung, sich am Wettbewerb zu beteiligen (vgl. BGH GRUR 1982, 425, 430 - Brillen-Selbstabgabestellen).

Ein Unterlassungsanspruch ist auch im Hinblick auf die Aussage der Beklagten in ihrem weiteren Schreiben vom 9.4.1998 an ihre Mitglieder, soweit sie von Pflegediensten betreut werden, die dem Antragsteller angehören, gem. §§ 1, 3 UWG gegeben. Soweit die Antragsgegnerin darin nämlich die Aussagen getroffen hat, es handele sich bei den genannten Beträgen um marktübliche Preise und die Pflegedienste, soweit sie Mitglieder des Antragstellers sind, dürften keine Zuzahlungen nehmen, sind diese Aussagen der Antragsgegnerin ebenfalls wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 1, 3 UWG. Auch insoweit ist insbesondere eine Irreführung gegeben, da nach dem unbestrittenen Vortrag des Antragstellers die und alle im Rheinland vertretenen Betriebskrankenkassen mit Ausnahme der Antragsgegnerin andere Vergütungssätze zahlen, so daß von einer Marktüblichkeit der Vergütungssätze der Antragsgegnerin nicht ausgegangen werden kann. Eine Irreführung liegt darüber hinaus in der Behauptung, daß die Pflegedienste keine Zuzahlungen verlangen dürfen; Zuzahlungen dürfen nämlich grundsätzlich nur dann nicht verlangt werden, wenn dies vertraglich vereinbart ist, was vorliegend nicht der Fall ist.

In den vorgenannten Handlungsweisen der Antragsgegnerin ist darüber hinaus auch ein Verstoß gegen § 1 UWG zu sehen, weil die Antragsgegnerin durch ihr Eingreifen in den Wettbewerb durch irreführenden Aussagen gegenüber ihren Mitgliedern in einem nicht unerheblichen Umfang einen Leistungswettbewerb ausschaltet und damit zu einer ernstlichen Gefahr für dessen Bestand führt, was mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren ist (vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 937 m.w.N.).

Die Handlungsweise der Antragsgegnerin ist auch nicht aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht geboten oder gerechtfertigt. Die Antragsgegnerin kann sich insoweit jedenfalls nicht auf eine Beratungspflicht gegenüber den Versicherten berufen, denn es verstößt gegen die guten Sitten, wenn die Antragsgegnerin als öffentlichrechtliche Körperschaft und Trägerin der gesetzlichen Sozialversicherung ihre Autorität und die damit verbundene Vertrauensstellung durch Irreführung zur Förderung fremden Wettbewerbs ausnutzt.

Nach alledem sind die von dem Antragsteller geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegeben.

Ein Verfügungsgrund ergibt sich aus der gesetzlichen Vermutung gem. § 25 UWG, so daß den Anträgen des Antragstellers in vollem Umfang zu entsprechen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil Urteile, die in einem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ergehen, ohne weiteres vollstreckbar sind.

Streitwert: 50.000,-- DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 03.03.1999
Az: 34 O 156/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fbcb0c62e799/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_3-Maerz-1999_Az_34-O-156-98




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share